+++ Demonstration gegen "Königsbronner Gespräche ein voller Erfolg +++ 200 Menschen auf der Straße gegen Kriegstreiberei, Aufrüstung und ideologische Mobilmachung +++
Es waren ca. 200 Menschen, die sich vergangenen Samstag in Königsbronn zusammenfanden, um gegen die 4. "Königsbronner Gespräche" auf die Straße zu gehen und ein deutliches und unübersehbares Zeichen gegen deutsche Kriegspolitik, innere wie äußere Aufrüstung und ideologische Mobilmachung zu setzen.
Eingefunden hatten sich VertreterInnen unterschiedlichster Organisationen, Friedensgruppen, Gewerkschaften, Parteien sowie antifaschistischer und autonomer Zusammenhänge. Auch zahlreiche AnhängerInnen der regionalen kurdischen und alevitischen Kulturvereine waren erschienen, um Flagge zu zeigen. Die Auftaktkundgebung am Königsbronner Bahnhof, an dem auch eine Statue an den antifaschistischen Widerstandskämpfer Georg Elser erinnert, begann mit einem Redebeitrag des Offenen Treffens gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart.
Anschließend setzte sich der Demonstrationszug auf der nahe gelegenen Bundesstraße in Richtung Hammerschmiede, dem Tagungsort der "Königsbronner Gespräche", lautstark in Bewegung.
Neben Bereitschaftspolizei und bekannten Gesichtern des Heidenheimer Staatsschutzes begleiteten auch berittene Polizisten die Demonstration. Am Tagungsort selbst waren wie schon im Vorjahr Hamburger-Gitter aufgestellt, um das "bürgernahe" Spektakel in der Hammerschmiede von den DemonstrantInnen abzuschirmen. Dennoch befand man sich in Seh- und Hörweite, sodass auch die Redner der Abschlusskundgebung die versammelte politische und militärische Elite selbsternannter "Krisenlöser" zumindest akustisch erreicht haben dürften.
Zunächst sprach Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung über die Rolle Deutschlands im globalen Kampf um wirtschaftliche Einflusssphären und militärische Dominanz. Eindringlich wurde herausgestellt, dass das Konzept des "vernetzten Ansatzes in der Sicherheitspolitik", das bei der diesjährigen Kriegskonferenz auf der Tagesordnung stand, vor allem auf die voranschreitende Militarisierung der Gesellschaft auch unter Einbindung ziviler Akteure abzielt.
Klar wurde auch, dass hinter Phrasen wie "Sicherheit" und "Krisenbewältigung" primär eines steht: Die gewaltsame Absicherung bestehender Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse, die nicht nur zum Leidtragen der betroffenen Menschen in den Kriegs- und Krisenländern geht, sondern auch die große Mehrheit der Menschen hierzulande in permanenter Abhängigkeit einer Logik von Überwachung und kapitalistischer Verwertung hält. Besonders perfide ist die Rolle der Bundeswehr hier auch bei der Anwerbung von Nachwuchs an Schulen und auf Bildungsmessen, auf denen das Töten und Getötetwerden als großes Abenteuer verkauft wird. Dass ein Widerstand von Schülern gegen diese Propaganda mitunter massive Repression seitens der Schulbehörden nach sich zieht, zeigen aktuelle Fälle.
Christoph Marischkas Rede endete mit einem eindringlichen Appell:
"Realistisch betrachtet müssen wir zu dem Schluss kommen, dass diese Sicherheitspolitiker selbst ein Interesse daran haben, ganze Regionen zu destabilisieren und uns der Gefahr von Terrorismus, Überwachung und Aufstandsbekämpfung auszusetzen. Ohne Krisen kein “Krisenmanagement”, um einen letzten Begriff des Mottos dieser Tagung aufzugreifen. Und vom Krisenmanagement, von der Herstellung von Unsicherheit, der Produktion von Waffen, Überwachungstechnologie und entsprechenden Diskursen leben diese Menschen. Der permanente Krieg, die Herstellung von Sicherheit – die Unsicherheit ist – auf Kosten der Menschen und von Menschenleben ist ein grandioses Geschäft und ein grandioses Ablenkungsmaneuver in einer Welt, in der es problemlos möglich wäre, die materiellen Bedürfnisse aller solidarisch zu befriedigen. Deshalb ist es wichtig festzustellen: Ihre Sicherheit bedeutet Krieg, ein Krieg, der gegen uns gerichtet ist. Und von hier muss das Signal ausgehen: Wenn Ihr so weitermacht, dann gibt es Aufruhr, dann gibt es Widerstand, denn es gibt auch und gerade hier hier, in Königsbronn, dem Ort, in dem Georg Elser lebte, kein ruhiges Hinterland."
