Allein 36 Verfahren wegen Landfriedensbruchs

Erstveröffentlicht: 
17.12.2015
Die Staatsanwaltschaft hat noch nicht alles erfasst, spricht aber von einer Vielzahl schwerer Straftaten

VON FRANK DÖRING

 

Nach den Krawallen von Linksautonomen am Sonnabend in der Südvorstadt sind die Ermittlungsbehörden noch immer dabei, sich einen Überblick zu verschaffen. „Es liegt derzeit weder eine vollständige Aufstellung über die verursachten Schäden noch eine vollständige Übersicht über alle durch die Polizei aufgenommenen Strafanzeigen vor“, teilte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz auf LVZ-Anfrage mit. „Die strafrechtliche Aufarbeitung dieser Vorgänge wird sich nach einer ersten Sichtung als sehr umfangreich und komplex darstellen.“

 

Klar ist: Gegen mindestens 36 Linksextremisten sind Ermittlungsverfahren allein wegen des Tatvorwurfs des Landfriedensbruchs oder schweren Landfriedensbruchs eingeleitet worden. „Weitere Anzeigen wegen verschiedenster Delikte insbesondere wegen Sachbeschädigung, der Zerstörung von Polizeifahrzeugen, gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz gegen bekannte Tatverdächtige liegen bereits der Polizei vor“, so Schulz. Auch wegen der Brandanschläge auf Bahnanlagen (die LVZ berichtete) wenige Stunden vor Beginn der Demo der rechtsradikalen Offensive für Deutschland (OfD) wird gegen Unbekannt ermittelt – Tatvorwurf: vorsätzliche Brandstiftung und Störung öffentlicher Betriebe. „Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass auch diese Straftaten durch linksextremistisch motivierte Täter begangen wurden, um die Anreise von Teilnehmern der von der OfD und anderen angemeldeten Demonstration zu verhindern“, so Schulz.

 

Hinter Gitter musste bisher keiner der namentlich bekannten Tatverdächtigen. Mangels Haftgründen seien keine Personen in Untersuchungshaft, teilte Schulz mit.

 

Gerade die Masse der Delikte und die unübersichtliche Lage machen es den Ermittlern ungewöhnlich schwer. Am Demo-Tag sei es zwischen 13 und 17 Uhr und zum Teil noch danach an zahlreichen Orten zu einer Vielzahl schwerer Straftaten gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung, unmittelbar gegen Polizeibeamte und deren Fahrzeuge, gegen öffentliche Verkehrseinrichtungen, Banken und Sparkassen sowie gegen fremdes Eigentum gekommen, erklärte der Oberstaatsanwalt. Dabei sei die Zahl von linksextremistisch motivierten Personen bislang „nicht genau bestimmbar“. Die Polizei hatte von bis zu 1000 vermummten Gewalttätern berichtet.

 

Trotz der Komplexität der Verfahren seien Staatsanwaltschaft und Polizei „bestrebt, die umfassende und möglichst zeitnahe strafrechtliche Abarbeitung aller angezeigten Sachverhalte und die Auswertung der gesicherten Beweismittel zur möglichen Identifizierung weiterer bisher unbekannter Täter zu gewährleisten“ versicherte Schulz. Ob bereits identifizierte Gewalttäter den Ermittlungsbehörden bereits aus anderen Strafverfahren bekannt sind, werde noch überprüft.

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Leserbriefe

Zu den Krawallen in der Südvorstadt und in Connewitz:

 

Wofür sollen die Polizisten noch den Kopf hinhalten?

Als ältere Leipzigerin weiß ich auch, dass die Wurzel allen Übels uns nicht erst jetzt beschäftigt, sondern bereits zu DDR-Zeiten mit der Hausbesetzerszene, vor allem in Connewitz, begann. Damals noch von den Behörden still geduldet, da weniger politische Gründe im Fokus standen, sondern mehr der Wohnungsmangel.

 

Ab Mitte der 80iger Jahre entwickelte sich Connewitz zum Zentrum der „Szene“. Mit der Wende bildete sich im Süden ein Biotop alternativer Lebensweisen heraus. Der allgemeine Naziterror machte auch vor Connewitz keinen Halt.

 

Die autonome Szene hat sich etabliert. Die linksextreme Szene erinnert stark an RAF-Terrorismus. Warum wurde sie in der Öffentlichkeit weniger kritisch gesehen als Rechtsextreme? Das sind eklatante Versäumnisse. Es kann auch nicht sein, dass man nach den letzten Ereignissen nun wieder den Polizeieinsatz kritisiert. Wofür sollen die Beamten denn noch ihren Kopf hinhalten? Reichen Einsätze in Fußballstadien mit gewalttätigen „Fans“ oder Einsätze bei der Bewältigung der Flüchtlingspolitik und weiteren Brennpunkten nicht aus?

Rosmarie Schröder, 04157 Leipzig


Der Staat mussdagegenhalten

In der Politik fehlen immer mehr die Mutigen, die Entschlossenen, die Entscheider, die Charaktere. Das beginnt auf kommunaler Ebene, setzt sich auf Landesebene fort und trägt sich längst schon auf die Europaebene. Man schiebt das unpopulär zu Entscheidende wie auch die wahrscheinlichen Gründe dafür eher auf irgendeinen anderen „Schuldigen“, um den eigenen Schein zu wahren oder von der vielleicht eigenen Inkompetenz abzulenken. Wenn ein Oberbürgermeister die Schuld dem Verfassungsschutz in die Schuhe schiebt, zeigt er zunächst, dass er „seine“ Stadt wahrscheinlich überhaupt nicht kennt. Es war aber auch ein trauriger Tag für Deutschland, der in der Gemeinschaft damit auch Europa schadet, und vor allem der Demokratie.

Meinungsfreiheit: Ja. Gewalttätiges Ausdrücken dieser: Nein. Der Staat muss dagegenhalten, mit politischer Vernunft, gegebenenfalls jedoch auch mit polizeilichen Mitteln und allen gesetzlichen Möglichkeiten.  

Steffen Böttger, per E-Mail


Dubiose Vereine öffentlich gefördert

Die Extremismusstelle im Dezernat von Bürgermeister Professor Thomas Fabian scheint nicht nur blind zu sein, sondern vielmehr überhaupt kein linkes Auge zu besitzen. Jahrelanges Versagen, eine nicht vorhandene Null-Toleranz-Politik und eine strittige Förderpolitik dubioser Vereine mit öffentlichen Geldern scheinen der ideale Nährboden für linksextreme Keimzellen gewesen zu sein. Das Resultat ist enormer körperlicher sowie finanzieller Schaden und, dank Bericht auf BBC, eine Rufschädigung Leipzigs in der ganzen Welt. Im Übrigen sollte die LVZ in Artikeln zweifelhaften Demokraten keinen Platz für ihre kuriosen Ansichten bieten.

Thomas Hoffmann, 04158 Leipzig

 

Leserbriefe zum Lokalteil an: leipzig@lvz.de