NSU-Enquete BaWü: Bericht zur zweiten öffentlichen Sitzung

NSU-Enquete BaWü: Bericht zur zweiten öffentlichen Sitzung 1

Am Montag, den 22. September 2014 fand die zweite öffentliche Sitzung der Enquete-Kommission "Konsequenzen aus der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)/Entwicklung des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg – Handlungsempfehlungen für den Landtag und die Zivilgesellschaft" im Stuttgarter Landtag statt.  Vorausgegangen war der Sitzung eine Auseinandersetzung mit dem baden-württembergischen Innenministerium, in der es um eine Anhörung von Polizisten durch die Enquete-Kommission ging. Die Landtagskommission wollte die beiden ehemaligen Leiter der "Sonderkommission Parkplatz" (Soko Parkplatz), Frank Huber und Axel Mögelin, als Sachverständige befragen.

 

Die Soko hatte sich bis zur Übernahme der Ermittlungen durch das BKA mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007 in Heilbronn befasst.
Anfang September 2014 wurde bekannt, dass das Innenministerium in Stuttgart eine Anhörung der beiden Polizisten durch die Enquetekommission untersagt hatte.
Ein Gutachten der Landtagsverwaltung soll nun klären, ob und wie eine Befragung von Huber und Mögelin durch die Enquete-Kommission möglich ist.

Aus diesem Grund beschäftigte sich die Sitzung nicht mit dem Mord an Michèle Kiesewetter, sondern hatte einen Bericht des baden-württembergischen Innenministeriums zur "Bestandsaufnahme zu den Strukturen des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg und den Auswirkungen auf die Sicherheitsbehörden und die Zivilgesellschaft in Baden-Württemberg" zum Gegenstand.
Diesen Bericht hatte die Enquetekommission mit einem Beschluss vom 5. September 2014 beantragt.

Beginn der Sitzung: 10.22 Uhr

Der Vorsitzende Wilhelm Halder (Bündnis 90/Die Grünen) hält eine kurze Begrüßungsansprache.

Dr. Stefan Schnöckel (Landesamt für Verfassungsschutz) und Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) beginnen mit der Präsentation des Berichtes aus dem Innenministerium.

1. Auswirkungen des NSU auf die Sicherheitsbehörden

Es seien eine Reihe von Konsequenzen gezogen wurden.

Maßnahmen von Polizei und Verfassungsschutz:

  • Verbesserte Zusammenarbeit und vertiefter Informationsaustausch beider Institutionen unter Beachtung des informationellen Trennungsprinzips, der "Leitfaden zur Optimierung der Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz der Innenministerkonferenz" sei fortgeschrieben worden
  • Seit 6. Februar 2012 "Gemeinsame Informations- und Analysestelle" (GIAS) von LfV und LKA Baden-Württemberg (dort in festem Turnus Informationsaustausch)
  • "Gemeinsames Extremismus- und Terrorabwehrzentrum" (GETZ) auf Bundesebene
  • Konzertierte Aktion von LKA, LfV und Waffenbehörden 2012: alle Personen, die von den Behörden der rechten Szene zugerechnet werden und legal eine Waffe besitzen, seien überprüft worden
  • Rechtsextremismusdatei seit September 2012 mit polizeilichen und nachrichtendienstlichen Daten zum gewaltbereiten Rechtsextremismus


Maßnahmen der Polizei:

  • "Business Keeper Monitoring System" (BKMS) sei eingeführt worden (anonyme Hinweise zu politisch motivierter Kriminalität Rechts via Internet)
  • Zentralisierung der V-Personen im Bereich Staatsschutz beim LKA
  • Beratungs- und Interventionsgruppe Rechtsextremismus (BIG REX) sei personell aufgestockt worden, Ziel sei der Ausstieg aus der rechten Szene, seit 2001 habe es 170 Ausstiege gegeben
  • Standards bei Bearbeitung von Kapitaldelikten seien unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus dem NSU-Komplex überarbeitet worden
  • Neue elektronische Lernprogramme zum Thema Rechtsextremismus für alle Polizeibeamte
  • Gezielte Werbung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund für die baden-württembergische Polizei
  • Kriminalprävention, z.B. Kampagne "Wölfe im Schafspelz" oder Mitarbeit des LKA im Beratungsnetzwerk "Kompetent vor Ort"