Auch Roland Hamm, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Aalen und Schwäbisch Gmünd sowie Fraktionsvorsitzender der Linken im Gemeinderat Aalen, betonte die Rolle von Bundeswehr und NATO als primäre Instrumente zur Absicherung machtpolitischer und kapitalistischer Interessen:
"Deutschland ist in Europa die militärische Drehscheibe für Aggressionskriege der USA oder der NATO. Unter Bruch der Verfassung ist Deutschland an jedem dieser Kriege beteiligt, um eigene wirtschafts- und machtpolitische Interessen zu verfolgen. Und hier – direkt vor unserer Haustür – werden auch die tödlichen Waffen produziert und in alle Welt geliefert, selbst an Regimes, die sie gegen die eigene Bevölkerung einsetzen."
Ebenso scharf veruteilte Hamm die Versuche der Veranstalter, den Antifaschisten und Kommunisten Georg Elser für ihre Propaganda in Beschlag zu nehmen. Insbesondere diese geschichtsrevisionistische Instrumentalisierung Elsers durch Roderich Kiesewetter ist ein deutliches Beispiel für den ideologischen Charakter der "Königsbronner Gespräche".
Kiesewetter und seine Anhänger in Politik, Geheimdienst, Wirtschaft und Militär sind sich der mehrheitlichen Ablehnung von Kriegseinsätzen sehr bewusst. Auch die Rolle Deutschlands bei Waffenexporten sowie aktuell dem schmutzigen (Propaganda-) Krieg in der Ukraine sorgt für Unmut. Die Bereitschaft Deutschlands, einen von faschistischen Milizen mitgetragenen Putsch in der Ukraine zu unterstützen, ebenso wie die anhaltende Ignoranz gegenüber der Rolle des NATO-Partners Türkei bei der Unterstützung des Dschihadismus (und die gleichzeitige Kriminalisierung der demokratischen kurdischen Freiheitsbewegung), konterkarikieren jeden Anspruch der BRD, als Bringerin von "Demokratie und Frieden" zu agieren.
Die offene Unterstützung von Diktatoren und Folterstaaten wie Saudi Arabien mit Waffenlieferungen, wie sich auch von Kiesewetter verteidigt wird, spricht hier ebenfalls Bände.
Auch der taktische Schachzug Kiesewetters, für die diesjährigen "Königsbronner Gespräche" eher zahme Vertreter von Linkspartei (wie den Realo Stefan Liebich) und Grünen aufs Podium zu laden, die sowohl als Feigenblätter als auch als "Stresstest" für den Umgang mit Kritikern fungieren durften, muss in dem genannten ideologischen Kontext betrachtet werden.
So wird auch hier nach dem Prinzip divide et impera versucht, den konformen Teil der Kritiker einzubinden und für die Simulation einer "offenen, demokratischen Gesprächskultur" zu instrumentalisieren, während man sich für die scharfen und konsequenten Kritiker der Methoden der Diffamierung und Diskreditierung bedient.
Entsprechend erreichte die mediale Berichterstattung in Gestalt der Lokalpresse wohl einen ihrer bisherigen Tiefpunkte, was journalistischen Ethos und Objektivität angeht. So beschränkte sich Kiesewetters verlängerter Arm in der Redaktion der Heidenheimer Zeitung, Klaus-Dieter Kirschner (selbst Oberstleutnant der Reserve und CDU-Mitglied) darauf, jede inhaltliche Kritik an den "Königsbronner Gesprächen" zu ignorieren und im Gegenzug angebliche "Ausschreitungen und Prügelattacken" durch Demonstranten (die in der Form niemals stattgefunden haben), zum eigentlichen Gegenstand des Protestes zu stilisieren, freilich nicht, ohne Kiesewetter scheinheilig zur Distanzierung von "Gewalttätern" aufrufen zu lassen.
