Verträge für ein schönes Leben

Erstveröffentlicht: 
28.04.2016

Im Connewitzer Altersheim werden Senioren seltsame Verträge vorgelegt

 

Im Seniorenwohnpark in der Biedermannstraße gibt es Verwirrung. Einzelne Bewohner haben merkwürdige Briefe von der Hausvermietung erhalten und fühlen sich unter Druck gesetzt. Die Connewitzer Initiative »Für das Politische« unterstützt die Senioren und versucht, die Situation aufzuklären.

 

Durch eine gläserne Automatiktür betritt man das Gebäude, in dem 120 barrierefreie Wohnungen auf mehreren Etagen vermietet werden. Hier wohnen vor allem ältere Menschen, aber auch jüngere, die aufgrund einer körperlichen Einschränkung auf die barrierefreien Wohnungen angewiesen sind. Außerdem hat ein Pflegedienst Räume gemietet, der mit einigen Bewohnern Pflegeverträge geschlossen hat, eine andere Firme bietet den Bewohnern Serviceleistungen an, wie zum Beispiel das Nutzen der Gemeinschaftsräume oder Demenztraining.

 

Anfang des Jahres bekamen nun einzelne Hausbewohner mahnende Briefe. Sie wurden dazu aufgefordert, Service-Verträge abzuschließen. Wer den Vertrag nicht abschließe, trage dazu bei, dass man die Mieten anheben müsse. Wer nicht auf Serviceleistungen angewiesen sei, solle sich eine einfachere Wohnform suchen und seine Wohnung für andere Menschen freigeben.

 

Über Bekannte hat Eike Sommer von dem Schreiben erfahren. Mit einigen Freunden engagiert er sich bei »Für das Politische«, einer Connewitzer Initiative für politisches Engagement in Leipzig. Er ist verärgert über die Situation der Senioren. »Viele waren verunsichert und haben sich unter Druck gesetzt gefühlt, sagt er. »Und es hat auch eine komische Stimmung zwischen den Bewohnern erzeugt. Weil es scheinbar für alle teurer werden könnte, wenn einige diese Verträge nicht abschließen.« Daraufhin hatte Sommer die Hausbewohner zu einem gemeinsamen Treffen im gegenüberliegenden Kindergarten eingeladen, »um den Leuten auch noch mal klar zu sagen, dass sie eigentlich gar nicht in so einen Service-Vertrag gezwungen werden dürfen«, da die Mietverträge nicht an den Abschluss eines Service-Vertrags gekoppelt sind.

 

Auf die Einladung zum klärenden Gespräch reagierte die Vermietung mit einem beschwichtigenden Schreiben an die Bewohner: Es sei nicht nötig, zu dem Treffen zu gehen. Trotzdem kamen am 11. April etwa zwanzig Mieter zu der gemeinsamen Besprechung. »Wir haben dazu geraten, sich nicht unter Druck setzen zu lassen«, meint Sommer. Zwei Bewohner hatten zu dem Zeitpunkt aus Unsicherheit bereits den Vertrag unterschrieben. »Wir haben betont, dass das Schreiben auch aus Datenschutzgründen streitbar sein könnte«, meint Sommer.

 

Denn obwohl Informationen über die Abschlüsse von Verträgen im Allgemeinen nicht an Dritte weitergegeben werden, waren die Briefe im Namen von allen drei Unternehmen (Hausvermietung Leyendecker KG, Serviceanbieter Gesund-Wohnbau GmbH, Pflegedienst Vitamed GmbH) an Bewohner geschickt worden, die bisher keinen Service-Vertrag abgeschlossen hatten. Jetzt überprüfen Anwälte, ob die Unternehmen den Datenschutz einiger Bewohner verletzt haben.

 

Sommer und seine Mitstreiter haben einen Beschwerdebrief an die drei Unternehmen geschrieben. Sie fordern, »unrechtmäßige Einschüchterungsversuche und Nötigungen« der Mieter zu unterlassen und den »Sachverhalt« gegenüber den Hausbewohnern aufzuklären. Auch mehrere Läden und Initiativen aus dem Leipziger Süden sind im Brief als Unterstützer aufgelistet. Eine Reaktion auf das Schreiben kam aber bisher noch nicht.

 

Beim nächsten Treffen mit den Bewohnern wird nach einer Möglichkeit gesucht, die beiden Verträge wieder aufzulösen. Außerdem soll ein Mieterrat gewählt werden. Auch der war im besagten Schreiben vom Jahresanfang erwähnt worden. Die Hausbewohner konnten sich aber nicht daran erinnern, je einen Mieterrat gewählt zu haben. Auf Nachfrage der Connewitzer Initiative stellte sich heraus, dass Vertreter der Unternehmen den Mieterrat bilden. Hinter den Glastüren der Biedermannstraße sind die Senioren über die Verstrickungen verwirrt, aber in die Service-Verträge wollen sie sich nicht drängen lassen.

 

 

FRANZISKA SCHARF

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aber hoffentlich leb ich nicht zu lange, um in ein Altenheim verfrachtet zu werden. Eine Tante von mir "kostete" schwerst pflegebedürftig 6500 DM/Monat. Im Zweibettzimmer also erstmal 13.000 Einnahmen für das Haus. Ernährt wurde sie am Schlauch, weil ein Schlaganfall essen unmöglich machte. Gefühlt kamen PflegerInnen ein bis zweimal am Tag vorbei. Sooft ich meine Tante besuchte, hing sie jedenfalls alleine am Schlauch. Das war damals für mich Verwertung bis zur Perversion. Minimaler Aufwand, maximaler Gewinn.

Auch die anderen BewohnerInnen wurden bis zu deren Ableben mehr oder weniger eher geparkt, als halbwegs menschenwürdig untergebracht und umsorgt zu werden. Manchmal getraute ich mich selbst nicht, meine Tante zu besuchen, weil das halbe Heim sich um den seltenen Besucher riss. Schwer in Worte zu fassen. Seit damals wünsch ich mir lieber einen Herzinfark beim Spazierengehen als dieses profitorientierte Siechtum.

Trotzdem ein kleiner Lichtblick, dass es noch Menschen gibt, die den Alten noch helfen wollen und können !