Solidarische Kritik zur Gedenkdemonstration für Kamal Kilade

Hallo Antifaschist_innen, Demoorganisierende und Demoteilnehmer_innen,
nach der letzten Gedenkdemonstration zum vierten Todestag von Kamal Kilade hielten wir es für notwendig einige kritische Gedanken festzuhalten.


Zuerst einmal gilt es die Wichtigkeit dieser Demonstration zu betonen, die einer Gesellschaft, die nur all zu bemüht darum ist die von ihr produzierten Opfer zu vergessen den Spiegel vor zu halten und da laut zu werden wo Erinnerung zum Kampf werden muss. Es ist wichtig, weiterhin immer wieder an die von Nazis ermordeten Menschen sei es aus rassistischen, sozialchauvinistischen oder welche Gründen auch immer, zu erinnern und Ihnen zu gedenken! Deshalb gilt es sich solidarisch mit den Betroffenen und den Organisierenden zu zeigen.

Uns fällt es jedoch schwer die in den letzten 4 Jahren größte stattfindende Demonstration ihrer Art in Leipzig so stehen zu lassen.
Denn das Bild welches bei uns im Kopf hängen geblieben ist, wirft Fragen auf.
Sollte der Anspruch an die Demonstration einer der reinen Selbstbespaßung irgendwelcher sich im szenig schwarz gekleideten und einem martialisch mackerigem Habitus gebenden Menschen sein, so ist dies, was die Wahrnehmung der Demonstration angeht geglückt. Das soll weder heißen es wäre das erklärte Ziel der Orga gewesen, noch soll es heißen dass alle Teilnehmenden sich so gegeben hätten. Jedoch hat der entscheidende bildgebende Teil, genauer die ersten Reihen, ihr bestes gegeben um ein teils lächerliches, dem Anlass mehr als unpassendes Bild zu produzieren. Dieses Auftreten ist szenetypisch gesetzt und in gewissen anderen Situation sinnvoll. Ist also die Prämisse; wir sind scheiße wütend auf ''scheiß Deutschland'‘ und deswegen sehen wir es als notwendig an einen riesigen Haufen Scherben entstehen zu lassen, ist solch ein Auftreten und Außenbild wahrscheinlich das erwünschte Ziel. Da das in Leipzig nicht der zu erwartende Fall ist und wahrscheinlich in diesem Rahmen auch nicht notwendig, was wir persönlich bei solchen Aktion auch sehr begrüßen, könnte man vielleicht anfangen sich dieses peinliche Gehabe ab zu gewöhnen und darüber nach zu denken wie man für die Betroffenen einen Platz zum ausdrücken und einfordern schaffen könnte.
Ein weiterer auffallender Punkt war, dass diverse Teilnehmer_innen anscheinend so ihr Problem mit dem Staat, der Nation und dem Kapital haben, was grundsätzlich ja erstmal begrüßenswert ist. Jedoch gab es viel konkretere Punkte die man hätte artikulieren können, ein konkreter Bezug auf Antifa bzw. Antira Inhalte hätte Sinn gemacht um diese Themen entsprechend in die Öffentlichkeit zu tragen.  Auch die immer wiederkehrenden „ACAB“ Rufe in all ihren Ausführungen sind mindestens peinlich und politisch an dieser Stelle auch wenig nachvollziehbar. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache das der Ausspruch „ACAB“ (All Cops are Bastards) in sich keine Beleidigung ist. Und für wen doch, dem lege ich eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Wort Bastard nahe.¹
Dies ist mehr eine Kritik an den Teilnehmer_innen, als an den Organisierenden. Die Frage warum solche Dinge in einer sonst so aufgeklärten und nicht um allerlei Weisheiten verlegenen Linken  unkommentiert bleiben stellt sich dennoch.
Wenn also Demoorganisator_innen ein anderes Bild der Demo vorschwebte, warum dann dieses nicht auch forcieren, mit Kritik spart man ja sonst nicht.
„Remembering means fighting“ wirkt unter diesen Umständen eher als Farce einer marginalisierten Linken.
Wer nimmt teil/mit wem mache ich Politik?
Auffallend ist nach wie vor, dass es wie eine Person spöttelnd festhielt: ''wieder einmal ein Marsch der Deutschen'‘ war. Nun ist mir die Schwierigkeit hinter dieser Tatsache und die Änderung dieses Zustandes bewusst. Leipzig ist, anders als viele vor allem „Westdeutsche Metropolen“, eine sehr Weiße Stadt. Eben dieser Zustand, in Kombination mit schlechter Anbindung bzw. Zusammenarbeit der ''Szene'‘ an die hiesigen migrantischen Communities und Antira-Zusammenhänge, macht die Sache nicht einfacher. Jedoch besticht wieder einmal das Gefühl, Politik an den Leuten die es  betrifft vorbei gemacht zu haben, ohne dabei für einen nennenswerten Output, geschweige denn empowernde Momente gesorgt zu haben. Genau da wo Öffentlichkeit geschaffen werden sollte, ist weder durch Außenwirkung noch durch Redebeiträge ein Resonanzraum entstanden, welcher irgendjemandem genutzt hätte. In den letzten Jahren war dies durch Redebeiträge gegeben und auch die mediale Berichterstattung erzeugte einen entsprechenden Fokus auf die Thematik des Rassismus. Auch in diesem Jahr lässt sich die Demo natürlich abhacken und in ihrer Wirkung als mehr oder weniger gelungen abstempeln, trotzdem ist eine Reflexion des stattgefundenen notwendig. Alles beim alten zu belassen und nächstes Jahr ein ähnliches „Antifaschistisches Spektakel“ zu veranstalten, erscheint uns überdenkenswert.

