Historischer Materialismus (nicht nur für die Analyse der Klassenverhältnisse) oder marxistische Nebenwiderspruchs-Ideologie?

Auseinandersetzung ("controversy"), by Karl-Henning Seemann.

Unter dem Artikel Den Klassen-Begriff diskutieren! von systemcrash und mir von Sonntag, den 03.01.2016 entwickelte sich u.a. eine längere Diskussion zum Verhältnisse von Klasse und Geschlecht (*).

 

Das gleiche Thema wurde außerdem noch in Ergänzungen zum Verhältnis der Begriffe Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung zu einander berührt. Dort ging es u.a. um die Frage Ist Ausbeutung kapitalismus-spezifisch? (**) oder liegt Ausbeutung auch im Falle von Patriarchat und Rassismus vor (***).

 

Da schon die bisherigen Ergänzungen eine recht erhebliche Länge hatten und meine hiesige Antwort auf die beiden noch unbeantworteten Ergänzungen von Di. um 12:40 h und heute um 15:37 h noch länger ausfällt, erscheint es mir angemessen, diesem Thema nun einen eigenen Artikel zu widmen (zumal das dann auch erleichtern dürfte, die neuen Ergänzungen durch entsprechende Einrückungen inhaltlich übersichtlich zu strukturieren).

 

(*) Siehe meine Teil-Antwort von Mo., den 04.01.2016 um 21:09 h auf die Ergänzung Postmoderne != Marx von anonym von Mo., 04.01.2016 - 15:00; darauf antwortete anonym seiner- oder ihrerseits am Di., den 05.01.2016 um 12:40 h.

 

(**) Siehe meine verneinende Antwort auf diese Frage von Do., den 07.01.2016 um 23:53 h.

(***) Siehe die verneinende Antwort von anonym von heute (Fr., den 08.01.2016 um 15:37 h).

 

 

 

Teil A. zur Ergänzung von Di., den 05.01.2016 um 12:40 h

 

I.

 

1.

 

Nach Marx' Vorstellung würde durch die Ausweitung der kapitalistischen Produktionsweise Frauen genau wie Männer in den Produktionsprozess eingegliedert und bestehende Unterschiede mit der Zeit nivelliert. Ich halte diese These für plausibel

 

a) Ich würde demgegenüber sagen: Die entsprechende These von Marx und Engels mag, als sie sie 1848 ins Kommunistische Manifest schrieben, eine gewisse Plausibilität gehabt haben. Sie bricht sich aber mittlerweile an der Hartnäckigkeit, mit der geschlechtshierarchische Arbeitsteilung und Frauenlohndiskriminierung nach soundsoviel Jahren Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise weiterhin bestehen.

 

Der Anspruch des Marxismus wissenschaftlicher Sozialismus (Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft) bzw. Wissenschaft von der Geschichte der Gesellschaftsformationen (Historischer Materialismus) zu sein, verlangt die fragliche Hypothese aus dem Kommunistischen Manifest zu revidieren. Wir kennen heute empirische Tatsachen und theoretische Argumente, die uns zu besserer Einsicht führen als sie Marx und Engels 1848 hatten.

 

Lenin: „Wir betrachten die Theorie von Marx keineswegs als et­was Abge­schlossenes und Unantastbares; wir sind im Gegenteil davon überzeugt, daß sie nur das Funda­ment der Wissenschaft gelegt hat, die die Sozialisten nach allen Richtungen wei­terentwickeln müssen, wenn sie nicht hinter dem Leben zurückbleiben wollen.“ (LW 4, 205 f. - Hv. i.O.)

 

b) Die fragliche These aus dem Jahre 1848 verweist auf eine Widersprüchlichkeit des Nebenwiderspruchs-Marxismus: Ist denn nun der Kapitalismus die vermeintliche Ursache des Patriarchats (und bringt deshalb Sozialismus und nicht etwa Feminismus) die "Frauenbefreiung" oder bietet schon der Kapitalismus den Service, das Patriarchat abzuschaffen?

 

 

2.

 

Wo Marx sich geirrt hat, ist die Vorstellung, dass alle Länder, Völker und Menschen nach und nach in den kapitalistischen Produktionsprozess gezogen werden. Dies ist nicht geschehen und deshalb halten sich diese patriarchalen und rassistischen Strukturen in diesem Ausmaß.

 

zu Satz 1.: Da scheint mir Marx nun eher Recht behalten zu haben, auch wenn es vielleicht länger gedauert hat, als es Marx vielleicht gedacht hatte: siehe das heutige Ausmaß an kapitalistisch-industrieller Produktion in Ländern, die noch vor nicht allzu langer Zeit vor allem von landwirtschaftlich/halb-feudalen Strukturen geprägt waren. Siehe den Schub an Kommodifizierung von Reproduktionsarbeit in den führenden imperialistischen Staaten.

zu Satz 2: Da Marx' vermeintlicher Irrtum in dieser Frage meiner Überzeugung nach kein Irrtum war, kann er also meiner Überzeugung nach keine Erklärung für die Harnäckigkeit patriarchaler und rassistischer Strukturen sein. (Von "patriarchalen und rassistischen Strukturen" zu sprechen, impliziert nach meinem Sprachgebrauch im übrigen, zu sagen, daß es sich um von den kapitalistischen Strukturen relativ unabhängige Strukturen handelt - ansonsten wären es keine Strukturen, sondern nur Symptome.)

 

 

3.

 

"Die Ausformung dieser Strukturen ist somit ganz eng an die Ökonomie gekoppelt. Ansonsten ließe sich nicht erklären, warum der indische Computerspezialist oder die Topmanagerin viel besser entlohnt und behandelt werden, als ein Großteil der deutschen Bevölkerung."

 

a) "Gekoppelt" ist ja nun aber ein sehr vager Ausdruck... - was für ein Zusammenhang / was für eine Kausalität / welcher Mechanismus soll denn nun diese 'Koppelung' genau sein?

