(B) Olympia-Bewerbung: Die demokratische Fassade bröckelt

Olympia Berlin verhindern!

Als bekannt wurde, dass Berlin sich um Olympia 2024 oder 2028 bewerben möchte, spuckte der Berliner Senat große Töne: Alles würde absolut transparent, demokratisch und unter Einbeziehung der Bevölkerung ablaufen. Schon jetzt zeigt sich jedoch: Das Demokratie-Verständnis derjenigen, die Olympia um jeden Preis nach Berlin holen wollen, ist mangelhaft und defizitär. Von Transparenz kann keine Rede sein.

 

Die skandalös undemokratische Haltung der Pro-Olympia-Fraktion aus Senat und Wirtschaft


Statt Beteiligung und Dialog setzt der Berlin Senat auf Propaganda und die Diffamierung der Olympia-Gegner*innen. Bürgermeister Müller sagte zur gerade stattgefundenen repräsentativen Umfrage zu Olympia: „Ob man die Entscheidung zu Olympia von einer Umfrage abhängig machen sollte, da bin ich mir unsicher. Es gibt immer ein paar Nörgler.

 

Wirtschaftsenatorin Yzer sagte vor Wirtschaftsvertretern in Bezug auf die Frage, ob denn eine grundsätzliche öffentliche Diskussion zu Olympia sinnvoll und notwendig sei: „Handeln ist jetzt wichtiger, als das Für und Wider abzuwägen.“

 

Hierzu passt die Aussage des IHK-Berlin-Vorsitzenden Eder (zu dem Luxus-Essen am letzten Montag im Bodemuseum, einer geschlossenen Veranstaltung, zu der ausschließlich DOSB-Vertreter, hohe Sportfunktionäre, Vertreter der Unternehmen und Konzerne sowie Berliner Politiker*innen Zutritt hatten):

Wir fünf Verbände (die großen Unternehmer-Verbände in Berlin, d.A.) haben dazu eingeladen, weil wir denen, die im März abstimmen, vermitteln wollen, wie groß die Zustimmung in der Berliner Bevölkerung ist. Schließlich repräsentiert die Wirtschaft – wenn man die vielen Beschäftigten der Unternehmen einbezieht – den größten Teil der Bevölkerung.

 

Dieser Satz spricht für sich. Der Bruchteil der Bevölkerung, die als Unternehmer und Kapitalisten in Berlin auf große Profite durch Olympia hoffen, maßt sich an, für die Bevölkerung insgesamt zu sprechen. Eine öffentliche Diskussion ist da natürlich nur schädlich, so Eder.

Die Veranstaltung richtet sich an eine spezielle Gruppe – und nicht an die Öffentlichkeit. Unsere Botschaft braucht keine Streuverluste. Die Veranstaltung soll bei den Menschen wirken, die am Ende für Berlin oder für Hamburg stimmen. Da ist man gut beraten, nicht alles vorher an die große Glocke zu hängen.“

 

Eine öffentliche Diskussion bedeutet also „Streuverluste“. Das Politik-Verständnis, das Eder hier durchblicken lässt, ist exemplarisch: Demokratie ist solange gut, solange die getroffenen Entscheidungen mit den Interessen der Wirtschaftsbosse übereinstimmen. Ist diese Übereinstimmung zweifelhaft, ist jede Form demokratischer Entscheidung einfach nur schädlich.

 

Auch hohe Sportfunktionäre machen durch ein merkwürdiges Demokratie-Verständnis auf sich aufmerksam: Gernot Tripcke (Geschäftsführer der Deutschen Eishockey Liga DEL):  

„Wir sollten auch nicht zu viel Rücksicht auf irgendwelche Abstimmungen nehmen. Warum sollen Leute befragt werden, die sich eh nicht für Sport interessieren?“


Alle Leute, die Olympia kritisch gegenüberstehen, interessieren sich also nicht für Sport. Und wer sich nicht für Sport interessiert (und gegen Olympia ist), soll auch nicht mitreden, wenn Milliarden-Beträge von der öffentlichen Hand für dieses profitträchtige Spektakel ausgegeben werden.

