Auf welche Medien bezieht man sich am besten?
Der Umgang mit den Medien bei der Rezeption der Geschehnisse in der Ukraine ist ein eigenes Thema. Es ist sehr bezeichnend, dass in bestimmten Kontexten der »linken« Rezeption in der BRD kaum Bezug auf ukrainische Medien genommen wird. Für manche sieht es so aus, als ob es nur eine westliche und eine (pro)russische Perspektiven gälten. Als ob es unwichtig wäre, was die Marionetten plappern, und man nur auf Puppet Masters achten müsste.
Die Unsichtbarkeit der Ukraine ist zwar zu einem gewissen Grad durch überlieferte kognitive Karten bedingt, die allgemeingültig und nicht spezifisch »links« sind. Doch die negative Last der linken Tradition kommt in der obigen Einstellung noch deutlicher zum Vorschein. Im Ergebnis ist man nicht mehr so sicher, wo mehr Imperialismus und Menschenverachtung drinsteckt, bei den »bürgerlichen Medien«, oder bei ihren »antiimperialistischen« Kritiker*innen.
Es ist eine gute Frage, ob man für eine emanzipatorische Praxis überhaupt irgendwelche Traditionen braucht. Die Belastung durch die Tradition soll aber zumindest beachtet werden, deswegen wird im Folgenden neben den Videoaufnahmen primär auf die russischen Medien bezogen. Dass hier ab und zu auf ukrainische Medien bezogen wird, wird hoffentlich von niemandem übel genommen.
The Great Reconstructor und seine Freunde
Ungefähr drei hundert Kilometer nordöstlich von Zmijovskaja Balka entfernt, dem Ort wo am 11. und 12. August 1942 über 26 tausend Juden und Judinnen ermordert wurden, befindet sich eine russische Kleinstadt Stanica Jelanskaja. Dort steht Russlands grösste Denkmal für Pjotr Krasnow und andere russische Nazi-Kollaborateure. Ungefähr drei hundert Kilometer nordwestlich von Zmijovskaja Balka entfernt befindet sich eine ukrainische Kleinstadt Slowjans'k. Dort eroberte Igor Strelkow, ein großer Verehrer von Krasnow und seiner Kameraden, zwischen Mitte April und Anfang Juli einen Weltruhm. Am 5 Juli verliess er die Stadt, verbrachte noch weitere sechs Wochen in Donetsk und kehrte Mitte August nach Moskau zurück.
»Er ist gegangen. Er hat etwas Großes geleistet«, - so Ende August Alexandr Borodaj, Strelkows Kampfgenosse und der ehemalige Ministerpräsident der Donekscher Volksrepublik, der zusammen mit Strelkow den Donbass verließ.1
Vor zwei Wochen veröffentlichte die stalinistische Zeitschrift Zavtra ein Interview mit Strelkow, in dem er nur das bestätigt, was schon früher bekannt war: »Dieser Krieg ist von mir getriggert. Wenn unsere Abteilung die Grenze nicht überquerte, würde alles so enden, wie in Odessa und Charkiw. Es hätte nur ein paar dutzende Ermordete, Brandverletzte, Verhaftete gegeben. Und das wäre alles. Der Krieg, der bis heute dauert, wurde praktisch von unserer Abteilung in Gang gebracht.«2
Dieses Interview ist auch in anderen Hinsichten sehr interessant. So gibt Strelkow zu, dass die Aufständischen gegen Ende August praktisch erledigt waren und nur durch die Offensive der russischen regulären Truppen gerettet werden konnten. An einer Stelle ist auch von einem »Befehl« die Rede, dem Strelkow nicht befolgt ist (Slowjans'k nicht zu verlassen) und aus dem Kontext ist es absolut klar, dass dieser Befehl nicht aus dem Umfeld der DNR-LNR sondern von einer »höheren« Ebene kam.
