Kranzniederlegung in Gedenken an den Dachauer Aufstand

Kranzniederlegung in Gedenken an den Dachauer Aufstand

Am 26.4.2015 führten Antifaschist_innen eine Kranzniederlegung an der Gedenktafel für den Dachauer Aufstand durch. Nach der Niederschlagung des Aufstands wurden am 28.4.1945 sechs Antifaschisten von der SS vor dem Rathaus aufgestellt und erschossen. Wir dokumentieren den Redebeitrag.

 

Wir gedenken hier und heute dem Dachauer Aufstand. Am 28. April 1945 stürmten bewaffnete Arbeiter_innen und geflohene Häftlinge des Konzentrationslagers das Rathaus. Mit Teilen des übergelaufenen Volkssturms hielten sie das Rathaus und die Altstadt besetzt. Ziel war es eine Liquidierung des Konzentrationslagers und die Verteidigung der Stadt zu verhindern. Die SS schlug den Aufstand blutig nieder. Am darauf folgenden Tag, den 29. April 1945 wurde Dachau von der US Armee befreit.

 

Der Dachauer Aufstand taucht bis heute nicht in der offiziellen Geschichtsschreibung auf. Außer ehemaligen Häftlingen und wenigen Einzelpersonen, hielt es niemand für nötig sich dessen zu erinnern. Es war von offizieller Seite aus vorrangiger einen wesentlichen Aspekt lokaler antifaschistischer Geschichte auszublenden, statt sich einzugestehen, dass es einfache Menschen aus der Arbeiter_innenklasse und ausgebrochene KZ-Häftlinge waren, die hier den Lauf der Geschichte selbst bestimmen wollten. Der kommunistische Hintergrund eines Teils der Aufständischen kann als Grund für diesen bewussten Gedächtnisverlust gesehen werden. Antikommunismus war der ideologische Kit, der - mit Abzug des Antisemitismus – die Nachkriegs-BRD zusammen hielt und der eine Kontinuität zur NS Herrschaft darstellte. Auch und vor allem in Dachau. Jahrzehnte lang mussten ehemalige Häftlinge für die Erinnerung an die Gräuel des NS kämpfen. Gedenkveranstaltungen wurden behindert und diskreditiert, zum Teil sogar verboten. Gerade von konservativer Seite aus, wurde immer wieder gefordert das Lager abzureißen, die Errichtung einer Gedenkstätte zu verhindern.

 

Bei der Konfrontierung mit der Geschichte Dachaus fühlten sich Politiker_innen reflexartig geradezu provoziert. Öffentliche Äußerungen blieben nahezu unwidersprochen. 1955 behauptete der Dachauer Bürgermeister Hans Zauner gegenüber einer britischen Zeitung, die Häftlinge im Lager seien keine Helden gewesen, da sie ja gegen die Regierung opponiert hätten. Der stellvertretende Bürgermeister Georg Engelhardt lies 1986 im Bierzelt über ein mit der Gedenkstätte verbundenes Jungendgästehaus abstimmen und verkündete, er werde „bis zum letzten Blutstropfen“ dagegen kämpfen. Nach Zauner wurde eine Straße benannt. Engelhardt ist bis zum heutigen Tag Ehrenvorsitzender der Dachauer CSU.

 

Erst Anfang der Neunziger Jahre wurde begonnen sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Mittlerweile begreift Dachau sich als „Lern- und Erinnerungsort“. Und so sehr sich auch bemüht wurde die Zeit des Verdrängens und Relativierens hinter sich gelassen zu haben. Es bleibt eine eindimensionale Geschichtsschreibung, die die Sichtweise bürgerlicher Herrschaftsstrukturen widerspiegelt. Vorkommnissen am rechten Rand, rassistischen Mobilisierungen und Übergriffen in der heutigen Gesellschaft steht man nach wie vor hilflos und oft untätig gegenüber. Man genügt sich mit Betroffenheitsbekungungen und symbolischen Schulterschlüssen, statt konsequent und offensiv gegen Neonazismus, Antisemitismus und Rassismus vorzugehen. Daher bleibt der Dachauer Aufstand ein Beispiel für alle Antifaschist_innen, dessen Vermächtnis nicht vergessen werden darf. Ihr Kampf war nicht umsonst. Es gibt nichts zurück zu nehmen. In unseren heutigen Kämpfen sind wir in Gedanken immer bei ihnen.

