Am Mittwoch, den 11.11.2015, veranstaltet die Bundeswehr eine Militär-Parade einschließlich Fackelmarsch und Wehrmachtskarabinern. Auf der Tribüne vor dem Reichstag werden 3000 Staatsgäste erwartet. Das Motto der Geburtstagsparty ist „60 Jahre Bundeswehr. 25 Jahre Armee der Einheit“. Anlässlich dieser Veranstaltung und der Gegendemo wird hier deutlich gemacht, dass die letzten 25 Jahre „Sicherung des Friedens und des Handels“ vor Allem Zugang zu billiger Arbeit und Rohstoffen bedeuten.
Was gestern noch Satire war...
Auf den ersten Blick könnte man den Image-Clip der Bundeswehr aus dem Jahr 2013 für Satire oder Kommunikationsguerilla halten. Die Handlung zeigt zu Anfang Mutter und Tochter beim Betreten eines REWE-Supermarkt. Am Obstregal zeigt ein Schild die besonders für viele Deutsche alarmierenden Botschaft: „Heute keine Bananen!“ Lange Gesichter. Besonders bei der jungen Generation. Schnitt. Das Bild zeigt Frachter des dänischen Reederei-Konzern "Maesk", der u.A. die Supermarktkette "Netto" besitzt und außerdem Militär-Dienstleister ist. Die eingeblendete Bildunterschrift informiert die Zuschauenden über folgenden Sachverhalt: „Bananen kommen übers Meer!“ Offenbar glaubt die Marketing-Abteilung der Bundeswehr, dies ihrem Zielpublikum mitteilen zu müssen. Gleich im Anschluss folgt ein Verweis auf die typisch deutsche Neid-Debatte: „Unser Wohlstand hängt wesentlich vom Handel über die Weltmeere ab.“ Und überraschenderweise kommt der Satz ohne Ausrufezeichen aus. Dann dramatische Musik und Action-Bilder mit Schiffen, Flecktarn und Wellen. „Der Handel über die Weltmeere erfordert sichere Seewege“. (Was nach deutschen Militärverständnis für Bananen gilt. Aber auch für Refugees?). Dann folgt zur weiter dramatischen Musik Schiffsgeschütz-Geballere und Flecktarn (ja, deutsche SoldatInnen schießen). Es folgen Flecktarn-Gesichter und dummes Gegrinse mit der unterschwelligen Botschaft: Als Arbeit verklärtes Geballere darf deutschen Soldaten wieder Spaß machen. Schlusseinstellung: Regenbogen hinter Kanonenboot. „Eine starke Marine schützt diese Seewege.“
… ist heute Realität
Was beim Rücktritt des Ex-Bundespräsident Köhler als Satire durchgegangen wäre, ist heute ein ernstgemeintes Image-Video. Obwohl das Werk vor Dummheit strotzt, hat es keine Rücktritte gegeben. Im Gegenteil: Es dürfte richtungsweisend sein. Es zeigt, wie selbstverständlich Deutsche es finden, dass sie Güter aus anderen Ländern möglichst billig vor sich liegen haben. Dass die Güter dabei nicht nur übers Meer kommen, sondern auch irgendwo auf durch Ausbeutung niedrig gehaltenem Niveau für den Export angebaut werden müssen, ist dabei egal. Und das Video zeigt, wie selbstverständlich es Deutsche bald finden werden, das ihr Militär die wirtschaftliche Ausbeutung anderer Länder militärisch flankiert.
Krieg für wirtschaftliche Interessen?
Dies wirft ein Schlaglicht auf den Wandel des militärisch-propagandistischen Neusprech zu den als „Auslandseinsätzen“ beschönigten deutschen Militär-Expeditionen. Dies lässt sich u.a. anhand der Aussagen von unterschiedlichen Bundespräsidenten betrachten. 2010 musste der oberste Bundes-Grüßonkel Horst Köhler vom Amt zurück treten. Er hatte in einem Interview anlässlich eines Truppenbesuches an der afghanischen Front bezüglich der wirtschaftlichen Interessen Klartext gesprochen: „Wir kämpfen (...) auch für unsere Sicherheit in Deutschland (…) Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. (…) Man muss auch um diesen Preis sozusagen seine am Ende Interessen wahren.“
„Offenhaltung des Zuganges zu Märkten und Rohstoffen“ als Militärdoktrin
Wie sehr jedoch militärische Interventionen insbesondere seit der krisenkapitalistischen Zeitspanne ab 2009 hoffähig geworden ist, zeigt, dass in allen wichtigen Papieren wie z.B. im Weißbuch der Bundeswehr mittlerweile Wirtschafts- und Handelskrieg als legitime Gründe für den Erhalt und Einsatz der Bundeswehr gelten. Dementsprechend ist das Befürworten von Wirtschaftskrieg auch kein Rücktrittsgrund mehr für eine/n deutsche PolitikerIn. Dies zeigte 2014 eindrucksvoll der bei seiner Wahl auch von Rot-Grün unterstützte, an Konservativität kaum zu überbietende aktuelle Bundespräsidialbischof Joachim Gauck. Auf der in München stattfindenden sogenannten „Sicherheitskonferenz“ äußerte sich Gauck ähnlich wie sein Vor-Vorgänger und bekundete im warm anmutenden Priester-Tonfall, es ganz normal zu finden, dass eine Handelsmacht ihre Interessen auch militärisch vertritt. SPD-Außenminister Walter „Foltermeier“ Steinmeier und die aktuelle Kriegsministerin „Zensur“- Ursula von der Leyen stimmten ihm öffentlich zu. Rücktritt? Fehlanzeige. Dies zeigt, wie sehr die Propaganda um das „Sichern des Zuganges zu Märkten und Rohstoffen“, wie es seit 2006 im „verteidigungspolitischen Weißbuch der Bundeswehr“ heißt, verfängt.