Strelkow erklärt auch seine Motivationen: »Als es auf der Krim passierte, wurde es klar, dass es nur der Anfang war. Die Krim als Bestandteil von Neurussland ist eine kolossale Erwerbung, ein Diamant in der Krone des Russischen Reiches. Doch die Krim, die durch Landengen eines feindlichen Staates abgeschnitten ist, das ist nicht das, womit man zufrieden sein konnte.«
Es wäre falsch zu behaupten, dass es alles ausschließlich orthodoxe Monarchisten waren, die den Krieg angefangen haben. Es gab auch andere Menschen dabei. Das folgende Video wurde am 20. April nach der Besatzung des Fernsehanstalts vom Slowjans'k veröffentlicht. Die neuen Schöpfer kündigen hiermit die Gründung eines revolutionäres Fernsehkanals an: »Hier in Slowjans'k versetzen wir den stärksten konzeptuellen Schlag der biblischen Matrix und den sionistischen Zombimedien. [...] So ist es Jungs, hier in Slowjans'k fängt die Geschichte an, wir sprengen hier die Säule der totalitären Pyramide.«3 Ein ukrainischer Sender wurde gleich abgeschaltet und durch die Vorlesungen des Verschwörungstheoretikers, Neopaganisten und ehemaligen russischen Generals Konstantin Petrow ersetzt.
Auch die Kosaken waren von Anfang an dabei. Eine der medial beliebtesten Figuren unter den Aufständischen war damals der Kosake Babai (Alexandr Mozhajew aus der Russischen Föderation4). Und das ist wirklich eine urwüchsige Gestalt! Schauen Sie selber dieses Video an: »Doch die Amerikaner mischen sich hier ein. [...] Da haben wir hier einen gefangen genommen, einen Schwarzen (im Original durchgängig ein anderes Wort – K.T.). Obama, wir haben deinen Gleichhäutigen hier genommen, so einen wie du! Wir werden dir wohl einen Gruß mit ihm zurückschicken müssen, wir machen dem ein kleines Loch im Stirn [...] und zeigen dir so, was dich erwartet. Schaff deine Truppen weg! Wenn wir mit Gottes Hilfe nach Kyiv schaffen und du bis dahin deine Truppen nicht zurückschickst, dann werden wir eine Kosaken-Armee zusammenruffen und zu dir nach Amerika kommen, verstanden? Da werden wir eure ganze jüdische Freimauerloge zerschmettern!«5
Was mit dem Gefangenen passiert ist, ist nicht bekannt. Jedenfalls war das nicht das erste mal, dass Alexandr Mozhajew Probleme mit den »anders« aussehenden Menschen hatte. Den eigenen Angaben zufolge wurde nach ihm in Russland wegen des Mordes an einem Koreaner gefahndet.6 Das obige Video ist auch deswegen interessant, weil Mozhajew dort mit einer AK-100 zu sehen ist, einer Maschinenpistole, die es eigentlich nur im Waffenbestand der russischen Armee geben sollte und die nach Ausland nicht verkauft wird.
Und jetzt das Interessanteste. Wussten Sie was der Kosake Babai dem eigenen Verständnis nach in der Ukraine macht? Er befreit Neurussland vom Faschismus.7 Soll man sich noch wundern, dass neulich eine »antifaschistische Konferenz« im Donbass unter Pjotr Krasnows Flagge stattfand?8
Unabhängig davon, ob sie es verstehen oder nicht, tragen sie trotzdem zu einem Überschuß bei: Die Sinnbezüge im Rahmen des Dreiecks Zmijovskaja Balka — Stanica Jelanskaja — Slowjans'k sind in der Tat etwas mehr als zynisch.