 

b) aa) Dass eine Spitzenmanagerin mehr verdient als Lohnabhängige, ist kapitalistisch verursacht; daß sie weniger verdient als Spitzenmanager ist patriarchal verursacht.

 

bb) @ "der indische Computerspezialist [...] viel besser entlohnt und behandelt werden, als ein Großteil der deutschen Bevölkerung." - Hast Du Zahlen dazu? (Das würde mich jedenfalls eher überraschen.)

 

 

4.

 

"Patriarchale und rassistische Strukturen spielen fast ausschließlich beim Hauen und Stechen der geringer Qualifizierten eine Rolle. Also bei denjenigen, die das Kapital nicht wirklich benötigt."

 

a)aa) Nein, die Frauenlohndiskriminierung gibt es auf allen Hierarchie-/Ausbildungsstufen: Frauen haben im Durchschnitt schlechtere Aufstiegchancen als Männer; und selbst wenn sie auf der gleichen Stufe wie Männer beschäftigt werden, verdienen sie im Durchschnitt trotzdem weniger als Männer:

 

Männerlöhne liegen um 30 % über den Frauenlöhnen (http://www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/equal-pay-day-23-oder-30-prozent-unterschied/). Selbst wenn Qualifikationsunterschiede usw. (die ihrerseits Symptome des fortbestehenden Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisses zwischen Männern und Frauen sind) herausgerechnet werden, verdienen Männer über 8 % mehr als Frauen – also selbst bei gleicher Qualifikation.

 

  • "der Frauenanteil im Jahr 2010, dem Jahr, zu dem die aktuellsten Daten aus der Verdienststrukturerhebung vorliegen, [ist] in besonders schlecht bezahlten Berufen wie Reinigungskraft (85 %) oder Verkäuferin (73 %) besonders hoch."

 

  • "Hinzu kommt, dass Frauen deutlich seltener leitende Positionen (7 %) besetzen als Männer (13 %). Dagegen gehören Frauen (13 %) überdurchschnittlich häufig zu den ungelernten Arbeitnehmern (Männer: 8 %)."

 

  • "Der unbereinigte Gender Pay Gap betrachtet den geschlechtsspezifischen Verdienstunterschied in allgemeiner Form. Auf diese Weise wird auch der Teil des Lohnabstands erfasst, der durch unterschiedliche Zugangschancen beider Geschlechtergruppen auf bestimmte Tätigkeitsfelder oder Leistungsgruppen verursacht wird. Beim statistisch bereinigten Gender Pay Gap hingegen werden diese strukturellen Unterschiede herausgerechnet. Der übrig bleibende unerklärte Rest des Verdienstunterschieds erlaubt Aussagen zur Höhe des Unterschieds im Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern mit vergleichbaren Eigenschaften. Im Ergebnis zeigte sich im Jahr 2010 ein bereinigter Gender Pay Gap von sieben Prozent." (https://www.destatis.de/DE/Publikationen/STATmagazin/VerdiensteArbeitskosten/2013_03/Verdienste2013_03.html - Der Unterschied zwischen sieben und acht Prozent erklärt sich daraus, ob die Differenz in Prozent der höheren Männer- [dann 7 %] oder der niedrigeren Frauenlöhne [dann 8 %] angegeben wird.)

 

bb) In Bezug auf die rassistische Lohndiskriminierung dürfte Ähnliches gelten; dafür habe ich aber keine Zahlen.

 

b) Auch sexuelle/sexualisierte und rassistische Gewalt und verbale Belästigungen/Beleidigungen kommen in allen Bevölkerungsschichten vor. Sehr gut verdienende lohnabhängige und zumal bürgerliche Frauen und Schwarze mögen sich bestimmten Bedrohungssituationen in der Öffentlichkeit entziehen können; aber sexuelle/sexualisierte Gewalt findet vor allem im sozialen Nahbereich statt. Mit dem eigenen Auto statt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein, schützt vor Belästigungen in letzteren, aber nicht vor einem schlagenden und vergewaltigenden Ehemann oder Freund.

 

 

II.

 

1.

 

[TaP:] Ich vertrete meinerseits in der Tat eine "Gleichordnungs"-These,

[Anonyom:] In welcher Beziehung gleichgeordnet? Gleich schlimm? Gleich wichtig? Gleich wichtig für was? Du beantwortest eine Frage, die Marxisten so nicht stellen würden.

 

Doch, doch! In ihren helleren Momenten habe das Marx, Engels und Lenin genau so gesehen - nicht in Bezug auf "schlimm", sondern "wichtig" in Bezug auf die gesellschaftliche Struktur: Auch der 'Bereich' des Geschlechterverhältnisses ist nicht nur 'ideologisch', 'rückständiges Bewußtsein' o.ä., sondern in Form der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung Teil der materiellen Basis:

 