In diesem Sinne solidarische und antifaschistische Grüße,

bis zum nächsten Mal die Lila Launebären

¹ (http://rotehilfegreifswald.blogsport.de/2012/12/13/warum-a-c-a-b-scheiss...)

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Ich weiß ja nicht, auf welcher Demo du warst. Natürlich hatten einige Leute schwarze Kleidung an. Einen "martialisch-mackeriger Habitus" der ersten Reihen habe ich aber ebensowenig gespürt wie übermäßig viele platte Parolen à la "ACAB". Und falls letzteres die nicht passt, dann sprich die Leute doch direkt an, anstatt an eine Autorität (hier: die Organisierenden) zu appellieren. Oder bringe wenigstens konkrete Beispiele hier.

 

Weiterhin war es auch keine pure Weißbrot-Demo. Und falls dir dort zu wenige POC anwesend waren, liegt das vielleicht gerade daran, dass deren Anteil in Leipzig geringer ist als in westdeutschen Großstädten. Wie zahlreich Kamals Freunde und Familie vertreten war, können andere vielleicht sagen.

 

Gerade erinnere ich mich an den Typen mit offensichtlichem Migrationshintergrund, der während der Zwischenkundgebung an der Eisenbahnstraße vorbeilief, beiläufig "Kindermörder Israel" sagte und weiterlief. Dass der nicht auf der Demo war, war für mich kein Verlust.

 

Hier gibt es übrigens verpixelte Fotos der Demo für alle, die sich selbst ein Bild vom "martialisch-mackrigen Habitus" machen möchten.

 

bis zum nächsten Mal die Lila Launebären

Ist das euer Ernst?

ich stimme da Lila Launebaerchen in den meisten Punkten aber zu.

 

Ueberdeutlich macht dies die Ansage vom Lauti an der Eisenbahnstrasze...  `sorgt dafuer, dasz auch Leute auszerhalb der SZENE beim naechsten mal dabei sind` oder so aehnlich. Wikipedia sagt an dieser Stelle `Eine Szene ist ein soziales Netzwerk in Form eines freizeitlichen Sozialisationsraumes`. Und genau das ist fuer mich der Knackpunkt. Egal welche Farbe meine Jacke hat / Linke `Szene` darf doch keine Freizeitaktivitaet sein! Gelebter Antifaschismus in Tat, Sprache und Gedanken. Tausend mal Sookee hoeren hilft nicht gegen maenliche Dominanz. Ein sozialer Beruf aendert oft nix daran, dass Leute sich spaszig mit Worten bezeichnen, die eigentlich bedeuten, dasz ein Mensch durch die Gesellschaft behindert wird. Und `das habe ich aber anders wahrgenommen` ist genau die Reaktion einer Person, die sich Kritik versperrt und ueber dies auch noch andere Kritik runter macht. Jo / ich will auch nicht mit dem Typ demonstrieren, den du da getroffen hast, aber das hat doch mit der Kritik oben rein gar nichts zu tun.

 

Randnotiz.

Die Polemik, die zum Teil aus den Lautsprechern kam, war auch unnoetig. Zum Teil auch gefaehrdend fuer diejenigen die gesprochen haben.

Die Mobi war gut! Ueberall zu sehen.

Die ~nichtdeutschsprachigen~ Einspieler nicht nur in der Eisenbahnstrasze einspielen, so kam es mir zumindest vor.

Warum nicht noch ne Runde in der Innenstadt sonder gleich durchs niemandsland... oder ist das in L mit den Behoerden nicht machbar.

