KliCaKloZe: Klozeitung zu NGO-Kritik (Lausitzer Klimacamp)

KliCaKloZe Seite  1

Auf dem Lausitzer Klimacamp ist Ausgabe 1 der KliCaKloZe aufgetaucht, die wir hiermit auch auf indy zur Verfügung stellen wollen.
KliCaKloZe - ist eine Mitmach-Campzeitung, d.h.: Wir brauchen euch! Ausgabe 2 erscheint voraussichtlich am Donnerstag, Artikeleinsendungen bitte per Mail an klicakloze at riseup dot net oder in unseren Artikelbriefkasten direkt auf dem Camp


NGOs und ihre Rolle im Widerstand

Wir wollen mit dem folgenden Text einen kritischen Blick auf Verbände und ihre Rolle im Klimaschutzwiderstand werfen. Unsere Perspektive ist dabei...

...nicht nett und nicht neutral, denn ihr könnt uns alle mal

Ja, das ist drastisch und natürlich ein Stück weit überspitzt. Wir empfinden das Verhalten einiger Verbandsvertreter_innen jedoch nicht nur auf einer persönlichen Ebene oft als ätzend, sondern auch als politisch falsch und kontraproduktiv. Wie wir zu dieser Einschätzung gelangt sind, versuchen wir im Folgenden anhand von Beispielen und Gedankenfragmenten zu Geld, Konkurrenz, Lohnarbeit und Selbstermächtigung etwas nachvollziehbarer zu machen.

1. Spendenabhängigkeit/ Fundraising/ Marketing
Wer auf dem Spendenmarkt mitmischt (weil z.B. Bürostrukturen und Hauptamtliche finanziert werden „müssen“) muss zwangsläufig mit anderen NGOs konkurrieren. Wer sich am besten darstellt, das beste Marketing macht, die besten Fotos hat, die größten Kinderkulleraugen veröffentlicht, die besten Aktionen macht, die sinnvollsten Kampagnen startet etc hat die besten Chancen auf Spenden. Dadurch wird das Konkurrenz-Modell, welches ohnehin schon die Wirtschaft und beängstigend viele Bereiche des zwischenmenschlichen Umgangs bestimmt, nun auch im Widerstand zur Normalität. Statt gemeinsam mit anderen zu agieren wird zwar vordergründig eine Kooperation und ein Miteinander suggeriert (weil alles andere schlecht aussähe für Verbände, die doch die Welt verbessern wollen), aber hinter den Fassaden sieht es oft ganz anders aus. Da gibt es dann Streit, welches Konto beworben wird, wer wie viel vom Kuchen abbekommt, wer wann das eigene und wann das Gemeinschaftskonto bewirbt und an welcher Stelle das eigene Verandslogo zu sehen ist und in welcher Größe (dabei vermittelt eine Verbandsname noch nicht mal Inhalte). Ganz selbstverständlich gilt, dass die Organisationen, die mehr Geld geben auch an prominenterer Stelle beispielsweise Demoreden halten dürfen etc. Umweltverbände ziehen Klagen gegen Kohlegrubenbetreiber zurück, weil der Kohlekonzern im Gegenzug verspricht, die Gerichtskosten des Verbands zu übernehmen etc. Zudem ist das offensive Einwerben von Spenden immer auch eine Form des Ablasshandels, weil Menschen sich ihre Passivität erkaufen. Wer spendet muss kein schlechtes Gewissen mehr haben, selber nicht aufzustehen gegen den ganzen Mist. Wer kein Geld hat, hat diese Möglichkeit natürlich nicht (und wird möglicherweise ohnehin schon sozialrassistisch diskriminiert, weil er/sie nicht im Bioladen einkauft etc). Auch hier verstärkt also das omnipräsente Spendenmodell ganz unschöne gesellschaftliche Normalitäten.

