Die Berliner Sozialisten und Aktivisten im Kurdistan-Solidaritätskomitee, Wladek Flakin und Nick Brauns, haben einen Beitrag veröffentlicht, der sich mit den Perspektiven für den kurdischen Befreiungskampf nach 25 Jahren des bewaffneten Kampfes in Nordkurdistan beschäftigt. Nach dem Verbot der kurdischen Partei DTP und mehreren toten Demonstranten in der Türkei haben sich die Spannungen zwischen den Kurden und dem türkischen Staat verschärft.
In der BRD fanden in den letzten Wochen mehrere kurdische Demonstrationen (1 | 2 | 3) statt, an denen sich auch deutsche Internationalisten und Antifaschisten beteiligten. Am Samstag, den 19. Dezember 2009 wird eine Großdemonstartion gegen das DTP-Verbot in Stuttgart stattfinden. Am Abend findet um 20 Uhr im SUSI-Café in Freiburg eine Infoveranstaltung zum 1. Mesopotamischen Sozialforum statt, bei der es auch die Möglichkeit gibt, sich über die aktuelle Situation in Kurdistan und der Türkei zu informieren.
Vor 25 Jahren, am 15. August 1984, begann der bewaffnete Kampf in den kurdischen Gebieten der Türkei. Die linke Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hatte zum Kampf gegen die Militärdiktatur, die sich am 12. September 1980 an die Macht geputscht hatte, und gegen die jahrzehntealte Unterdrückung der KurdInnen in der Türkei aufgerufen. Ihre Kurdischen Befreiungskräfte (HRK) attackierten an diesem Tag die staatlichen Institutionen in den Dörfern Eruh und Semdinli und gaben damit das Signal für einen breitangelegten Guerillakampf in den kurdischen Gebieten der Türkei.
Der türkische Staat reagierte mit verschärfter Repression. Im Laufe der 90er Jahre wurden rund 4.000 kurdische Dörfer vom türkischen Militär zerstört, um die soziale Basis der Guerilla zu zersetzen. Bis zu 40.000 Menschen fielen dem Krieg zum Opfer. Bei diesem Krieg bekam der türkische Staat entscheidende Unterstützung vom Imperialismus: z.B. die BRD lieferte Waffen aller Art an das türkische Militär und trieb die Verfolgung der kurdischen Organisationen im Ausland voran, u.a. durch das Verbot der PKK in Deutschland.
Bis heute wird die kurdische Sprache unterdrückt und darf zum Beispiel nicht an Bildungsinstitutionen oder auf politischen Veranstaltungen in der Türkei verwendet werden. Jeder Versuch der legalen politischen Arbeit der KurdInnen wird mit Repression beantwortet. So läuft weiterhin ein Verbotsverfahren gegen die auch im türkischen Parlament vertretene linke Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP), die im März bei den Kommunalwahlen zur stärksten Kraft in den kurdischen Landesteilen wurde.
Dieser 25-jährige Kampf hat die Lebensbedingungen der KurdInnen im türkischen Staat grundlegend geändert: Das Zurückdrängen des Staates durch die PKK-Guerilla in den 90er Jahren ermöglichte ein Aufblühen einer Massenbewegung in den kurdischen Gebieten: politische Parteien, Gewerkschaften, eine Frauenbewegung, eine Jugendbewegung usw.. Während der türkische Staat früher überhaupt die Existenz des kurdischen Volkes leugnete (sie wurden “Bergtürken” genannt und ihre Sprache zu einem primitiven Dialekt des Türkischen erklärt), ist es heute nicht überraschend, wenn türkische PolitikerInnen bei Wahlkampfauftritten ein paar Worte in kurdischer Sprache sagen.
Die Pläne der Regierung
Mit der Ankündigung „gute Dinge werden geschehen“ und der erstmaligen Benennung der „kurdischen Frage“ als „größtes Problem der Türkei“ löste der türkische Ministerpräsident Abdullah Gül im Frühjahr 2009 eine neue Dynamik aus. Die Hintergründe sind vor allem geopolitischer Natur. Mit dem angekündigten Rückzug der US-BesatzerInnen aus dem Irak wächst die Verantwortung der Türkei als prowestlicher Ordnungsmacht im Mittleren Osten. Dazu kommt die gestiegene energiepolitische Bedeutung der Türkei als Transitweg für Öl- und Gaspipelines wie die geplante Nabucco-Gaspipeline. Voraussetzung für die Sicherheit der Energieleitungen und die Rolle als regionaler Großmacht ist eine Eindämmung des kurdischen Aufstandes.
