Die Düsseldorfisierung von Köln: < Das Gerling Quartier >

Die Düsseldorfisierung von Köln: < Das Gerling Quartier >

Tausende suchen verzweifelt eine (bezahlbare) Wohnung in Köln. Zeitgleich entstehen überall neue Luxus-Siedlungen. Im „Gerling Quartier“ investiert die österreichische Immofinanz-Gruppe 400 Millionen Euro, um aus einem leerstehenden Bürokomplex, ein "Premium-Stadtquartier" für Superreiche zu machen.

 

Die Verkaufspreise der Eigentumswohnungen liegen zwischen 4.500€/m² und 16.000€/m². Das Penthouse wurde für 6 Millionen Euro verkauft. Im September wurde der erste Bauabschnitt mit 145 Eigentumswohnungen und 25.000qm² Büroflächen eröffnet, der Zweite soll bis Ende 2016 fertig gestellt werden. Damit illustriert das Quartier nicht nur die soziale Ungleichheit, sondern treibt sie voran. Denn für das umgebende Friesenviertel bedeutet das Quartier: steigende Mieten, vermehrte Kündigungen und abnehmende Konsummöglichkeiten für einkommensschwächere Menschen.

Selbst die naivsten Gemüter können nicht glauben, dass der Einzug von hunderten Bonzen, das umgebende Viertel nicht verändern wird. Während der Investor gar nicht erst versucht dem Projekt einen sozialen Anschein zu geben, verkneift sich die Kölner Presse brav jedes kritische Wort. Dabei war das Friesenviertel bereits Ende der 60er Jahre Schauplatz einer Bevölkerungsverdrängung. Während damals die Vertreibung des Proletariats, zugunsten einer "white collar" Belegschaft, im Mittelpunkt stand ist heute die Mittelschicht selbst bedroht.

 

 

I. Die erste Gentrification

Bereits Anfang der 70er verfolgte die Stadt Köln eine neoliberale Stadtentwicklungspolitik und ließ dem Gerling-Konzern nahezu freie Hand bei der Umgestaltung des Stadtteils. Der Konzern verfolgte mit seiner Strategie drei Ziele:


- Es sollte der wachsende Bedarf an Büroraum langfristig gedeckt werden

- Die Um- und Neubauten sollten als Anlageobjekte der Immobilienspekulation dienen

- Das umgebende Rotlicht-Milieu sollte vertrieben werden

 

Dazu wurden systematisch benachbarte Grundstücke und Gebäude aufgekauft. Das Friesenviertel war damals baulich stark heruntergekommen. Die kleinteilige Struktur wurde durch enge Straßen, sowie niedrige und schmale Häusern geprägt. Ein hoher Anteil von Renter*innen und Migrant*innen wohnte in dem Viertel. Nach den Hauskäufen wurde den Mieter*innen gekündigt und neue, teurere Wohnungen an den Außenbezirken der Stadt angeboten. Mit Abfindungszahlungen und der Übernahme von Umzugskosten wurde versucht, ihnen ihre Vertreibung schmackhaft zu machen. Der geballten Konzernmacht mit ihrer politischen Unterstützung, hatten die Mieter*innen wenig entgegen zu setzen. In den freiwerdenden Wohnungen zogen Mitarbeiter. Die Gewerbeflächen vermietete der Konzern an den hochpreisigen Einzelhandel und der Gastronomie. 1)

 

 

II. Chic des Faschismus

Der Nachkriegs-Neubau der Gerling Konzernzentrale sollte Macht und Reichtum ausdrücken. Als alter Wirtschafts-Patriarch übertrug Gerling seinen autoritären Führungsstil auf die Architektur. Die "Nazi-Ästhetik" der, mit Muschelkalk verkleideten, Monumentalbauten kommt nicht von Ungefähr. Die ausführenden Architekten und Bildhauer stammten aus dem Arbeitsstab von Albert Speer. Der sich über die Jahrzehnte ausbreitende Gebäudekomplex, wird im kölschen Volksmund auch als "kleine Reichskanzlei" tituliert. 2) Nur der Gnade der späten Grundsteinlegung ist es zu verdanken, dass die eindeutige Symbolik, heute als "traditionelle Eleganz" (Jürgen Roters, 2011 (SPD)) verkauft werden kann. Historisch unbelastet kann das Quartier zu einer Luxusenklave saniert werden. Um dennoch nicht zu ernst, zu wirken, bedienen sich die Bauherren an der Formsprache Italiens und fügen eine Prise mediterrane Lebenslust und Internationalität hinzu. Mussolini würde heute wohl nicht anders wohnen wollen.