2. Statt die Aktionen für sich sprechen zu lassen bestimmen wenige Menschen in zentralen Gremien und Apparaten die Außenwahrnehmung der Bewegung. Anderer Initiativen Erfolge werden vereinnahmt, wo es geht. Statt das Außer-Kontrolle-geraten von Bewegung zu wollen, damit sie wächst und unberechenbar ist und wirklich eine Chance hat, am Bestehenden zu rütteln, wird das Geschehende in Kampagnen gepresst, markttauglich entradikalisiert und pressetauglich weichgespült. Widerstand wird berechenbar statt effektiv. Aus Angst vor dem Verlust der Gemeinnützigkeit (die primär wichtig ist, weil es dann wegen Absetzbarkeit mehr Spenden gibt) werden teilweise sogar Blockadeaktionen nicht mehr als solche benannt, sondern blumig umschrieben. Bei Großaktionen sitzen Funktionär_innen am Telefon, um im Zweifelsfall die Gesamtaktion zentral zu managen, wenn sie aus dem vorgedachten Rahmen auszubrechen droht.

3. Hauptamt verändert die Hauptamtlichen.
So attraktiv es erscheinen mag, vom Widerstand leben zu können, so gefährlich ist es auch, diesen Weg einzuschlagen. Oft naiv und unreflektiert glauben Menschen wirklich daran, dass das Festangestelltendasein ihre politische Einstellung nicht verändert. Sie merken dabei bedauerlicherweise oft selbst nicht, was mit ihnen passiert. Einstiege praktische Widerständler_innen der Straße, sehen nun ihre Rolle eher am Schreibtisch, finden das effizienter, haben dazugelernt, wissen jetzt, wie realistische Politik auszusehen hat, kennen die richtigen wichtigen Leute und verlernen utopisches Denken. Sie verlieren dadurch zum Einen oft den Kontakt zu radikalen Inhalten (wer bei einem Ministerium arbeitet kann dort schon radikal sein, wenn er/sie etwas fordert, was an anderer Stelle alles andere als radikal wäre. Wenn sich dieser Vorgang wiederholt, glaubt der eigene Kopf irgendwann, diese Position sei auch außerhalb der eigenen Berufswelt „radikal“, das Sein und das Umfeld bestimmen eben das Bewusstsein. Wo mensch arbeitet bestimmt die eigenen Werte und die Vorstellungen davon, was möglich und sinnvoll ist). Zum Anderen verlieren Schreibtischaktive leider ebenso oft den Kontakt zum Widerstand auf der Straße, fangen an, ihn zu belächeln, werden bequem und lege sich Ausreden zurecht, was nun alles dagegen spräche, mitzumachen. Sicherlich kein Phänomen nur in „politischen“ Berufen arbeitender Menschen, hier jedoch durchaus oft verstärkt durch den Selbstbetrug, ja an anderer Stelle für „das Gleiche“ zu kämpfen. Frei von dieser Problematik sind Honorarkräfte natürlich auch keinesfalls. Wer als Fotografin oder Stelzenläufer von selbstständiger künstlerischer Arbeit lebt wird sich dreimal überlegen, ob er/sie tatsächlich für die Ini mit den selbstkopierten Flyern Stelzen läuft auf der Demo, oder ein paar hundert Euro in wenigen Stunden damit verdient, für einen Verband zu laufen. Wer dann auch noch die Fotograf_innen dazu bezahlt (die dann derweil nicht andernorts fotografieren können), kann sich sicher sein, dass die nach außen dominierenden Bilder das gewünschte Zerrbild abgeben und den finanzstärkeren eigenen Verband gut aussehen bzw. kleinere Inis untergehen lassen.

4. Hauptamt verändert die Ehrenamtlichen. Wer sich darauf ausruhen kann, dass es für alle unangenehmen Arbeiten ein Büro gibt, das diese erledigt, gibt damit den eigenen Anspruch nach Selbstermächtigung auf. Warum recherchieren, wenn es dafür die Referent_innen in der zentrale gibt? Warum selber eine Pressemitteilung formulieren? Warum selber einen Flyer schreiben? Eingebunden zu sein in eine Struktur, in der Geld kein Problem darstellt, verändert auch den Blick auf andere Aktive. Glücklicherweise verstehen das immer wieder Aktive und nutzen NGOs als Sprungbrett, um als zunächst unerfahrenere Aktive einen leichteren Einstieg zu finden, sich dann aber von den Verbandsstrukturen zu emanzipieren.