  • „Die Voraussetzungen, mit denen wir beginnen, sind keine willkürlichen, keine Dogmen, es sind wirkliche Voraussetzungen, von denen man nur in der Einbildung abstrahieren kann. […]. Die erste Voraussetzung aller Menschengeschichte ist natürlich die Existenz lebendiger menschlicher Individuen.“ (MEW 3, 20). „Zum Leben aber gehört vor Allem Essen und Trinken, Wohnung, Kleidung und noch einiges Andere. Die erste geschichtliche Tat ist also die Erzeugung der Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse, […], und zwar ist dies […] eine Grundbedingung aller Geschichte, die noch heute, wie vor Jahrtausenden, täglich und stündlich erfüllt werden muß, um die Menschen nur am Leben zu erhalten.“ (ebd., 28). „Das […] Verhältnis, was hier gleich von vornherein in die geschichtliche Entwicklung eintritt, ist das, daß die Menschen, die ihr eignes Leben täglich neu machen, anfangen, andre Menschen zu machen, sich fortzupflanzen – das Verhältnis zwischen Mann und Weib, Eltern und Kindern, die Familie.“ (ebd., 29). „Mit der Teilung der Arbeit […] ist zu gleicher Zeit auch die Verteilung, und zwar die ungleiche, sowohl quantitative wie qualitative Verteilung der Arbeit und ihrer Produkte gegeben, also das Eigentum, das in der Familie, wo die Frau und die Kinder die Sklaven des Mannes sind, schon seinen Keim, seine erste Form hat. Die freilich noch sehr rohe, latente Sklaverei in der Familie ist das erste Eigentum, das übrigens hier schon vollkommen der Definition der modernen Ökonomen entspricht, nach der es die Verfügung über fremde Arbeitskraft ist.“ (Marx/Engels 1845/46, 32)
  • „Nach der materialistischen Auffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment der Geschichte: die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens. Diese ist selbst wieder doppelter Art. Einerseits die Erzeugung von Lebensmitteln, von Gegenständen der Nahrung, Kleidung, Wohnung und den dazu erforderlichen Werkzeugen; andererseits die Erzeugung von Menschen selbst, die Fortpflanzung der Gattung“ (MEW 21, 27 f.)
  • Und Lenin richtete gegen Michailowskis Nahelegung, die Kindererzeugung sei nicht Bestandteil der materiellen Basis (LW 1, 141 f.) die ironische Frage: „Wie denn, glaubt Herr Michailowski am Ende, die Verhältnisse bei der Kindererzeugung gehörten zu den ideologischen?“ (143). (Deren ideologischer [= Überbau] Charakter ist die logische Konsequenz aus Michailowskis - von Lenin kritisierter - Verneinung deren materiellen Charakters. Lenins rhetorische Frage läuft also auf ein argumentum ad absurdum gegen Michailowski hinaus, während Lenin selbst die Kindererzeugung in den Begriff der materiellen Basis einschloß.)

 

2.

 

Für Materialisten ist nur die Frage bedeutend, welche Rolle die Diskriminierung einer sozialen Gruppe für die gesellschaftlichen Verhältnisse spielt und dann kommt man eben nie bei der Behauptung einer Gleichheit der Unterdrückung an, sondern bei ihrer jeweiligen Spezifik. Für Marxisten im Speziellen ist die Frage entscheidend, welche Rolle die Ausbeutung oder Diskriminierung einer Gruppe für das Fortbestehen des Kapitalismus hat.

 

a) @ "Für Materialisten ist nur die Frage bedeutend, welche Rolle die Diskriminierung einer sozialen Gruppe für die gesellschaftlichen Verhältnisse spielt" - Genau! Und prägend für die gesellschaftliche Struktur ist nicht nur die hierarchische und ausbeuterische Arbeitsteilung zwischen den Klassen, sondern auch die zwischen Frauen und Männern sowie Schwarzen und Weißen.

b) @ "und dann kommt man eben nie bei der Behauptung einer Gleichheit der Unterdrückung an, sondern bei ihrer jeweiligen Spezifik."

 

Ich habe ja gar keine Gleichheit (daher in der Tat: Spezifik!), sondern eine Gleichrangigkeit in Bezug auf die gesellschaftliche Struktur behauptet. Und der Umstand, daß es sich um jeweils spezifische Strukturen handelt, schließt ein, daß Patriarchat und Rassismus weder (linear) verursacht noch (expressiv) abgeleitet vom Kapitalismus sind, sondern ihre eigenen Ursachen haben.

 

c) @ "Für Marxisten im Speziellen ist die Frage entscheidend, welche Rolle die Ausbeutung oder Diskriminierung einer Gruppe für das Fortbestehen des Kapitalismus hat." - Nein! (Und wenn das so wäre, würde das nur gegen den Marxismus sprechen, aber kein Argument sein.)

In der Wirklichkeit geht es dem Marxismus politisch aber nicht nur um die Überwindung des Kapitalismus, sondern um den Kommunismus (= eine Gesellschaft ohne Herrschaft und Ausbeutung und folglich auch ohne Staat):

 

  • "eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für freie Entwicklung aller ist." (MEW 4, 482)

 

  • "In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, [...]; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen [...] – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" (MEW 19, 21)


Zumindest beim heutigen Stand der wissenschaftlichen und politischen Diskussion sollte doch wohl möglich sein, zu erkennen, daß diesem Ziel nicht nur die "Klassen und Klassengegensätzen" (MEW 4, 482), sondern auch die anderen Herrschafts- und Ausbeutungsstrukturen (Patriarchat und Rassismus) und auch alle 'bloßen' Unterdrückungen und Diskrimnierungen entgegenstehen.

Lenin forderte jedenfalls schon 1902: "Das Bewußtsein der Arbeiterklasse kann kein wahrhaft politisches sein, wenn die Arbeiter nicht gelernt haben, auf alle und jegliche Fälle von Willkür und Unterdrückung, von Gewalt und Mißbrauch zu reagieren, welche Klassen diese Fälle auch betreffen mögen, [...]." (LW 5, 425)

 

Das einzige, 'kleine' Problem an den drei Jungs ist nur, daß sie diese punktuellen Einsichten nicht adäquat in ihre Gesamttheorie einbauten.

 

 

III.

 

Nein, Patriarchat und Rassismus werden mit dem Wegfall ihrer Ursachen verschwinden, nicht durch den idealistischen Kampf bei weiter bestehenden Ursachen. Wie gesagt, es wird sicherlich Generationen dauern, bis auch die letzten Reste getilgt sind, aber wesentlich ist die Abschaffung ihrer Grundlage.