 

Polizeischikanen gegen Kritiker*innen


Sobald Proteste gegen die Olympia-Bewerbung sichtbar werden, setzt der Senat unmittelbar auf Repression und Polizei: Kritiker*innen werden kontrolliert, durchsucht, mit Platzverweis belegt oder gleich festgenommen, teilweise sogar erkennungsdienstlich behandelt. Mittlerweile, so lassen sich zumindest Aussagen von Polizeibeamten vom letzten Montag interpretieren, ist sogar das „Landeskriminalamt – Abteilung Staatsschutz“ direkt dafür zuständig, Olympia-Gegner*innen systematisch zu überwachen, zu diskriminieren und mit Polizeimaßnahmen zu überziehen.

 

Schikanen und Erpressungsversuche gegen kritische Medien


Der Zensur-Versuch des Senats am Blog „Metronaut“ im Januar wegen olympia-kritischer Satire hat überregional Aufmerksamkeit gefunden.

Mittlerweile wird immer deutlicher, dass das Vorgehen des Senats gegen Medien, die sich erdreisten, auch der Kritik an der geplanten Olympia-Bewerbung Raum zu geben, systematischen Charakter hat. So soll am 6. Februar diesen Jahres der Senat bei einer Telefonkonferenz mit der Berlin-Werbeagentur „Berlin Partner“ und Vertretern des Landessportbundes durchgesetzt haben, dass nach einem olympia-kritischen Beitrag der Tagesspiegel von der laufenden Olympia-Werbe-Aktion ausgeschlossen wird und dort keine Anzeigen mehr geschaltet werden. Berücksichtigt man die finanzielle Abhängigkeit der Presse von Zahlungen für Werbe-Anzeigen insgesamt, ist dieser Versuch, durch den gezielten Einsatz von Werbemitteln, die auch noch durch die Öffentlichkeit finanziert werden, eine olympia- und senatsfreundliche Berichterstattung zu erzwingen, ein Skandal erster Güte.

 

Auch die Rolle des Landesportbundes muss dringend näher beleuchtet werden. Nicht nur ist der SPD-Politiker Böger als Landessportbund-Chef ein wütender Verfechter der Olympia-Planungen: Offenbar ist der Landessportbund, wenn die Berichterstattung über die Telefonkonferenz am 6.02. stimmt (und sie wurde bislang von keiner Seite dementiert) auch direkt in die Senats-Kungeleien verstrickt und an der Erpressung kritischer Medien beteiligt.

 

Vorsätzliche Intransparenz über Kosten


Bisher hält sich der Senat absolut bedeckt darüber, was denn Olympia in Berlin kosten würde. Ende letzten Jahres wurde ein willkürliche Zahl von 2,4 Milliarden Euro in den Raum geworfen. Diese Zahl war völlig willkürlich, es wurde auch nie deutlich, ob es sich dabei denn um Investitionskosten für Sportstätten, sonstige Infrastrukturkosten, Durchführungskosten oder andere Kosten handelt.

 

Selbst Innensenator Henkel knickte auf Rückfragen des rbb-Inforadio ein: „Es wäre ein grobes Missverständnis, wenn man sagen würde, Olympia in Berin koste insgesamt nur 2,4 Milliarden Euro“, wurde Henkel dort zitiert. Die Linkspartei hält derzeit ein Defizit für die öffentiche Hand in Höhe von 4 – 8 Milliarden Euro (also schon abzüglich aller Einnahmen durch Zuschüsse usw.) für durchaus realistisch.

 

Auch hier ist der Landesportbund auf ungute Weise beteiligt. Heiner Brandi, Geschäftsführer des Landessportbundes, trat als geladener Referent beim sogenannten „Bürgerforum zu Olympia“ im Februar mit folgender Aussage vor die Öffentlichkeit: „Es kostet Berlin keinen Cent.“ Diese unverschämte Aussage wurde vom WDR in einem auch sonst informativen Video-Beitrag mit „Ein Berliner Sportfunktionär versucht Dummenfang“, kommentiert.

 

Mittlerweile haben sich offenbar in fünf sogenannten „Workshops“, die der Senat gemeinsam mit dem DOSB in den letzten Monaten u.a. zur Frage der Finanzierung durchführte, die Kosten-Kalkulationen konkretisiert. Vom Senat kommt zu den Ergebnissen dieser „Workshops“ allerdings kein einziges Wort und keine Zahl.