Aus „crimethinc: work: „Aktivist_innen kapitalkräftiger Gruppen schauen mit Verachtung auf mittellose Möchtegern-Revolutionär_innen, sogar mit Verwirrung.Warum können die sich nicht zusammenreißen? Wie können sie erwarten, irgendetwas zu erreichen, wenn sie sich nicht zumindest ein wenig anpassen? Gott, wie unmöglich sie sind! Wissen sie nicht, dass es Stiftungen gibt, die buchstäblich Geld verschenken, wenn du nur weißt, wie du dich zu benehmen hast?“


 

Aus „crimethinc: work: „Auch von denen, die sich selbst einem lebenslangen Kampf verpflichten, reabsorbieren die kapitalkräftigeren reformistischen Organisationen letzten Endes alle außer die hartnäckigsten; auf diese Weise dienen sie als finales Sicherheitsnetz gegen Menschen, die ihr ganzes Potential gegen das kapitalistische System richten. Progressive Nichtregierungsorganisationen bieten den effektivsten Organisator_innen Jobs – und welche Radikalen brauchen keinen Job, ganz besonders einen ethisch vertretbaren?“


 

Aus „crimethinc: work: „In Ergänzung zum unverzüglichen kollektiven Zugang zu Ressourcen brauchen wir Kampfarten, die die Macht an sich umverteilen. Um sich gegen äußere Feinde und ungleiche interne Machtverteilung verteidigen zu können, brauchen rebellische Communities vielschichtige Machtstrukturen, die untereinander für einen Ausgleich sorgen und den Aufbau neuer Hierarchien kontinuierlich untergraben. Es gibt keine Abkürzungen zur Freiheit; politische Parteien oder Führer_innen können sie nicht für uns erkämpfen, sie können sie uns nur nehmen.“


 

„Und wenn du was dagegen machst, dann sperrn se dich in den nächsten Knast“
Wenn NGOs die Herrschaftsfrage ausblenden und die Machtfrage nicht stellen
Ein Problem bei NGOs ist, dass die Frage nach Herrschaft gar nicht erst gestellt wird und oftmals an Politiker_innen appelliert wird, doch nun endlich die Welt zu retten, oder nur so weit agiert wird, bis die herrschende Klasse im eigenen Sinne entscheidet. Das beeindruckendste Beispiel für eine solch absurd verkürzte Kritik lieferte Greenpeace beim Klimagipfel in Kopenhagen mit dem an die Politiker_innen gerichteten Slogan: „Stop talking, act now“.
Klar kann es sinnvoll sein, ab und an  aus taktischen Gründen mit Parteien zu kooperieren, aber dabei sollte nicht vergessen werden, dass  Politiker_innen immer Teil des Problems und nicht der Lösung sind, denn ohne Herrschaft wäre z.B. Umweltzerstörung um einiges schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich. Derzeitig ist es einigen wenigen möglich eigene Interessen gegenüber andereren durchzusetzen und die negativen Folgen ihres Handelns auf andere abzuwälzen. Einfach aufgrund der Tatsache, dass sie auf Herrschaftsmittel wie beispielsweise die Polizei und einen Justizapparat mit deren willigen Vollstrecker_innen, zurückgreifen können.
Wir brauchen keine Stellvertreter_innen, die uns vorgaukeln schon zu wissen was gut für uns ist.  Anstatt appellative Politik zu betreiben, sollten wir lernen, uns selber als handelnde Akteure wahrzunehmen. Es gibt viele Möglichkeiten sich gegen die Ungerechtigkeiten dieses Systems aufzulehnen und für unsere Utopien zu streiten.</p>

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Hallo,

nur als Anregung: Wie wäre es folgenden Text in die zweite Ausgabe aufzunehmen?

https://linksunten.indymedia.org/de/node/178489

Solidarische Grüße und danke für euren NGO-Kritik-Text

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Wieso sollte es dem Braunkohlewiderstand schaden, wenn er es schafft Europas größte Kohlemine für drei Tage still zu legen? Was heißt diese Lesart für den Widerstand? Laut Presseberichten und einem Bekenner_innenschreiben auf Indymedia haben Leute vor ein paar Wochen den Stromanschluss des Tagebaus Hambach angezündet und diesen dadurch eine ganze Weile lang außer Betrieb gesetzt. Verletzt wurde dabei niemand und nach Angaben der Bekenner_innen auch nicht gefährdet, aber ganz schön rein gehauen hat's wohl.