Auch heute werden Antifaschist_innen vom Verfassungsschutz überwacht, werden Antifaschist_innen von politischer Seite gemäß der Extremismus-Theorie mit der extremen Rechten gleichgesetzt, sind Antifaschist_innen staatlichen Repressionen ausgesetzt. Antifaschismus ist absolut legitim und notwendig und steht dabei Staat, Nation und Kapital nach wie vor unversöhnlich gegenüber! Solange es nötig ist!

 

Kein Vergeben – Kein Vergessen

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Am 28. April 1945 stürmten bewaffnete Arbeiter und geflohene KZ-Häftlinge das Dachauer Rathaus und hielten es für mehrere Stunden besetzt. Das Ziel die Besetzung solange zu halten, bis

die US-amerikanischen Truppen nach Dachau stoßen, schlug fehl. SS-Hundertschaften aus der Kaserne am KZschlugen den Aufstand blutig nieder. Einen Tag später, am Vormittag des 29. April, wurde Dachau von der US-Armee befreit.

 

In der heutigen Geschichtsschreibung taucht der Dachauer Aufstand allerhöchstens am Rande auf. Wenn er nicht gleich komplett verschwiegen wird. Der Nachkriegs-BRD sowie den Alliierten passte der politisch sozialistische Hintergrund der Aufständischen nicht ins Bild. So verschwand dieser Teil antifaschistischer Geschichte aus den Gedächtnissen. Nur eine Tafel an der Sparkasse in der Altstadt, der Widerstandsplatz und diverse nach den Opfern des Aufstands benannte Straßen in Dachau Süd blieben als stumme Relikte ohne konkrete Aussage für die Nachwelt erhalten.

 

Die Geschichte des Dachauer Aufstands kann nicht erzählt werden, ohne den Namen des Dachauer Arbeiters und Kommunisten Georg Scherer zu erwähnen. Scherer, Mitglied des Arbeiter Turn- & Sportvereins Dachau (ATSV), kam 1935 ins KZ Dachau, nachdem er an seinem Arbeitsplatz bei BMW antifaschistische Flugblätter verteilt hatte. Nach seiner Entlassung aus dem KZ 1941 hatteer bereits unter Mithilfe seines Kontaktmannes im Lager, Walter Neff, ein System etabliert, das Häftlingen zur Flucht verhalf. Der letzte Ausbruch gelang am 25. April. Die 15 Ausgebrochenen, allesamt Kommunisten, die im spanischen Bürgerkrieg gegen den Faschismus kämpften, waren Beteiligte der Aufstands. Unter ihnen Erich Hubmann, Toni Hackl, Fritz Dürr und Richard Tietze. Sie wurden von Dachauer Frauen in einer Scheune in Mitterndorf am Fuß des Giglbergs versteckt und dort von diesen mit Lebensmitteln versorgt.

 

Die zweite Linie des Aufstands organisierte sich, ohne von den anderen zu wissen, zur selbenZeit um den ehemaligen Dachauer KZ-Häftling und Sozialdemokraten Jakob Schmid und seinen Genossen Georg Andorfer vom Reichsbanner. Sie scharten eine vierzigköpfige Gruppe aus alten Genossen des verbotenen Reichsbanner und den zerschlagenen Gewerkschaften um sich. Durch den Dachauer Kassier der Roten Hilfe, Matthias Höß, wurden einige Waffen besorgt. Man wartete auf die passende Gelegenheit.

 

Der Einmarsch der US-Amerikaner schien nur eine Frage der Zeit. Als letztes Aufgebot zur Verteidigung der Nazi Herrschaft wurden im gesamten Reich Einheiten des Volkssturms zwangsrekrutiert. Als in den Morgenstunden des 28. April ab 3.40 Uhr die „Freiheitsaktion Bayern“ über Rundfunkstationen das Ende der Nazi Herrschaft verkündete, überschlugen sich in Dachau die Ereignisse.