 

Intransparent ist der Senat nicht nur in Bezug auf die voraussichtlichen Kosten für die Durchführung des Olympia-Spektakels in Berlin, sondern auch auf die Kosten für die derzeit laufende massive Pro-Olympia-Werbekampagne. Am 07.02.15 ließ der Senat auf Nachfrage verkünden, dass die laufende Propaganda-Kampagne bis zu 300.000 Euro an öffentlichen Geldern kosten würde. Nur zwei Tage später wird durch Indiskretion bekannt, dass die Kampagne mindestens eine Million Euro an öffentlichen Geldern kostet. Und ist das schon alles? Das Beispiel München – hier ermittelt mittlerweile der Landesrechnungshof – lässt vermuten, dass auch in Berlin viele Kosten für die öffentliche Hand in Ausgaben von landeseigenen Unternehmen versteckt werden, und daß die aktuelle Pro-Olympia-Kampagne letzten Endes deutlich mehr als eine Million Euro an öffentlichen Geldern kosten wird.

 

Die Farce des geplanten „Bürger-Votums“


Sollte sich der DOSB für Berlin als Bewerbungsstadt entscheiden, hat der Senat bereits die Durchführung eines sogenannten „Bürger-Votums“ im September diesen Jahres per Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Dieses „Bürgervotum“ ist nun gleich mehrfach nicht mit einem echten Volksentscheid gleichzusetzen.

 

Ein Volksentscheid ist immer von unten initiiert. Die Vorgaben des Senats sind hier ganz eindeutig definiert. So gibt es immer ein Mindestquorum, dass erreicht werden muss, damit der Entscheid gültig ist. Vor der Durchführung des Entscheides gibt es ein amtliches Anschreiben an alle wahlberechtigten Bürger*innen, in dem sowohl Befürworter als auch Gegner des Anliegens in genau gleicher Zeichenanzahl für ihre jeweilige Auffassung werden können.

 

Hiervon kann bei der Farce des sogenannten „Bürgervotums“ keine Rede sein. Die „Darstellung des Sachverhalts“ erfolgt, in unbegrenzter Länge, allein durch den Senat, der ja interessierter Teil der Abstimmung und keinesfalls neutral ist. Sodann gibt es noch Platz für „Argumente“, und zwar einmal 3000 Zeichen für den Senat und dann noch jeweils 3000 Zeichen für jede Fraktion im Abgeordnetenhaus. Derzeit sind 4 Fraktionen für Olympia, nur eine Fraktion ist gegen Olympia, die Linkspartei. Wir hätten also im offiziellen Anschreiben über das „Bürgervotum“ (§ 5):

 

1) die (natürlich einseitige) „Sachverhaltsdarstellung“ durch den Senat
2) zusätzlich 3.000 Zeichen Pro-Olympia-Argumente durch den Senat
3) zusätzlich 12.000 Pro-Olympia-Argumente durch die Fraktionen CDU, SPD, Grüne und Piraten
4) 3000 Zeichen Argumente gegen Olympia durch die Fraktion der Linkspartei

 

Dem Senat reicht es also nicht, mehrere Millionen Euro öffentlicher Gelder auszugeben, um eine massive Pro-Olympia-Werbekampagne durchzuführen, während die Olympia-Gegner*innen maximal über einen Bruchteil dieser Summe verfügen. Der Senat will sich per Gesetzentwurf auch noch die absolute Mehrheit des Textes im offiziellen amtlichen Anschreiben für seine Pro-Olympia-Argumente garantieren.

 

Die Absurdität des sogenannten „Bürger-Votums“ wird auch dadurch deutlich, daß im vorliegenden Gesetzestext, § 1.4 explizit steht: „Das Ergebnis der Befragung ist für das Abgeordnetenhaus, den Senat und die Berliner Verwaltung nicht bindend.“ Wird gleichzeitig durch die Fraktionen, die dieses Gesetz entwickelt haben, betont, das Votum sei selbstverständlich politisch bindend, wird die Widersprüchlichkeit nochmals deutlich.

 

Das Olympische IOC-DOSB-Spektakel ist ein Desaster für die Demokratie, und dieses Desaster beginnt direkt mit der Interessenbekundung an der Durchführung von olympischen Spielen, wie gerade in Berlin zu beobachten ist.


Olympia verhindern!

