Über Solidarität und die kürzliche Verhaftung eines Demonstranten

Feu à toutes les prisons !

Ein Text aus der anarchistischen Straßenzeitung "Fernweh" aus München, bzgl. der Verhaftung und Inhaftierung von Paul im Rahmen einer Demo gegen Pegida und der daraus enstandenen Solidaritätskampagne.

Am Montag den 20.07. demonstrierte mal wieder die Münchner Pegida-Fraktion um ihre „Kritik“ unter „das Volk“ zu bringen und zu verbreiten. Diese gruselige Bürgerbewegung prophezeit den Untergang des Abendlandes durch die Migrationsbewegungen in Richtung Europa oder Deutschland und bietet damit ein Sammelsurium für allerhand „Kritiker“, die von Nazis, über Verschwörungstheoretiker bis zu Mittelständlern reichen, denen ihre Privilegien verloren gehen und in ihrem Leben wahrscheinlich noch nie etwas von Teilen gehört haben und so Übel und die Schuldigen in den zahlreichen Flüchtlingen erkannt haben wollen.

 

Wie jeden Montag, so auch diesen, fand eine Kundegebung statt, die von Protesten begleitet wurde, und auch dieses Mal flogen alle möglichen Wurfgeschosse in Richtung dieses, meinen Würgereiz auslösenden, Spuks. Während den Demonstrationen verhaftete die Polizei einen Demonstranten aufgrund einer Fahne mit zu dickem Stock. Dieser befi ndet sich seit Montag, den 20.07 nun in der JVA Stadelheim in Untersuchungshaft.
Gleich vorweg: Wir wünschen dem Verhafteten viel Kraft und Mut, denn Einsperrung existiert um die Individuen zu brechen, sie zu gehorsamen und tüchtigen Sklaven zu formen und dementsprechend Kräfte zehrend und zerstörend wirkt sie.

 

Gefangener der Demokratie

 

Wenn die unterwürfi gen Staatsdiener in der Welt außerhalb der Mauern nicht zu produzieren sind, so sollen sie im Knast dazu gemacht werden. Damit ist Knast nur die Erweiterung der Welt, die wir kennen, mit all ihren Zwängen, Befehlen und Richtlinien. Gucken wir uns kurz die Idee der Demokratie an. Sie ist ein Herrschaftssystem, das die Koexistenz verschiedener Weltanschauungen und politischen Richtungen erlauben soll und aus den aufeinander treffenden Widersprüchen eine Frage der Wahl zwischen politischen Parteien oder Richtungen macht. Der Bürger soll generell jeder politischen Auffassung, die jeweils eine unterschiedliche Verwaltung der Bevölkerung anstrebt, tolerant gegenüber stehen und sich innerhalb der Argumentationslinien und Handlungsmuster – egal ob links oder rechts – wiederfi nden und sich so auf einen Kampf um politische Vorherrschaft einlassen, in dem der Gewinner bereits defi niert ist. Es sind die Demokraten, die die Idee der Herrschaft durch die Mitbestimmung der Unterdrückten ermöglichen wollen. Dieser demokratische Staat jagt Gesetzesübertretungen in beide Richtungen, denn das ist seine Aufgabe, er will seine Herrschaft sichern und die Achtung seiner von ihm erfundenen und diktierten Gesetze gewährleisten. Nun gut, oft mag die Sympathie der Repressions-Organe ganz auf Seiten des völkisch-nationalen Mobs sein und allzu oft gingen in der Geschichte staatliche Strukturen Fusionen mit faschistische Gruppierungen ein, doch – wenn wir den Staat und seine Gesetze, seine Knäste und Hemmungslosigkeit kennen – dürfen wir uns dann wundern, dass er ohne mit der Wimper zuschlägt, wenn wir gegen ihn vorgehen?

 

Antifaschismus ist kein Verbrechen?

