Dieses Projekt wurde von CrimethInc. – einem internationalen Netzwerk ehrgeiziger Revolutionär_innen – herausgegeben. Der Text entstand in Kooperation mit Gefährt_innen aus fünf Kontinenten. Mehr Infos auf tochangeverything.com Wenn du etwas Beliebiges verändern könntest, was wäre es? Würdest du für den Rest deines Lebens Urlaub machen? Dafür sorgen, dass fossile Brennstoffe aufhören Klimawandel zu verursachen? Dir ethisch vertretbare Banken und Politiker_innen wünschen? Jedenfalls wäre sicherlich nichts unrealistischer, als alles so zu belassen wie es ist, und andere Resultate zu erwarten.
In unseren privaten finanziellen und emotionalen Kämpfen spiegeln sich
globale Unruhen und Katastrophen wider. Wir könnten all unsere Zeit
darauf verwenden, ein Feuer nach dem anderen zu löschen, aber sie haben
alle die selbe Ursache. Stückweise zu reformieren wird nichts in Ordnung
bringen: Wir müssen alles, entsprechend einer anderen Logik,
überdenken.
Um etwas zu verändern, fang überall an.
Anfangen mit
Selbstbestimmung
Das Gespenst der Freiheit spukt immer noch durch die Welt, die
angeblich nach seinem Vorbild erbaut wurde. Uns wurde komplette
Selbstbestimmung versprochen: alle Institutionen unserer Gesellschaft
sollen sie angeblich fördern.
Wenn du komplett selbst-bestimmen könntest, was würdest du jetzt gerade
tun? Denk an das unendliche Potential deines Lebens: die Beziehungen,
die du haben könntest; die Erfahrungen, die du machen könntest; an all
die Möglichkeiten, wie du deiner Existenz einen Sinn geben könntest. Als
du geboren wurdest, schien es so, als gäbe es keine Begrenzung dafür,
was du alles werden könntest. Du hast einfach alle Möglichkeiten
dargestellt.
Üblicherweise hören wir auf, uns all das vorzustellen. Lediglich in den
allerschönsten Momenten – wenn wir uns verlieben, einen persönlichen
Durchbruch erleben oder ein weit entferntes Land bereisen – erhaschen
wir einen klitzekleinen Blick darauf wie all unsere Leben sein könnten.
Was hindert dich, dein Potential voll auszuschöpfen? Wie viel Einfluss
hast du auf deine Umgebung oder darauf wie du deine Zeit verbringst? Die
Bürokratien, die dich danach bewerten, wie du Vorschriften erfüllst;
die Wirtschaft, die dir Macht gibt, je nach dem wie viel Profit du
bringst; die Bundeswehr, die dir durch „Wir. Dienen. Deutschland“
Selbstverwirklichung verspricht – ermöglichen diese Dinge dir, das Beste
aus deinem Leben nach deinen Vorstellungen zu machen?
Das offene Geheimnis ist, das wir alle komplett selbstbestimmt sind:
nicht weil uns Selbstbestimmung gegeben wird, sondern weil nicht einmal
das totalitärste Regime sie uns nehmen könnte. Sobald wir aber für uns
selbst handeln, geraten wir in Konflikt mit den Institutionen, die
vermeintlich bestehen, um unsere Freiheit zu sichern.
Anfangen mit
sich vor sich selbst zu verantworten
Managerinnen und Steuereintreiber lieben es über persönliche
Verantwortung zu reden. Wenn wir aber die gesamte Verantwortung für all
unsere Handlungen übernehmen würden, würden wir dann ihren Vorschriften
überhaupt gehorchen können?
Historisch gesehen wurde durch Gehorsam mehr Schaden angerichtet als
durch böse Absicht. Die Waffenarsenale aller Armeen dieser Welt sind die
physische Manifestation unseres Willens uns Anderen zu unterwerfen.
Wenn du sicherstellen willst, niemals einen Teil zu Krieg, Genozid oder
Unterdrückung beizutragen, ist der erste Schritt aufzuhören, Befehlen zu
gehorchen.
Dasselbe gilt für deine Werte. Unzählige Autoritäten und Regelwerke
verlangen nach deiner uneingeschränkten Unterwerfung. Selbst wenn du die
Verantwortung für deine Entscheidungen an einen Gott oder ein Dogma
übertragen möchtest – wie entscheidest du welcher oder welches es sein
wird? Ob’s dir gefällt oder nicht, du bist es, der_die sich
zwischen ihnen entscheiden muss. Üblicherweise fällen Leute diese
Entscheidung lediglich danach was ihnen am vertrautesten und bequemsten
ist.
Wir sind zwangsläufig für unsere Überzeugungen und Entscheidungen
verantwortlich. Wenn wir uns vor uns selbst verantworten und nicht vor
Kommandierenden und Kommandos, könnten wir immer noch untereinander in
Streit geraten – aber wenigstens würden wir dies auf unserer
selbst-gewählten Grundlage tun und nicht unnötigerweise Tragödien auf
Grundlage von Vorstellungen anderer anhäufen.
Anfangen mit
der Suche nach Macht, nicht Herrschaft
Die Arbeiterinnen haben Macht über ihre Produktionskraft; die Chefs,
sagen ihnen was sie tun sollen. Die Bewohner halten ein Haus in Schuss,
im Grundbuch steht jedoch der Name der Besitzerin. Ein Fluss hat
Energie; aber die Baugenehmigung für einen Damm reguliert die Verfügung
darüber.