Von der „Handelsmacht“ zur Weltmacht?
Der Propaganda-Euphemismus „Deutsches Militär sichert Frieden und Handel“ bedeutet in einer globalisierten Welt mit asymmetrischen Machtressourcen zugunsten des Westen Zugang zu billiger Arbeit und Rohstoffen für die, die es sich erlauben können. Die Schlagworte „Handel“ und „Welthandel“ werden als positive Werte wahrgenommen. Die Verknüpfung mit der Legitimierung von Militär-Expeditionen liegt zudem nahe, weil das semantische Feld „Handel“ und „Handelsmacht“ in Deutschland seit Jahrzehnten als Kompensationsgebiet für die seit 1945 nicht mehr offen äusserbare Großmannssucht dient. So feiern seit Jahren Medien und Politik die wachsenden Exportüberschüsse und die „Exportweltmeisterschaften“ ab. Auch das „Politik machen“ mit Handel ist in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten eine angebliche Qualität, die „unsere“ internationale Politik von der angeblich „schlimmen“ angelsächsischen Weltpolitik unterscheiden würde. Was liegt da näher, als den positiv wahrgenommen Wert „Handel“, der im bundesrepublikanischen Verständnis ohnehin schon in positiv konnotierter Weise semantisch mit „Außenpolitik“ verbunden ist, nun auch zu nutzen, um Militär-Expeditionen zu rechtfertigen? Zumal sich damit an beim gemeinen deutschen Mitmenschen ja ohnehin beliebte Neid- und Teildebatten anschließen lässt. Anknüpfend an das bescheuerte, aber deren Interessen aufdeckende, Werbe-Video der Militärs muss die Lehre aus 60 Jahren Bundeswehr und 25 Jahren Interventionsarmee, so skurril es zunächst auch klingen mag, heißen: „Von deutschen Supermärkten darf nie wieder Krieg ausgehen!"
Mehr Infos:
Das Bananenvideo der Bundeswehr:
Kritik und Infos zum Weißbuch:
Adbusting und Argumente gegen das Militär:
http://maqui.blogsport.eu/2015/10/26/adbusting-und-argumente-gegen-militaer/
60 Jahre Bundeswehr: Wie wirkt das faschistische Erbe im deutschen Militär?
Herrschaftskritisch gegen Staat und Militär:
http://maqui.blogsport.eu/2015/11/03/herrschaftskritisch-gegen-staat-und-militaer/
Gegendemo zum Zapfenstreich am 11.11.2015:
Berlin: Show-Room der Bundeswehr mit Farbe angegriffen:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/158555
Berlin: Militär-Werbung einsammeln:
Sinnvolle Kritik notwendig
Krieg ist die grösstmögliche Katastrophe, und insbesondere deutsches Militär ist immer kritisch zu beäugen. Dabei sollte mensch allerdings Fakten beachten und Augenmaß bewahren.
Die K98k stammen tatsächlich aus alten Wehrmachtsbeständen, und das Hakenkreuz in manchem Holzschaft wurde erst 1995 ausgeschliffen, das grundsätzliche Gewehrmodell stammt aus dem Jahr 1898, und wurde im Ersten wie Zweiten Weltkrieg millionenfach eingesetzt.
Die militärische Sicherung von Handelswegen ist keine deutsche und keine kapitalistische Erfindung, sondern existiert seit der Aufnahme des Fernhandels in der Antike überall auf der Welt, in allen Kulturen, wirtschaftlichen und politischen System. Der Bananen-Spot war dümmer als eine Banane, aber die Bekämpfung der Piraterie vor Somalia - und das ist der einzige nennenswerte derartige Einsatz der Bundeswehr bisher - ist ein UN-Einsatz zum Schutz der Seefahrt und der Hilfslieferungen des WFP, an dem sehr viele Staaten teilnahmen und heute noch teilnehmen, von der NATO über die EU bis zu Russland, Iran und China.
Die Gefahr, andere Staaten durch deutsche militärische Gewalt in die Ausbeutung zu zwingen, erscheint angesicht der Größe und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr im Ausland - ein paar Tausend Soldat*innen bekommen sie vielleicht zusammen, und sogar bewegt, solange Russland ihnen wieder Flugzeuge vermietet - dagegen nicht ganz so groß.
Kleiner Rant am Rande: Spottet nicht zu sehr über den deutschen Außenhandel und dessen Gewinne. Auch Ihr profitiert von dem Wohlstand, den er in diesem Land schafft, selbst wenn ihr das nicht möchtet oder zugeben möchtet.