Dabei setzen Regierung und Armee einerseits auf die Zerschlagung der kurdischen Selbstorganisation. Die Militäroperationen gegen die PKK gingen trotz eines seit dem Frühjahr ausgerufenen einseitigen Waffenstillstandes der Guerilla weiter, während gleichzeitig über 1.000 Mitglieder und FunktionärInnen der DTP, der DTP-regierten Stadtverwaltungen, der kurdischen Frauenbewegung und der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes KESK verhaftet wurden. Gleichzeitig versucht die Regierung, mit der Ankündigung einer „kurdischen Initiative“ Einfluss unter der kurdischen Bevölkerung zu bekommen und der DTP das Wasser abzugraben.
Der Spielraum der Regierung ist eng. Denn der mächtige Generalstab beharrt auf „roten Linien“. Weder eine Änderung der nach dem Militärputsch von 1980 vorgelegten Verfassung, die eine Einheit von Staat und türkischer Nation behauptet, noch eine Autonomieregelung oder Unterricht in kurdischer Sprache seien zulässig. Gespräche mit der PKK und ihrem in Isolationshaft sitzenden Vorsitzenden Abdullah Öcalan lehnen die Militärs ebenso wie die Regierung völlig ab. Die „Lösung“ soll also ohne kurdischen Partner allein vom Staat realisiert werden. Die mittlerweile nur noch als „Projekt der nationalen Einheit“ bezeichnete „kurdische Initiative“ sieht lediglich kleinere Zugeständnisse wie kurdischsprachige Ortsschilder und Kurdologie-Institute an Universitäten vor. Dagegen werden weiterhin jegliche kollektiven Rechte – insbesondere das Selbstbestimmungsrecht – verweigert. Ebenso bleiben die grundlegenderen Probleme – Armut, Arbeitslosigkeit, mangelnde Infrastruktur – in den kurdischen Landesteilen bestehen. Die Befreiung Kurdistans bzw. der KurdInnen scheint damit noch in weiter Ferne zu liegen.
Die Strategie der PKK
Die PKK propagierte von Anfang an einen gemeinsamen Kampf des kurdischen Volkes und des werktätigen türkischen Volkes gegen die Militärjunta. Doch ihre Strategie war auf ein Bündnis zwischen dem kurdischen Volk und den Werktätigen der Welt beschränkt. Obwohl sie sich “Arbeiterpartei” nannte, zielte sie nicht auf die eigenständige Organisierung und die internationale Vereinigung der Werktätigen. Deswegen strebte sie keine grenz- und sprachübergreifende Organisierung aller Unterdrückten im türkischen Staat und im Nahen Osten, sondern eben nur ein Bündnis an.
Die PKK machte immer klar, dass nur der Sozialismus die kurdische Frage lösen könnte. Doch ihre Sozialismusvorstellung war immer vage, geprägt durch den Stalinismus der UdSSR und den “arabischen Sozialismus” in Ländern wie Syrien. Am Anfang ihres Kampfes setzte sich die PKK gegen den Großgrundbesitz ein, aber ihr Programm ging nie darüber hinaus hin zur Abschaffung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln und der Etablierung einer Planwirtschaft.
In den letzten Jahren hat die kurdische Befreiungsbewegung ihre Ziele immer gemäßigter gemacht. Neben anarchistischen Versatzstücken über Basisdemokratie sowie einer starken Betonung der Frauenbefreiung gibt es vor allem politische Vorschläge, die sich auf eine Verfassungsänderung zur Anerkennung der kurdischen Identität, kurdischen Schulunterricht und mehr regionale Selbstverwaltung im Rahmen des bestehenden Staates beschränken. Das Ziel eines eigenständigen Staatswesens – ob sozialistisch oder nicht – ist aufgegeben worden, eine weitreichende Landreform ist zumindest momentan kein Thema für PKK und DTP.
Die Erfahrungen der KurdInnen im Nordirak zeigen, dass eine kurdische Autonomie (bzw. eine De-Facto-Unabhängigkeit) im Rahmen des kapitalistischen Systems und mit Unterstützung der imperialistischen Mächte nur manchen KurdInnen hilft. In den kurdischen Gebieten im Irak haben die Clanstrukturen um die Politiker Barsani und Talibani (die trotz der durchkapitalisierten Natur der Wirtschaft weiterbestehen) sich unheimlich bereichern können. Aber die Masse der KurdInnen dort bleibt in Arbeitslosigkeit, Armut oder in Abhängigkeit als SpendenempfängerInnen der korrupten Regierungsparteien, die wiederum am Tropf der Bagdader Zentralregierung und des US-Imperialismus hängen.