Macht an sich ist nicht unterdrückend. Viele Formen von Macht können
befreiend sein: die Kraft für diejenigen zu sorgen, die du liebst; dich
selbst zu verteidigen und Konflikte zu lösen; dir Wissen und Fähigkeiten
anzueignen und all dies auch zu teilen. Es gibt Möglichkeiten die
eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, die gleichzeitig mehr Freiheiten für
Andere schaffen. Jede Person, die versucht ihr volles Potential
auszuschöpfen, macht allen Anderen ein Geschenk.
Andererseits reißt Autorität über Andere deren Macht an sich. Was du von
ihnen nehmen kannst, nehmen wiederum Andere von dir. Autoritäre Systeme
folgen strengen Hierarchien.
Die Soldatin gehorcht dem General, der wiederum der Präsidentin, die ihren Herrschaftsanspruch aus der Verfassung ableitet –
Der Priester gehorcht dem Bischof, der Bischof dem Papst, der Papst der Bibel, die ihre Autorität von Gott ableitet –
Der Angestellte gehorcht der Besitzerin, diese dient den Kund_innen, deren Autorität vom Euro abgeleitet wird -
Der Polizist gehorcht seinen Vorgesetzten, die, genau wie die Richterin, ihren Herrschaftsanspruch vom Gesetz ableiten -
Männlichkeit, Weiß-Sein, Eigentum: an der Spitze all dieser Pyramiden
finden wir keine Tyrannen, nur soziale Konstrukte: Geister, die die
Menschheit hypnotisieren.
In Hierarchien erhalten wir Macht immer nur im Austausch gegen Gehorsam.
Macht und Herrschaft sind so stark verflochten, dass wir sie kaum
auseinanderhalten können. Doch ohne Freiheit ist Macht wertlos.
Anfangen mit
Beziehungen, die auf Vertrauen basieren
Vertrauen konzentriert die Macht bei jenen, die es entgegenbringen
und nicht bei jenen die es erhalten. Eine Person, die sich Vertrauen
verdient hat, braucht keine Absicherung durch Herrschaft. Wenn jemand
nicht vertrauenswürdig ist, warum sollte die Person dann Autorität
besitzen? Und dennoch: Wem vertrauen wir weniger als Politiker_innen,
der Polizei oder Manager_innen?
Ohne Autoritäten haben Menschen einen Anreiz Lösungen für Konflikte zu
finden – um gegenseitiges Vertrauen zu erlangen. Hierarchien blockieren
diesen Anreiz und ermöglichen es den Autoritäten, Konflikte zu
unterdrücken.
Freundschaft ist im besten Falle eine Verbindung zwischen
gleichberechtigten Menschen, die sich gegenseitig unterstützen und
herausfordern, während sie die Autonomie des/der anderen respektieren.
Das ist ein wirklich guter Standard um daran alle unsere
Beziehungen zu bemessen. Ohne die Zwänge die uns aktuell auferlegt
werden – Staatsangehörigkeit und Illegalität, Eigentum und Schulden,
wirtschaftliche und militärische Befehlsstrukturen – könnten wir unsere
Beziehungen auf der Basis freier Vereinbarungen und gegenseitiger Hilfe
neu aufbauen.
Anfangen mit
der Versöhnung von Individualität und dem großen Ganzen
„Deine Freiheit endet dort, wo die Freiheit der anderen beginnt.“
Nach dieser Logik müsste es, je mehr Menschen es gibt, umso weniger
Freiheit geben.
Freiheit ist jedoch keine kleine Blase von persönlichen Rechten. So
einfach kann mensch uns nicht unterscheiden. Gähnen und Lachen sind,
genau wie Euphorie und Verzweiflung ansteckend. Ich bin eine Komposition
aus den Klischees in meinem Kopf, den Ohrwürmern die ich habe und den
Launen die ich von meinen Mitmenschen aufnehme. Wenn ich mit dem Auto
fahre, verschmutze ich die Atmosphäre, die du atmest; wenn du
Pharmazeutika nutzt sickern sie ins Grundwasser, das von allen getrunken
wird. Das System das von allen anderen akzeptiert wird, ist das unter
dem du leben musst – wenn es von anderen Leuten hingegen in Frage
gestellt wird, bekommst auch du die Chance deine Realität neu
auszuhandeln. Deine Freiheit beginnt wo meine beginnt und endet dort wo
meine endet.
Wir sind keine vereinzelten Individuen. Unsere Körper stehen in einer
Symbiose mit tausenden Spezies: statt geschlossenen Festungen sind sie
andauernde Prozesse durch die ständig Mineralien und Mikroben passieren.
Wir leben in einer Symbiose mit weiteren tausenden Spezies, zum
Beispiel inhalieren Kornfelder das, was wir ausatmen. Ein
umherschweifendes Wolfsrudel oder ein Abend voller Grillenzirpen ist
genau so individuell und einheitlich wie jeder einzelne unserer Körper.
Wir handeln nicht in einem Vakuum, angetrieben von irgendeinem Grund:
die Gezeiten des Kosmos strömen durch uns.
Sprache dient nur der Kommunikation, weil wir sie gemeinsam teilen. Das gleiche gilt für Ideen und Wünsche: wir können sie kommunizieren,
weil sie größer sind als wir. Jede_r von uns besteht aus einem Chaos
gegensätzlicher Kräfte, die allesamt über uns hinaus durch Zeit und Raum
gehen. Indem wir uns entscheiden welche dieser Kräfte wir pflegen
wollen, legen wir fest was wir in Allen die uns begegnen fördern.