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Es gibt da einen Fachbegriff für diese Art Demokratieverständnis: Demokratischer Zentralismus.

Die IHK Berlin hat übrigens bis zuletzt gegen einen allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro gekämpft. Die unverschämte Begründung: Sehr viele Menschen würden zu absoluten Armutslöhnen arbeiten, und höhere Löhne wären hier dem Kapital nicht zuzumuten, weil dann vielleicht die Profite sinken würden. „Fast zwei Drittel der jungen Erwerbstätigen unter 20 Jahren (ohne Auszubildende) und rund jeder Vierte unter 30 Jahren erhält weniger als 8,50 Euro pro Stunde„, schrieb seinerzeit die IHK in ihrem „Positionpapier gegen Mindestlöhne“.

 

Aus dem Tagesspiegel-Interview mit dem Berliner IHK-Boss Jan Eder.

 

Feinstes wurde aufgetischt, als fünf Wirtschaftsverbände - darunter auch die Berliner IHK - Funktionäre des DOSB ins Bode-Museum luden. Im Interview erklärt Jan Eder von der IHK, warum der Termin so kurzfristig bekannt gegeben wurde, warum er Olympia will und warum auch die Berliner die Spiele wollen sollten.

 

Wolfsbarsch mit Schwarzwurzeln, Duo vom flämischen Rehrücken, geflammte Apfeltarte mit Butterkekseis komplettierte den Dreisprung am Montagabend im Unesco-geschützten Bode-Museum. Unter den 80 Gästen waren Funktionäre des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die am 21. März 2015 entscheiden sollen, ob Hamburg oder Berlin für Deutschland um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 oder 2028 ins Rennen geht. Die Rechnung übernehmen die Gastgeber, fünf führende Wirtschaftsverbände Berlins: die Industrie- und Handelskammer (IHK), die Handwerkskammer, der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) und die Standortförderagentur Berlin Partner.

 

Der Tagesspiegel sprach mit IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder über den Sinn der Veranstaltung und den der Spiele generell.

 

Herr Eder, warum ist es nötig, dass ausgerechnet die Wirtschaft Sport und Politik zusammenbringt?


Wir fünf Verbände haben dazu eingeladen, weil wir denen, die im März abstimmen, vermitteln wollen, wie groß die Zustimmung in der Berliner Bevölkerung ist. Schließlich repräsentiert die Wirtschaft – wenn man die vielen Beschäftigten der Unternehmen einbezieht – den größten Teil der Bevölkerung. Wir wollen unseren Gästen vor Augen führen, was diese Stadt infrastrukturell, sportlich, aber auch kulturell alles zu bieten hat. Das Echo auf die Einladung war hervorragend. Uns wurde auch gesagt, dass man auf so ein Signal aus Berlin gewartet hat.

 

Wer bezahlt diesen Abend im Museum?


Unsere fünf Wirtschaftsorganisationen teilen sich die Rechnung auf.

 

Warum haben Sie den Termin vorab erst kurz vorher kommuniziert? Aus Angst vor kritischer Öffentlichkeit?


Nein, die Veranstaltung richtet sich an eine spezielle Gruppe – und nicht an die Öffentlichkeit. Unsere Botschaft braucht keine Streuverluste. Die Veranstaltung soll bei den Menschen wirken, die am Ende für Berlin oder für Hamburg stimmen. Da ist man gut beraten, nicht alles vorher an die große Glocke zu hängen. Mancher Gast hätte sich auch düpiert fühlen können, wenn er vorher alles in der Zeitung gelesen hätte, was wir ihm am Abend ja erst noch persönlich sagen wollten.

 

Sie und die vier anderen Verbandschefs haben „Wir-wollen-die-Spiele“-Flaggen vor dem Ludwig-Erhard-Haus gehisst. Warum ist es wichtig, dass Sie Flagge zeigen?


