Februar 2015
Am 19. September 2014 wurde mit dem Gesetz zur Neubestimmung der Balkanstaaten (Serbien, Bosnien-Herzigowina, Mazedonien) als sogenannte „sichere Herkunftsländer“ ein weiterer Schritt zur Entrechtung von Geflüchteten getan.
Die Große Koalition
brachte Anfang diesen Jahres den Entwurf der neuen Asylgesetzgebung
vor. Damit ist der Weg geebnet für eine weitere Gesetzesverschärfung
und somit eine Ausweitung von repressiven Maßnahmen gegen
Geflüchtete und Asylsuchende. Am 3. Dezember 2014 wurde das Gesetz
bereits vom Kabinett verabschiedet. Im März 2015 findet die erste
Lesung im Bundestag statt. Im Juni 2015 soll es dann in Kraft treten.
Es ist das alte Spiel: Zuckerbrot und Peitsche! Es gibt ein paar
Zugeständnisse für Menschen mit Duldungsstatus und gleichzeitig
sollen Abschiebehaft, Einreise-und Aufenthaltsverbot sowie
Ausweisungen zur gängigen Praxis werden.
Was
verändert sich?
Besonders
erschreckend ist die starke Ausweitung der Abschiebehaft. So heißt
es z.B. in dem Gesetzesentwurf, dass Geflüchtete in Abschiebehaft
genommen werden können, wenn sie Identitätspapiere wie Ausweise
vernichtet, „eindeutig unstimmige oder falsche Angaben gemacht“
oder zu ihrer „unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge für
einen Schleuser aufgewandt“ haben. Dabei reicht die Zahlung von
3.000 Euro als Hinweis auf eine unerlaubte Einschleusung aus. Ebenso
können „Vorbereitungshandlungen“ zur Verhinderung der
Abschiebung eine Haft zur Folge haben. All dies seien Anhaltspunkte
für „Fluchtgefahr“. Zudem sollen Asylbewerber/innen mit einem
Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt werden können, sobald ihr
Antrag abgelehnt wurde.
Betrachtet man diese Formulierungen
genau, stellt sich die Frage: WelcheR
Geflüchtete denn nicht ohne Identitätspapieren nach Deutschland
einreist
und wer eigentlich darüber entscheidet, was „eindeutig unstimmige
oder falsche Angaben" sind. Die Erfahrung zeigt, dass die
Behörden den von vielen Geflüchteten gemachten Angaben keinen
Glauben schenken oder sie nicht akzeptieren. Die Geflüchteten werden
zukünftig nur noch die Wahl zwischen „Abschiebehaft“ oder
„Aufnahmehaft“ haben. Auch die unglaubliche Formulierung, dass
Geflüchtete, welche zur ihrer „unerlaubten Einreise erhebliche
Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt“ haben, ist der pure
Hohn. Abgesehen davon, dass der Begriff „Schleuser“ kein
juristischer Begriff ist und somit der Auslegung der jeweiligen
Behörde unterliegt, ist es Geflüchteten mittlerweile schier
unmöglich ohne Fluchthelfer/innen nach Europa zu gelangen. Dafür
hat sich Europa, und vor allem Deutschland viel zu sehr abgeschottet
und die Zäune und Repressionsmaßnahmen an den EU-Außengrenzen
perfektioniert.
Massiv erleichtert wird die Abschiebung von
Geflüchteten durch ein „Ausweisungsinteresse“. Dabei soll
zwischen dem „Ausweisungsinteresse des Staates“ und dem
„Bleibeinteresse des Flüchtlings“ abgewogen werden. Doch wer
bestimmt das Ausweisungsinteresse des Staates und wer wiegt das ab?
Letztendlich doch der/die zuständigen BeamtInnen, welche doch in
keinster Weise objektiv handeln, da sie vom Staat bezahlt werden. Und
selbst wenn die BeamtInnen in ihren Augen richtig abwägen, dass das
Ausweisungsinteresse des Staates schwerer wiegt. Ist es doch so, dass
ein generelles Ausweisungsinteresse beim Staat immer besteht, da das
Interesse ja ist, so viele wie möglich Menschen auszuweisen.
Nicht
nur „Straftaten“ sollen künftig als Grund für erhebliches
Ausweisungsinteresse gelten, sondern auch Betätigungen von
Geflüchteten, die unter einem politischen Kontext stehen. So ist in
dem Gesetz verankert, dass Geflüchtete welche die „freiheitliche
demokratische Grundordnung der Bundesrepublik“ oder die
„öffentliche Sicherheit und Ordnung“ gefährden, abgeschoben
werden sollen. In der Konsequenz könnte dies ein politisches
Betätigungsverbot für abgelehnte AsylbewerberInnen bedeutet. Schon
die Selbstorganisation von Flüchtlingen, die für ihr Bleiberecht
streiten und Flüchtlingscamps oder Hungerstreiks organisieren, kann
zukünftig ein erhebliches Ausweisungsinteresse und baldige
Abschiebung begründen. Begründet wird die Einführung dessen mit
angeblicher Terrorgefahr. Geflüchtete werden also pauschal mit
Terroristen in einen Topf geworfen. So heißt es in einer
Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums: „So soll der
Aufenthalt von Personen, denen kein Aufenthaltsrecht in Deutschland
zusteht, konsequent beendet werden. Ihre Ausreisepflicht soll dann
auch zwangsweise durchgesetzt werden. Die neuen Regelungen
berücksichtigen stärker als bisher, dass gewaltbereite Extremisten
auch mit den Mitteln des Ausländerrechts bekämpft werden
können.“
Es wird außerdem das viertägige
„Ausreisegewahrsam“ eingeführt, aufgrund dessen Geflüchtete bis
zu vier Tage auf richterliche Anordnung eingesperrt werden
können.