Es hatten sogar Leute 1312 auf der Kleidung, in anderen Staedten waere das Grund fuer Zugriff.

Mein Eindruck von der Demo war auch ein anderer. Es wurde bzw. bewusst auf die Bildung eines schwarzen Blocks oder organisierter erster Reihen verzichtet, damit nicht ein abgeschotteter und aggressiver Eindruck entsteht. Das die erste Reihe, die definitiv auf unverpixelten Pressephotos zu sehen sein wird, Sonnenbrillen (und rote Mützen...) trägt, finde ich sehr nachvollziehbar. Ansonsten waren die schwarztragenden Menschen in der ganzen Demo verteilt. Ganz nebenbei kann auch auf einer Antira-Gedenkdemo Scheiße passieren, wo die Leute in schwarz auf einmal wieder gerne gesehen werden.

 

Redebeiträge hat es gegeben, eine gute Pressearbeit, Veranstaltung im Vorfeld (die Geschichte im Rathaus, die Ausstellung, der Antiratag im Rabet), die alle inhaltlich einen Bezug zu der Demo, deren Gründe und gesellschaftlichen Verortung hatten. Ich finde, die Demo hat sehr gut klar gemacht worum es ihr ging und viele Menschen erreicht.

 

Vielleicht bringst du das nächste Mal noch deine ganzen poc-Kumpels mit, dann erreichen wir bestimmt auch die Quote, die dir scheinbar für solche Demos im Kopf rumschwirrt.

es ist unfassbar wie ihr damit umgeht.

 

Ersttext

Auffallend ist nach wie vor, dass es wie eine Person spöttelnd festhielt: ''wieder einmal ein Marsch der Deutschen'‘ war. Nun ist mir die Schwierigkeit hinter dieser Tatsache und die Änderung dieses Zustandes bewusst. Leipzig ist, anders als viele vor allem „Westdeutsche Metropolen“, eine sehr Weiße Stadt. Eben dieser Zustand, in Kombination mit schlechter Anbindung bzw. Zusammenarbeit der ''Szene'‘ an die hiesigen migrantischen Communities und Antira-Zusammenhänge, macht die Sache nicht einfacher. Jedoch besticht wieder einmal das Gefühl, Politik an den Leuten die es  betrifft vorbei gemacht zu haben, ohne dabei für einen nennenswerten Output, geschweige denn empowernde Momente gesorgt zu haben. Genau da wo Öffentlichkeit geschaffen werden sollte, ist weder durch Außenwirkung noch durch Redebeiträge ein Resonanzraum entstanden, welcher irgendjemandem genutzt hätte.

 

Reaktion 1

Weiterhin war es auch keine pure Weißbrot-Demo. Und falls dir dort zu wenige POC anwesend waren, liegt das vielleicht gerade daran, dass deren Anteil in Leipzig geringer ist als in westdeutschen Großstädten. Wie zahlreich Kamals Freunde und Familie vertreten war, können andere vielleicht sagen.

 

Gerade erinnere ich mich an den Typen mit offensichtlichem Migrationshintergrund, der während der Zwischenkundgebung an der Eisenbahnstraße vorbeilief, beiläufig "Kindermörder Israel" sagte und weiterlief. Dass der nicht auf der Demo war, war für mich kein Verlust.

 

Reaktion 2

Vielleicht bringst du das nächste Mal noch deine ganzen poc-Kumpels mit, dann erreichen wir bestimmt auch die Quote, die dir scheinbar für solche Demos im Kopf rumschwirrt.

 

Wie soll mensch denn mit Leuten wie euch umgehen und/oder über Rassismus diskutieren. Die Kommentare gehen so doch nicht klar - vor allem nicht auf den Versuch einer Analyse im Ersttext.

 

Und jetzt genauer zu den Kommentaren:

 

"Deren Anteil in Leipzig" hat nur bedingt etwas mit der Demo zu tun, sondern wohl eher hiermit: "Anbindung bzw. Zusammenarbeit der ''Szene'‘ an die hiesigen migrantischen Communities und Antira-Zusammenhänge, macht die Sache nicht einfacher."

 

Es gibt keinen "offentsichtlichen Migrationshintergrund". Offensichtlich ist, dass du Bilder im Kopf zu Migrationshintergrund hast. Wie sieht denn ein Mensch mit Migrationshintergrund aus? Ein Weißer Sohn von Nazigroßeltern, die ab nach Südamerika sind, wäre auch ein "Migrant". Das Wort sollte komplett aus unserem Wortschatz gestrichen werden!

