Narzissmus und Lokaljournalismus

Narzissmus und Lokaljournalismus 00

Die Freiburger Lokalperle „Badische Zeitung“ verleiht sich selbst einen Preis für die Panikmache gegenüber geflüchteter Menschen und suhlt sich innerhalb ihrer fingierten Preisverleihung für die Verbreitung dumpfer diskriminierender Rhetorik und falscher Informationen. Wie das funktionieren kann, warum das satireähnliche Züge aufweist und auf welcher Grundlage sich die BZ feiert, in Nachfolgendem.

 

Der Ralf-Dahrendorf-Preis ist nach dem bekannten Wissenschaftler benannt, der auch als Berater und Kolumnist für die Badische Zeitung tätig war. Er wurde von den Verlegern der Badischen Zeitung gestiftet und soll Beiträge auszeichnen, „die in vorbildlicher Weise erklären, wie Demokratie auf lokaler Ebene funktioniert und wie sie sich entwickelt.“ Unter den fünf Jury-Mitgliedern war auch der Chefredakteur der Badischen Zeitung, Thomas Hauser. Gewonnen hat also das Team der - langsam häuft sich der Name - Badischen Zeitung, nämlich den zweiten Preis für „guten Lokaljournalismus“.

 

Das Team, allen voran Joachim Röderer, publizierte ab dem Frühjahr 2014 eine Serie von Artikeln, die unbescholtene Bürgerinnen und Bürger über die „Gefahrenlage“ Freiburgs aufklären sollte. Verschiedene Straftaten, die sich vor allem auf dem Stühlinger Kirchplatz ereigneten, wurden einer "Gruppe unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus Nordafrika" zugeschrieben, obwohl man laut eigener Aussage der BZ "über die Tätergruppe" nur wenig wisse und sie auch nur für "ein Viertel der Taten" verdächtige. In den zahlreichen Artikeln wurde dabei zunächst der immerselbe Inhalt reproduziert. Immer mit Bedacht darauf, dass Gemeinderat und Polizei nichts unternähmen und die BürgerInnen in Angst und Schrecken lebten. Polizeiliche Statistiken wurden entweder nicht berücksichtigt oder verdreht, hatte man nur Verdachtsfälle wurde im Anschluss direkt erwähnt, wie rasant die Zahl der „strandenden minderjährigen Flüchtlinge“ doch ansteige. Der Kirchplatz wurde zur No-Go-Area erklärt, während ein angeblicher Ermittler, welcher namentlich nie genannt wurde, immer wieder seinen Senf dazu gab. Beispielsweise aus welchen dezimiert dargestellten Gründen die "Gruppe" und ihr "Umfeld" diese Straftaten begehe: Drogensucht und Bezahlung von Schleusern. „Junge Flüchtlinge, die zumeist aus Marokko, Algerien oder Tunesien stammen“ verkürzt als homogene Gruppe dargestellt, deren Lebensalltag auf zwei stereotype Probleme herunter gebrochen wurden.

 

Verfolgte man daraufhin die diskriminierenden und zu großen Teilen rassistischen Kommentare unter den jeweiligen Artikeln, für die sich die BZ zu Anfang gar nicht verantwortlich sah und erst im Nachhinein die Möglichkeit zu kommentieren sperrte, musste man sich fragen, wer hier eigentlich eine „Gefahrenlage“ für wen darstellt.

 

Im Stühlingerpark jedoch zeigte die Polizei vermehrt Präsenz. Betroffene, die dem scheinbaren Profil eines nordafrikanischen Flüchtlings entsprachen, berichteten von drei bis vier Kontrollen am Tag. Auf Nachfragen bei der Polizei, warum die Kontrolle einer Person denn nötig sei, respondierte die Beamtin, ob man denn keine Zeitung lese. Und als hätte die SPD nicht noch gefehlt, holten Parteimitglieder ihre Klappstühle raus, um den Stühlingerpark „zurückzuerobern“. Für besonders viel Mitgefühl zitierte die BZ daraufhin eine Anwältin, die trotz Wachhund an lachenden, fremdsprachigen Jugendlichen nur ungern vorbei gehen möchte.

 

Natürlich wurde all dies mit keinem Wort in der Laudatio (http://bit.ly/1dcGCtV) erwähnt. Auch nicht, dass sich in Folge der Berichte der Badischen Zeitung das "Bündnis gegen rassistische Zustände" gegründet hat und eine Kundgebung vor der BZ-Stelle in der Innenstadt stattfand (http://bit.ly/1K8ragY). Verantwortliche Journalisten wurden zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, der Sie jedoch nie folgten. Angesprochen auf die rechte Internetseite PI-News, die Teile der Berichterstattung für eine weitere Hetze gegen Flüchtlinge rezitierte, wurde erwidert, man kenne sich mit sowas nicht aus. Es folgten vermehrt Stellungnahmen und Kritik unterschiedlicher Gruppen und Initiativen, denen man sich dann doch unkommentiert beugte und weitere JournalistInnen hinzuzog, um objektiver über die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu berichten.

 

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Verleihung des von der Zeitung selbst gestifteten Preises und die dazugehörige Laudatio (inklusive Marx-Zitat!?) geradezu surreal. Die Badische Zeitung lässt sich dafür rühmen, „die Dinge auf unaufgeregte Weise beim Namen genannt“ zu haben. Sie habe Täter benannt „ohne Pauschalurteile zu schüren“, ihre Berichterstattung sei ein "Lehrstück in seriösem, hervorragendem Lokaljournalismus" gewesen. Dass sich die Badische Zeitung in Zeiten, in denen regelmäßig Brandanschläge auf Flüchtlingsheime verübt werden und rassistische Dumpfbacken sich zu Tausenden gegen eine vermeintliche "Islamisierung des Abendlandes" auf die Straße bewegen, für ihre Berichterstattung nicht schämt und um Entschuldigung bittet, sondern sich auch noch einen Preis dafür verleiht, macht sprachlos. Man möchte meinen, es handle sich um Satire, doch die Badische Zeitung meint es tatsächlich Ernst. 

Die Badische Zeitung feiert sich selbst. 

 

Links zum weiterlesen:

http://www.aktionbleiberecht.de/?p=5920

http://zustaende.blogsport.eu/2014/05/25/kundgebung-aufruf/

http://www.rechtaufstadt-freiburg.de/2014/05/bz-erzeugt-stimmung/

https://rdl.de/beitrag/tief-tiefer-badische-zeitung-preis-f-r-rasisstisc...

https://rdl.de/sites/default/files/Offener%20Brief%20rasthaus.pdf

https://rdl.de/beitrag/unbegleiteter-minderj-hriger-fl-chtling-sa-freibu...

https://rdl.de/beitrag/polizeipr-sidium-dementiert-freiburger-no-go-areas

https://rdl.de/beitrag/den-deutschen-mob-und-die-b-gerwehr-herbeigeschri...