 

 

III. Die Randbezirke den Verlierern – Die City den Erfolgreichen

Wenn von steigenden Mieten und Wohnungsnot die Rede ist, dann ist nicht das oberste Preissegment gemeint. Armut ist lokal, aber Reichtum bedeutet die Qual der Wahl. Auf einen Käufermarkt müssen die Immobilienanbieter um die Wohnungssuchenden konkurrieren. Marketing wird im Gerling-Quartier groß geschrieben.

Neben den harten Fakten, wie die zentrale Lage im "angesagten Friesenviertel", welche ein "komfortables Leben der kurzen Wege" ermögliche, werden Lifestyle-Qualitäten zur Selbstinszenierung konstruiert. Dahinter stehen Marktanalysen über die Präferenzen der jeweiligen Zielgruppe. Die Botschaft ist simpel: willst du frei, flexibel und erfolgreich sein? Dann musst du dir eine Gerling-Eigentumswohnung kaufen! Dazu wird der Wohnraum mit Lebensstilen verbunden. Eine Dachterrassen gibt ein "besonders freies Lebensgefühl", „ein Garten maximiert den Gestaltungsspielraum für jede Nutzungsmöglichkeit" und die Raumaufteilung lässt "Leben und Arbeiten besonders geschickt verbinden". Illustriert wird das Ganze in überbelichteten Bildern von attraktiven, glücklichen und hellhäutigen Menschen. Das Selbstbild der potenziellen Kunden verlangt Erfolg, darum wird das Viertel als Ort kapitalistischer Rekorde gebrandmarkt. Die Geschichte Gerlings wird als "Signet des Wirtschaftswunders" angepriesen und die Exklusivität elitärer Zirkel betont:

"In seiner berühmten Bar waren Diplomaten, Wirtschaftsmagnaten, glamouröse Frauen und Politiker, wie Konrad Adenauer, gern gesehene Gäste. Die Präsentation seines weltweiten Erfolgs spiegelte sich im Interieur seiner legendären Bar mit intimer Atmosphäre wider, die nur einem erlesenen Kreis vorbehalten war."

Die Finanzkrise, welche den Gerling-Konzern die Eigenständigkeit nahm und in dessen Folge die Firmenzentrale verkaufen musste, wird konsequent verschwiegen. Stattdessen wird die Luxussanierung, als eine "Metamorphose die ein neues Zeitalter" markiere, in den Himmel gelobt. Gekrönt wird Schönfärberei durch ein pathetischer Werbeclip, der die Grenze zur Realsatire längst überschreitet  3)4).

 

 

IV. Gated Community

Wenn Mensch soviel Geld in die Hand nimmt (um sich ein Townhouse, Penthouse, Maisonette oder eine Stadtvilla zu kaufen), will er sich nicht wie ein Gefangener fühlen. Immerhin zieht er ja gerade wegen den vielfältigen urbanen Attraktionen und zahlreichen Konsummöglichkeiten in die Innenstadt. Dabei möchte er einen hohen Sicherheitsstandart und ruhige Erholungsmöglichkeiten im Grünen. In Makler-Sprache hört sich das so an: "Man lebt mitten im Grünen, verbunden mit den Annehmlichkeiten der Großstadt. Die hochwertige Gesamtausstattung und ein umfangreiches Service- und Sicherheitskonzept vermitteln den neuen Eigentümern ein entspanntes Wohngefühl in exklusiver Umgebung im Herzen von Köln." Superreiche in Deutschland haben es nicht nötig sich von der Welt mit Mauern und Stacheldraht auszusperren. Sie holen ihre Dosis der Welt in den goldenen Käfig, als sozial-konforme Menschenkulisse, welche dem Quartier den Anschein von Lebendigkeit gibt, ohne jedoch zu stören. Somit bleiben die Grünanlagen dem Pöbel vorenthalten.

Für die Inszenierung haben sich die Investoren Geronshof-Straße gekauft und in einem „Piazza Navona“ umfunktioniert. Hier wird eine urbane Atmosphäre simuliert und eine Akzeptanz der Kölner*innen für das Quartier suggeriert. Somit unterstehen auch rechtlich die Passant*innen dem Hoheitsgebiet der Immofinanz AG. Die Stadt Köln hat dafür 226.000 Euro erhalten und die Verpflichtung, die anfallenden Reinigungskosten zu übernehmen.