Das Portrait eines neuen Staatsoberhauptes
Wie kämpfte Strelkow? Ein Einblick gewährt das Interview mit seinem Nachfolgern Alexandr Zachartschenko für eine russische patriotische Zeitschrift.9 Zachartschenko bestätigt nur das, was aus den Mitschnitten von Telefongesprächen von Separatisten bekannt war, die durch den ukrainischen Sicherheitsdienst veröffentlicht wurden.10 Laut Zachartschenko wollte Strelkow nach seiner Ankunft in Donezk einige Hochhäuser am Rand der Stadt sprengen, weil es sich »in den Trümmern besser verteidigen lässt«. Zum Glück ist es nicht passiert. Wenn es geschehen wäre, hätten wir garantiert von den neuesten Greueltaten der Ukrofaschisten auch bei einigen »linken« Medien in der BRD gleich nachlesen können, nicht wahr?
Zum Thema Schießen und Sprengen kommen wir gleich zurück, aber es lohnt sich noch ein bisschen beim Interview mit Zachartschenko zu verweilen. Ziemlich typisch ist seine Einstellung zur UdSSR: »Obwohl es in der Sowjetunion viele unrichtige Momente gab, sie war ein mächtiges Imperium. Wir haben uns sicher uns stolz gefühlt, wir konnten jedem kühn in die Augen schauen. [...] Eine Militärparade empfindet man anders, wenn man weiß, dass unser Staatsoberhaupt in der UN ruhig mit dem Schuh auf das Rednerpult klopfen konnte und dabei versprach: ‘Ich werde euch die Hölle heiß machen!’«
Symptomatisch ist auch das Foto, mit dem dieses Interview illustriert wurde. Neben Zachartschenko ist darauf ein Mann in einem T-Short mit der Sowjetsymbolik zu sehen. Zachartschenko selber hat aber einen Georgen-Kreuz auf der Brust, eine Auszeichnung aus den Zeiten des Zarentums, die während der ganzen sowjetischen Periode nur bei den russischen Nazi-Kollaborateuren in den 1940ern verliehen und getragen wurde. Macht aber nichts: Egal in welcher Form, die Hauptsache ist »ein mächtiges Imperium«. Auf die Ikonenwand der stolzen Verehrern passen die Bilder von Zaren, Oberbefehlshabern und Heiligen genau so gut wie die der Revolutionäre, Atheisten und Generalsekrätere —, die Voraussetzung ist nur, dass ihre Gestalten die Mächtigkeit des Staates ausstrahlen und dem national-stolzen Anblick innigste Freuden bereiten.
Es ist ein schrecklicher Krieg, gibt des weiteren der neue Oberhaupt der DNR zu: »Dieser Krieg ist schlimmer als der Bürgerkrieg von 1917-1918. Soll ich sagen warum? Weil das ist ein Krieg gegen die eigenen Leute. [...] Viele von unseren Nachbarn kämpfen auf der anderen Seite. Sie teilen unsere Überzeugungen nicht. Die Mehrheit von Soldaten auf der anderen Seite stammen aus dem Donbass und notfalls lassen sie auch das Feuer auf sich leiten, wie wir es auf der Saur-Mohyla taten.« Obwohl die behauptete »Mehrheit« eine Übertreibung ist, ist es schon gut, dass Zachartschenko der Realität zumindest viel näher als so viele »antifaschistische« Propagandist*innen ist. Nur fragt er sich leider nicht, warum so viele »der eigenen Leute« insoweit seine Überzeugungen nicht teilen, dass sie sich gegen die DNR zu kämpfen genötigt sehen und wie man das gegenseitige Morden stoppen könnte. Eine Alternative bietet er jedenfalls nicht und man muss denken, dass diese bedauernswerte Umstände seiner Meinung nach einfach hingenommen werden müssen.