Doch was war passiert? Ein Besucher der Kriegskonferenz hatte sich - aus welchen Gründen auch immer - direkt den Weg durch einen Pulk von Demonstranten bahnen wollen, die unmittelbar vor dem abgesperrten Bereich standen. In diesem Verlauf kam es schon aufgrund der Enge zu gegenseitigen Rempeleien, dem Teilnehmer wurde das Namenschild von der Jacke gerissen. Schläge oder Tritte auf einen "am Boden liegenden", wie die Presse nun behauptet, gab es nicht - die unmittelbar neben der Versammlung stehende Polizei führte den Mann aus der Menge und zog sich wieder an den Rand zurück, ohne die Demonstranten weiter zu behelligen.
Ein tatsächlicher Angriff eines alkoholisierten Rechten auf Kundgebungsteilnehmer zu Beginn (hierbei wurde u.a. ein älterer DKP'ler verletzt), wird im selben Atemzug durch Kirschner geleugnet bzw. werden die "schwarz gekleideten" Demonstranten als Aggressoren ausgemacht. Dass der rechte Schläger von Bereitschaftspolizisten überwältigt und festgenommen wurde, findet keine Erwähnung, im Gegenzug wird ein angeblicher "Augenzeugenbericht" eines Anwesenden zitiert.
Selbst Königsbronns Bürgermeister Michael Stütz stimmt mittlerweile in die öffentliche Kampagne mit ein, poltert gegen eine am Bündnis gegen die "Königsbronner Gespräche" beteiligte Grünen-Gemeinderätin aufgrund ihrer vermeintlichen Verteidigung einer "gewalttätigen Demonstration" und echauffiert sich über angebliche Unterstellungen gegenüber der Presse (ohne darauf einzugehen, welche Unterstellung damit gemeint sind - der politische und militärische Hintergrund Kirschners ist kein Geheimnis). Selbstverständlich darf auch die Floskel vom "geschadeten Ansehen der Stadt" nicht fehlen.
Die inszenierte Empörung von Stütz muss wohl auch als Retourkutsche auf die Kritik der Grünen im Gemeinderat verstanden werden, die Hammerschmiede für die Reservisten kostenlos zur Verfügung zu stellen. Stütz hatte bereits im Vorfeld den "hochkarätigen Charakter" und die "Werbefunktion der Veranstaltung über die Region hinaus" betont. Dass Stütz auch diese Gelegenheit nicht auslässt, missliebige politische Stimmen zu diffamieren, war abzusehen.
Das traurige öffentliche Geplänkel im Nachklang einer insgesamt erfolgreichen und friedlichen Demonstration verdeutlicht einmal mehr, dass der propagierte und vorangetriebene Krieg auch eine Propaganda-Schlacht ist, dass der mediale Kampf an der Heimatfront in Zeiten öffentlicher Diskurse, die sich zumindest den Anschein von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verleihen müssen, elementare Bedeutung besitzt.
Wie wenig diese "demokratische Simulation" tatsächlich mit Teilhabe und Mitbestimmung zu tun hat, zeigen schon allein die im Geheimen ausgehandelten Waffendeals, bis hin zu den auch von Politikern wie Roderich Kiesewetter vorangetrieben Forderungen, an jeder demokratischen Kontrolle vorbei Kriegseinsätze zu beschließen.
Neben der erfolgreichen Mobilisierung und im Vergleich zum Vorjahr auch umfassenderen inhaltlichen Kritik an den "Königsbronner Gesprächen" werten wir auch diesen durchschaubaren Versuch der Stimmungsmache als Anzeichen für einen wachsenden Widerstand gegen die öffentliche Inszenierung von Kriegslogik, der die Verantwortlichen zunehmend in Rechtfertigungszwang bringt und zur Reaktion zwingt.