Zur Aufrechterhaltung der sozialen Kontrolle, setzen die Immobilienverwerter, primär auf die zwanglose Selbstselektion der Nutzer*innen, durch exklusive Gastronomie und Dienstleistungen. Grundsätzlich ist zwar jede*r willkommen – aber ohne Geld will dort niemand verweilen. Natürlich stehen hinter diesen subtilen Formen, auch Kameraüberwachung, Security- und Concierge-Service „der als gute Seele des Hauses, stets ein Auge auf die ein- und ausgehenden hat“.

 

 

Zusammenfassung

Die Analyse hat gezeigt wie Stadt und Investor, eine Politik der sozialen Ausgrenzung betreiben, um durch die herbeigeführte Exklusivität den monetären Wert zu steigern. Eine wichtige Rolle spielt das Marketing. Damit lässt sich selbst die aus dem NS-Reich entlehnte Architektur und zweifelhafte Konzerngeschichte historisch umdeuten. Eine Ironie der Geschichte ist, dass damalige Gentrifier, heute selbst verdrängt werden. Das Gerling Quartier zeigt zu dem exemplarisch, wie die moderne Gestaltungsform einer Gated Community in der Innenstadt aussieht

 

 

1) Carola Hardt: "Gentrification im Kölner Friesenviertel". In Gentrification : Theorie und Forschungsergebnisse / Jürgen Friedrichs ; Robert Kecskes, Opladen: Leske u. Budrich, 1996. S. 283-311

4 ) http://www.gerling-quartier.com/de

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Aus einem leerstehendem (!) Büro(!) werden 145 Wohnungen.

 

Das is wirklich voll total böse ...äh halt da werden ja doch Wohnungen gebaut...hm achja naja scheiss Kapikalistenschweine halt.

Ich weiß, diese Seite heißt "linksunten" und ich bin zufällig hier hin geraten. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, was für einen Bärendienst eine derartige Berichterstattung politisch linker Propaganda leistet. 

Die Wortwahl ist ja schön provokant, es sollte zum Nachdenken anleiten, es soll jedoch nicht das Nachdenken leiten. Dass der Gerling-Konzern seine Selbstständigkeit einbüßen musste, wird nicht genannt; herzlichen Glückwunsch, Ihr habt eine Marketing-Strategie aufgedeckt. Was nicht aufgedeckt wird, und hier scheint ein grundsätzliches Problem linker wie rechter Kritik zu liegen, ist der Implikationsreichtum des eigenen Vokabulars. Es war und ist wichtig, dass Marx und Engels mit der Grundsteinlegung der Kritischen Theorie, wie Adorno sie ausformuliert hat, einen dekonstruktivistischen und analytischen Blick auf die hingenommenen Gegebenheiten der Kultur ermöglicht haben. Erschreckend und absolut inferior gegenüber jeglicher Theoriebildung bei Marx und Engels erscheint allerdings der Gebrauch von implikationsreichen Ausdrücken und Dichotomien, die keinen Deut mehr Einsicht in die Kulturmaschinerie gewähren, als es der unhinterfragte Gebrauch kapitalistischen Wortschatzes vermag. 

Zudem möchte ich alle linksgerichteten Denker hier bitten, einmal nachzudenken und ehrlich ein gelungenes Beispiel für eine nicht durch hierarchische Peripherisierung strukturierte zu nennen, ob die zentral lebenden Akteure nun reiche "Bonzen" oder Parteifunktionäre des Politbüros waren. Bevor also eine Luxusimmobilienwelt, die aus dem natürlichen Verlangen eines den Kapitalismus begründenden Belohnungssystems beruht, verteufelt wird, sei an alle Funktionärsvillen in Russland, Jugoslawien, China der DDR und ähnlichen Staaten erinnert, die so gesehen sogar sehr viel unehrlicher sind, da ein kommunistisches oder sozialistisches Modell so eine Bauweiseohne Bigotterie überhaupt nicht erklären kann.

Und bitte tut mir zum Abschluss einen Gefallen: Wer einen Artikel schreibt und ernst genommen werden möchte, soll doch bitte zumindest Interpunktion und Deklination beherrschen und in der Lage sein, "Zitate" richtig abzuschreiben.

Kritisch denken ist super, aber eine per se kritische Haltung und ideologisches Vokabular sind ebenso dogmatisch und unreflektiert wie ein ungebremst gefeierter Kapitalismus.

beste Grüße

A