 

Die untergetauchten Häftlinge, von Scherer unterrichtet („in München ist Aufstand, wir müssen uns anschließen“), nahmen einigen jungen Infanteriesoldaten die Waffen ab und marschierten in KZ-Kleidung mit geschulterten Gewehren auf die Dachauer Altstadt zu.

 

Andorfer und Scherer nahmen um 6.30 Uhr Kontakt zum Kompaniechef des Dachauer Volkssturms, Josef Lerchenberger, auf. Dieser war bereits durch einen Insider in das Vorhaben der Aufständischen eingeweiht, hatte auch versichert, dass der Volkssturm dem Vorhaben nicht im Wege stehen würde und entband die Mitglieder des Volkssturms ihres Eides auf den „Führer“, sammelte aber nicht deren Waffen ein. In der Turnhalle in der Brunngartenstraße wurden 130 bewaffnete Männer, hauptsächlich Arbeiter und Kleinbauern aus dem Hinterland, den Aufständischen zugeteilt. Ob der Volkssturm nun Andorfer oder Scherer unterstellt wurde, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Fest steht aber, dass die ehemaligen Häftlinge um 7 Uhr als erste das Rathaus betraten. Kurz darauf rückten der meuternde Volkssturm und die Sozialdemokraten um Andorfer von der Brunngartenstraße über den Karlsberg in die Altstadt und bezogen dort Stellung.

 

Die örtliche Nazi-Elite um den Dachauer NSDAP-Kreisleiter Hermann Nafziger war durch die Rundfunksendungen der „Freiheitsaktion“ in höchster Alarmbereitschaft. Sie konnten allerdings nicht wissen, dass der Chef der Schutzpolizei, Johann Engl, ebenfalls eingeweiht war. Die Polizei war auch im Rathaus stationiert. Sie ergab sich widerstandslos. Der Dachauer Bürgermeister und SS-Mitglied Bäumler wurde von den Aufständischen festgesetzt.

 

An diesem regnerischen Vormittag ging der Nazi und Angestellte im Wirtschaftsamt der Stadt Dachau, Heinrich Niederhoff, auf das Rathaus zu, zog vor den Wachposten der Aufständischen eine Maschinenpistole und wurde von den Wachposten erschossen. Kurz darauf, gegen 9.30 Uhr, fielen die alarmierten SS-Einheiten in die Altstadt ein. Laut Scherers Schätzungen etwa 3 Kompanien mit Maschinengewehren und Gewehrgranaten. Sie kamen vom Karlsberg der Augsburger Straße und der Freisinger Straße (heute Konrad-Adenauer-Straße). Kurzzeitig konnte die SS bis zur Amperbrücke zurückgeschlagen werden. Aber die SS war zahlenmäßig überlegen und besser bewaffnet, so dass um 11 Uhr der Aufstand niedergeschlagen war. Erich Hubmann wurde als erster im Feuergefecht erschossen. 4 Männer wurden direkt vor dem Rathaus hingerichtet. Die Leichen mussten bis Sonnenuntergang dort liegen bleiben. Etwa 40 Aufständische wurden im Amtsgefängnis (heute Amtsgericht) inhaftiert. Ihnen wurde nach Rücksprache mit dem Landrat ihre Erschießung angekündigt. Am späten Abend ließ man sie frei. Die US-Armee war schon bei Niederroth. Viele, die mit den Nazis paktiert hatten, flüchteten.

 

An die 100 Aufständische konnten in den Häusern von Dachauer Bürgern Unterschlupf finden und sich der Verhaftung durch die SS entziehen.

