"Jutta Ditfurth, Thomas Ebermann und Peter Nowak streiten über das Leben, das Universum und den ganzen Rest", so bewarb die Jungle World in ihren Actionskalender eine Veranstaltung, deren Anlass bei der radikalen Linken Leipzigs liegt. Die Veranstalter_innen beschreiben den Hintergrund der Veranstaltung so:
Seit einigen Monaten ist die Empörung in Leipzig groß, zumindest in den bürgerlichen Medien, bei Staat und Staatsschutz. Grund dafür ist eine Reihe von militanten und gewaltsamen Aktionen, politisch motiviert und ausgehend von einer Linken die „in der allerersten Liga der autonomen Szene in Deutschland boxt“ (1). Polizeistationen, Gerichtsgebäude und andere Sachen wurden beschädigt, zu weiteren Aktionen aufgerufen und zum Teil Bekenner_innenschreiben verfasst. Die Leipziger Linke setzt sich mit dem Sinn oder Unsinn der Mittel, deren Zweck oder Selbstzweck, Entsolidarisierung oder offene Kritik und das Nah- und Fernziel auseinander, während sich andere auf “linksextreme Chaoten” geeinigt haben.
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Mit einer Diskussionsveranstaltung wollen wir einen Raum für eine politische Debatte über Militanz und Gewalt als politisches Mittel schaffen. Dabei werden mit Perspektive auf Leipzig, die deutschen und europäischen Verhältnisse Jutta Ditfurth, Thomas Ebermann und Peter Nowak auf dem Podium diskutieren.
Welche Formen der effizienten linksradikalen Intervention kann es angesichts einer Radikalisierung des Kapitalismus und der Aufrüstung des Sicherheitsstaates geben? Können Militanz oder Gewalt zur revolutionären Transformation bzw. Negation des Bestehenden beitragen? Welche Unterschiede finden sich global in anderen Kontexten? Wie wirken militante oder gewaltsame Aktionen? Inwieweit kann Militanz sich von Gewalt emanzipieren und zu einer befreiten Gesellschaft hinwirken? Wie kann kollektiv darüber gesprochen werden, ohne sich in Entsolidarisierung einerseits und avantgardistischen Positionen andererseits zu verfangen?
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Kein Jüngstes Gericht über die radikale Linke Leipzigs
Insgesamt war die Veranstaltung recht gelungen, gerade weil es sich nicht darum ging, als "Jüngtes Gericht" über irgendwelche militanten Aktionen in Leipzig zu urteilen, wie Thomas Ebermann erfreulicherweise gleich zu Beginn der Veranstaltung klarstellte. Das Thema der drei Referent_innen war dann eher, die Bedingungen zu diskutieren, in der heute linke Militanz eingreift. Thomas Ebermann bekannte sich zur Figur des "vergrübelten Intellektuellen" zitierte Herbert Marcuse und weigerte sich, sich gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft von militanten Aktionen zu distanzieren, ohne aber deshalb große politische Sympathien dafür zu haben. Jutta Ditfurth ging auf die Geschichte der militanten Linken in der Apo ein, redete über Rudi Dutschke, hatte ebenfalls ein Marcuse-Zitat anzubieten und endete mit dem Bild der greisen jüdischen Kommunistin Carola Bloch, die sich weigert, Militanz als Mittel für eine revolutionäre Umwälzung auszuschließen.
Die Militanz und die Emmelys und Gülbols dieser Welt
Während Ditfurth und Ebermann vor allem in der Vergangenheit blieben und gerade noch den Minerstrike 1984 in Großbritannien als ernsthaften Kampf anzuerkennen, bezog sich Peter Nowak auf die kleinen Kämpfe des Alltags, auf die "Emmelys und Gülbols dieser Welt". Damit bezog er sich auf Menschen, die ihre Angst verlieren und aufstehen, wie die Kassierin Emmely, die wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements gekündigt wurde oder die Berliner Familie Gülbol, die gegen ihre Zwangsräumung kämpften, auch nachdem sie juristisch in allen Instanzen verloren hatte. Nowak stellt die Frage, ob solche Selbstermächtigungsprozesse mehr Menschen mobilisieren und verändern kann, als militante Aktionen kleiner Gruppen, die von der großen Mehrheit der Menschen nur wahrgenommen und konsumiert werden können.
Es erwies sich im Nachhinein, dass durch die so unterschiedliche Herangehensweise der Refernt_innen tatsächlich unterschiedliche Aspekte der Militanzdebatte angesprochen wurden. Mehr ist bei einer solchen Diskusson nicht möglich, aber das schon viel.
Hier kann die Veranstaltung nachgehört werden:
Ob Friedlich oder Militant
Für den Widerstand, ist es nötig, dass wir zusammenarbeiten. wenn Nazis oder Bullen angreifen, sind wir genötigt gewaltig gegenzuhalten um uns und unser Leben zu schützen (soweit ist klar). Wenn gruppen, das mittel der militanz wählen um ihren Unmut auszudrücken, zum Beispiel einen Bankautomaten in die luft jagen, dann ist es wichtig, dass pazifist_innen sich nicht distanzieren, denn nur mit vereinter stimme sind wir laut. Andersrum auch sollte der wunsch nach einem friedlichen miteinander nicht in eine bürgerliche schublade gesteckt werden. Friedliche Aktionen werden von der Masse einfacher angenommen (wenn sie wahr genommen werden) und wir können nicht erwarten, dass ein/e bürger*in anhand eines gesprengten bankautomaten die antikapitalistische kritik versteht.
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lassen wir uns nicht spalten, wenn wir das selbe Ziel (oder die selbe Richtung) vor augen haben, es gibt nicht DEN richtigen weg sondern viele ebenen auf denen wir agieren können, wenn wir zusammenhalten.