Freiheit ist kein Besitz oder Eigentum – Freiheit ist eine Beziehung. Es
geht nicht darum von der Außenwelt beschützt zu werden, sondern darum
auf eine Art und Weise zu interagieren durch die Möglichkeiten maximiert
werden. Das bedeutet nicht, dass wir Konsens um seiner selbst Willen
suchen sollten. Konflikt und Konsens können uns beide weiterbringen,
solange keine zentralisierte Gewalt in der Lage ist, eine Einigung zu
erzwingen oder Konflikt in einen Wettbewerb umzuwandeln, bei dem der
Gewinner alles bekommt. Lasst uns lieber das Beste aus unseren
gegenseitigen Verbindungen herausholen, statt die Welt in viele kleine
Machtbereiche aufzuteilen.
Anfangen mit
der Befreiung der Wünsche
Für uns, in dieser Gesellschaft Aufgewachsene, sind nicht einmal
unsere Leidenschaften unsere eigenen: sie sind geprägt von Werbung und
anderen Formen der Propaganda, die uns immer weiter im Hamsterrad des
Marktes laufen lassen. Dadurch sind Einige sogar einigermaßen zufrieden
damit, Dinge zu tun, die sie auf lange Sicht ruinieren werden. So sind
wir gefangen in unserem Leid und unsere Freuden sind das Siegel.
Um wirklich frei zu sein, müssen wir auf den Prozess, der unsere Wünsche
produziert, Einfluss nehmen. Befreiung bedeutet nicht nur, unsere
heutigen Wünsche zu befriedigen, sondern auch, unseren Sinn für das
Mögliche zu erweitern, damit sich unsere Wünsche gemeinsam mit den
Realitäten, die sie uns erschaffen lassen, weiterentwickeln. Das
bedeutet, den Gefallen, den wir an Befehlen, Herrschaft oder Besitz
empfinden abzulegen und Freuden aufzuspüren, die uns aus der Maschinerie
von Gehorsam und Wettbewerb herausreißen. Wenn du jemals eine
Abhängigkeit überwunden hast, war das eine Kostprobe dessen, was es
bedeutet, deine Wünsche zu wandeln.
Anfangen mit
Revolte
Fanatiker geben üblicherweise einer spezifischen Gruppe die Schuld
für ein systemisches Problem – Antisemit_innen sehen
„Raubtierkapitalisten“, Rechtspopulisten beschuldigen Hartz
IV-Empfänger_innen und Refugees. Allgemein wird oft individuellen
Politiker_innen die Schuld für die korrupte Politik gegeben. Das Problem
jedoch sind die Systeme an sich. Ganz egal wer die Zügel in der Hand
hält, die Institutionen bringen immer die gleichen Demütigungen und
Ungleichheiten hervor. Nicht etwa weil sie fehlerhaft sind, sondern weil
sie genau dazu da sind.
Unsere Feinde sind nicht Menschen, es sind Institutionen und Gewohnheiten die uns voneinander und von uns selbst entfremden. In uns selbst sind mehr Konflikte als zwischen uns.
Die selben Brüche, die unsere Zivilisation durchziehen, durchziehen
auch unsere Freundschaften und unsere Herzen. Es handelt sich nicht um
einen Kampf zwischen Menschen, sondern um einen Kampf verschiedener
Beziehungsformen und Lebensweisen. Wenn wir unsere Rollen innerhalb der
herrschenden Ordnung verweigern, öffnen wir diese Brüche und laden
Andere ebenfalls dazu ein, Stellung zu beziehen.
Wir wollen Herrschaft insgesamt abschaffen – nicht ihre Details
vernünftiger verwalten, nicht austauschen wer befiehlt und wer gehorcht,
nicht das System durch Reformen stabilisieren. Statt nach legitimeren
Gesetzen oder Gesetzgebenden zu verlangen, lasst uns lieber unsere
eigenen Stärken erkennen und lernen sie gemeinsam zu nutzen. Es geht
nicht um einen Krieg, einen binären Konflikt zwischen zwei
militarisierten Feinden, sondern um sich verbreitenden Ungehorsam.
Es ist nicht genug, einfach nur zu propagieren und zu diskutieren und
darauf zu warten, dass die Herzen und der Verstand der Anderen sich
ändern werden. Solange Ideen nicht aktiv ausgedrückt werden und dadurch
Menschen mit konkreten Wahlmöglichkeiten konfrontieren, bleiben die
Gespräche abstrakt. Die Meisten bleiben theoretischen Diskussionen fern,
aber wenn etwas passiert, wenn es mit hohem Einsatz um
bedeutende Unterschiede geht, werden sie Stellung beziehen. Wir brauchen
keine Einstimmigkeit, kein komplettes Verständnis der ganzen Welt und
auch keine Karte, die uns zu einem bestimmten Ziel führt – wir brauchen
lediglich den Mut einen anderen Weg einzuschlagen.
Das Problem ist
Kontrolle
Was sind die Anzeichen dafür in einer von Missbrauch geprägten
Beziehung zu sein? Der Täter versucht vielleicht dein Verhalten zu
kontrollieren oder dir deine Gedanken zu diktieren; deinen Zugang zu
Ressourcen zu blockieren oder zu regulieren; dir Gewalt anzudrohen; oder
dich in Abhängigkeit unter ständiger Überwachung zu halten.
So kann das Verhalten individueller Täter beschrieben werden, so kann
aber auch das Verhalten vom Verfassungsschutz, dem Finanzamt oder der
meisten anderen Institutionen, die unsere Gesellschaft regieren,
beschrieben werden. All diese Institutionen basieren auf der Idee das
menschliche Wesen kontrolliert, geführt und verwaltet werden müssen.