 

6 Aufständische sowie der unbeteiligte Zimmerer Anton Decker kamen ums Leben:
Erich Hubmann / Bäcker aus Graz, geflohener Häftling des KZ Dachau
Toni Hackl / Fabrikarbeiter aus Graz, geflohener Häftling des KZ Dachau
Fritz Dürr / Maschinenschlosser aus Mannheim, geflohener Häftling des KZ Dachau
Hans Pflügler / Former aus Dachau
Lorenz Scherer / Schreiner, Bauer aus Schwabhausen
Anton Hechtl / Bauer aus Arnzell

 

Ihre Ermordung wurde nie gerichtlich geahndet, es wurde nie Strafantrag gestellt. Die Toten sind, bis auf Anton Hechtl, begraben auf dem Waldfriedhof Dachau.

 

NICHTS IST VERGEBEN – NIEMAND IST VERGESSEN

 

assoziation autonomer umtriebe dachau
Rote Jugend Petershausen

 

 

Quelle: http://protest-muenchen.sub-bavaria.de/artikel/1441

Eine Gedenktafel am Dachauer Rathausplatz erinnert an die Opfer des „Dachauer Aufstands“ vom  28. April 1945 und wurde am Tag der Opfer des Faschismus 1947 von der VVN gewidmet. Die sechs Opfer – Friedrich Dürr, Anton Hackel, Erich Hubmann, Anton Hechtl, Hans Pflügler und Lorenz Scherer – werden auf der Tafel namentlich genannt.

 

 

 

Im April 1945 hatte sich in Dachau eine bewaffnete Widerstandsgruppe gebildet, die sowohl aus Dachauer Einwohnern wie aus Häftlingen des Konzentrationslagers Dachau bestand.  Leiter der Gruppe waren die  1941 bzw. 1942 aus dem Lager entlassenen Georg Scherer und Walter Neff. Am Morgen des 28. April 1945 hatte die „Freiheitsaktion Bayern“ zum Widerstand gegen das NS-Regime aufgerufen. Darauf begann die Dachauer Gruppe den Aufstand, um die Naziherrschaft in der Stadt zu beenden und eine Liquidierung des Lagers mit der Ermordung der überlebten Häftlinge zu verhindern. Es gelang ihnen, das Rathaus zu besetzen, doch gegen Mittag rückten Einheiten der Wasin der Stadt ein und schlugen den Aufstand nieder. Zwei Widerstandskämpfer fielen, vier weitere wurden gefangengenommen und von der SS ermordet.

Einen Tag später wurde Dachau von der US-Armee befreit.

 

Quelle: http://bayern.vvn-bda.de/gedenkorte-in-bayern/oberbayern-neu/landkreis-dachau/dachau-gedenktafel-dachauer-aufstand-rathausplatz/

Am Ende des Dachauer Aufstands lagen sieben Männer tot vor dem Rathaus. 40 weitere wurden verhaftet. Am Abend des 28. April kam ein Polizist- und schickte die Überlebenden nach Hause.

Von Hans Holzhaider

Es gibt keinen Bericht von der Veranstaltung, die am 14. September 1947, einem Sonntag, auf dem Platz vor dem Dachauer Rathaus stattfand. Nur die Einladung im "Dachauer Anzeiger" vom 11. September ist erhalten geblieben: "Zum Tag der Opfer des Faschismus", heißt es dort, werde um zehn Uhr am Rathausplatz eine Gedenktafel "zu Ehren der am Dachauer Aufstand Gefallenen" enthüllt. Die Bevölkerung des ganzen Kreises sei herzlichst eingeladen und werde gebeten, dem Anlass entsprechend zu beflaggen.

Als Redner wurden angekündigt Herr Ludwig Schmitt, der Vorsitzende der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN), der Bürgermeister der Stadt Dachau sowie ein "Kämpfer der Widerstandsbewegung". Nachmittags um 15 Uhr werde auf dem Waldfriedhof eine Gedächtnisfeier "aller zugelassenen antifaschistischen Parteien" mit Kranzniederlegung stattfinden. Unterzeichnet ist die Einladung von der VVN, der CSU, der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der SPD. Es war eine Zeit, in der die Christlich-Sozialen es noch nicht als ehrenrührig empfanden, als antifaschistische Partei zu firmieren und gemeinsam mit den Kommunisten der Opfer des Naziregimes zu gedenken.