 

"Deine ganzen poc Kumpels" zeigt wie die Verwendung des Konzepts hinter poc flasch gemacht werden kann. poc >> Kumpel - Zuschreibung >> Substantiv. Wenn du es schon so unreflektiert und unscharf verwendest, dann solltest du Kumpel of Color sagen, aber bei solch laschen Sprüchen bei einem so ernsten Thema lohnt sich bei dir die Mühe vielleicht auch nicht.

Liebe Genoss_innen,

es ist immer sinnvoll, über die eigenen Demos zu reflektieren. Allerdings habe ich den Eindruck, dass ihr bei eurer Reflexion häufig über eure eigene Identitätspolitik nicht hinaus kommt. Ob ihr euch dabei als jemand inszeniert, der kritisch mit der eigenen Herkunft/sozialen Stellung/etc auseinandersetzt, und eine Kritik an der restlichen Linken hat, die nicht ausreichen kritisch mit sich selbst ist, oder ob ihr euch von jeder Kritik distanzieren müsst und sie von euch weißt, ist dabei fast nebensächlich.

Ich bin immer wieder erstaunt, dass seit zwanzig Jahren imer wieder das Argument auftaucht, wir sollten uns nicht schwarz anziehen, und auch gut benehmen, um kein Bürger_innenschreck zu sein. Es wird davon ausgegangen, dass zum dunklen Look nur ein instrumentelles Verhältnis bestünde. Schwarze Kleidung wäre die Wahl, um hin und wieder strategisch etwas umzusetzen. Das ist falsch. Der schwarze Look ist für viele auch ein Symbol, eine Zusammenfassung einer politischen Haltung, die über den rein funktionalen Wert deutlich hinaus geht. Darin enthalten ist ja auch eine beabsichtigte Ablehnung des bürgerlichen Habitus. Ich laufe auch jenseits der Demo so herum, und ich sehe nicht den Grund, warum ich mir extra neue Kleidung kaufen sollte, damit ich dann strategisch besser ankomme. Ich will nicht anders wahrgenommen werden als ich bin, und so wie ich bin, gehe ich auf Demos, und meine Genoss_innen auch.
Ich würde nei auf die Idee kommen, jemandem zu sagen, er oder sie solle sich schwarz anziehen, und nicht so bürgerlich daher kommen. Unsere Demos wirken so, wie sie wirken, weil wir die Menschen sind, die wir sind und weil wir als diese eben auch diese Wirkung entfalten. Und das, so kann ich zumindest für mich sagen, habe ich schon sehr sehr oft reflektiert, und ich und meine Bezugsgruppe sind immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass wir uns weiterhin auf Demos nicht extra aus strategischen Gründen verkleiden werden.

Die "Auseinandersetzung" über die Beteiligung von "PoC"s die hier angegangen wird, empfinde ich als beschämend. Ich habe einen Genosse, der es richtig hasst, wenn irgendwelche Deutschen ihn als PoC bezeichnen, oder in so einer abstrakten Weise über ihn reden und ich würde mir eher die Zunge rausschneiden, als ihn so anzusprechen, oder so eine Diskussion zu führen, wie ihr das hier gerade tut. Es wird zwar immer nach neuen Begriffen gesucht, aber für meinen Genossen ist es eher ein PRoblem, wie dann mit diesen Begriffen diskutiert wird, und weniger, welche Begriffe dazu benutzt werden. Ein solches Statement wie hier in der solidarischen Kritik formuliert führt aber eher dazu, dass er keinen Bock auf viele deutsche Linke hat. Und eins sag ich euch gleich, bevor wieder irgendwer meint, mir da was erklären zu müssen, ich kenne meinen Genossen sehr lange und es ist für ihn auf jeden Fall ok, wenn ich das, wa ich hier geschrieben habe, über ihn schreibe.

Ihr fragt euch, wie ihr "die Migranten" besser erreichen könnt. Macht euch mal klar, dass das nicht eine feste Gruppe ist. Auch Migranten haben tausen unterschiedliche Interessen, ganz unterschiedliche politische Positionen, unterschiedliche gesellschaftliche Stellungen, etc. Ihr könnt sie nicht als "die Migranten" oder die PoCs ansprechen. Warum sie nicht zu unseren Demos kommen, hat viele viele Gründe. Wir wirken auf viele Menschen nicht sonderlich attraktiv mit unseren Positionen. Wenn wir den Menschen erzählen, wofür wir sind, sidn viele dagegen. Das gitla cuh für Migranten. Nur weil wir gegen Rassismus sind, heißt das in keiner Weise, dass sie uns dafür mögen, uns brauchen, an unseren Demos teilnehmen wollen, oder überhaupt antirassistisch eingestellt sind.

Bitte seid einfach nicht immer so arrogant, wie ihr es in eurer diskussion seid.