Maßnahmen des Verfassungsschutzes

  • Stärkung der Zentralstellenfunktion des "Bundesamtes für Verfassungsschutz" (BfV) und Überarbeitung der "Richtlinie für die Zusammenarbeit des BfV und der LfV"
  • Erweiterung des nachrichtendienstlichen Informationssystems NADIS für den Bereich Rechtsextremismus von Fundestellen- zur Volltextdatei
  • Beachtung der Empfehlungen des NSU-Bundestags-Untersuchungsausschusses für die Auswahl und Führung von Vertrauenspersonen (V-Personen)
  • Personelle Stärkung des Bereiches Rechtsextremismus im LfV, es seien inzwischen 3 Fachwissenschaftler mit spezifischen Kenntnissen zum Rechtsextremismus eingesetzt
  • Präventionsarbeit durch Vorträge, Schulung von Multiplikatoren und fachliche Unterstützung von Projekten (z.B. "Team meX")
  • Optimierung der Aus- und Fortbildung, neu sei eine einjährige Ausbildungsphase für neue Mitarbeiter, bevor sie im LfV eingesetzt würden (Lehrgänge an der "Akademie für Verfassungsschutz")



2. Mord an der Polizeibeamtin Kiesewetter

Seit der Übernahme der Ermittlungen im Mordfall durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) und das Bundeskriminalamt (BKA) im November 2011 sei die baden-württembergische Polizei nicht mehr zuständig und habe keine juristischen Ermittlungskompetenzen mehr im Fall Kiesewetter.
Mit der Anklageerhebung sei die Verfahrensherrschaft an das Oberlandesgericht (OLG) München übergegangen.
Das Innenministerium in Stuttgart habe über das baden-württembergische Justizministerium den GBA/das OLG München um die Übersendung von zwei Ermittlungsberichten für die Enquete-Kommission ersucht. Das Justizministerium habe diese Anfrage an das Bundesministerium der Justiz und für Verbrauchgerschutz weitergeleitet, von dort sei noch keine Rückmeldung erfolgt.
Hartmut Keil betont, dass das "durch die Zuständigkeiten bedingte Informationsdefizit auch für die Polizei in Baden-Württemberg unerfreulich" sei.

Nach der Tat am 25. April 2007 habe zunächst eine Sonderkommission (Soko) "Parkplatz" innerhalb der Polizeidirektion Heilbronn (PD Heilbronn) die Ermittlungen übernommen.
Am 20. Februar 2009 sei zur Entlastung der PD Heilbronn die Übernahme der Ermittlungen durch das LKA Baden-Württemberg erfolgt.
Bis zum Bekanntwerden des NSU habe die Soko Parkplatz mehr als 5000 Einzelspuren verfolgt, 335 Maßnahmen durchgeführt und über 1000 Hinweise bearbeitet ohne zu einem stimmigen Täterbild zu kommen.
Im März 2009 sei festgestellt worden, dass eine DNA-Spur einer unbekannten weiblichen Person am Tatort in Heilbronn einer Mitarbeiterin des Wattestäbchenherstellers zuzuordnen gewesen sei. Daraufhin sei die Kontamination der Spurensicherungsmaterialien landes- und bundesweit aufgearbeitet und entsprechende Regelungen getroffen worden.

Nach Bekanntwerden des NSU habe der GBA am 11. November 2011 die Ermittlungen übernommen und das BKA mit den polizeilichen Aufgaben beauftragt. Hierzu sei die "Besondere Aufbauorganisation Trio" (BAO Trio) beim BKA mit "regionalen Einsatzabschnitten" (RegEA) in den Bundesländern eingerichtet worden.
Die "Soko Parkplatz" sei als RegEA Baden-Württemberg in die BAO Trio einbezogen worden. Im April 2012 sei der RegEA Baden-Württemberg aufgelöst worden, seither führe das BKA alleine die Ermittlungen.

Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen rechne der GBA die Tat in Heilbronn gesichert dem NSU zu, bei den Tätern soll es sich um Uwe Mundlos und Uwe Bähnhardt gehandelt haben. Die Tat habe sich gegen Zufallsopfer gerichtet, aus den Ermittlungen hätten sich keine Hinweise auf eine Beziehung der Opfer zum NSU oder eine Beteiligung von Dritten bzw. eine mit dem NSU vernetzte Organisation ergeben.

Beim Staatsschutz des LKA Baden-Württemberg sei am 17. November 2011 die "Ermittlungsgruppe Rechts" (EG Rechts) eingerichtet worden, um in Absprache mit dem RegEA Baden-Württemberg Hinweise und weiterführende Ermittlungen zum Verfahren zu bearbeiten, die keinen unmittelbaren Bezug zur Tat in Heilbronn hätten.
Außerdem habe die EG Rechts nicht geklärte schwere Straftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität auf einen Bezug zum NSU hin überprüft, die vom BKA versandte Personen- und Objektliste bewertet, die Überprüfung von bekannten Rechten mit legalem Waffenbesitz durchgeführt und rechte Gruppierungen in Baden-Württemberg bewertet.
 
Am 3. August 2012 sei die EG Rechts aufgelöst worden und Aufträge der BAO Trio ohne Bezug zur Tat in Heilbronn seien vom Staatschutz des LKA bearbeitet worden.
Am 28. Januar 2013 sei die "Ermittlungsgruppe Umfeld" (EG Umfeld) beim Staatsschutz des LKA gegründet worden. Die EG Umfeld habe auf Grundlage des "Polizeigesetzes Baden-Bürttemberg" (PolG BW) Ermittlungen im Bereich strafrechtlich nicht relevanter Bezüge des NSU und des NSU-Umfeldes nach Baden-Württemberg angestellt. Aus den Ermittlungsergebnissen der EG Umfeld hätten sich keine Widersprüche zu den Ermittlungen der GBA ergeben.

3.Umstände des Todesfalles des F.H.

Am 16. September 2013 sei um 8.59 Uhr ein brennender PKW auf dem Cannstatter Wasen gemeldet worden. Auf dem Fahrersitz sei die verbrannte Leiche des F.H. aufgefunden worden. Dieser habe am selben Tag von der EG Umfeld des LKA befragt werden sollen.
Hintergrund der Befragung des F.H. sei die Aussage einer Zeugin im November 2011 gewesen. Diese habe ausgesagt, dass F.H. bereits im August 2011 behauptet hätte, die Mörder von Michèle Kiesewetter zu kennen.
Daraufhin sei F.H. im Januar 2012 vernommen worden, wobei er angegeben habe, die Täter nicht zu kennen. Er habe außerdem von einem Treffen in Öhringen im Februar 2010 berichtet, an dem der NSU und eine "Neoschutzstaffel" (NSS) beteiligt gewesen seien.

Entsprechende Ermittlungen unter der Leitung der GBA und des BKA diesbezüglich hätten diese Angaben nicht bestätigt und keine weiteren Ermittlungsansätze ergeben. Den Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg würden keine Erkenntnisse zu einer Organisation mit dem Namen NSS vorliegen. Die Zeugenaussage des F.H. sei auch im Bericht des Bundestags-Untersuchungsauschusses dargestellt.

Am 16. September 2013 habe die EG Umfeld beabsichtigt, den Zeugen F.H. nochmals zur NSS zu befragen.