Was die Minsker Abkommen anbelangt, so behauptet Zachartschenko das Folgende: »Ab dem Zeitpunkt der von mir unterschriebenen Abkommen haben wir zwischen dem fünften September und dem zweiten Oktober 38 Ortschaften zurückerobert.« »Sie haben also den Waffenstillstand gebrochen?« — fragt gleich die Journalistin. »Nein! Auf keinen Fall! Wir haben immer nur zurückgeschossen. Nie haben wir als die ersten geschossen.«
Unter anderem schildert Zachartschenko auch den »Obersten Rat« der DNR: »Wenn ich da reinkomme, verstehe ich, dass man dort niemandem vertrauen kann. [...] Das Schrecklichste ist, dass Krieg für einige nur ein Mittel zu Geldanschaffung ist, zur Neuaufteilung der Einflussbereiche.« Auch Igor Strelkow gab zu, dass als er nach Donetsk kam, waren die Anführer der Aufständischen untereinander zertsritten und kamen sogar miteinander ins Gefechte.11
So kommen wir zu den Personen geringeren Kalibers.
Nach der Befreiung
Sehr empfehlenswert ist das folgende Video. Während einer Sitzung vom »Vollksgericht von Noworossija« in Altschews'k, erläutert der Oberhaupt der Brigade Prizrak Alexej Mosgowoj seine Ansichten und erklärt seinen Willen: »Über die normalen und die nicht normalen Mädchen. [...] Wenn ich morgen ein einziges Fräulein in der Kneipe treffe, wird es verhaftet. [Applaus] Passen sie auf eure Kinder selber auf! [...] Die Frau muss das Heim bewahren und Mutter sein. Doch was für Mütter werden sie nach der Kneipe? Was können sie erziehen? Zu welchem Vorbild werden sie? [...] Wenn man hier durch die eine oder die andere Stadt geht, sieht man alle Kneipen voller Frauenbevölkerung, alle Nachtlokale. Also ist unsere Frauenbevölkerung eine komplette Prostitution?« Während Mosgowoj diese rhetorische Frage stellt, wird er gleich vom anderen »Volksrichter« in Uniform unterbrochen: »Man muss sie alle vergewaltigen!« »Teilweise ist es wahr«, — antwortet darauf Mosgowoj und fährt weiter fort. »Wenn du deinem Mann gegenüber rechtsschaffen und treu bleiben willst, bleib zu Hause und stick was Schönes ein. Ich wiederhole also noch mal, alle Straßenstreifen bekommen ab sofort ein Sonderbefehl: Alle Mädchen verhaften, die sich in Kneipen aufhalten. [...] Es ist Zeit, dass ihr euch daran erinnert, dass ihr Russen seid! Es ist Zeit, dass ihr euch an eure Geistigkeit erinnert!«12
So unglaublich es auch klingen mag, ist es kein Literaturstück sondern ein Stück der Realität. Der ganzen Farbenprächtigkeit des Originals setzen nur die Deutschkenntnisse des Verfassers ihre Schranken. Hinzuzufügen ist nur, dass das gleiche »Volksgericht« bereits Todesurteile aussprach13 und dass die Abteilung von Mosgowoj dieselbe ist, in der spanische »Kommunisten« unter dem Kommando eines französischen Faschisten kämpfen (für was auch immer).14 Das Wort weit wird sowieso selten in einem rein geographischen Sinne verwendet, jedenfalls liegen die damit verbundenen Probleme nicht so weit: Die spanischen Stalinos verprügeln Ukrainer auch in Spanien,15 die deutschen Stalinos belästigen Menschen mit ihren anonymen Drohungen auch hierzulande.
Es gibt unterschiedliche Mädchen. So erklärt auf dem folgenden Video Pawel Reznikow, der Kommendant von Rowen'ky, dass laut den vertraulichen Quellen Kiewer Junta die ausgebildetetn Diversantinnen im Alter von 14-15 Jahre bereits heimlich zugeschickt hat. Kinder, die während der Ausgangszeiten draußen erwischt werden, werden verhaftet und ermittelt.16
Der aus der Russischen Föderation gekommene Kosakenhauptmann Nikolaj Kosizin hat auch besondere Ansichten über Frauen und agitiert seine Männer vor den Wahlen in den DNR-LNR auf folgende Weise: »Mein Befehl von 1994 ist nach wie vor in Kraft: Der Kosake, der drei Frauen unterhalten kann, darf sie haben. [...] Ihr werdet so viel haben, dass ihr es nicht einstecken können werdet: Geld, Ruhm, Auszeichnungen. Jetzt haben wir die erste Verhandlungsrunde in Moskau hinter uns. Die ganzen Finanzströme werden durch euch gehen. Ihr werdet nicht mehr wissen, wie man die ganzen Gelder noch rechnen kann.«17
Ausserdem behauptet Kosizin im Besitz einer Atombombe zu sein. Hoffentlich stimmt es nicht, doch allein die Aussage sagt schon vieles über die ansonsten sowieso schwer ausgerüstete Träger von »neurussischen« Visionen.