Je größer die Ungleichheiten, desto mehr Kontrolle ist nötig um sie
aufrecht zu erhalten. Auf der einen Seite des Macht-Kontinuums wird
Kontrolle brutal auf individueller Basis ausgeübt: Durch
Drohnenangriffe, SEK-Einheiten, Isolationshaft, rassistische Kontrollen
und Hausdurchsuchungen. Auf der anderen Seite ist sie allgegenwärtig und
unsichtbar in die Infrastruktur unserer Gesellschaft eingebaut: die
Berechnung von Schufa-Auskünften, die Art und Weise wie Statistiken
erhoben werden und in Stadtplanung verwandelt werden, der Aufbau von
Online-Dating-Seiten und social media Plattformen. Nicht nur der NSA
sieht was wir online machen, aber er übt nicht so viel Kontrolle über
unsere Realität aus wie die Algorithmen, die bestimmen welche Inhalte
uns angezeigt werden, wenn wir uns einloggen.
Wenn die unendlichen Möglichkeiten des Lebens endgültig auf ein Feld von
Optionen, ausgedrückt durch Einsen und Nullen, reduziert wurden, wird
es keine Reibung mehr zwischen dem System in dem wir leben und dem
Leben, das wir uns vorstellen geben – nicht weil wir die absolute
Freiheit erreicht haben, sondern weil wir ihr Gegenteil perfektioniert
haben werden. Freiheit bedeutet nicht zwischen Optionen zu wählen,
sondern die Fragen zu formulieren.
Das Problem ist
Hierarchie
Es gibt viele verschiedene Mechanismen um Ungleichheiten zu
legitimieren und aufrechtzuerhalten. Manche davon brauchen einen
zentralisierten Apparat, wie zum Beispiel das Gerichtswesen. Andere
funktionieren subtiler, wie zum Beispiel Geschlechterrollen.
Einige dieser Mechanismen sind mittlerweile komplett in Verruf geraten.
Wer glaubt schon noch an Gottesgnadentum? Obwohl jahrhundertelang
überhaupt gar keine andere Gesellschaftsform vorstellbar war. Andere,
wie etwa das Eigentumsrecht bleiben so tief verwurzelt, dass wir uns ein
Leben ohne sie gar nicht vorstellen können. Und doch existieren sie
alle nur auf Grund unseres kollektiven Glaubens: sie sind real, aber
nicht unvermeidbar. Die Existenz von Slumlords und Führungskräften ist
nicht natürlicher, notwendiger oder nützlicher als die Existenz von
Kaiser_innen.
All diese Mechanismen haben sich gemeinsam entwickelt und sich
gegenseitig verstärkt. Die Geschichte des Rassismus ist zum Beispiel
kaum von der Geschichte des Kapitalismus zu entwirren: Weder das eine
noch das andere ist vorstellbar ohne Kolonisation, Sklaverei oder die
Trennung nach Hautfarben, die die Arbeiter_innen spaltete und immer noch
festlegt, wer in den Gefängnissen und Armenvierteln dieser Welt lebt.
Ebenso könnte individueller Rassismus ohne die Infrastruktur des Staates
und andere Hierarchien dieser Gesellschaft niemals zu strukturellem
Rassismus führen. Das in den USA ein Schwarzer Präsident den Vorsitz
über diese Strukturen inne haben kann, bestärkt sie nur: Es ist die
Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Mit anderen Worten: so lange es die Polizei gibt, wen glaubst du wird
sie schikanieren? So lange es Gefängnisse gibt, wer wird in ihnen
sitzen? So lange es Armut gibt, wer wird deiner Meinung nach arm sein?
Es ist naiv zu glauben, dass in einer Gesellschaft, die auf Hierarchien
basiert Gleichberechtigung geschaffen werden könnte. Du kannst zwar die
Karten neu mischen, das Spiel bleibt aber das gleiche.
Das Problem sind
Grenzen
Wenn eine fremde Armee in ein Land einmarschiert, die Wälder rodet,
die Flüsse vergiftet und den Heranwachsenden Treueschwüre abverlangt –
wer würde sich nicht bewaffnet zur Wehr setzen? Wenn jedoch die lokale
Regierung das gleiche macht, stellen Patriot_innen bereitwillig
Gehorsam, Steuern und ihre Kinder zur Verfügung.
Grenzen schützen uns nicht, sie spalten uns – sie erschaffen nutzlose
Spannungen mit den Ausgeschlossenen und verdunkeln die realen
Unterschiede unter den Eingeschlossenen. Selbst die demokratischsten
Regierungen basieren auf dieser Spaltung in Teilnehmende und
Außenseiterinnen, legitim und illegitim. Im antiken Athen, dem berühmten
Geburtsort der Demokratie, war nur eine kleine Zahl der Männer in den
politischen Prozess involviert, die Gründerväter der modernen Demokratie
waren Sklavenhalter. Die Staatsangehörigkeit erzeugt immer noch eine
Grenze zwischen Teilnehmenden und Ausgeschlossenen dieser Gesellschaft
und entzieht so hunderttausenden oder gar Millionen Menschen ohne
Papiere die Kontrolle über ihre Leben.
Es gibt die linke Idee die Grenzen der Inklusion so weit zu expandieren
bis die gesamte Welt in ein umfassendes demokratisches Projekt
integriert ist. Ungleichheit ist aber in den Strukturen vorprogrammiert.
Auf jeder Ebene dieser Gesellschaft unterteilen uns tausende kleine
Grenzen in mächtig und ohnmächtig: Sicherheitskontrollen,
Schufa-Auskünfte, Zugang zu Daten, Preisschilder. Wir brauchen Formen
der Zusammengehörigkeit, die nicht von Ausschluss bestimmt sind, die
nicht Macht und Legitimität zentralisieren, die Empathie nicht auf
kleine geschlossene Communities beschränken.