 

In diesem Sinne zeugt das Jammern eben dieser linken Gruppen nach der Inhaftierung eines Demonstranten und das Schwadronieren über einen Gipfel der Repression, welches mit der Beschwerde über das mangelnde Vorgehen des Staates gegen Nazis einhergeht, ein gewisses Unverständnis, was Repression bedeutet: Natürlich ist es immer scheiße Anzeigen zu kassieren und im Knast zu landen – besonders wenn es  scheint als hätte man die Verhaftung einfach vermeiden können – doch das Ziel der Repression ist es nicht diejenigen mit den „krassesten“ Strafen zu beladen, die die „krassesten“ Sachen machen, sondern generell einzuschüchtern, zu isolieren, und die Gefahr einzudämmen, dass sich Kritiken und Ideen verbreiten. Somit geht es dem Staat darum seine eigene Existenzberechtigung und die ihr zu Grunde liegende Moral zu untermauern und wenn er sich entscheidet dies mittels Inhaftierungen zu tun, dann wird er immer Gesetze finden oder schaffen, die dies rechtfertigen. Eine Antwort wäre die angegriffenen herrschafts-feindlichen Ideen zu bekräftigen und in die Tat umzusetzen, anstatt jemanden, der doch nur ein kleines Fähnchen trug, als Opfer einer so ungerechten Justiz darzustellen. Muss man sich so moralisch legitimieren um sich solidarisch zu zeigen? Wäre es gerecht die gleiche Person einzusperren, wenn sie für mehr als einen Bagatelle angeklagt wäre? Wäre das Vorgehen der Justiz gerecht, wenn sie genauso gegen Nazis vorgehen würde? Und ist der Antifaschismus nicht zur Vereinnahmung von der bestehenden Ordnung verdammt, wenn er bestreitet sich zum Verbrecher an eben dieser machen zu wollen?

 

Solidarität heißt Angriff!

 

Der Staat macht nur seine Arbeit und die macht er professionell, weil sie darin besteht, die Menschen zu unterdrücken und hierbei hat er Jahrhunderte Erfahrung. Wenn sich ein Mensch ohne festen Wohnsitz dazu entschließt auf eine Demonstration zu gehen ist das sehr mutig, weil er mit jedem „Bagatelle“ riskiert in der U-Haft zu landen. Und wenn wir uns nun überlegen, dass wir in einer Welt leben, die sich immer weniger Menschen leisten können und immer häufi ger in die Obdachlosigkeit und zum Vagabundentum getrieben werden, dann muss die Antwort auf die Verhaftung eines Antifaschisten sein, dem es so geht, diese Realität, die Tausende von Menschen betrifft, anzugreifen, anstatt die Freiheit eines einzigen zu fordern, weil er angeblich wegen einer Lächerlichkeit inhaftiert ist. Der Staat will uns kontrollieren und dafür braucht er Wohnungs-Adressen, Orte, wo er uns fi nden kann, damit seine Repression funktioniert. Daher kann er das wilde Umherstreifen, die freie Bewegung über seine Grenzen hinweg, nicht akzeptieren. Wenn es nicht nur um eigene Abwehrkämpfe, sondern um den Angriff auf die Gefängnisgesellschaft geht, dann muss dies auf einem sozialen, und nicht einem politischen Terrain passieren. Wieso soll ich dann die Freiheit eines Gefangenen fordern, der auf einer Demonstration gegen autoritäre Arschlöcher verhaftet wurde und nun eingesperrt ist, wie es eine Demonstration am 27.07 (Freitag) vor der JVA Stadelheim tat, wenn es auch andere Eingesperrte gibt und uns, diejenigen, die nur im Moment auf freiem Fuß sind? Wenn der Staat kommt um uns zu holen, uns unsere Freunde und Freundinnen zu nehmen, uns die Möglichkeit nimmt unseren Alltag minimal selbst zu bestimmen; kurz, uns unseres Lebens beraubt, dann macht uns das nicht zu Opfern. Opfer wären wir, wenn wir nicht wüssten, was der Staat ist, kein Verständnis von seiner Repression hätten, aber genau darin liegt doch auch der Grund, wieso wir ihn bekämpfen. Aber was diese linken Gruppen nun machen: sie zeichnen ein Bild eines Menschen, der sich entschieden hat ein Risiko einzugehen, dass ihm bestimmt bewusst war, und machen es zu einer Karikatur. Denn selbst die angeblichen Bagatellen machen uns nicht zu wehrlosen oder illegitimen Gefangenen, denn diese produzieren im gleichen Atemzug Gefangene, die in Knäste gehören und damit führen wir die Diskussionen fort, die der Staat und seine Helfer uns anbieten. In diesem Kontext erkennen wir einen vom Staat geschaffenen Freiheitsbegriff an, der die Existenz der Knäste und die Einsperrung der Menschen anerkennt und deren Zerstörung bzw. die Befreiung Aller nicht zu einem Kriterium für unsere selbstbestimmte Freiheit macht.