Dieses Interview ist wirklich interessant und sei ausserdem besonders denen empfohlen, die sich für das Los des Malaisischen Flugzeugs interessieren.
Eine Todestrafe kann man in den befreiten Teilen von Neurussland grundsätzlich leicht verdienen. Auf die Frage, wie es überhaupt möglich ist, Kanonen in der Nähe von Wohnäusern zu disponieren, erklärt auf dem folgenden Video ein weiterer Kosakenanführer in Perwomaisk, dass solche Fragen eigentlich einer Erschießung wert sind.18
Die kosakische Gerechtigkeit ist hart und scheut sich körperlicher Züchtigungen nicht. Auf dem folgenden Video wird es öffentlich gepeitscht.19 Das Video ist nicht schwer anzuschauen, da werden die eigenen Leute bestraft —, lustigerweise müssen sie sich noch beim Hauptmann »für die gute Lehre« bedanken. Schwer anzuschauen sind dagegen Videos mit öffentlichen Prozeduren von der Art, der beispielsweise Iryna Dovgan' aus Jasynuwate durchgezogen wurde. Solche Videos lassen wir auch lieber.
Nicht nur Kosaken bestimmen das Leben der befreiten Gebiebe von Neurussland. Am 20. November gestand Jewgenija Hasis bei einer Gerichtsitzung in Moskau, die an der Ermordung von Antifaschist*innen Stanislaw Markelow und Anastasija Baburowa beteiligt war, das, was einige schon seit Jahren bestätigen: Die Tötungskommando von russischen Nationalisten aus BORN bekam Mord-Aufträge von Leonid Simunin, einem »Kurator« aus der Präsidentenadministration.20 Die Präsidentenadministration weist natürlich alle Beschuldigungen zurück und behauptet, nie einen Mitarbeiter namens Leonid Simunin angestellt zu haben. Ob es mit dem »Kurator aus Kreml« stimmt oder nicht, fand jedenfalls der fragliche Simunin eine Anstellung bei der DNR.21 Andere Leute aus BORN wurden dort auch schon gesichtet.22
Das Fussfolk der Befreiung ist auch anschauenswert. Auf diesem Video sind zwei gut gelaunte »Antifaschisten« zu sehen: »Wir haben euch so viele ‘Geschänke’ hier gelassen, Jungs. Man wird sicher noch zwanzig Jahre nach dem Kriesgsende brauchen, um das Ganze zu entminen. Bereitet euch, Hurensöhne!«23
Was soll es übrigens mit »ihr« und »wir« heißen? Kommen die beiden Kerle etwa nicht aus der Ukraine? Auf dem folgenden Video erklärt ein weiterer »Antifaschist«: »Die Volksmilizen bestehen zu 75 Prozent aus den Leuten aus Russland«.24 Diese Zahl mag auch zu hoch oder zu gering liegen, jedenfalls ist der Anteil der Freiwilligen und der »Freiwilligen« aus der Russischen Föderation sehr hoch.