 

a) @ "Patriarchat und Rassismus werden mit dem Wegfall ihrer Ursachen verschwinden". - Ja, die Frage ist halt nur, was die Ursachen sind. Bisher hast Du nur die Hypothese dargelegt, daß der Kapitalismus diese Ursache sei, aber kein Argumente dafür, warum dem Deines Erachtens so ist, vorgebracht und auch nicht dargelegt, wie (im Rahmen welcher Mechanismen) der Kapitalismus diese vermeintliche Verursachung zustande bringt.

 

Mir scheint der Idealismus gerade darin zu liegen, zu glauben, die als die geschlechtslos gedachte - tatsächlich aber männer-dominierte - "Arbeiterbewegung" und nicht etwa eine starke feministische Bewegung könne und wolle die Überwindung des Patriarchats bewirken.

 

b) Und in der Formulierung, "es wird sicherlich Generationen dauern, bis auch die letzten Reste getilgt sind," scheint mir die Untauglichkeit dieses idealistischen Glaubens zumindest erahnt zu werden. - Ohne eigenständige feministische und antirassistische Theorie und Bewegung - allein im Vertrauen auf marxistisch-proletarische Gönnerhaftigkeit - wird sich in Sachen Kampf gegen Patriarchat und Rassisismus weiterhin nicht viel tun.

 


IV.

 

[TaP:] Nicht nur die Hausarbeitsbelastung, sondern die Gesamtarbeitsbelastung von Frauen ist höher als die von Männern - und trotzdem haben sie weniger Einkommen und weniger Vermögen. Und das erklärt sich nicht aus kapitalistischen, sondern aus patriarchalen Strukturen.


[anonym:] Ich kann Deine These nicht nachvollziehen, weder empirisch noch durch irgendwelche Statistiken. Kannst Du das irgendwie belegen?

Beispielsweise hat die Hans-Böckler-Stiftung für 2013 festgestellt, dass Frauen im Durchschnitt 30,3 Stunden arbeiten, Männer hingegen 39,6 (s. http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_22_2015.pdf).

 

1. Die Zahlen, die die Böckler-Stiftung nennt, sind die ausschließlich Erwerbsarbeitszeiten.

 

2.a) Vor gut zehn Jahren hatte ich den damaligen Forschungsstand zu dieser Frage ziemlich umfassend ausgewertet. Das Ergebnis war:

 

 

 

"'[A]n der Tatsache, daß alle Frauen Hausfrauen sind, ändert auch ihre Erwerbsbeteiligung prinzipiell erst einmal nichts; […]' [...]. Frauenerwerbstätigkeit führt zwar dazu, daß Frauen den zeitlichen Umfang ihrer Hausarbeit deutlich reduzieren (ob dies mit einer Intensivierung der Hausarbeit einhergeht, geht aus den vorliegenden Untersuchungen nicht hervor); der zeitliche Umfang der Hausarbeit der Männer bleibt aber fast gleich (vgl. Tabelle 5-8 und 11 im Anhang sowie die in Endnote genannten Nachweise; vgl. auch Künzler 1999, 257).

'Die beobachtbare geschlechtsspezifische Umverteilung von Berufs- und Hausarbeit, die in den letzten Jahren stattgefunden hat, läßt sich also bis dato als einseitige Umschichtung von beruflicher Arbeit zuungunsten der Mütter bezeichnen. Immer häufiger nehmen Frauen teil an der Berufswelt und tragen auch als Mütter finanziell zum Lebensunterhalt der Familie bei. Eine komplementäre Zunahme von Hausarbeit seitens der Väter läßt sich aber nicht beobachten, auch nicht in Ansätzen.' [...]

Die Reduktion der Hausarbeit [...] erreicht dabei aber nicht das Ausmaß der Erwerbsarbeit, so daß vollerwerbstätige Frauen mit Partner insgesamt (d.h. Erwerbs- und Hausarbeit zusammen) deutlich länger arbeiten als ihre Partner, insbesondere wenn Kinder unter 16 Jahren zu betreuen sind [...]. [...]. In Partnerschaften, in denen der Mann und die Frau die erwerbstätig sind, leisten die Frauen weiterhin ca. 70 % der Hausarbeit i.e.S., ca. 65 % der Erziehungsarbeit und fast 60 % der Einkäufe (H. Berger / Hinrichs 1999, 62, Tabelle 5).

Dies gilt selbst für kinderlose, junge Paare (unter 30 Jahre): In dieser Altersgruppe wenden sowohl Männer wie auch Frauen (unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben) ca. 5 ½ Std./Tag für Erwerbsarbeit auf (Holz 2000, 115). Die Frauen leisten aber ca. 1 Stunde mehr Hausarbeit pro Tag als die Männer (2 ½ ggü. 1 ½ Std./Tag) (Holz 2000, 114) – haben also deutlich mehr soziale Basisverpflichtungen [= Erwerbs- + Hausarbeit]."

(http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/7030/ssoar-2005-schulze-geschlechternormen-inkonforme_korperinszenierungen_-_demokratisierung.pdf?sequence=1&lnkname=ssoar-2005-schulze-geschlechternormen-inkonforme_korperinszenierungen_-_demokratisierung.pdf, S. 122 f.)"

 

 

b) In etwa aus der gleichen Zeit stammt der sehr gut argumentierte Aufsatz von Angelika Wetterer Rhetorische Modernisierung: Das Verschwinden der Ungleichheit aus dem zeitgenössischen Differenzwissen (in: Gudrun-Axeli Knapp / Angelika Wetterer [Hg.]: Achsen der Differenz. Gesellschaftstheorie & feministische Kritik 2, Westfälisches Dampfboot: Münster, 2003, 286 - 319), den ich als dokumentarischen .pdf-Anhang zum hiesigen Artikel zur Verfügung stelle.