Ein Todesermittlungsverfahren der Kriminalpolizei des Polizeipräsidiums Stuttgart habe folgendes ergeben:
F.H. habe laut einem Zeugen auf einer gemeinsamen Autofahrt nach Geradstetten am 15. September 2013 einen Benzinkanister gekauft und mit Kraftstoff gefüllt, auch im ausgebrannten PKW seien Reste eines Benzinkanisters gefunden worden
An der Ausbildungsstätte habe F.H. nicht die Unterkunft betreten, sondern sei beim PKW geblieben
Am 16. September 2013 habe das Fahrzeug des F.H. laut Zeugenaussagen am späteren Brandort gestanden, es sei immer nur eine Person am PKW gesehen worden
Ein Zeuge habe die Zündung beobachtet und dabei keine weiteren Personen gesehen, Hinweise auf einen Zeit- oder Fernzündungsmechanismus seien nicht gefunden worden
Die Obduktion habe ergeben, dass F.H. zum Zeitpunkt des Brandes noch gelebt habe, dies sei durch Rußablagerungen in den oberen Atemwegen und den prozentualen Anteil des im Blut mit Kohlenstoffmonoxid belegten Hämoglobins (COHb-Wert) belegbar. Es seien keine Verletzungen, die nicht auf den Brand zurückzuführen seien, festgestellt worden.
Es habe keinen Abschiedsbrief gegeben, aus einem "Whatsapp"-Statuseintrag des F.H. könne aber auf eine depressive Grundstimmung des Verstorbenen geschlossen werden, F.H. sei durch die Trennung von seiner Freundin bedrückt gewesen
Ein rechtsmedizinisches Gutachten habe ergeben, dass F.H. vor seinem Tod eine Vielzahl an Medikamenten und Giftstoffen aufgenommen habe

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart habe keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden feststellen können und das Ermittlungsverfahren deshalb eingestellt.

4. Verbindungen des Ku Klux Klans zum NSU

Das Innenministerium habe das Justizministerium Baden-Württemberg gebeten, sich über das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz beim GBA/dem OLG München zu erkundigen, ob polizeiliche Ermittlungsberichte über mögliche Verbindungen des Ku Klux Klan zum NSU der Enquete-Kommission zur Verfügung gestellt werden könnten.
Eine Antwort stehe bislang noch aus.
Eigene Erkenntnisse des Innenministeriums zu den Aktivitäten des Ku Klux Klans in Baden-Württemberg seien in den übersandten offenen Berichten "Kontakte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum European White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK)" vom 20. August 2012, "Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem European White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK)" vom 24. Oktober 2012 und "Bezüge der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nach Baden-Württemberg" vom 31. Januar 2014 dargestellt.
Außerdem gebe es eine Stellungnahme des Innenministeriums zum Antrag der Abgeordneten Thomas Blenke u.a. "Verbindungen baden-württembergischer Polizisten zum rassistischen Ku Klux Klan" (Drucksache 15/2233).

Als Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades VS-Geheim eingestufte Versionen der Berichte "Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem European White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK)" und "Bezüge der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nach Baden-Württemberg" würden der Enquete-Kommission angelehnt an das beim Innenausschuss und Ständigen Ausschuss bewährte "Lesesaal-Verfahren" zur Verfügung gestellt.
Der Bericht zum "Sicherheitsproblem beim LfV" sei wie der gleichnamige offene Bericht gegliedert, enthalte aber "zusätzliche, schützenswerte" Details.
Der Bericht zu den Bezügen des NSU nach Baden-Württemberg im Umfang von ca. 140 Seiten sei losgelöst vom gleichnamigen offenen Bericht. Er stelle die Ermittlungsergebnisse der EG Umfeld dar, befasse sich aus polizeilicher Sicht mit dem EWK KKK und enthalte einen zusätzlichen nachrichtendienstlichen Teil.

Im Anschluss an die Vorstellung des Berichtes folgt eine Fragrunde durch die Mitglieder der Enquetekommission.