Ich hoffe und gehe davon aus, dass die noch eine ganze Weile vor unserem Haus wehen. Im Ernst: Wir zeigen gemeinsam Flagge, weil Olympia aus mindestens drei zentralen Gründen wichtig für uns ist. Zum einen wegen der Infrastruktur: Die operativen Kosten der Spiele werden zwar letztlich vom IOC getragen, aber nötig sind natürlich hohe Investitionen in die Infrastruktur. Dieses Thema ist seit jeher wichtig für die Wirtschaft. Wir Berliner hätten die Chance, mit eigenem Geld und übrigens auch mit Bundesmitteln, zu überlegen, wie unsere Stadt für die kommenden Jahrzehnte gestaltet werden soll. Zum zweiten würden wir international noch mehr Aufmerksamkeit gewinnen, wir bekämen zusätzliche Touristen – wenn auch nicht in dem Jahr der Spiele selbst, aber in den Folgejahren. Das konnte man nach 2012 in London oder nach der Fußball-WM 2006 auch hierzulande erleben.

 

Und drittens…


…täte so ein großes Ziel unserer Stadtgemeinschaft gut! Wir Berliner könnten für die Olympischen Spiele und deren Ideale einstehen. Das kann uns mental einen echten Schub geben. Auch hier sei an die WM erinnert: Die hat bei uns Berlinern dauerhaft einen Schalter umgelegt, davon bin ich bis heute überzeugt.

 

Kritiker sagen, es gehe nur ums Geschäft. Olympia könne auch noch schneller steigende Mieten bedeuten und würde nur Unruhe in die Kieze bringen.


Ich finde, man muss sich ernsthaft und seriös mit dieser Kritik auseinandersetzen. Das ist Politik: der Kampf um den richtigen Weg. Ich finde: Wir sind eine Weltmetropole. Ich finde: Hier kann und soll es unruhig sein. Ich finde: Wir sollen uns entwickeln und weiterhin die jungen Menschen der Welt anziehen. Wer es ruhig haben will, sollte überlegen, aufs Land oder an den Rand der Stadt zu ziehen.

 

Aber wenn Olympia-Gegener sagen, die Stadt habe kein Geld, ist das doch ein Punkt, oder?


Richtig, wir haben wenig Geld. Aber immerhin etwas mehr als vor Jahren. Auch das hat ganz nebenbei etwas mit Wirtschaft zu tun. Dann wird ja auch immer gesagt, man solle das wenige Geld für Schulen und Straßensanierung ausgeben. Da sage ich: Das ist keine Alternative, sondern etwas Zusätzliches. Olympia treibt die Bautätigkeit und die Konjunktur an, das generiert zusätzliche Steuereinnahmen in der Stadt. Investitionen in die Spiele bringen auch den Schulen und Straßen etwas. Wer das nicht versteht, den lade ich ein, nach London zu blicken.

 

Was kann man da lernen?


Ich war zwei Jahre vor den Spielen 2012 im East End. Man kann sich heute nicht mehr vorstellen, wie es dort damals aussah. Jetzt ist dort ein neu belebter Stadtteil entstanden. London hatte also einen ganz klaren Plan, einen sehr nachhaltigen übrigens. Alle, die sagen, Olympia bringt die Stadt durcheinander und zersiedelt sie, der sollte dort mal hinfahren.

 

Dass Hotels und der Handel von Spielen profitieren, leuchtet jedem ein. Aber was hätte die Industrie davon?


Die Bauindustrie kann natürlich profitieren, die anderen Branchen wohl nur mittelbar. Aber wenn sich die Aufmerksamkeit auf Berlin richtet, werden auch Berlins Unternehmen leichter von Investoren entdeckt. Speziell für den Technologie-, Forschungs- und Industriepark Tegel, der dann bis 2024 oder 28 errichtet ist, würde die unmittelbare Nachbarschaft zu den Sportstätten sehr fruchtbar sein. Aber ich mache mir auch keine Illusionen: Die Zeit vor den Spielen könnte durchaus schwierig werden.

 

Wieso?


Es kostet zunächst Geld, man hat viele Baustellen. In London war die Stimmung im Jahr vor den Spielen ziemlich am Boden. Die Londoner mussten eine Olympic Tax zahlen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was in Berlin oder wohl auch in Hamburg los wäre, wenn hier so eine Sondersteuer eingeführt würde.

 

Klingt in der Tat nicht motivierend.