Dass die bürgerliche Presse und Parteien aller Couleur das nicht feiern, wundert nicht, was aber – jedenfalls uns – wundert, sind die Reaktionen und Distanzierungen die so aus dem Widerstand selbst kommen

 

 

Was ist geschehen?


Sonntag morgen brach das Feuer aus: „Gegen 3.35 Uhr stand der komplette Tagebau still, wie am Montag bekannt wurde.“ (Alle, auch die kommenden Zitate aus der Aachener Zeitung)

Irgendwann am Nachmittag ging das erste Gerät wieder in Betrieb: „Den Hauptkohlebagger konnten wir bereits am Sonntagnachmittag wieder in Betrieb nehmen.“

Nach etwa 36 Stunden war der Tagebau wieder zu gut einem Drittel in Betrieb: „Bis Montagabend sollten drei der acht Gerätegruppen, bestehend je aus einem Schaufelradbagger und einem Absetzer, wieder an Netz gehen.“ Aber: „Bis der Tagebaubetrieb wieder normal läuft, werde jedoch noch einige Zeit vergehen.“ Denn: „Aufgrund des plötzlichen Spannungsabfalls kann es auch zu Schäden an den Großgeräten gekommen sein. Alle elektrischen Anlagen müssten deshalb aufwendig überprüft werden.“

Dass die bürgerliche Presse und Parteien aller Couleur das nicht feiern, wundert nicht. Hier ein paar der deutlichsten Beispiele:

„Wer das getan hat, der hat dem Protest gegen die Braunkohle gezielt geschadet.“

“[…] zeigen einige Chaoten, was sie von diesen und anderen Initiativen für eine Auseinandersetzung auf demokratischem Boden halten: nichts. Für sie zählt offenbar nur, ohne Rücksicht auf Verluste möglichst viel zu zerstören. Die Gefährdung von Menschen wird in Kauf genommen.”

“Anarchie ist keine Alternative.”

“Glaubwürdig und als Diskussionspartner ernst genommen werden aber sicher vermehrt nur diejenigen, die sich von kriminellen Taten und Brandstiftern eindeutig und klar distanzieren.”

“Natürlich kann man in der Diskussion um die Energiewende die Meinung vertreten, es müsse alles schneller gehen, schneller raus aus der Braunkohle. Aber, bitte schön, mit Hirn und Verstand.”

“Starkstromkabel in Brand gesetzt. Hierbei brachten die Aktivisten nicht nur sich selber, sondern auch die Einsatzkräfte der Feuerwehr in Gefahr. Der Anschlag ist der traurige Höhepunkt der Proteste der letzten Monate. Immer wieder kommt es rund um den Tagebau zu Einsätzen der Polizei, die gegen die Aktivisten vorgehen muss.“


Was aber – jedenfalls uns – wundert, sind die Reaktionen und Distanzierungen die so aus dem Widerstand selbst kommen. Zitieren können wir sie an dieser Stelle nur noch teilweise, da ein Teil der geposteten Distanzierungen und Theorien mittlerweile wieder gelöscht wurden.

Auf der Seite des Hambacher Forstes war zunächst spekuliert worden, ob die Aktion überhaupt stattgefunden hat und wenn ja, ob nicht RWE die Kabel selbst angezündet hat.

Vor allem das Letztere ist krass. Da schreibt ein Kommentator (der ursprüngliche Blogartikel im selben Tenor ist mittlerweile gelöscht) – aus dem radikalen Widerstand, der Name ist bekannt:

    „Ich gehe schwer von einer False Flag Attacke und moeglicherweise Versicherungsbetrug aus. Ich will hier niemandem die Schuld zuweisen, viel mehr will ich zum Nachdenken anregen – Wer weiss schon, wer es wirklich war? Wer Profitiert von den Anschlaegen? RWE nicht (Schadenbehebungsaufwandt) und die HFB Akitivisten auch nicht (129a/erhoehung der Raeumungsgefahr/Entsolidarisierung/Repressionssteigerung). Bis auf die „friedliche Initiative pro Braunkohle“ faellt mir niemand ein, der von den Anschlaegen profitiert. (Medienarbeit/ggf Zulauf)“ (Rechtschreibfehler im Original)

und außerdem:


„Es ist nicht zu übersehen, dass radikale Aktionen den Tagebau schwer behindern. Bei mir persönlich stößt das auf sehr gemischte Gefühle. Mir machen die Aktionen vor allem Angst. Das bei den Staatlichen Interventionsversuchen vor allem unschuldige getroffen werden, hat sich jüngst bei den Durchsuchungen von Wiese und WAA am 11.04.2016 gezeigt.“


Dass jedoch die Repression keine Folge der jetzigen Aktion ist, sondern schon länger gegen den unbequemen Widerstand läuft, zeigt sich schon daran, dass die Durchsuchung vor dem Brand stattfand. Das sollte auch nicht wundern, denn der Widerstand um den Hambacher Forst ist RWE seit Jahren ein Dorn im Auge und jeder effektive Widerstand trifft irgendwann auf staatliche Repression.


Klar ist es legitim Angst zu haben und es ist davon auszugehen, dass es jetzt gewissen Leuten gewaltig in den Fingern juckt, irgendwen für die Sache einzusperren. Was uns an der ganzen Argumentation aber stört, ist einerseits der reine Bezug auf machtpolitische Überlegungen. Das wem-nützt-was-Spiel könnte den Hirnwindungen irgendeines Parteifunktionärs entsprungen sein. Die schlichte Tatsache, dass die Grube tagelang nur auf einem Bruchteil ihres normalen Leistungsniveaus betrieben werden konnte und damit Umwelt und Klima weniger zerstören konnte – immerhin ein messbares Erfolgskriterium - , fällt völlig hinten runter. Wir wollen damit nicht sagen, dass Aktionen, die nicht direkt in den „Normalbetrieb“ eingreifen per se nutzlos wären, weil auch sie eine enorme diskursive Wirkung entfalten können, wenn sie gut gemacht sind. Es stellt sich aber doch die Frage, ob diese Art des direkt sichtbaren Erfolgs möglicherweise deswegen nicht oder kaum wahrgenommen wird, weil eine solch unmittelbare Wirkung von Aktionen (also im klassischen Sinne „direkten“ Aktionen) sehr selten vorkommt. Und andererseits, spannender eigentlich, wenn wir schon wem-nüzt-was spielen: Warum kommen die Menschen, die nicht im Rheinland hocken, wie beispielsweise die Einwohner_innen von Tuvalu nicht in den Überlegungen vor? Wie kommen denn die Erwägungen, wem das was nützt zu Stande? Warum soll es dem Widerstand schaden, wenn er Erfolg hat? Als handle es sich bei der These, solche Aktionen schadeten dem Widerstand um eine normative, also unstrittige Sache, wird garnicht erst begründet, worin der Schaden für „den Widerstand“ bestehen soll (abgesehen vom Anstieg der Repression, was allerdings zwingend immer eine Antwort auf effektiven Widerstand ist, der die Regeln des Bestehenden verletzt, weil er das Bestehende zu überwinden versucht).


In dem Bekenner_innenschreiben heißt es dazu:


„Unsere Aktion richtet sich nicht nur gegen RWE, sondern auch gegen die herrschenden Verhältnisse. In einer Welt, in der Kapitalinteressen im Vordergrund stehen und der Machtapparat seine kurzsichtigen Interessen rücksichtslos gegen jede Vernunft, sowie gegen Mensch und Natur durchsetzt, ist ein radikaler Widerstand von Nöten. Wir wollen diesem System ein klares “NEIN” entgegenstellen, als ersten Schritt um diese Machtverhältnisse irgendwann zu kippen.
Die fatalen Auswirkungen des Kohleabbaus und der Kohleverstromung auf Mensch, Natur und Klima sind weithin bekannt. Trotzdem graben sich die Bagger von RWE jede Minute weiter. Wir konnten dies wenigstens für einige Zeit verhindern.

