Krawalljournalismus auch in Königsbronn

 

Es war ein schöner Tag in Königsbronn, nicht nur vom Wetter her. Gut zweihundert Menschen kamen in den kleinen Ort bei Heidenheim, um dort gegen die Königsbronner Gespräche zu demonstrieren, einer Art Ableger der Münchner Sicherheitskonferenz unter der Regie des Bundestagsabgeordneten Kiesewetter, Vorsitzender der Verbandes der Reservisten der Bundeswehr, der gemeinsam mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik als Veranstalter fungiert.

 

 

Es gab drei ausführliche Redebeiträge, zahlreiche Transparente und Schilder, die Demonstration zog durch einen Drittel des Ortes, Schaulustige standen am Rand, einige Anwohnende gesellten sich gar zur Abschlusskundgebung. Spätestens dort vermischten sich auch der eher jugendlich-autonome Block mit dem eher ergrauten-pazifistischen, die zuvor teilweise gemeinsam dieselben, teilweise unterschiedliche Sprechchöre gerufen hatten. Letztlich waren bis zum Schluss alle mit dem gemeinsamen Ziel hier: Gemeinsam gegen die Kriegspolitik Deutschlands zu demonstrieren und gegen deren Protagonist_innen, die sich in Königsbronn, in Rufweite der Abschlusskundgebung, versammelt hatten.

 

Es hätte also auch für Provinzjournalisten einiges zu berichten gegeben. Notfalls - wenn's denn unbedingt um Sex oder Gewalt gehen muss - auch über zwei Angriffe eines offenbar Betrunkenen zu Beginn der Demo auf deren Teilnehmer_innen, auf die die Polizei zumindest im zweiten Fall entschlossen reagierte. Stattdessen fokussiert der Bericht der Heidenheimer Zeitung jedoch auf ein einziges Ereignis, das wahrscheinlich bewusst provoziert wurde und so auch gar nicht stattgefunden hatte:

 

"Eklat: Prügelattacke am Rand der Königsbronner Gespräche

Zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kam es Samstagnachmittag am Rand der vierten Königsbronner Gespräche. Mehrere Friedensaktivisten fielen gar nicht friedlich über einen Mann her, der offenkundig an der Veranstaltung teilnahm. Dabei ist das Opfer selbst Mitglied einer Friedensbewegung.

Etwa 150 Demonstranten zogen nach Polizeiangaben am Samstagmittag lautstark durch Königsbronn und protestierten gegen "die Kriegstreiber" bei den vierten Königsbronner Gesprächen. 90 Polizeibeamte, darunter auch Bereitschaftspolizei, sorgten für Sicherheit. Überschattet wurde die Demo durch einen massiven Angriff auf einen Mann, der einen Sicherheitsausweis bei sich trug, mit dem er Einlass in die Hammerschmiede erhalten hatte. Allein die Teilnahme an der Veranstaltung war für die gewaltbereiten Aktivisten offenbar Grund genug, auf den Mann los zu gehen. Er wurde als Schwein und Kriegshetzer beschimpft, in Rücken und Magen geschlagen und ihm wurde der Ausweis geklaut. Dabei ist das Opfer selbst Mitglied einer Friedensbewegung in Stuttgart. Doch damit nicht genug: Dem Verletzten kam eigenen Aussagen zufolge keiner zu Hilfe."

http://www.swp.de/heidenheim/lokales/kreisheidenheim/Pruegelattacke-am-Rand-der-Koenigsbronner-Gespraeche;art1168195,3135988

 

Spätestens der letzte Absatz macht die Sache an sich schon unglaubwürdig, denn die Polizei stand nur drei Meter entfernt und begann nur kurz zu filmen. Andere Medien griffen den Bericht der Heidenheimer Zeitung auf (von Polizei und Veranstaltern liegt (noch) kein Bericht vor) und berichten gar von Tritten in Magen und Rücken des Mannes in Anzug. Die hat es ganz sicher nicht gegeben, schon durch die Enge vor Ort unmöglich. Aber andere Zeugen, als der angeblich angegriffene Mann, der sich "einer Friedensbewegung in Stuttgart" zugehörig fühlt, kommen gar nicht erst zu Wort. Das Ereignis war auch so klein und unbedeutend, dass es viele gar nicht zur Kenntnis genommen haben.

 

Fraglich bleibt, was dieser Mann aus "einer Friedensbewegung" überhaupt bezweckte, als er sich mit seinem Namensschildchen mit Logo und Schriftzug des Reservistenverbandes im Anzug vom Konferenzort kommend an Polizeikette und Gittern vorbei durch die Aktivist_innen drängte. Die Lokalpresse jedenfalls griff das willkommen auf und blähte es zum Hauptereignis des Protests. Auch das wirkt wie bestellt, schließlich ist die in der Praxis hypothetische Diskussion um Aktionsformen auch bei den kleinen, friedlichen Protesten in Königsbronn jetzt schon ein Reibungspunkt unter den aufrufenden Gruppen.

 

Es wird sich zeigen, ob es der angeblich friedensbewegte Mann nun dabei belässt, aus der Anonymität heraus die Proteste gegen jene Veranstaltung zu desavouieren, an der er teilgenommen und zu der er sich mit Namensschild des Reservistenverbandes bekannt hat, als er sich durch die Demonstrant_innen drängte - oder ob er offen Stellung nimmt zu seiner Teinahme, den Protesten und den vermeintlichen Angriffen. Behaupten, zur Friedensbewegung zu gehören, kann jede_, auch wenn er_sie an Militaristenkonferenzen teilnimmt. Wir wissen ja: Die Bundeswehr selbst ist die größte Friedensbewegung.

 

Außerdem bleibt zu hoffen, dass die Teilnehmenden an Demo und Kundgebung das gute und gemeinsame Gefühl beibehalten, das sich vor Ort ausgebreitet hat - auch nach dem genannten Zwischenfall und nachdem weitere Teilnehmende der Konferenz sich unter Pfiffen und Schmährufen durch die Kundgebung drängelten (hätte das die Polizei nicht unterbunden, wenn es wirklich schon zu ernsten Übergriffen gekommen wäre?). Zum Krawalljournalismus der Heidenheimer Zeitung ist wohl weiter nichts zu sagen, der kommt ja im wiedergegebenen Artikel schon überdeutlich zum Ausdruck.

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...die Heidenheimer Zeitung hatte selbst - nicht ohne Stolz berichtet: "Mit der selten verliehenen Ehrennadel der 10. Panzerdivision wurde der in Steinheim beheimatete Prädikant und Oberstleutnant der Reserve, Klaus-Dieter Kirschner, ausgezeichnet". (http://www.swp.de/heidenheim/lokales/kreisheidenheim/kdk-bekommt-Ehrenna...) Einen Reservisten über den Protest gegen eine Veranstaltung des Reservistenverbandes berichten lassen, ist schon ein wenig peinlich. Fehlt nur noch, dass kjk auch noch das friedensbewegte Opfer persönlich kannte. Es sah jedenfalls so aus.

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Der liebe Klaus-Dieter hat zudem fast wortwörtlich die erste Facebook-Meldung von Roderich Kiesewetter zu dem Vorfall übernommen (das Gerede vom "Eklat" und der "Prügelattacke"). 

 

Wen will die Heidenheimer Zeitung eigentlich verarschen? Sollte Kiesewetter als BND-Lobbyist nicht etwas geschickter vorgehen in Sachen Manipulation?