 

3. An aktuellen Zahlen habe ich jetzt auf die Schnelle nur dies gefunden (die Zahlenangaben schwanken logischerweise je nach Erhebungsmethode):

a) Lt. Statistisches Bundesamt - via Der Spiegel - lag die Gesamtarbeitsbelastung (Haus-, Erwerbs- und Ehrenarbeit) pro Woche von Frauen in Deutschland um eine gute Stunde über der Gesamtarbeitsbelastung von Männern. (Vermutung: Bei kinderlosen Paaren dürfte die Gesamtarbeitsbelastung von Frauen und Männern tatsächlich in etwa gleich sein - nur, daß die Haushaltseinkommen überwiegend von den vollzeit-erwerbstätigen Männern kontrolliert werden und die häufig nicht oder nur teilzeit-erwerbstätigen Frauen ökonomisch abhängig sind. Deutlich ausgeprägter als die gute Stunde pro Woche dürfte die Mehr-Arbeitsbelastung von Frauen dagegen im Falle von Paaren mit Kindern sein.)

b) Die Zeit schreibt: "Auch in Partnerschaften, so zeigen Studien, in denen beide Partner Vollzeit arbeiten, bleibt das Gros der Haushaltsarbeit an der Frau hängen. Im Durchschnitt müssen Männer, die mit einer Partnerin zusammenleben, weniger im Haushalt arbeiten, als wenn sie alleine leben."

 

c) "Aktuelle Daten zeigen, dass die Familienarbeit in Deutschland zum größten Teil nach wie vor von Frauen geleistet wird. Dies gilt sowohl in der alltäglichen Sorge für die Kinder als auch in der Betreuung und Pflege älterer oder kranker Angehöriger. Gerade berufstätige Frauen und Mütter sind dadurch einer Doppelbelastung ausgesetzt, die Stress erzeugen kann. [...]. Dies gilt insbesondere für Frauen mit kleinen Kindern. Daten von Müttern, die an einer Mutter- oder Mutter-Kind-Kur teilnahmen, zeigen, dass psychosomatische und psychische Beschwerden, insbesondere Erschöpfungssyndrome, zu den häufigsten Erkrankungen von Müttern zählen." (https://www.frauengesundheitsportal.de/themen/stressbewaeltigung/mehr-zum-thema/; vgl. auch: http://www.sueddeutsche.de/karriere/doppelbelastung-muetter-sind-immer-haeufiger-psychisch-krank-1.1408161)

 

d) Und noch eine ältere Studie, deren Schlussfolgerung aber auch noch von den vorgenannten neueren Zahlen getragen wird: "Der Mann sieht sich weiterhin in der Rolle des Haupternährers der Familie - auch dann noch, wenn die Frau mehr Geld zur Haushaltskasse beisteuert als ihr Partner. Und dies, so Blossfeld, sei weitgehend unabhängig davon, ob das Land seit Jahrhunderten kapitalistisch ist, eine sozialistische Vergangenheit hat oder ob es konservativ, liberal oder sozialdemokratisch regiert wird. Wer der Frau politisch helfen wolle, dürfe eben nicht nur darauf schauen, wie Ausbildung, Berufssituation und Arbeitsmarktstrukturen zu verbessern sind, sondern müsse auch die Haltung des Mannes im Blick haben." (http://www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/1186073/ - meine Hv.)

 

4. Aktuelle internationale Zahlen zur Hausarbeitsarbeitsverteilung (ohne Erwerbsarbeit) gibt es dort: "164 Minuten [pro Tag, TaP] verbringen Frauen im Schnitt in Deutschland mit Hausarbeiten. Männer hingegen nur rund 90 Minuten. [...]. Die klassischen Rollenverteilungen sind demnach weiterhin stark verbreitet. Im internationalen Vergleich befindet sich Deutschland damit auf einem mittleren Rang." (http://de.statista.com/infografik/1983/wie-lange-maenner-und-frauen-im-haushalt-arbeiten/)

5. Zahlen zur Vermögensverteilung gibt es dort: "Das individuelle Nettovermö­gen von Männern belief sich 2012 im Durchschnitt auf 97 000 Euro, 27 000 Euro mehr als bei Frauen (Abbil­dung 3)." (https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.438708.de/14-9.pdf, S. 160).
Nach der genannten Abbildung zu urteilen, scheint das Männer-Vermögen von 2002 bis 2012 - gemäß der allgemeinen Tendenz zur Verstärkung der Ungleichheit der Vermögensverteilung - etwas stärker gewachsen zu sein als das Vermögen von Frauen.

 

 

 

Teil B. zur Ergänzung von heute (Fr., den 08.01.2016) um 15:37 h

 

I.

 

Der Begriff Ausbeutung passt exakt zur Beschreibung des Lohnarbeitsverhältnisses. Er passt auch, um das Lehnswesen zu beschreiben oder die Arbeit einer Hausangestellten in Kuwait zu charakterisieren. Er passt aber nicht, um die Abweisung an der Discotür, das Sterben im Mittelmeer oder das Leben der Hausfrau, die sich mit Freude um die Kinder kümmert, zu charakterisieren. Deshalb kritisiere ich das schwammige und ungenaue Sprechen von beherrschten und ausgebeuteten sozialen Gruppen, weil es alles zu einem Brei verrührt.

 

a) Da sind wir uns, sowohl was die Brei-Kritik als auch, was "die Abweisung an der Discotür, das Sterben im Mittelmeer" betrift, einig. Bei diesen beiden Fällen handelt es sich in der Tat nicht um Ausbeutung. Vielmehr handelt es sich m.E. um Symptome von (rassistischer) Herrschaft.

 

b) Wir sind uns dagegen nicht einig, was "das Leben der Hausfrau, die sich mit Freude um die Kinder kümmert", betrifft, denn in diesem Fall kommt es genauso wenig, wie im Falle von Lohnarbeit darauf an, ob die Tätigkeit mit oder ohne Freude ausgeübt wird, um festzustellen, ob es sich um Ausbeutung handelt.