Das Problem ist
Repräsentation
Nur durch Handeln kannst du dich selbst ermächtigen; deine Interessen
kannst du nur kennen lernen, wenn du dich ihnen entsprechend verhältst.
Wenn alle Bemühungen Einfluss auf die Welt auszuüben durch die
Vermittlung durch Repräsentant_innen oder durch die Vorschriften der
Institutionen kanalisiert werden müssen, entfremden wir uns voneinander
und von unserem Potential. Jeder Aspekt unserer Handlungsfähigkeit, den
wir abgeben, taucht uns gegenüber wieder als etwas uns unbekanntes und
feindliches auf. Die uns immer wieder enttäuschenden Politiker_innen
zeigen uns lediglich wie viel Macht wir über unsere Leben aufgegeben
haben; Polizeigewalt ist die düstere Konsequenz aus unserem Verlangen
die persönliche Verantwortung für das Geschehen in unseren Vierteln
abzugeben.
Im digitalen Zeitalter, in dem wir alle permanent unsere Darstellung
nach Außen verwalten und managen müssen, ist unsere Selbstwahrnehmung zu
etwas kraft-raubendem Externen geworden. Wären wir nicht derart
isoliert voneinander, stünden wir nicht im kontinuierlichen Wettbewerb
darum, uns auf allen möglichen professionellen und sozialen Märkten zu
verkaufen – würden wir dann so viel Zeit und Energie in diese Profile
stecken? In die goldenen Waben, geformt nach unserem eigenem Bild?
Wir sind nicht reduzierbar. Weder Delegierte noch Abstraktionen können
für uns einstehen. Durch das Reduzieren menschlicher Wesen und
Erfahrungen auf demographische Schichten, auf bloße Daten, verlieren wir
den Blick für alles kostbare und einzigartige in dieser Welt. Wir
brauchen Präsenz, Unmittelbarkeit, direkten Kontakt miteinander und
Kontrolle über unser Leben – etwas, dass uns kein_e Repräsentant_in und
keine Repräsentation geben kann.
Das Problem sind
Anführer_innen
Herrschaft ist eine soziale Unordnung in der der Großteil der
Teilnehmenden darin versagt Initiative zu ergreifen und über ihre
eigenen Handlungen kritisch nachzudenken. Solange wir Handlungsfähigkeit
als Eigentum spezifischer Individuen und nicht als soziale Beziehung
betrachten, werden wir immer abhängig von Herrschenden sein – und von
ihrer Gnade. Wirklich vorbildliche Führungspersönlichkeiten sind genauso
gefährlich wie die offensichtlich korrupten: All ihre lobenswerten
Eigenschaften stärken lediglich ihren Status und die Unterwürfigkeit
Anderer, ganz abgesehen davon, dass sie so Herrschaft insgesamt
legitimieren.
Immer wenn die Polizei zu einer Aktion oder Demo kommt fragt sie zuerst
nach „dem Verantwortlichem“ – nicht etwa weil Herrschaft essentiell für
kollektive Aktionen ist, sondern weil sie eine Schwachstelle darstellt.
Als die Konquistadoren in der so genannten Neuen Welt ankamen stellten
sie die selbe Frage; und wo immer sie eine Antwort bekamen, ersparte
diese ihnen jahrhundertelange Probleme damit die lokale Bevölkerung zu
bändigen. So lange es einen Anführer gibt, kann dieser ernannt, ersetzt
oder als Geisel genommen werden. Im besten Fall ist die Abhängigkeit von
Herrschenden eine Achillesferse; im schlimmsten Fall reproduziert diese
Abhängigkeit die Interessen und Machtstrukturen der Herrschenden
innerhalb derjenigen, die ihnen eigentlich gegenüber stehen. Schöner
wäre es wenn alle einen Sinn für die eigene Handlungsfähigkeit und die
eigenen Vorstellungen hätten.
Das Problem sind
Regierungen
Regierungen versprechen uns Rechte, sie können uns aber nur
Freiheiten nehmen. Die Grundidee von „Rechten“ beinhaltet eine zentrale
Macht die diese Rechte zugesteht und garantiert. Wenn sie mächtig genug
sind uns etwas zu garantieren, sind sie auf jeden Fall auch mächtig
genug es uns wieder zu nehmen. Regierungen dazu zu ermächtigen ein
Problem zu lösen, gibt ihnen lediglich die Möglichkeit noch mehr
Probleme zu erschaffen. Außerdem generieren Regierungen Macht nicht aus
dem Nichts – es ist unsere Macht, die sie ausüben, die wir wesentlich effektiver ohne das Spektakel der Repräsentation einsetzen könnten.
Selbst die liberalste Demokratie teilt die gleichen Prinzipien mit den
despotischsten Diktaturen: Die Zentralisierung von Macht und Legitimität
in einer auf dem Gewaltmonopol basierenden Struktur. Ob die
Bürokrat_innen dieser Struktur einem König, einer Kanzlerin oder einer
Wählerschaft Rechenschaft schuldig sind ist irrelevant. Gesetze,
Bürokratien und die Polizei bestehen länger als die Demokratie; sie
funktionieren in einer Demokratie genau so wie in einer Diktatur. Der
einzige Unterschied besteht darin, dass wir sie, weil wir ihre
Befehlsgeber_innen wählen können, als unsere ansehen sollen – selbst wenn sie gegen uns genutzt werden.