Stimmt. Aber ich erinnere mich gut an ein Gespräch mit dem ehemaligen Londoner Bürgermeister Ken Livingston und den Organisatoren der Spiele dort. Die sagten: International gibt es keine andere Stadt, die so sehr für Jugendlichkeit und Nachhaltigkeit, für die Green Economy steht, wie Berlin. Ihr müsst Euch bewerben! Tatsächlich sind Image und das Konzept, über das übrigens viel zu wenig geredet wird, doch entscheidend im internationalen Wettbewerb – jedenfalls viel wichtiger als ein paar Prozent mehr oder weniger Zustimmung in einer Telefonumfrage. Wenn man sich das klar macht, kann es eigentlich nur einen Sieger in Deutschland geben. Und der wird es gegen internationale Konkurrenz schon noch schwer genug haben.

 

Es fällt auf, dass vor allem landeseigene Unternehmen wie die BVG sich an der Olympia-Werbekampagne beteiligen. Warum tun sich Privatfirmen damit so schwer?


Ganz so ist es ja nicht. Die Unterschriftenaktion von unseren Partnerverbänden und uns war sehr erfolgreich, da haben Chefs wie Sekretärinnen gleichermaßen mitgemacht. Viele Unternehmer haben auch das „Wir wollen die Spiele“ ans Ende Ihrer E-Mails gehängt. Nur großes Geld für Werbung auszugeben, das ist schwierig: Natürlich ist die Hamburger Wirtschaft reicher. Noch jedenfalls. Man kann dort vielleicht etwas lässiger sagen: Wir übernehmen die gesamten Bewerbungskosten. Aber die sind bekanntlich der kleinste Teil. Wenn der deutsche Zuschlag einmal erteilt ist, dann stehen auch die Deutschen Konzerne von internationalem Rang bereit, die nationale Bewerbung voll zu unterstützten.

 

 

 

Angenommen, Berlins Bewerbung scheitert,…


…was durchaus passieren kann. Dann würden wir Hamburg unterstützen, so wie Hamburg uns hoffentlich auch.

 

Welche andere Idee haben Sie für den Fall? Woran sonst kann sich Berlin mittel- und langfristig aufrichten?


Gute Frage, um die wir uns als IHK unabhängig von Olympia in diesem Jahr kümmern wollen. Berlin braucht tatsächlich eine erneuerte Vision. Das ist das Thema, das wir von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur immer wieder gespiegelt bekommen.

 

 

JAN EDER: UNVERSCHÄMTES ARSCHLOCH, BESCHEUERTES

Schon krass, dass so ein Typ, der im Monat sicher 15.000 oder 20.000 Euro verdient (im Monat, nicht im Jahr!), zum Thema steigende Mieten sagt: "Wir sind eine Weltmetropole. Ich finde: Hier kann und soll es unruhig sein." Mehr fällt ihm dazu nicht ein. Wir dürfen sicher sein, dass ER nicht beunruhigt ist, was die steigenden Mieten betrifft - vermutlich besitzt er die eine oder andere sehr schicke Eigentumswohnung, profitiert also auch von den steigenden Mieten, muss sich zumindest keine Sorgen machen. Und seine IHK-Kumpels finden die steigenden Mieten natürlich dufte... vielleicht sollte man der IHK mal öfter auf die Pelle rücken, verdient hätten sie es.

Bau-Irrsinn für Rio 2016: Für Olympia-Golfplatz werden seltene Tiere erschossen


In Rio de Janeiro gibt es bereits zwei Golfplätze – doch für Olympia 2016 wird trotzdem ein neuer gebaut. Ausgerechnet in einem der letzten Naturreservate direkt am Meer. Seltene Tiere werden einfach abgeschossen. Eine Geschichte des modernen Wahnsinns.

 

17 Monate vor dem Start der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August 2016) kochen vor Ort die Emotionen hoch. Bei den Vorbereitungen für die Sommerspiele jagt ein Skandal den anderen. Zum Beispiel um die Wasserqualität in der Bucht: Dort, wo im August 2016 die Segelwettbewerbe stattfinden sollen, schwimmen tote Tiere und jede Menge Unrat.