 

 

II.


1.


Und die Aneignung des männlichen Lohns durch die Frau, die Haus-, Erziehungs- und Beziehungsarbeit, die die Männer leisten, würdest Du auch als Ausbeutung begreifen? Oder ist das praktizierte Herrschaft?

 

Weder noch! Vielmehr ist das ein ähnlicher Fall wie der Umstand, daß antike SklavInnenhalterInnen ihre SklavInnen ernähren mußten, wenn sie etwas von ihrem SklavInnen-Eigentum haben wollten.

 

 

2.

 

Würden wir Ausbeutung definieren, dann wahrscheinlich so, dass jemand eine Tätigkeit verrichtet ohne dafür einen Gegenwert zu erhalten. Du argumentierst dann, dass die Hausarbeit der Frau generell nicht adäquat kompensiert wird und es sich somit um Ausbeutung handelt. Aber hierfür bringst Du keine Belege oder Argumente, sondern verlässt die analytische Ebene und behauptest einfach nur, dass es so sei.

 

a) @ "ohne dafür einen Gegenwert zu erhalten".


aa) "Gegenwert" ist auch nicht ganz zutreffend, weil es "Wert" nur in der kapitalistischen Produktionsweise gibt, Ausbeutung aber jedenfalls auch in vor-kapitalistischen Produktionsweise.


bb) Außerdem: LohnarbeiterInnen erhalten ja nach der Marxschen Analyse den vollen (!) Wert ihrer Ware Arbeitskraft. - Sie erhalten aber nicht den vollen Wert der Güter, die sie herstellen.

Und daher wäre, wenn überhaupt [siehe aa)] wohl besser zu sagen, "ohne dafür den vollen" - und nicht: "ohne dafür einen" - "Gegenwert zu erhalten".


b) @ "Du argumentierst dann, dass die Hausarbeit der Frau generell nicht adäquat kompensiert wird". Ja, denn, wie schon Mo., 04.01.2016 um 21:09 h dargelegt: "den Unterhalt [gibt es] nicht als Gegenleistung für die Hausarbeit [...], sondern nur dann, wenn eine Person kein ausreichendes eigenes Einkommen bzw. Vermögen hat".

Daß die Gesamtkonstellation ein 'schlechtes Geschäft' für Frauen ist, hatte ich an gleicher Stelle schon gezeigt: "die Gesamtarbeitsbelastung von Frauen ist höher als die von Männern - und trotzdem haben sie weniger Einkommen und weniger Vermögen."

 

c) @ "Aber hierfür bringst Du keine Belege oder Argumente, sondern verlässt die analytische Ebene und behauptest einfach nur, dass es so sei." - Also was wäre noch zu argumentieren oder zu beweisen?

 

 

3.

 

Zum einen wird das Haushaltseinkommen in heutigen Partnerschaften relativ gleich verteilt. Zum anderen stelle ich es mir wirklich schwer vor, wenn man nicht gerade Kleinkinder versorgt, acht Stunden pro Tag Hausarbeit zu verrichten. Ich kenne keine Hausfrau, die morgens auf ihre Todoliste guckt und dann bis zur Mittagspause herumrödelt, um am Nachmittag noch einmal vier Stunden am Stück abzureißen plus eventuelle Überstunden. Es geht wohlgemerkt um die reine Arbeitszeit, Hausarbeit ist natürlich fragmentierter als ein Bürojob. Deshalb entsteht bei vielen sicherlich das Gefühl, den ganzen Tag gearbeitet zu haben, nur weil sie die Kinder abends noch vom Sport abgeholt hat.

 

zu Satz 1: Beleg? - Abgesehen davon: So halbwegs ist das ja unvermeidlich, weil alle Familienmitglieder von der Mietzahlung für die Wohnung profitieren und alle essen müssen. Bei den darüber hinausgehenden Ausgaben würde ich dagegen nicht ohne weiteres von zumindest ungefährer Gleichverteilung ausgehen (z.B. teurerer PKW für Mann ['weil er ja das Geld ranbringt']; billigerer oder gar kein PKW für die Frau). Das Einkommen, das nicht ausgegeben wird, dürfte auch weiterhin eher das Vermögen der Person bleiben, die die entsprechende Erwerbsarbeit geleistet hat.

zu Satz 2: 8 Stunden pro Tag nicht. Männer leisten ja aber auch nicht jeden Tag 8 Stunden Erwerbsarbeit. Im Durchschnitt leisten Frauen knapp 30 Stunden unbezahlte Arbeit pro Woche (Statistisches Bundesamt via Der Spiegel). Nicht bzw. nur teilzeit-erwerbstätige Frauen und Frauen mit Kindern dürften weiterhin deutlich mehr unbezahlte Arbeit leisten; vollzeit-erwerbstätige Frauen und Frauen ohne Kinder dürften weniger unbezahlte Hausarbeit leisten (da im letztgenannten Fall, die Kinderbetreuungsarbeit entfällt und weil im zuvor genannten Fall vermutlich mehr Fertigprodukte und Dienstleistungen eingekauft werden).

 

zu Satz 3: Bereitschaftszeiten sind Arbeitszeiten (https://de.wikipedia.org/wiki/Bereitschaftsdienst), wobei ich allerdings davon ausgehe, dass Leerlaufzeiten in Bezug auf Hausarbeit in den Zeitbudgetstudien nicht als Arbeitszeiten erfasst werden, sondern als Freizeit.