Diktaturen sind grundsätzlich nicht stabil: sie können ganze
Generationen abschlachten, einsperren und manipulieren – die nächste
Generation wird den Kampf für Befreiung wieder neu erfinden. Wird aber
jedem Individuum eine Chance versprochen, den Willen der Mehrheit allen
Mitmenschen aufzudrücken, so können alle in ein System integriert
werden, dass sie im Endeffekt nur gegeneinander ausspielt. Je mehr die
Leute daran glauben Einfluss auf die Zwangsinstitutionen des Staates zu
haben, desto populärer werden diese. Vielleicht ist das auch eine
Erklärung dafür warum mit der globalen Verbreitung der Demokratie
unglaubliche Ungleichheiten bezüglich der Verteilung von Rohstoffen und
Macht einhergehen: keine andere Regierungsform könnte so eine prekäre
Situation stabilisieren.
Wenn Macht zentralisiert ist, müssen Menschen über Andere herrschen um
auf ihr eigenes Schicksal Einfluss ausüben zu können.
Unabhängigkeitskämpfe werden in Wettbewerbe um die politische Macht
kanalisiert: Ein Zeugnis davon sind die Bürgerkriege in postkolonialen
Ländern zwischen Bevölkerungsgruppen, die vorher friedlich nebeneinander
existierten. Die Herrschenden können ihre Macht nur durch andauernden
Krieg – sowohl gegen ihre eigene als auch gegen fremde Bevölkerungen –
aufrecht erhalten. Die Bundeswehr trainiert auf dem
Gefechts-Übungs-Zentrum (GÜZ) den Einsatz gegen revoltierende Massen,
dabei sind die Namen der dort aufgebauten Übungsdörfer austauschbar.
Wo immer es Hierarchien gibt, begünstigen diese diejenigen, die an ihrer
Spitze stehen und ermöglichen es ihnen Macht zu zentralisieren. Wenn
wir dieses System durch mehr Kontrolle und Ausgleiche ausbessern wollen,
bedeutet dies lediglich, dass wir uns Schutz von etwas erhoffen, vor
dem wir eigentlich geschützt werden sollten. Die einzige Möglichkeit
Druck auf die Herrschenden auszuüben, ohne in ihr Machtspiel hinein
gezogen zu werden, ist der Aufbau horizontaler, autonomer Netzwerke.
Wenn wir jedoch mächtig genug sind, dass die Herrschenden uns ernst
nehmen müssen, wären wir auch in der Lage unsere Probleme direkt ohne
sie zu lösen.
Es gibt keinen Weg zur Befreiung ohne Freiheit. Statt einem winzigen
Nadelöhr an dem sich alle Handlungsfähigkeit sammelt, brauchen wir eine
große Bandbreite von Austragungsorten an denen wir uns selbst
ermächtigen können. Statt einer einzigen Währung die uns Legitimität
verleiht, brauchen wir Platz für viele verschiedene Begründungen.
Anstelle der Zwänge, die jeder Regierung innewohnen, brauchen wir
Strukturen der Entscheidungsfindung die Autonomie fördern und in der
Lage sind sich gegen Möchtegern-Herrscher_innen zu verteidigen.
Das Problem sind
Gewinne
Geld ist der ideale Mechanismus um Ungleichheiten herzustellen und
festzuschreiben. Es ist abstrakt: Es wirkt so als könnte mensch durch
Geld alles repräsentieren. Es ist universell: Menschen, die ansonsten
nichts gemeinsam haben, akzeptieren es als Tatsache des Lebens. Es ist
unpersönlich: Anders als erbliche Privilegien lässt es sich sofort von
einer Person zur anderen übertragen. Es fließt: je einfacher sich eine
Position innerhalb einer Hierarchie wechseln lässt, desto stabiler ist
die Hierarchie an sich. Viele die gegen einen Diktator revoltieren
würden, akzeptieren bereitwillig die Autorität des Marktes.
Wenn alles einen Preis hat, verlieren selbst die einzigartigen Momente
unseres Lebens ihre Bedeutung und werden zu bloßen Wertmarken in einer
abstrakten Kalkulation der Macht. Alles was nicht finanziell messbar
ist, lassen wir am Wegrand zurück. Das Leben wird zum Gerangel um
finanzielle Vorteile: Alle gegen alle, verkaufen oder verkauft werden.
Gewinne machen bedeutet in Relation zu allen anderen mehr Kontrolle über
die Ressourcen der Gesellschaft zu erlangen. Wir können nicht alle auf
einmal profitieren; für jede Person die profitiert müssen proportional
gesehen andere Einfluss verlieren. Wenn Bosse Gewinne aus der Arbeit
ihrer Angestellten machen bedeutet es, dass der finanzielle Spalt
zwischen ihnen umso größer wird, je mehr die Angestellten arbeiten.
Ein Profit-geleitetes System produziert Armut in der selben
Geschwindigkeit in der es Reichtum konzentriert. Der Zwang zur
Konkurrenz sorgt schneller als jedes vorige System für neue
Innovationen, daneben produziert es jedoch auch ständig zunehmende
Ungleichheiten: Einst wurden Unberittene von Berittenen regiert, nun
fliegen Bundeswehrkampfjets zur Aufklärung bei Großprotesten über
G8-Gegner_innen. Und weil alle dem Gewinn hinterherjagen müssen, statt
etwas um seiner selbst willen zu machen, können die Resultate dieser
Arbeit katastrophal sein. Der Klimawandel ist nur die neueste in einer
Serie von Katastrophen, bei der selbst die mächtigsten Kapitalist_innen
machtlos sind. Tatsächlich belohnt der Kapitalismus Unternehmen nicht
dafür Krisen zu bewältigen, sondern dafür aus ihnen Gewinn zu schlagen.