Der Versuch zwischen RWE und dem Braunkohlewiderstand zu schlichten legt die Machtverhältnisse offen. Schlichten heißt den Widerstand aufzufordern weniger radikal, weniger “gemein” zu RWE zu sein oder auch anders gesagt: „der Widerstand darf nicht stören“ und akzeptiert dabei die Existenz von RWE und sein Zerstörungswerk als gegeben. Das heißt die autoritär durch Herrschaft legitimierte Gewalt, die im Abbau und der Verstromung der Kohle liegt, wird akzeptiert, die rebellische Gewalt, die sich dagegen wehrt, erscheint illegitim. Das Ergebnis kann nur eine wie auch immer geartete Bestandsgarantie für RWE sein, die nun auch noch den Segen eines Teils des Widerstandes hat. Des Teils, der sich in das Schlichtungsverfahren hat einbeziehen lassen. Der Widerstand wird in den ausgeschalteten und eingebundenen und den übriggebliebenen und isolierten illegitimen Teil gespalten.

Wenn Leute behaupten, eine solche Aktion würde dem Widerstand schaden, so spricht daraus die Rücksichtnahme auf die Macht der Herrschenden, den Widerstand in gut und böse zu spalten. Böse ist das, was weh tut, wirklich stört und effektiv ist. Der Kölner Stadt-Anzeiger schreibt: “Brandstiftung, Gewalt gegen Menschen, Baggerbesetzungen und sinnlose Zerstörungswut gegen technische Einrichtungen mit dem Ziel, Tagebaue und Kraftwerke lahmzulegen – die Heftigkeit der kriminellen Handlungen nimmt zu.” Dabei sind Besetzungen, Brandstiftungen und Blockaden nicht sinnlos, sondern halten die Zerstörungswut von RWE sehr präzise auf. Was dem Widerstand schadet, ist der Gehorsam vor der Macht und ihren Medien, die versuchen uns zu erzählen was gut und böse ist. Wir sollten auf unser Gewissen und unsere Vernunft hören, nicht auf die Medien.“


Es wirkt auf uns als seien auch Menschen aus dem Widerstand, die unserem Eindruck nach ansonsten Sabotage durchaus auch positiv gegenüberstehen, selbst nicht nur überrascht, sondern überfordert und verängstigt angesichts dieser Dimension und Effektivität der Sabotage. Bliebe dies im Privaten wäre es schon traurig genug, dass dann aber eben dies auch noch veröffentlicht wird ist unsolidarisch, kontraproduktiv und unstrategisch. Unsolidarisch, weil es (jedenfalls wenn die Distanzierungen glaubhaft und keine Tarnung/ Ablenkung sind) klar benennt, von wem die Aktion NICHT ausging und damit der Kreis der möglichen Beschuldigten kleiner wird. Unstrategisch, weil zwar eine Distanzierung erfolgt, ohne jedoch zu benennen, was an dieser Aktionsform nun eigentlich das Andersartige zu bisherigen Aktionen (auf die sich positiv bezogen wurde) sein sollte, was zu einer Distanzierung führen sollte/ könnte. Kontraproduktiv, weil gerade eine vor Ort verankerte Widerstandsgruppe die Legitimität effektiver Sabotage erhöhen kann, wenn sie sich darauf positiv oder mindestens jedenfalls nicht negativ bezieht. Gerade wenn hier verschiedene Widerstandsformen als legitim nebeneinander stehen, ob offene Massenaktion, Waldbesetzung oder Sabotage, kann gemeinsam mehr erreicht werden. Wer beispielsweise einen Blick auf den wendländischen Anti-Atom-Widerstand wirft, wird erkennen, dass die Stärke gerade in der Vielfalt und in der Unberechenbarkeit des Widerstands lag und liegt.


Dass es sich bei dieser Geschichte mitnichten um einen Einzelfall handelt zeigt ein Blick auf die Berichterstattung über ein kurz zuvor geschehenes Ereignis, nämlich die versuchte Fällung eines Strommastes. Die Presse sprach von einer “neuen Stufe der Gewalt” und auf dem Blog der Hambacher Forstbesetzung beeilen sich die Schreibenden zu betonen, dass “die momentanen Verfasser*innen dieses Blogs sowohl mit dem Text, als auch mit der beschriebenen Aktion nichts zu tun” hätten.


Wir als Zusammenstellende und Schreibende dieses Textes halten es angesichts solcher Positionierungen und Spekulationen für notwendig, die altbekannte Debatte um Sinn und Unsinn von Distanzierungen mal wieder aufzuwärmen und hoffen mit diesem Text einen Aufschlag dazu gemacht zu haben.