Wichtig wird es vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrung in der Zukunft sein, sowohl die kritische Auseinandersetzung mit den "Königsbronner Gesprächen" in der Region weiter zu fördern, als auch eine überregionale kritische Rezeption der "Königsbronner Gespräche" in der antimilitaristischen und antikapitalistischen Bewegung voranzutreiben.
Hintergrund:
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/kreisheidenheim/Koenigsbronner-Gespraeche-duerfen-kostenlos-tagen;art1168195,3134086
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/kreisheidenheim/Buergermeister-Stuetz-spricht-Klartext;art1168195,3142496
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/kreisheidenheim/Pruegelattacke-am-Rand-der-Koenigsbronner-Gespraeche;art1168195,3135988
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/kreisheidenheim/Nach-Attacken-Politiker-rufen-zu-Gewaltfreiheit-auf;art1168195,3138127
German left ist halt selbstähnlich
Die zwei hundert Menschen haben im Februar vor Debalzewo so was von gefehlt, euer "Antimilitarismus" hätte doch russische Panzer stoppen können!
Und natürlich kein Wort darüber, dass die BRD russische Kriegstreiber mit weiterem Militärspielzeug beliefert: https://newworldorderg20.wordpress.com/2015/02/27/daimler-enters-joint-v...
Sieht es nicht etwa nach einer völlig verlogener Kacke?
Karl Liebknecht
"Der Hauptfeind steht im eignen Land!" Das gilt nach wie vor. Warum ausgerechnet gegen Russland vorgehen? Warum nicht gegen die Ukraine, gegen Saudi-Arabien, den IS oder die USA? Warum sollen sich AntimilitaristInnen gegen die eine Seite und auf die andere Seite einer imperialistischen Auseinandersetzung stellen? Es geht nicht um Ukraine oder Russland, es geht darum die solidarischen, fortschrittlichen, internationalistischen und antifaschistischen Teile der jeweiligen Bevölkerung zu unterstützen. Egal ob in Syrien oder Saudi-Arabien, ob in der Ukraine oder in Russland, ob in Israel oder Palestina. Vorallem aber geht es darum den Imperialismus vor der eigenen Haustüre anzugehen.
Das frage ich eben:
Warum gegen die Ukraine?
Lies noch mal den Text durch: "Putsch", "faschistische Milizen" - ist es keine Kriegspropaganda?
Muessen die Sowjetnostalgie und der Amerikahass so maechtig sein, dass ihr auch russische Kriege gegen Nachbarnlaender unterstuetzt?
..
Und wie kommst du darauf, dass irgendwer "russische Kriege gegen Nachbarländer" unterstützt oder sich auch nur in irgendeiner Weise positiv auf Putins Russland bezieht? Auf russischer Seite sind ebenso üble Gruppierungen im Kampfeinsatz wie im Falle der Ukraine. Und der Verweis auf die Rolle der Faschisten beim Umsturz kann nun schwerlich geleugnet werden, was ist daran Kriegspropaganda? Im Gegenteil: Die Verlogenheit des Westens ist hier Wasser auf die Mühlen der russischen Propaganda, und auch hierzulande sind es gewiss nicht nur "Putinversteher", die die Rolle deutscher Politik bei dieser Eskalation erkennen und anprangern.
Was meinst Du hier mit
Wenn Russland mal
Estland angreifen wuerde - weil dort Faschisten sind, oder so - wuerdet ihr das mit Sicherheit auch bejubeln.
Ach, sorry, Estland ist doch Mitglied von der boesen NATO! - war bloss ein vorgestelltes Beispiel.
Aber an der Verteufelung von baltischen Staaten, die sich angeblich "zunehmend mit dem Dritten Reich identifizieren", nehmen westliche Stalinisten schon jetzt teil: https://www.jacobinmag.com/2014/09/timothy-snyders-lies/
Braucht man auch nicht so lange suchen, Rechtfertigung russischer Kriege gegen Georgien und Tschetschenien findest Du auch hier in den Kommentaren auf Linksunten.