Das Problem ist
Eigentum
Die Grundlage des Kapitalismus sind Eigentumsrechte – ein weiteres
soziales Konstrukt, dass wir von Monarchien und Aristokratien geerbt
haben. Eigentum wechselt heutzutage schneller den Besitzer, das Konzept
jedoch bleibt das selbe: Die Idee von Inhaberschaft legitimiert den
Einsatz von Gewalt um von Menschen erschaffene Ungleichheiten in Bezug
auf Zugang zu Land und Ressourcen zu erzwingen.
Einige Leute glauben, dass Eigentum auch ohne den Staat existieren
würde. Allerdings sind Eigentumsrechte ohne eine zentralisierte
Autorität, die diese durchsetzen kann, bedeutungslos – und andersherum
ist nichts wirklich deines solange eine zentralisierte Autorität
besteht. Das Geld, das du verdienst, ist geprägt vom Staat; es ist
Steuern und Inflation unterworfen. Ob du dein Auto fahren darfst hängt
von der Zulassung des TÜV ab. Dein Haus gehört nicht dir, sondern der
Bank, die dir den Kredit gegeben hat; selbst wenn du es abbezahlt hast,
übertrumpft Enteignung immer noch jegliche Eigentumsurkunde.
Was würde es bedeuten die Dinge, die uns wichtig sind, zu beschützen?
Regierungen existieren nur auf Grundlage dessen, was sie uns genommen
haben; sie werden immer mehr nehmen als geben. Der Markt belohnt uns nur
dafür unsere Mitmenschen auszunehmen, und andere dafür uns auszunehmen.
Die einzige wirkliche Absicherung liegt in unseren sozialen Bindungen:
Wenn wir uns sicher fühlen wollen, brauchen wir Netzwerke gegenseitiger
Hilfe, die in der Lage sind sich selbst zu verteidigen.
Wenn unsere Beziehungen zu Dingen nicht durch Eigentumsrechte und Geld
festgelegt werden, wären sie bestimmt durch die Beziehungen, die wir
zueinander haben. Heutzutage ist es andersherum: unsere Beziehungen
zueinander werden bestimmt durch unsere Beziehungen zu materiellen
Dingen. Eigentumsrechte abzuschaffen würde nicht bedeuten, dass du
deinen Besitz verlierst; es würde bedeuten, dass weder die Polizei noch
ein Börsencrash dir die Sachen, die du brauchst, wegnehmen kann. Anstatt
einer Bürokratie zu gehorchen, würden wir bei den menschlichen
Bedürfnissen anfangen; anstatt einen Vorteil aus den Anderen zu ziehen,
würden wir Vorteile aus unseren gegenseitigen Wechselbeziehungen ziehen.
Die schlimmste Angst der Gewinner_innen dieser Gesellschaft ist eine
Gesellschaft ohne Eigentum – denn in einer solchen Gesellschaft bekämen
sie nur den Respekt, den sie sich auch verdienen. Ohne Geld bekommen die
Menschen Anerkennung für das, was sie für Andere tun und nicht dafür,
das sie andere Menschen zwingen können etwas zu tun. Ohne Profite muss
jede Leistung schon an sich die Belohnung dafür sein – und so gäbe es
keinen Ansporn mehr für bedeutungslose oder destruktive Aktivitäten. Die
Dinge die im Leben wirklich zählen – Leidenschaft, Freundschaft,
Verständnis, … – gibt es im Überfluss. Es bedarf Hundertschaften von
Polizistinnen und Sachverständigen um die künstliche Knappheit zu
schaffen, die uns in diesem Hamsterrad gefangen hält.
Das letzte Verbrechen
Jede gesellschaftliche Ordnung basiert auf einem Verbrechen – das
Verbrechen, dass die vorige Ordnung abgeschafft hat. Danach wird die
neue Ordnung als legitim wahrgenommen, sobald die Leute anfangen sie als
gegeben hinzunehmen. Das Gründungsverbrechen der USA war zum Beispiel
die Rebellion gegen die britische Monarchie. Das Gründungsverbrechen der
kommenden Gesellschaft – falls wir diese hier überleben sollten – wird
die heutigen Gesetze und Institutionen abschaffen.
Die Kategorie Verbrechen bezeichnet alles, was die Grenzen einer
Gesellschaft übertritt – im guten wie im schlechten. Jedes System ist
von dem was es nicht einbeziehen oder kontrollieren kann bedroht. Jede
Ordnung beinhaltet schon die Samen ihrer eigenen Zerstörung.
Nichts bleibt ewig bestehen, das gilt auch für Imperien und Kulturen.
Was könnte diese Gesellschaft ablösen? Können wir uns eine Ordnung
vorstellen, die nicht auf der Einteilung des Lebens in legitim und
nicht-legitim, legal und illegal, Herrschende und Beherrschte basiert? Was könnte das letzte Verbrechen sein?
Durch die Feststellung dessen, was all die verschiedenen Institutionen und Mechanismen der Herrschaft gemeinsam haben, können wir erkennen, dass unsere individuellen Kämpfe auch Teil von etwas größerem sind, von etwas das uns verbinden könnte. Wenn wir uns auf Grundlage dieser Verbindung zusammen finden verändert sich alles: nicht nur unsere Kämpfe, auch unsere Handlungsfähigkeiten, unsere Begeisterungsfähigkeit – der Glaube daran, dass unsere Leben bedeutend sind. Alles was es braucht um uns zu finden ist anzufangen entsprechend einer anderen Logik zu handeln.