Hier ballern die »Antifaschisten« mit einem automatischen Granatenwerfer auf ein Gebäude einfach so drauf, im Augenblick, wo es offensichtlich kein Gefecht stattfindet.25
Auf diesem Video haben die besoffennen »Antifaschisten« den eigenen Buss gesprengt.26
Auf diesem Video amüsieren sich die »Antifaschisten« indem sie eine Tankstelle mit Panzerfäusten zertrümmern. Sie finden es lustig.27
Noch lustiger geht es hier ab. Die einen »Antifaschisten« beschießen die Positionen von den anderen »Antifaschisten« mit einem automatischen Granatenwerfer und führen dabei Gespräche mit den Beschossenen über das Funkgerät. Sie meinen, sie wüssten nicht, wer da schießen würde. Sie meinen, die Granaten fliegen über ihre eigene Köpfe in die Richtung von Gesprächspartnern. Sie fragen: »Habt ihr euch eingegraben? Dann habt ihr auch nichts zu fürchten«. Und wie sie dabei lachen!28
(Der Schütze ist der legendäre »Antifaschisten«-Kommandeur Motorolla aus der Russischen Föderation).
Auf diesem Video kann man eine Auseinandersetzung zwischen den »Antifaschisten« in Lugansk verfolgen, die mit einem durchgeschossenem Bein endet.29 Der »Verteidigungsminister« von LNR Alexandr Bednow ist daran persönlich beteiligt.
Das folgende Video ist kurz, lässt sich auch ohne Sprachkenntnisse anschauen und zeigt keine Leichen, keine Verletzten, keine zerstörten Gebäude. Wenn auch nicht unmittelbar, ist dieses Video dennoch grauenhaft. In einem Augenblick vermag es die ganzen Schrecknisse dieses Krieges zu fangen.30
Wer macht denn sowas?
Wie groß ist Neurussland?
Bis jetzt erwarb »Altrussland« nur eines von 25 ukrainischen Verwaltungsgebieten komplett (die Krim). Ein drittel von zwei weiteren Verwaltungsgebieten befinden sich gegenwärtig unter Kontrolle der »Volksrepubliken«. Obwohl die Ansichten über den genauen Umfang von Neurussland auseinander gehen, stimmen alle »Antifaschisten« zumindest darin überein, dass es für Neurussland viel zu wenig ist. Laut Wladimir Putin gehören zu Neurussland sechs ukrainische Verwaltungsgebiete.31 Viele »Antifaschisten« macht es außerdem traurig, dass die sakrale russische Stadt Kyiv durch Junta-Putschisten besetzt ist. Die anderen Visionäre sehen noch weiter. So der neue Staatsoberhaupt von LNR Igor' Plotnickij: »Es werden neue Republiken entstehen. Die neue Republik von Vinnycja, und viele weitere Republiken: die Republik von Zaporizhzhja, die von Kherson, von Tscherkassy, von Tschernihiw. Das kommt alles ziemlich bald.«32
Schaut man auf die Karte der Bombenanschläge, die in der Ukraine innerhalb der letzten Monate verübt wurden, begreift man sofort, dass diesen mutigen Worten auch Taten zugrunde liegen. Mit anderen Worten, die Größe Neurusslands ist eine komplizierte philosophische Frage, deren genaue Lösung von vielen Faktoren abhängen wird, einschließlich militärisches Geschick und Günstigkeit des Momentes.
Die ukrainische Seite
Die Ukraine lässt ihre Armee kämpfen. In der Ukraine gibt es Nazis.
Beides stimmt, beides ist nicht gut, beides ist aber kein Rechtfertigungsgrund für die russischen Aggression (oder der Solidarisierung mit den Volksrepubliken, wenn es für euch schöner klingt).