 

Im Zuge der Solidaritätskampagne wird nicht nur die Freiheit auf eine inhaltsleere Worthülse degradiert, auch die Solidarität: Auf einen hinter ein Hashtag angefügtes Wort reduziert und zu einem passiv zu konsumierenden Etikett erniedrigt, kann sich ihr jeder anbiedern – von der Grünenpolitikerin bis zum Anarchisten. Notwendig ist nur ein Internetanschluss, eine kleine Fingerbewegung und der Wille zum nach Quantität suchenden Kompromiss auf der Suche nach Likes, Fans und Geld. Der Wille zur Aktion und die Leidenschaft für die Freiheit wird sich niemals durch die Fratze der Websides und Hashtags ausdrücken. Um für Freiheit zu kämpfen, brauchen wir keine Gefangenen, keine Helden und keine Märtyrer. Deshalb fordern wir auch nichts, auch nicht die Freilassung eines Gefangenen oder der politischen Gefangenen. Wir kämpfen um die Knäste zu zerstören und mit ihr die Gefahr, die sie für uns bedeuten, wir kämpfen für unsere Selbstbestimmung und für die Freiheit unseren Beziehungen und unseren Konfl ikten frei zu begegnen, also die Freiheit Aller.

Und dabei werden uns Hindernisse in den Weg gelegt, und zu denen gehört nicht nur der Knast, sondern auch eine Kritik wie die von Pegida, die nur einen stärkeren Staat fordert, der noch akribischer ausschließt, bevormundet oder privilegiert, der fähig ist die innere Stabilität und Hierarchie, trotz einer sich im Explodieren befi ndenden Welt, aufrecht zu erhalten. Dazu gehören aber auch „Bewegungen“, die sich vor die Knäste stellen in denen Tausende eingesperrt sind, und dort die Freilassung von einem Einzelnen fordern, und so mit ihren Parolen die Vereinnahmung der Kämpfe anfeuern, die sich gegen die Unterdrückung Aller richten. Solidarität mit dem Verhafteten. Tragen wir die Revolte für die Freiheit vor und in die Knäste der Welt, die uns permanent mit ihren Knästen droht.
Oder, wie jemand mal schrieb: Revolutionäre Solidarität bedeutet nicht die Freilassung eines Gefangenen zu fordern, sondern unsere Kämpfe weiterzuführen und so die Grundlage zur Befreiung von allen zu legen.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Immer wieder herrlich wie sich Leute verhalten, wenn Personen in den Knast gehen. Wenn ihr bessere Ideen habt um Paul zu helfen dann los, euch wird niemand davon abhalten. Anderen Menschen aber politische Naivität zu unterstellen, weil diese die fragwürdige juristische Begründung aufgreifen, als ob dies im Umkehrschluss heisst das niemand Gründe der Repression versteht oder gar einen "gerechten" Staat fordert.

 

Wir würden Paul auch unterstützen, wenn er zur Bekämpfung von Nazis sich außerhalb von "Recht und Ordnung" bewegt hätte.

Als ob sowas überhaupt zur Debatte stehen würde.

 

Kleiner Tipp: sammelt Geld für Paul, schreibt ihm Briefe, versucht Öffentlichkeit zu schaffen - das hilft ihm mehr als eurer sinnlos Artikel

... stimmt !

Texte ohne Ende aber keine Praxis, ich bin es Leid.