Anarchie findet überall dort statt, wo eine Ordnung
nicht durch Zwang auferlegt wurde. Sie bedeutet Freiheit: der Prozess
uns selbst und unsere Beziehungen zueinander immer wieder neu zu
erfinden.
Alle ansatzweise freien Prozesse oder Phänomene – ein Regenwald, ein
Freundeskreis, dein eigener Körper – sind anarchische Harmonien, die
durch permanente Veränderung fortbestehen. Kontrolle von oben nach unten
kann andererseits nur durch Restriktionen und Zwang aufrecht erhalten
werden: Disziplin durch Strafarbeiten in der Schule; industrielle
Landwirtschaft, in der Pestizide und Herbizide genetisch verändertes
Getreide verteidigen; die fragile Hegemonie einer Supermacht.
Anarchismus ist die Idee, dass alle zu kompletter
Selbstbestimmung berechtigt sind. Kein Gesetz, keine Regierung und kein
Entscheidungsverfahren sind wichtiger als die Bedürfnisse und Wünsche
von menschlichen Wesen. Die Menschen sollten ihre Beziehungen frei nach
gegenseitiger Zufriedenheit gestalten können, sie sollten wann immer sie
es für angebracht halten für sich selbst aufstehen können.
Anarchismus ist kein Dogma und keine Blaupause. Er ist kein System, das
vermutlich funktionieren würde, wenn es nur richtig angewandt würde –
wie die Demokratie – und kein Ziel, das in ferner Zukunft einmal
realisiert werden könnte – wie der Kommunismus. Er ist eine
Handlungsweise und eine Art unsere Beziehungen zu gestalten, die wir
sofort in die Praxis umsetzen können. In Bezug auf alle Wertsysteme und
Handlungsweisen können wir mit folgender Frage anfangen: Wie verteilen sie Macht?
Anarchist_innen sind gegen alle Hierarchien – gegen jede Währung, die Macht in den Händen einiger weniger konzentriert; gegen jeden Mechanismus der uns davon abhält unser Potential zu nutzen. In Ablehnung aller geschlossenen Systeme befinden wir uns in gespannter Erwartung des kommenden Unbekannten; das Chaos in uns selbst, aufgrund dessen wir in der Lage sind, frei zu sein.
Weil diese Ideen so gewöhnlich sind, können sie nur für ungewöhnliche Menschen nützlich sein. Anscheinend bist du eine_r davon. Wenn du das hier liest, bist du Teil des Widerstandes.
Um alles zu verändern, fang irgendwo an.
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Gesellschaft ist...
...leider nicht selbstbestimmt. Das wäre meine These. Denn was ist wenn du keine Kohle hast? Schon mal soweit gedacht?! Komische Art nur an die Selbstverantwortung von Einzelnen zu appelieren. Neoliberal und nicht durchdacht. Bitte noch mal überdenken den Text.
wieso nicht einfach...
Das Problem ist Eigentum
Eine gute Idee wäre: den ganzen Text zu lesen. ;)
Tja
Schön und gut, aber nicht jeder und jede haben den Mut zu klauen. Ich würde mich über bessere Vorschläge freuen.
Gesellschaft ist leider nicht selbstbestimmt??
ich kann gesellschaft niemals losgelöst von den einzelnen menschen betrachten, anders ausgedrückt kann ich einen menschen niemals losgelöst von seinen_ihren gesellschaftlichen beziehungen bzw bezügen betrachten -- oder ohne ihre beziehungen zu anderen menschen, das wäre sogar fatal und fördert letztendlich nur weiter die isolation des einzelnen zu anderen--die bestehende auffassung von `dem menschen´.gesellschaft ist uns nicht von außen auferlegt, sie ist ein ständiger prozess den menschen jede minute aktiv gestalten!!inwiefern der einzelne sich unter bestehenden fremdbestimmten gegebenheiten dann unterordnet ist ein andere frage. aber auch in dieser position sollte denjenigen nicht ihre_seine selbstbestimmtheit aberkannt werden, weil es letzlich hieße das der mensch vollkommen manipulierbar wäre und durch autoritäre gehirnwäsche seine_ihre selbstbestimmtheit vollständig ablegen kann.der mensch kann sich in jeder situation entscheiden, auch wenn es nur die kleinste entscheidung in einer vollkommen fremdbestimmten sitiuation ist und diese entscheidung auch nichts an ihrer_seiner situation offensichtlich ändert. jeder mensch hat einfluss auf menschen und dinge und verhältnisse die sie_ihn umgeben, vollständige "ohnmacht" gibt es nur im nicht existenziellen. das zu erkennen führt zu der erkenntnis das wir gesellschaft machen, jeden tag und wir dafür verantwortlich sind was um uns herum passiert. ANARCHY TOTAL!
Stimme nicht zu
Sorry, das ist eine total privilegierte Sichtweise, die ich mit Sicherheit nicht teile. Zugang zum "Markt der Möglichkeiten" haben leider nicht alle Menschen dieser Welt.
hm
Wurde doch in dem Kommentar oben auch nicht behauptet, wenn ich 2-3 mal drüber lese.
Glaube kaum das es ausschließlich um den Appell geht.
Frage wirklich aus Interesse: Warum kann ein weniger privilegierter Mensch nicht diese Sichtweise teilen oder entwickeln?
Sollten
wir nicht einfach noch mal Marx lesen? Erster Band des Kapital nichts gegen Engels)
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..um was genau in Bezug auf den Text festzustellen?
Welche Widersprüche machst du aus und wo liegen die Gemeinsamkeiten?