Die Tafel, die an jenem Tag enthüllt wurde, befindet sich noch am selben Platz; sorgfältig gereinigt im Zuge der Renovierung der Sparkasse, aber seitdem noch unauffälliger als zuvor: "Von der SS erschossen im Befreiungskampfe am 28. April 1945 wurden an dieser Stelle Friedrich Dürr, Anton Hackl, Erich Hubmann, Anton Hechtl, Hans Pflügler, Lorenz Scherer."

Der 28. April 1945: Ein kühler, regnerischer Samstag. Jedermann, der nicht bewusst die Augen vor der Realität verschloss, musste wissen, dass das Ende der Naziherrschaft unmittelbar bevorstand. Drei Tag zuvor waren bei Torgau an der Elbe zum ersten Mal amerikanische und sowjetische Kampfverbände zusammengetroffen. Am frühen Morgen des 26. April hatten amerikanische Truppen bei Neuburg, Ingolstadt und Kelheim die Donau überquert. Wie überall in Deutschland machten sich auch in Dachau Menschen Gedanken darüber, wie sie die Stadt und ihre Bürger vor sinnlosen Opfern und Zerstörung bewahren konnten. Aber in Dachau ging es um mehr als den Schutz der Zivilbevölkerung.

Im Konzentrationslager harrten noch immer mehr als 30 000 ausgehungerte, oft schwer kranke Gefangene auf ihre Befreiung. Noch immer übte die SS die Kontrolle über das Lager aus. Wie würden die Truppen sich verhalten, wenn die Amerikaner anrückten? Es gab Gerüchte, der oberste SS-Führer Heinrich Himmler habe befohlen, kein Häftling dürfe lebend in die Hand des Feindes fallen. Noch am 26. April schickte die SS fast 7000 Gefangene auf einen Todesmarsch nach Süden. Vor den Toren des Konzentrationslagers stand ein Güterzug mit 40 Waggons, in denen etwa 2000 ausgemergelte Leichen lagen - Gefangene aus dem KZ Buchenwald, die nach dem Willen der SS eher sterben als freikommen sollten.

Schon seit Monaten hatten der Maurer Jakob Schmid und sein Freund, der Glasmaler Syrius Eberle, Pläne geschmiedet, wie man eine Verteidigung Dachau verhindern könne. Schmid war Sozialdemokrat, bis 1933 saß er für die SPD im Stadtrat. Nach Hitlers Machtergreifung wurde er mehrere Wochen im KZ festgehalten. Eberle war eher ein Bürgerlicher, er hatte nichts mit den Linken am Hut. Schon hier zeigt sich eine Besonderheit des Dachauer Aufstands: Es waren ganz unterschiedliche Kräfte, die daran mitwirkten. Zweifellos hatten die alten Nazi-Gegner den größten Anteil: Jakob Schmid, der aufrechte Sozialdemokrat; Georg Andorfer, früher Führer des "Reichsbanners", der sozialdemokratischen Schutztruppe; Georg Scherer, Kommunist, der selbst mehr als fünf Jahre im KZ Dachau verbracht hatte.

Aber auch eine Reihe von Nazi-Mitläufern und sogar Funktionären waren in die Pläne eingeweiht: Der Zweite Bürgermeister Hans Zauner, der Polizeichef Georg Engl, der Tabakwarenhändler Michael Ebenburger, Mitglied der SA. Über ihre Motive kann man nur spekulieren: Sicherlich machten sich viele Mitläufer und Anhänger der Nazis zu diesem Zeitpunkt schwere Sorgen, wie es mit ihnen nach dem unvermeidlichen Zusammenbruch weitergehen könnte.

Schmid und Andorfer hatten vereinbart, möglichst viele der ehemaligen Genossen aus der SPD und dem Reichsbanner für eine Widerstandsaktion zu rekrutieren, wenn der Einmarsch der Amerikaner unmittelbar bevorstand. Georg Scherer verfolgte vor allem das Ziel, möglichst viele KZ-Häftlinge vor dem ungewissen Schicksal zu bewahren, das die SS für sie vorgesehen hatte.