 

zu Satz 4: An dem - von Lenin sehr klar erfaßten - wiederkehrenden und nervtötenden Charakter von Hausarbeit hat sich in Bezug auf Klo putzen und Staub wischen auch seit Lenins Zeit nichts geändert (trotz Küchengeräten, die die Hausarbeitsbelastung im übrigen nur bedingt reduziert haben, weil gleichzeitig die Ansprüche gestiegen sind):

"[E]rdrückt, erstickt, abgestumpft, erniedrigt von der Kleinarbeit der Hauswirtschaft, die sie an die Küche und das Kinderzimmer fesselt und sie ihre Schaffenskraft durch eine geradezu barbarisch unproduktive, kleinliche, entner­vende, abstumpfende, niederdrückende Arbeit vergeuden läßt" (LW 29, 419),

 

so schilderte Lenin die Lage der Hausarbeitenden.

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Es gibt auch Frauen die Kapitalistinnen sind.

 

Kapitalismus spaltet nicht das Geschlecht er spaltet die Gesellschaft.

Die Abhängigkeit von Mann und Frau wird verstärkt trotzdem ist das Patriarchat vom Klassenbegriff zu trennen.

Es gibt auch Frauen die Kapitalistinnen sind.

 

Ja. Das wurde auch von keiner der beiden bisher an der Diskussion beteiligten Seiten bestritten, wenn ich recht sehe.

 

Kapitalismus spaltet nicht das Geschlecht er spaltet die Gesellschaft.

 

Ja, er spaltet die Gesellschaft. - Aber er spaltet auch die Geschlechter, wie Du ja selbst mit dem Satz zuvor andeutetst.

 

Letzteres heißt allerdings nicht, daß "Geschlecht" irrelevant sei - genauso wenig wie der Umstand, daß die Geschlechter die Klassen teilen, heißt, daß "Klasse" irrelevant sei.

 

Die Abhängigkeit von Mann und Frau wird verstärkt[.] trotzdem ist das Patriarchat vom Klassenbegriff zu trennen.

 

zu Satz 1: Du meinst: "Der Kapitalismus verstärkt die Abhängigkeit von Frauen von Männern."? - "Ja, manchmal", würde ich sagen.

 

Ich verweise dazu und - nach allden Details im Artikel oben - auch als relativ knappe und groblinige Zusammenfassung meiner Grundsatzposition zu diesem Thema noch mal auf meinen Text, der am Montag bei "trend. onlinezeitung" erschien und am 30.01. in Berlin in der K 9 kontrovers diskutiert werden kann:

 

Spezifität, Historizität und Materialität des Geschlechterverhältnisses

 

http://www.trend.infopartisan.net/trd1215/20JahreTREND01.html

 

20 Jahre TREND Onlinezeitung: Wir wollen nicht ein Stück vom Kuchen. Wir wollen die ganze Bäckerei

 

http://www.trend.infopartisan.net/trd1215/20JahreTREND.html

 

--------

 

zu Satz 2: Ich stimme zu.

Ich glaube du hast mich falsch verstanden.

 

Mir geht es nicht darum die Vergewaltigung der Frau durch das Patriarchat zu leugnen.

Mir geht es darum festzustellen dass dieser Genderbegriff im Kapitalismus unserer Zeit durch den Einfluss des Feminismus

sich verändert hat.

 

Durch die Kämpfe der selbstbewussten Frauen wurde eine neue Rolle geschaffen.

 

Die Rolle der Frau als Kapitalistin, deswegen muss man ein neues Konzept erstellen.

 

Was vom Kapitalismus bleibt ist die alte Struktur, anders ausgedrückt, das hierarchische Verhältnis.

 

Und es ist egal ob eine Frau Herrschaft ausübt oder ein Mann, Herrschaft bleibt Herrschaft und ist vom anarchistisch/kommunistischen Standpunkt abzulehnen.

"Und es ist egal ob eine Frau Herrschaft ausübt oder ein Mann, Herrschaft bleibt Herrschaft und ist vom anarchistisch/kommunistischen Standpunkt abzulehnen."

 

Ja, klar ...

 

Mir geht es nicht darum die Vergewaltigung der Frau durch das Patriarchat zu leugnen.

Mir geht es darum festzustellen dass dieser Genderbegriff im Kapitalismus unserer Zeit durch den Einfluss des Feminismus sich verändert hat.

 

... aber, daß es mittlerweile eine Bundeskanzlerin gibt; daß es mittlerweile ein paar Top-Managerinnen gibt und daß es schon seit längerer Zeit ein paar Kapitalistinnen gab, ändert nichts, daran, daß

 

  • es diese Frauen, schwerer hatten und haben sich durchzusetzen, als Männer gleicher Klassenlage,

 

und auch nichts daran,

 

  • daß sie dem erheblichen Risiko sexueller/sexualisierter Gewalt (sei es seitens ihrer Ehemänner, Onkel, Kollegen im Laufe ihres Karriereprozesses, ...; sei es - in bestimmten Situationen - sogar seitens lohnabhängiger Männer) ausgesetzt sind.

 

Und meine politische Position dazu ist:

 

  • Sexualisierte/sexuelle Gewalt ist generell zu bekämpfen - auch dann, wenn sie sich gegen Frauen der herrschenden Klassen richtet (egal, von wem sie ausgeübt wird).

 

  • Und: Die historische ArbeiterInnenbewegung hatte nicht Unrecht damit, dass sie für das Wahlrecht auch von allen Frauen (und nicht nur für das von lohnabhängigen Frauen) eintrat.

Und in Analogie zu dem letzten Punkt würde ich für heute sagen: Kommunistische und anarchistische Feministinnen haben zwar weder Grund noch Anlaß, eine Kampgane speziell für die Quotierung von Aufsichtsräten zu machen; aber leninistische Feministinnen (die den Kampf um Reformen in der bestehenden Gesellschaft nicht ablehnen) haben allen Grund, sich für eine generelle Quotierung (und die schließt dann, solange es noch Aufsichtsräte gibt, auch Aufsichtsräte mit ein) einzusetzen.