Für eine wirkliche Befreiung der KurdInnen bedarf es einer grundlegenden Änderung der wirtschaftlichen Ordnung: eine Landreform und vor allem der industrielle Aufbau des Landes nach einem demokratisch von der werktätigen Bevölkerung und ihren Organisationen erstellten Plan. Die imperialistischen Mächte und die lokalen Bourgeoisien, die die KurdInnen seit 100 Jahren als Spielball benutzen, haben kein Interesse an einem solchen Projekt. Das kann nur international, durch die Werktätigen aller Länder, durchgeführt werden.
Für die Einheit der Unterdrückten
Nicht Regierung und Armee, sondern die türkischen ArbeiterInnen und Werktätigen sind die reale Adresse für eine gleichberechtigte und demokratische Lösung der kurdischen Frage. Sicherlich herrscht hier noch eine starke chauvinistische Verblendung bis hin zu offenem Rassismus. Doch auch die türkischen Werktätigen leiden unter den Kosten des Krieges. Es sind ihre Söhne, die als einfache Soldaten im Kampf gegen die PKK verheizt werden. Und es sind die offiziell gegen die PKK geschaffenen Antiterrorgesetze, die auch gegen türkische SozialistInnen und GewerkschafterInnen zu Anwendung kommen.
Notwendig für die Befreiung der KurdInnen ist eine Strategie, die die ArbeiterInnen vor allem in der Westtürkei auf einer revolutionären Grundlage – die das Selbstbestimmungsrecht der KurdInnen und aller unterdrückten Völker anerkennt – vereinigt. Neben einer demokratischen und antimilitaristischen Agenda erfordert das auch eine soziale Programmatik. Gerade weil die Millionen ArbeiterInnen in den Slums der Westtürkei sowohl türkischer wie kurdischer Herkunft sind, ist eine gemeinsame Organisierung notwendig. Denn nur diese ArbeiterInnenklasse hat die Macht, die auch eine gut organisierte Guerilla nicht aufbringen kann: nämlich die Wirtschaft zum Stillstand bringen, den riesigen Militärapparat der Türkei und die KapitalistInnen in die Knie zu zwingen und den Imperialismus aus dem Land zu jagen.
Die kurdische Bewegung steht 25 Jahre nach dem Beginn des bewaffneten Kampfes an einem Scheideweg. In den letzten Jahren haben führende kurdische PoltikerInnen und Teile der Basis öffentlich mit dem Gedanken gespielt, ihre Rechte im Bündnis mit reaktionären Mächten wie dem US- oder dem EU-Imperialismus durchzusetzen. Doch jetzt steht die kurdische Bewegung in der Türkei ganz ohne BündnispartnerInnen da: selbst die kurdische Bourgeoisie im Nordirak hat den KurdInnen in der Türkei den Rücken gekehrt, um ihre guten Beziehungen zu Ankara zu verteidigen. Damit bleibt als einzigeR potentielleR BündnispartnerIn eben die internationale ArbeiterInnenklasse. Der kurdischen Bewegung, als einzige linksausgerichtete Massenbewegung in der Region, wenn sie sich nicht mit weiteren 25 Jahren von Unterdrückung und minimalen Zugeständnissen abfinden will, bleibt nur die Option, eine internationale Bewegung der Ausgebeuteten ins Leben zu rufen.
*
Weg mit dem PKK-Verbot und weiteren Repressionsmaßnahmen gegen die
KurdInnen in Deutschland! Für Solidarität der Linken und
ArbeiterInnenbewegung, trotz der notwendigen Kritik!
* Für eine sozialistische und internationale Ausrichtung der kurdischen
Bewegung! Für ein freies und sozialistisches Kurdistan im Rahmen einer
sozialistischen Konföderation des Nahen- und Mittleren Ostens!
Solidarität!
Wir sehen uns morgen in Stuttgart!
Grüße aus Mannheim!
RAF-PKK-AUTONOMEANTIFA
nein danke
Solidarität mit Stalinisten? Stalin der wohl größte Massenmörder der Menschheitsgeschichte!
Aha
Stalinisten also. Da kennt sich aber einer aus. Du hast doch garantiert noch nie mit einem/einer kurdischen Genossin/Genosse gesprochen. Wenn ja wüsstest Du das Stalin nicht so hoch im Kurs steht bei besagten Genossen.
Ist doch einfach nur billige diffarmierung! Informier dich erst mal,bevor Du so Behauptungen in den Raum stellst. Im übrigen was soll den deiner Meinung nach Stalinismus überhaupt sein?
P.S.:War übrigens eine starke Demo. Ausfürliche Berichte folgen sicher die Tage noch.. Da können sich einige deutsche Koksnasen-pseudo-Kommunisten noch ein Scheibchen von abschneiden.