Als wäre das nicht alles schon genug, kommen die
Verschärfungen der Aufenthalts- und Einreisesperren für
Flüchtlinge, deren Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“
abgelehnt wurde, hinzu. Dies trifft vor allem Flüchtlinge aus
sogenannten „sicheren Herkunftsländern“, sowie alle Menschen
deren Fluchtgründe als unglaubwürdig erklärt werden, zum Beispiel
auch Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, welche schon aufgrund
ihres Alters ihren Asylantrag nicht ausreichend begründen können.
Die Konsequenz davon werden massenhafte Inhaftierungen von Menschen
sein, welche erneut in die EU einreisen, nachdem sie schon einmal
einen Asylantrag gestellt haben.
Die scheinbaren
Verbesserungen, dass jahrelang geduldete Flüchtlinge eine Chance auf
Bleiberecht bekommen sollen, sind gezeichnet von den zahlreichen
Verschlechterungen und Restriktionen, die alle anderen Geflüchteten
betreffen. Außerdem wird kaum mehr jemand diese positiven
Neuregelungen in Anspruch nehmen können, wenn dieses Gesetz zur
Ausführung kommt. Da die Menschen, welche heute sogenannte
langjährige Geduldete sind, dann in Gefängnissen sitzen werden und
so die Erfüllung der Voraussetzungen auf Bleiberecht nicht leisten
können.
Es gibt noch weitere restriktive Maßnahmen, welche
mit diesem neuen Gesetz eingeführt werden, wir gehen hier nur auf
die, in unseren Augen, dramatischsten Folgen des Gesetzes ein.
Fazit
Zusammenfassend
kann gesagt werden, dass die begründete Annahme besteht, dass alle
zukünftig einreisenden Geflüchtete in Deutschland weggesperrt
werden sollen. Es muss auch davon ausgegangen werden, dass die Zahl
der Abschiebungen stark ansteigen wird. Das Grundrecht auf Asyl und
das Recht auf einen „fairen“ Zugang zu einem Asylverfahren wird
damit endgültig abgeschafft. Die Geflüchteten werden schon mit
ihrer Einreise nach Deutschland kriminalisiert. Ihnen wird jegliche
Chance auf ein „faires“ Verfahren verwehrt.
Das faktische
politische Betätigungsverbot von Geflüchteten ist ein Angriff auf
alle politisch engagierten Menschen in der BRD. So wird das Recht auf
Meinungsfreiheit und politische Betätigung als solches infrage
gestellt, auch wenn es hier speziell die Geflüchteten betrifft.
Mit
der Formulierung, dass bei „Fluchtgefahr“ Geflüchtete in
Abschiebe-/Ausreisegewahrsam genommen werden können, wird das
gesamte Gesetz ad absurdum geführt. Bei Geflüchteten von
„Fluchtgefahr“ zu sprechen ist wohl der größte Hohn, den sich
das sogenannte Asylgesetz erlauben kann.
Somit rufen wir alle Menschen auf, sich diesem Unrechtsgesetz in den Weg zu stellen.
Um
dieses Gesetz nicht unkommentiert hinzunehmen, ist eine bundesweite
Kampagne
in Arbeit. Es soll auch eine bundesweite
Aktionswoche
zu dem Thema stattfinden. Wenn ihr Lust habt euch daran zu beteiligen
oder weitere Ideen habt, dann meldet euch bei uns, den Kontakt findet
ihr auf unserer Internetseite. Achtet auf Ankündigungen und
informiert euch.
Lasst uns diese weitere Verschärfung nicht
tatenlos hinnehmen!
Werdet aktiv! Auf allen Ebenen und mit allen
Mitteln!
Flucht
ist und bleibt kein Verbrechen!
Es trifft einige aber gemeint
sind wir alle!
Der terminliche Ablauf zur Abstimmung des Gesetzes sieht wie folgt aus:
6.3.2015: Bundestag, 1. Lesung
24.4.2015: Bundestag, 2. Lesung
12.6.2015: Bundesrat, 2. Durchgang
Juni 2015: Einführung des Gesetzes
Der Gesetzesentwurf zum downloaden: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2014/0601-0700/642-14.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Antirassistisches Netzwerk Sachsen-Anhalt
antiranetlsa.blogsport.de
Kampagnenseite: http://stopasyllaw.blogsport.eu/
Übersetzung in möglichst viele Sprachen erforderlich!!!!!!!!!!!!
Kann bitte irgendwer diesen Artikel übersetzen, damit direkt Betroffene auch Zugang zu diesen Infos haben!
Ich bin leider sprachlich nicht fit genug...
Übersetzung
Texte dazu werden demnächst auf dem Blog der Kampagne auf allen möglichen Sprachen zugänglich sein.
Kampagne von PRO ASYL
Inhaftierung von Schutzsuchenden verhindern!
Appell an die Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion!
Flucht ist kein Verbrechen, Flüchtlinge gehören nicht ins Gefängnis. PRO ASYL appelliert an die Regierungsparteien, die geplanten Inhaftierungsmöglichkeiten für Asylsuchende aus dem „Gesetz zur Neubestimmung des Beiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ zu streichen. Zudem fordern wir eine deutlich wirksamere gesetzliche Gestaltung der Beiberechtsregelung für geduldete Menschen
Hier zur Kampagne: https://www.proasyl.de/de/home/inhaftierung-von-schutzsuchenden-verhindern/
Deutliche Worte zum Thema
ein kurzer Artikel,der es auf den Punkt bringt:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/136537
Kosovo, Montenegro, Albanien - "sichere Herkunftsländer"
Am 6.März steht auf der Tagesordnung wieder einmal ein Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten!
Hier der Gesetzesantrag: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2015/0001-0100/65-15.pdf?...