Es wäre falsch zu behaupten, dass die »Volksrepubliken« gar keine Basis im Donbass haben. Der Anteil von Ahänger*innen eines Anschlusses an Russland ist im Donbass tatsächlich hoch. Doch allen bekannten Umfragen zufolge ist es nicht und war es noch nie eine Mehrheit. Die »proukrainischen« Demonstration in Donez'k oder Mariupol waren vor der Ankunft der bewaffneten »grünen Männlein« noch zahlreicher, als die »prorussischen« Demos. Die Gestalten wie Gubarew, Puschilin oder Purgin kannte man bis 2014 schlicht und einfach nicht, deren Ideen waren noch marginaler als diejenigen der Bayernpartei im gleichnamigen Bundesland. Ist der größere Teil der Bevölkerung vom Donbass im Unrecht? Warum? Weil die Ukraine faschistisch ist? Weil die DNR-LNR und das Russland von Putin viel progressiver sind? Weil die bewaffneten Menschen sowieso mehr Recht haben? Sind dann auch diejenigen in den besetzten Teilen vom Donbass im Recht, die inzwischen auch ganz schwerwiegende persönliche Gründe dafür haben, um den — aus ihrer Sicht — Besatzern und Kollaborateuren einen bewaffneten Widerstand zu leisten?33
Im ukrainischen Parlament sitzen jetzt den strengsten Berechnungen zufolge dreizehn Extremrechte, nur einer von ihnen ist ein Neonazi.34 Wenn die Krim und Donbass an den Wahlen teilnehmen könnten, wäre der Anteil von ukranischen Nationalisten im Parlament noch geringer.35 An der Regierung sind ukrainische Nationalisten nicht mehr beteiligt. Der Rede wert sind nur noch ein paar Ämter auf der mittleren Ebene, die von Nationalisten bekleidet sind. Und wenn nationalistische Stimmungen unter der Bevölkerung Invasionen rechtfertigen sollten, wäre die Ukraine sicher nicht das einzige und auch nicht mal das erste Land auf der Liste.
Die unterdrückte russischsprachige Bevölkerung? Komischerweise leidet sie niergendwo in der Ukraine so sehr, wie in den »befreiten« Teilen von »Neurussland«, wo auch ganz buchstäbliche Extremrechte an der Macht sind. Die »linken« Anhänger*innen der Unterdrückungsthese hierzulande können sie nur noch unter der Berufung auf offensichtliche Lügen aufrechterhalten.
Der Krieg kann nie etwas Gutes bedeuten und die ukrainische Armee ist bereits sicher am Tod mehrer Zivilisten schuldig. Auch wenn der Umfang der begangenen Verbrechen auf der anderen Seite größer liegen mag, macht es die ukrainische Seite nicht schöner. Natürlich tretten die Nationalisten im Kontext dieses Krieges auf der ukrainischen Seite hervor, machen Karrieren im Militär, werden salonfähig und erwerben politisches Kapital. Ob es langfristig schlimme Folgen haben wird ist es noch schwer abzusehen (siehe Ergebnisse der beiden Wahlen nach dem Anfang der russischen Invasion). Obwohl diese Tendenz schon an sich nichts Gutes bedeutet, ist sie bei weitem nicht das Schlimmste, was dieser Krieg begünstigt. Nur die manichäische Fixierung auf dem ukrainischen Nationalismus hindert es, die weiteren Folgen abzusehen. Die größten Opfer unter der Zivilbevölkerung gehen übrigens beiderseits auf das Konto der Berufssoldaten, ihre politische Ansichten spielen dabei keine Rolle (ein Flugzeug auf der Höhe von 10.000 Meter abzuschießen schaffen beispielsweise keine Straßennazis). Bezeichnend ist auch, dass die beiden ukrainischen freiwilligen Bataillons, die wegen Marodierens aufgelöst wurden, nicht die nationalistischen waren.
Das obige und auch viel mehr zugegeben, finde ich die folgenden Fragen dennoch berechtigt: Bis wohin sollte sich die ukrainische Armee zurückziehen, nachdem sie bereits die Krim kampflos abgab? Warum wird das Recht der Ukraine auf einen bewaffneten Widerstand ausgerechnet von denjenigen bestritten, die offensichtlich keine Pazifist*innen sind und in steifen nationalen Kategorien denken? Ist es nicht äusserst heuchlerisch der angegriffen und dabei auch viel schwächeren Seite noch die Schuld an diesem Krieg zu geben?