Und dann gab es noch den Volkssturm: Hitlers letztes Aufgebot für die Verteidigung des Vaterlandes. Etwa 130 Mann, überwiegend Landwirte aus dem Dachauer Hinterland, denen es bestimmt nicht an der Wiege gesungen wurde, dass sie einmal als Widerstandskämpfer in die Geschichte eingehen würden. Sie waren in der alten Turnhalle in der Brunngartenstraße stationiert. Bataillonskommandeur des Dachauer Volkssturms war Josef Einöder, Kompaniechef Josef Lerchenberger (der spätere langjährige CSU-Vorsitzende), Kompaniefeldwebel der Tabakhändler Ebenburger. Wer den Anstoß gab, blieb nach dem Krieg umstritten - aber es gab eine Übereinkunft, dass der Volkssturm, wenn es denn soweit wäre, nicht zur Verteidigung Dachaus, sondern zur Ausschaltung der Nazi-Funktionäre eingesetzt werden sollte.

Am 25. April war einer Gruppe von KZ-Häftlingen mit Georg Scherers Unterstützung die Flucht aus dem Lager gelungen. Sie versteckten sich in einer Scheune bei Mitterndorf, in der Nähe von Scherers Wohnung in der Brucker Straße. Erst am Vorabend des 28. April erfuhr Scherer, dass es noch mindestens eine zweite Gruppe in Dachau gab, die einen Putsch plante, ebenso wie Jakob Schmid und Georg Andorfer zuvor noch nichts von Scherers heimlichen Aktivitäten mit den KZ-Häftlingen wussten. Und dann überstürzten sich die Ereignisse.

Denn in der Nacht zum 28. April versuchte eine Gruppe von Wehrmachtsoffizieren in München unter Führung des Hauptmanns Rupprecht Gerngroß, die Nazis zu entmachten. Sie besetzten die Rundfunksender Erding und Freimann und riefen zur "Fasanenjagd" auf - "Fasane" nannte man die Nazi-Funktionäre mit den goldenen Schultertressen. Und nun sahen sich die Dachauer Verschwörer in Zugzwang, obwohl die Front noch mindestens einen Tag zu weit entfernt stand. Scherer alarmierte seine KZ-Flüchtlinge, Jakob Schmid und Georg Andorfer schickten Boten zu ihren alten Genossen, und Andorfer übernahm von Josef Lerchenberger die Volkssturm-Kompanie, um das Rathaus und das Landratsamt zu besetzen und die Straßenzugänge zum Rathausplatz zu sichern.

Alles schien nach Plan zu verlaufen. Die Polizei blieb passiv, wie ihr Chef Engl es versprochen hatte. NSDAP-Kreisleiter Hermann Nafziger und der SS-Bürgermeister Hans Bäumer waren in heller Aufregung, aber hilflos. Nur einen Zwischenfall gab es: Heinrich Niederhoff, SA-Mann und Angestellter im Wirtschaftsamt der Stadt, versuchte mit einer Maschinenpistole ins Rathaus einzudringen. Er wurde nach kurzem Handgemenge erschossen.

Es hätte alles gut gehen können - wenn nicht im Gasthof Hörhammer ein paar Tage zuvor ein hoher SS-Offizier mit großem Gefolge abgestiegen wäre. Seine Identität ist nicht geklärt, aber es könnte Oswald Pohl gewesen sein, der Inspekteur aller Konzentrationslager, einer der Hauptkriegsverbrecher, die später in Nürnberg zum Tode verurteilt wurden. Wer auch immer es war - er trat am Morgen ins Eingangstor des Gasthofs, und knapp neben seinem Kopf schlug eine Kugel in den Türstock. Er stürzte zum Telefon und alarmierte die SS-Truppen im Konzentrationslager. Keine Viertelstunde später rückten drei Kompanien von mehreren Seiten auf den Rathausplatz vor und setzten dem Aufstand ein blutiges Ende.