Stimme zu, guter Text. :-)

Lieber Tap,

das ist der beste Text den ich jemals von dir gelesen habe. Gerade wenn es darum geht Rassismus/Sexismus als eigenständige Unterdrückungsmechanismen unabhängig vom Kapitalismus darzustellen bist du unschlagbar.

Ein weiteres Beispiel ist auch die DDR 50 Jahre Antifaschistische Bildung 2 Jahre danach brennen Asylheime.

Die Dogmatiker haben und werden auch nie verstehen warum Mao die 3 Welten Theorie entwickelt hat. Weil Sie nie verstehen werden, dass er damit eine Strategie gegen den weißen Rassismus und deren Herrschaft gesucht hat.

Weiter so TAP, wenn schon nicht der Kapitalismus verschwinden wird, dann zumindest Rassismus und Sexismus.

Danke für die Blumen. :-)

 

Das Folgende überrascht mich allerdings auch:

 

Die Dogmatiker haben und werden auch nie verstehen warum Mao die 3 Welten Theorie entwickelt hat. Weil Sie nie verstehen werden, dass er damit eine Strategie gegen den weißen Rassismus und deren Herrschaft gesucht hat.

 

Magst Du das noch ein bißchen erläutern?

 

Ich hatte die Drei Welten-Theorie bisher als spät-maoistischen Irrtum wahrgenommen, mit dem sich in übermäßiger Abgrenzung von der Sowjetunion an die NATO angebiedert wurde, siehe z.B. die chinesische Unterstützung für die UNITA in Angola. Letztere war nun keine wirklich antirassistische Gruppierung, sondern der schwarze Hilfstrupp der südafrikanischen RassistInnen-Regierung gegen die MPLA, die die portugiesische Kolonialmacht aus Angola vertrieb.


Auch in Portugal stellten sich solche 'NATO-MaoistInnen', wenn ich das noch recht erinnere, aus anti-sowjetischen Gründen gegen die Nelken-Revolution.

Naja mit Theorie und Praxis ist immer so ne Sache. Ich beziehe mich auf die Grundidee.

Die Idee ist für mich aber aus damaliger Sicht verständlich. Eine kommunistische Weltrevolution war nicht zu erwarten. Die Sowjetunion hatte sich zu einer imperialen Macht entwickelt, die nur noch eine verwaltende Funktion hatte, ohne eigene Ideen. Dies führte dann nur 15 Jahre später zum Untergang.

Dagegen stand nun die Armut in der 3.Welt und die Einmischung der USA/Sojetunion, beide interessierten sich nicht wirklich für die Entwicklung in diesen Ländern, sondern für den Ausbau der eigenen Machtstrukturen.

Mao setzte sich vor dieser Ausgangslage für das Selbstbestimmungsrecht der 3.Welt ein. Die sich eben nicht paternalistisch unter eine der beiden Mächte fügen, sondern selbstbestimmt vorwärtskommen sollte. Das ist für mich schonmal Antirassismus in seiner Grundidee. Dafür wurde vor allem die Sowjeunion kritisiert, um nicht auf die Sowetunion als Partner festgelegt zu sein. Das Ziel der Schaffung von Wohlstand in solchen Ländern wurde damit über alle anderen Ziele (auch dem Kommunismus) gestellt.

So kann auch die Entwicklung in China erklärt werden. Es ist einfach von Sozialismus zu reden, wenn man sich in einem hochentwickelten Land befindet. Wenn erst noch eine Entwicklung stattfindet, müssen Kompromisse eingegangen werden.

Im Endeffekt ist die Volksrepublik China von einem der ärmsten Länder der Welt zu einer Wirtschaftsmacht geworden. Sie hat das Ziel des Maoismus (Industrialisierung und Wohlstand) durchaus nicht verfehlt, Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Den Maoismus versteht man nur aus dieser Sicht, aus Sicht der Unterdrückten und aus dieser Sicht ist er schon genial.

Das dann Fehlentscheidungen getroffen wurden wie von dir genannt, kann man nicht ändern. Die die keine Fehler machen haben auch nichts versucht und haben sich dann irgendwann aufgelöst (UDSSR). Mao ist nicht ohne Fehler, seine Grundgedanken können aber immer wieder herangezogen werden. Er erlaubt immer die Weiterentwicklung seiner Gedanken.

"Dagegen stand nun die Armut in der 3.Welt und die Einmischung der USA/Sojetunion, beide interessierten sich nicht wirklich für die Entwicklung in diesen Ländern, sondern für den Ausbau der eigenen Machtstrukturen.
Mao setzte sich vor dieser Ausgangslage für das Selbstbestimmungsrecht der 3.Welt ein. Die sich eben nicht paternalistisch unter eine der beiden Mächte fügen, sondern selbstbestimmt vorwärtskommen sollte."

 

Ja, so in etwa würde ich das Anliegen der chinesischen (maoistischen) Position in der "Polemik über die Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung" (*) auch in etwa verstehen - nur hatte ich bisher den Eindruck, daß der Ausdruck "3-Welt-Theorie" erst eine deutlich spätere Phase der maoistischen Positionsentwicklung - noch nach der Kulturrevolution Ende der 1960er Jahre bezeichnet. ---

Wie dem auch sei:

Es gibt jetzt eine weitere Möglichkeit über diesen Artikel und seinem Bezug zu dem "Dilemma"-Text von systemcrash und mir zu dem "Plan A"-Papier von Thomas Seibert zu diskutieren:

 

Pläne über Pläne. Plan A, B, C, ... - Strategie-Forum ( --- under construction --- ) für radikale und revolutionäre Linke in der BRD



http://plaene.blogsport.eu/

(*) engl. Ausgabe: http://www.marx2mao.com/Other/PGL65.pdf; auf Dt. konnte ich bisher nur Teile finden: http://www.infopartisan.net/archive/maowerke/polemikdefault.htm und  http://kommunisten-online.de/Archive/Kommunisten/antirevisionismus.htm.