Und vor allem: Warum kommt diese Reaktion ausgerechnet aus dem linken Spektrum?
P.S. Heute wird zwanzig Jahre seit der Unterzeichnung vom Budapester Memorandum. Damals war die Ukraine die weltweit drittgrößte Atommacht und erklärte sich dafür bereit, was bis heute einmalig ist, nämlich sich von den Atomwaffen zu verabschieden. Dafür garantierten die USA, Großbritanien und Russland unter anderem dafür, die territoriale Integrität des Landes zu sichern. Man muss kein Experte sein, um nachzuvollziehen, dass 2014 langfristige schwer aufhebbare Hindernisse für atomare Abrüstung mit sich gebracht hat. Indem es klar geworden ist, dass die internationalen Abkommen wie Budapester Memorandum keine Gültigkeit mehr haben, ist die atomare Aufrüstung von weiteren Ländern im Gegenteil so begünstigt, wie noch nie. Dass die von der Linken dominierte Friedensbewegung in der BRD so elementare Sachen nicht zu sehen vermag, spricht Bänder über den Umfang der vererbten Probleme, mit denen man sich endlich mal auseinandersetzen sollte.
2http://zavtra.ru/content/view/kto-tyi-strelok/
8http://censor.net.ua/photo_news/313428/terroristy_lnr_proveli_antifashistskiyi_sezd_pod_flagom_natsistskogo_prestupnika_foto
10https://www.youtube.com/watch?v=-OQa56oq3IM
11http://slon.ru/fast/russia/intervyu-strelkova-na-rossii-segodnya-podverglos-dvoynoy-tsenzure-1190377.xhtml
14https://tuspioletsymifresadora.wordpress.com/2014/10/01/donetsk-victorlenta-euroasianismo/
15http://www.liveleak.com/view?i=4cb_1416419764
20http://echo.msk.ru/news/1440930-echo.html
21http://grani.ru/people/2268/
22http://www.novayagazeta.ru/inquests/64872.html
28https://www.youtube.com/watch?v=mgiB0C1FFao#t=195
31https://www.youtube.com/watch?v=YXr-oLbT8Qc
32http://ria.ru/world/20141103/1031566603.html
33Hier
ist ein Videoauftritt von Menschen, die sich als Partisanen
verstehen und DNR-LNR nichts Gutes versprechen:
http://www.youtube.com/watch?v=COFYyWWPLH4&feature=youtube_gdata_player
34http://forward.com/articles/208153/ukraine-s-election-results-are-good-for-the-jews/?p=all#ixzz3Hdk0oGQT
35Dafür wäre der Anteil von (pro)russischen Extremrechten größer. Verloren bei der letzten Parlamentswahl haben nicht nur die (pro)ukrainische Extremrechte sondern auch die (pro)russischen. Da sie traditionellerweise (insbesondere bei der Linken) als solche in diesem Kontext ehe nicht wahrgenommen werden, können wir die Einzeilheiten einfach beiseite lassen.
Propaganda, die hundertste
"An der Regierung sind ukrainische Nationalisten nicht mehr beteiligt."
Die plumpen Lügen des Herrn Tkachenko nehmen kein Ende...
...keine Nationalisten in der Regeirung?:
http://www.hintergrund.de/201411253319/politik/welt/ukraine-prowestliche...
...
Der "Hintergrund"-Artikel ist ganz beispielhaft:
- Die Schuld am russischen Eroberungskrieg wird der Ukraine gegeben.
- Der eroberunslustiger Nationalist Wladimir Putin tritt als ein lupenreiner Experte fuer den Faschismus auf.
- Begriffe wie "Russlandhasser" scheinen das Wesen dieser boesen Ukrainer vollends zu fassen.
- Der Autor kann offensichtlich weder Ukrainisch noch Russisch.
- Usw. usf.
Wie fuehlt man sich als Deutscher, wenn man Ukrainer*innen des Faschismus bezichtigt?
Wenn's dir auch anders lieber waere,