Es gibt nicht viele, und nur sehr widersprüchliche Berichte über diese letzte Phase des Dachauer Aufstands. Die meisten Aufständischen konnten fliehen oder sich verstecken. Etwa 40 Männer wurden im Amtsgefängnis am Schlossplatz eingesperrt. Am Abend kam ein Polizist und schickte sie nach Hause.

Aber sieben Männer lagen am Ende des Tages tot auf dem Pflaster vor der Sparkasse: Drei von ihnen gehörten zur Gruppe der entflohenen KZ-Häftlinge, zwei waren Angehörige des Volkssturms, der sechste war der Dachauer Metallarbeiter Hans Pflügler aus Dachau-Süd, einer aus dem Kameradenkreis von Schmid und Andorfer. Der siebte, der Zimmermann Anton Decker, hatte überhaupt nichts mit dem Aufstand zu tun. Er suchte an diesem Vormittag nach einem Leiterwagen, den ein SS-Mann sich am Tag zuvor bei ihm ausgeliehen und nicht zurückgebracht hatte. Den Leiterwagen fanden seine Angehörigen am nächsten Tag in der Hexengasse.

24 Stunden nach der Niederschlagung des Aufstands zogen die amerikanischen Truppen in Dachau ein. Die Kampfeinheiten der SS hatten sich abgesetzt. Weder die Stadt noch das Lager wurden militärisch verteidigt. Es gab keine Opfer unter der Zivilbevölkerung, und kein Massaker unter den Gefangenen im Konzentrationslager. Jakob Schmid konnte im September 1945 die SPD in Dachau neu gründen. Er wurde wieder in den Stadtrat gewählt, ebenso wie sein Genosse Georg Andorfer. Georg Scherer wurde von den Amerikanern zunächst als Zweiter Bürgermeister eingesetzt, er vertrat bis zum April 1952 die KPD im Dachauer Stadtrat.

Am 5. November 1946 beschloss der Stadtrat, sechs kleine Straßen in Dachau-Süd nach den Opfern des Dachauer Aufstands zu benennen. Aus der Admiral-Scheer-Straße wurde die Johann-Pflügler-Straße, aus der Scharnhorststraße die Anton-Hechtl-Straße, aus der Richthofenstraße die Friedrich-Dürr-Straße, aus der Immelmann-Straße die Anton-Hackl-Straße, aus der Bölcke-Straße die Erich-Hubmann-Straße und aus der Karlsfelder Straße die Lorenz-Scherer-Straße. Der "Platz an der Stadtlinde" wurde in "Widerstandsplatz" umbenannt.

Aber die Erinnerung verblasste schnell. Irgendwann Anfang der 50er Jahre war das Schild "Widerstandsplatz" verschwunden, und niemand registrierte es. Im Oktober 1980 stieß ein Mitarbeiter der Dachauer Redaktion der Süddeutschen Zeitung zufällig auf den tatsächlichen Namen des Platzes. Seine Anfrage bei der Stadtverwaltung ergab, das der Namen "Widerstandsplatz" auch dem seit 15 Jahren amtierenden Oberbürgermeister unbekannt war. Protokolle wurden nachgelesen, die Richtigkeit bestätigt, das Straßenschild wieder angebracht. Der SZ-Mitarbeiter hieß Kurt Kister. Er ist heute Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung.

Quelle (mit Fotos): http://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/dachau-von-der-ss-erschossen-1.2447888

Die zum linken Spektrum in Dachau zählende Gruppe "Assoziation autonomer Umtriebe" kritisiert zwei Wochen vor Beginn der offiziellen Feierlichkeiten zur Befreiung des Konzentrationslagers vor 70 Jahren die zu geringe Berücksichtigung des NS-Widerstands der Arbeiterbewegung im damaligen Deutschland - und speziell in Dachau. Beleg dafür ist ihrer Ansicht nach der noch immer viel zu wenig thematisierte Dachauer Aufstand.

 

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/dachau-anwaelte-der-arbeiterb...