In der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 2016 wurde in Villingen eine Handgranate auf das Gelände einer Flüchtlingsunterkunft geworfen. Glückerlicherweise explodierte die entsicherte Granate nicht. Die Festnahme von Tatverdächtigen mit „osteuropäischem Migrationshintergrund“ führte in Politik und Medien zu einer Entpolitisierung der Tat. Eine voreilige Umbewertung, wie der nachfolgende Text darzulegen versucht.
Umdeutung der Tat
Am frühen Morgen des 29. Januar 2016 mit einer Handgranate auf die „Bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle“ für Flüchtlinge in der Dattenberstraße in Villinge verübt. Dabei wurde eine entsicherte Granate über den Zaun geworfen und wenig später unexplodiert von Angestellten des Sicherheitsdienstes entdeckt.
Als am 8. und 9. Februar vier Verdächtige festgenommen wurden, nachdem gegen drei von ihnen im Alter von 23, 27 und 37 Jahren Haftbefehle erlassen wurden, vermeldeten die Medien es gäbe keine „Anhaltspunkte für eine fremdenfeindliche Tat“ mehr. Als Begründung wurde der osteuropäische Migrationshintergrund der Tatverdächtigen angeführt.
Die Tatverdächtigen aus dem Landkreis Rottweil und dem Schwarzwald-Baar-Kreis arbeiteten laut Medienangaben im Sicherheitsgewerbe, andere Artikel sprechen zusätzlich auch von Mitgliedern der Rockerszene.
Einmal abgesehen davon, dass Tatverdächtige noch keine überführten Täter sind, so ist dieser „osteuropäische Migrationshintergrund“ ein sehr spezieller. Inoffiziell wird nämlich verlautet, so die Medien, dass es sich um Russlanddeutsche handelt.
Anschlagsziel, so die These, seien nicht die Flüchtlinge, sondern die Wachleute gewesen. Es hätte sich, so die Interpretation, um eine Art von eskaliertem 'Konkurrenzkampf' gehandelt. Die Polizei mutmaßte: „Allerdings dürften Konflikte, die zwischen den im Schwarzwald-Baar-Kreis tätigen Sicherheitsunternehmen bestehen, die Ursache sein“.
Dass es sich bei den möglichen Tätern eventuell um Russlanddeutsche handelt, muss nicht unbedingt ein Beweis für den unpolitischen Charakter der Tat sein. Ganz im Gegenteil kann dieser Umstand auch als Hinweis auf ein rassistisches Motiv interpretiert werden. Dazu müssen die Ereignisse ein paar Tage vor dem Anschlagsversuch betrachtet werden.
Was vorher geschah
Eine Falschmeldung über die Vergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens durch Flüchtlinge war Ausgangspunkt für dutzende Demonstrationen gegen Flüchtlinge, die zumeist von russischsprachigen Personen organisiert und besucht wurden. Es waren vor allem Russlanddeutsche, also aus der GUS in die Bundesrepublik übersiedelte Deutschstämmige. Bundesweit gingen am 23. und 24. Januar 2016 mehr als zehntausend Russlanddeutsche aus rassistischen Motiven auf die Straße. In Baden-Württemberg waren an diesem Wochenende etwa 4.500 Menschen an mindestens 20 Orten auf der Straße.
Die größte dieser Kundgebungen im Südwesten fand mit 1.300 Beteiligten am 24. Januar 2016 unter dem Motto „Gegen Gewalt und für mehr Sicherheit in Deutschland“ in Villingen statt. Als Redner trat hier der AfD-Landtagskandidat Markus Frohnmaier auf, der auch dem Pro-Putin-Netzwerk in Deutschland zugerechnet wird.
Viele der Demonstrations-TeilnehmerInnen ließen nicht nur einen gegen Flüchtlinge gerichteten Rassimus bekennen, sondern auch ein sehr deutschnationales Selbstverständnis, indem man sich immer wieder von anderen MigrantInnen abgrenzte und betonte im Gegensatz zu diesen 'Deutsche' zu sein.
In der Folgezeit kam es zu weiteren rassistisch motivierten Demonstrationen gegen Flüchtlinge und auch vereinzelt zu offenbar rassistisch motivierten Gewalttaten von Russlanddeutschen gegen Flüchtlinge. So griffen am 15. Januar 2016 fünf, mutmaßlich russlanddeutsche, Männer den Pförtnercontainer einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Lichtenberg an, dabei sollen die Täter russische Worte gerufen haben. Ein Sicherheitsmann erlitt leichte Schnittverletzungen. Dem Vernehmen nach war der Angriff eine Reaktion auf den Fall des angeblich vergewaltigten Mädchens. Am Morgen des 30. Januar 2016 drang ein stark betrunkener 44-jähriger Russlanddeutscher aus Senden (Kreis Neu-Ulm) gegen 1.25 Uhr in Wullenstetten ein, um Rache für die Falschmeldung über die Vergewaltigung des Mädchens in Berlin.
Fazit: Motiv bleibt unbekannt
Die Einordnung des versuchten Handgrantenanschlags in einen Konkurrenzkampf von Wachdiensten bleibt spekulativ. Allerdings kann auch ein rassistisches Motiv bisher nicht bewiesen werden, auch wenn es in Anbetracht des Ziels weiterhin wahrscheinlich bleibt. Eine Entpolitisierung der Tat und Verschiebung in den Bereich organisierte Kriminalität ist nicht eindeutig begründet. Weder durch den Migrationshintergrund der Tatverdächtigen, noch durch eine mögliche Zugehörigkeit zu einem Rockerclub oder einer Security. Die Tat geschah nach nassistisch motivierten Protesten, die mehrheitlich von Russlanddeutschen getragen wurden. Also zu genau dem Zeitpunkt, zu dem es in dieser Gemeinschaft durch eine Falschmeldung einen gesteigerten Hass auf Flüchtlinge gab. Ein rassistisches Motiv kann somit mitnichten ausgeschlossen werden. Um möglichen Motiven nachzuspüren muss weiterhin ergebnisoffen ermittelt werden. Da sich Teile der Politik und Medien für die bequemere Variante entschieden haben, muss eine kritische Öffentlichkeit hier weiter unbequeme Fragen stellen.
Zweifel bleiben
Wenn es denn einfach eine Auseinandersetzung zwischen Wachschutzfirmen sein sollte, bleibt eine Handgranate auf ausgerechnet eine Flüchtlingsunterkunft zu werfen doch immer noch ein Statement für sich. Und schließt ein rassistisches Motiv alles andere als kategorisch aus.
Man könnte sich ja gegenseitig die Büros auseinandernehmen, Karren abfackeln oder gepflegt auf die Fresse hauen. Ode ne Handgranate vor den Firmensitz. Wenn es denn diese Firmenfehden überhaupt gibt, warum hat man davor noch nie was vom "Bandenkrieg im Wachgewerbe" gehört?
Wer weiß , was da läuft
Vielleicht war das ja so gewollt. Die Medien und Öffentlichkeit sehen den Angriff auf Flüchtlinge. Aber die angegriffende Firma wird bescheid wissen was Sache ist. Die geben aber bestimmt nicht zu, dass sie untereinander Stress haben und so nicht als vertrauenswürdig gelten.
Außer Acht lassen sollte man dasnaber auch nicht. In der Türsteherszene ist es auch nicht viel anders. Da geht man auch auf Arbeitsobjekte und nicht auf "Firmensitze".