 

Doch derzeit bringt die Brasilianer nichts so sehr auf, wie der Bau des Golfplatzes im Landschaftsschutzgebiet Marapendi. Golf ist erstmal seit 112 Jahren wieder Teil des olympischen Programms. Es ist eine ungeheuerliche Geschichte aus Umweltsünden, Korruption und Profitgier. „Was hier passiert, ist ein Verbrechen“, sagt der Umweltaktivist Bernardo Nadal laut „Süddeutsche Zeitung“. „Wir fordern den sofortigen Baustopp.“

 

Für diese Forderung dürfte es längst zu spät sein. Der Bau des Golfplatzes in einem der letzten Naturreservate direkt am Meer ist schon zu weit fortgeschritten. Die Umwelt auf dem rund 100 Hektar großen Areal ist nachhaltig zerstört. „Man hält sich hier nicht lange mit der Umsiedlung der Tiere auf, die werden einfach erschossen“, zitiert die „SZ“ den Aktivisten Marcello Mello.

 

Wasserschweine, Gürteltiere und Kaimane müssen sterben

 

Auf dem riesigen Gebiet sollen einst Wasserschweine, Dreibindengürteltiere und Breitschnauzenkaimane gelebt haben. Bald werden hier die Golfstars abschlagen, unter anderem peilt Martin Kaymer eine Medaille an. „Ich fahre nicht dahin, um Zweiter oder Dritter zu werden, ich will ganz oben stehen“, sagte der 29-jährige Deutsche zuletzt.

 

Doch warum wurde dieser Golfplatz überhaupt gebaut? Das fragen sich derzeit viele Brasilianer. In Rio gibt es bereits zwei Golfplätze – und die Sportart ist im überwiegend armen Land keineswegs populär.

 

Lukratives Bauland entsteht, Verdacht auf Korruption

 

Die Antwort auf die Frage findet man wohl vor allem, wenn man sich das Gebiet des neuangelegten Platzes ansieht. Rund um das Golfareal entstehen Luxuswohnungen, gebaut von riesigen Baukonsortien. Sie sollen das attraktive Land von der Stadt für einen Spottpreis erworben haben.

 

Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb gegen Rios Bürgermeister Eduardo Paes wegen Korruption. Der Vorwurf: Die Umwandlung in Bauland wäre verfassungswidrig, der günstige Kaufpreis hänge damit zusammen, dass die Firmen eine üppige Wahlkampffinanzierung versprochen hätten.

 

Auch IOC-Präsident Thomas Bach bekam vor kurzem die Wut der Umweltaktivisten zu spüren. Der deutsche Sportfunktionär wurde bei einem Besuch als „Mörder“ beschimpft.

Veranstaltung am 18.03.15: Olympische Spiele: Verdrängung und Widerstand!

Mit Julian Cheyne aus London, aktiv bei Games Monitor und zwangsgeräumt für die Olympischen Spiele 2012, Bündnis NOlympia Berlin, Initiativkreis Olympia Verhindern und Bündnis Zwangsräumung Verhindern

Barcelona, London und jetzt Berlin?: Die Geschichte Olympischer Spiele ist auch eine Geschichte massiver städtischer Umstrukturierung. Aufwertung ganzer Stadtteile, Verdrängung der Armen, Kontrolle und Überwachung – die Ausrichtung des Megaevents zieht eine Schneise der Verwüstung durch Städte und Nachbarschaften.

 

Julian Cheyne wird sowohl seine persönliche Geschichte der Spiele 2012 erzählen, als auch darüber berichten, wie sich Olympia vor, während und nach der Durchführung auf London und seine Bevölkerung ausgewirkt hat. Zur Einführung werden anhand kurzer Schlaglichter die Folgen Olympischer Spiele der jüngeren Vergangenheit angesprochen.

 

Abschließend soll es um die die drohende Olympiabewerbung Berlins und Hamburgs gehen. Die Kampagnen NOlympia und Olympia Verhindern stellen sich und den aktuellen Stand des Widerstands gegen eine Bewerbung vor.

 

18.03.15, 19 Uhr, FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95a, 10999 Berlin (Veranstaltungsort mit Fahrstuhl, Julian spricht auf Englisch mit deutscher Übersetzung)


Julian Cheyne wurde 2007 zwangsgeräumt, seine Wohnsiedlung wurde abgerissen um dort Versorgungseinrichtungen für das Olympische Dorf zu bauen. Julian war aktiv gegen die Londoner Spiele 2012 und betreibt bis heute die Website „Games Monitor – debunking Olympics myths“.

 

Weitere Artikel mit/ über Julian Cheyne finden sich in der taz und im Guardian.