Matthias Pröfrock (CDU) fragt, ob aus Sicht des Innenministeriums alles getan sei oder ob weitere Maßnahmen/Ermittlungen nötig seien.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) antwortet, dies sei ein fortlaufender Prozess, das "Gemeinsame Extremismus- und Terrorabwehrzentrum" (GETZ) müsse erst noch entwickelt werden, auch die Fortbildungen im LfV müssten sich noch entwickeln. Eventuell müsse man auch verändern, was zu ambitioniert in Angriff genommen worden sei.
Matthias Pröfrock (CDU) fragt, in wiefern die Empehlungen des Bundestags-Untersuchungsausschusses durch das LfV umgesetzt worden seien.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) antwortet, das was in Landeszuständigkeit falle, sei umgesetzt worden. Das einzige, was noch ausstehe, sei die Frage ob man dies auch gesetzlich verankern wolle. Aber inhaltlich sei den Empfehlungen Rechnung getragen worden.
Matthias Pröfrock (CDU) sagt, es seien im Bereich Rechtsextremismus beim LfV ja 3 neue Mitarbeiter eingestellt worden. Er fragt, zu Lasten welcher Schwerpunkte des LfV dies gemacht worden sei und ob sich das mit den Entwicklungen im Bereich Linksextremismus und ausländischer Extremismus decke.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) verweist auf den Beitrag der Präsidentin des LfV, Beate Bube, im weiteren Verlauf der Sitzung. Die Frage wird zurückgestellt.
Matthias Pröfrock (CDU) fragt, wieviele Hinweise aus der Bevölkerung es im Rahmen des Monitoring-Systems bisher gegeben habe.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) antwortet, es habe Hinweise gegeben, diese seien aber nicht ganz so hochwertig gewesen wie erhofft.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) ergänzt, es würden auch Hinweise zu anderen Bereichen, etwa der Wirtschaftskriminalität, eingehen. Insgesamt sei kein Denunziantentum festzustellen und es seien auch Hinweise dabei gewesen, die zu Ermittlungsverfahren geführt hätten.
Matthias Pröfrock (CDU) fragt, wie viele Beamte im Bereich der Ausstiegshilfe für Rechtsextreme arbeiten würden und wie die Tendenz der Ausstiegszahlen sei.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) sagt, er habe dazu keine Zahlen im Kopf.

Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) sagt, es seien bei den polizeilichen Maßnahmen auch Mängel bei der Zuordnung von Strafteten im Bereich rechtsextremer Straftaten festgestellt worden. Er fragt, ob bei Straftaten für die Ermittlungen nicht auch Bezugspunkte zu rechtsextremen Strukturen oder Einstellungen abgewogen werden müssten.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) entgegnet, es würden retrograde bundesweite Überprüfungen auf solche Bezüge statt finden.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob es zu einer Überprüfung der Praxis beim Führen von V-Leuten im LfV gekommen sei, insbesondere aufgrund des Hinweises zum KKK und des Falls "Krokus".
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) antwortet, zu flächendeckenden retrograden Überprüfungen würde es nicht kommen. Wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen würden, dann würde überprüft werden. Es seien sofort Konsequenzen gezogen worden, als klar war, dass es Probleme gegeben habe. Konkrete Fälle könnten allerdings nicht öffentlich besprochen werden und würden ihm auch nicht so relevant erscheinen.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob es über die bestehenden Empfehlungen des Bundestags-Untersuchungs-Ausschusses hinaus Diskussionen über weitere Maßnahmen im Bezug auf die Zusammenarbeit von Polizeidienststellen und dem Verfassungsschutz gegeben habe.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) antwortet, mit dem GETZ seien erste Schritte gemacht worden, man müsse jetzt schauen wie sich das entwickeln würde und ob der Infofluss so sei wie man sich das vorgestellt habe. Das Bundesverfassungsschutzgesetz mache zudem strenge Vorgaben.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob es Überlegungen gebe, wie konkret der rechten Szene begegnet werden könne und wie auf die veränderten Strukturen und Organisationsgrade der Szene reagiert werden könne.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) bittet darum, diese Frage bis zum späteren Beitrag der LfV-Präsidentin Beate Bube aufzuschieben.

Nikolaos Sakellariou (SPD) fragt, ob noch einmal bestätigt werden könne, dass baden-württembergische Behörden nur vom 4. bis zum 11. November 2011 eigene Ermittlungen zum NSU haben machen können?
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) sagt, in dieser kurzen Zeit seien vor allem die Dienstwaffen der in Heilbronn angegriffenen Polizisten im Mittelpunkt der Ermittlungen gestanden. Es habe eine Interimsphase bis April 2012 gegeben, in der die Soko Parkplatz beim BKA fortgeführt worden sei mit BKA-Beamten an der Spitze. Es sei ein schleichender Übergang in die alleinige Zuständigkeit des BKA gewesen.
Nikolaos Sakellariou (SPD) möchte wissen, in wie weit Polizeibeamten im Vergleich zu einem Untersuchungsausschuss in der Kommission angehört werden können oder ob Polizeibeamte auch in einem Untersuchungsausschuss keine Angaben machen könnten, solange ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt laufe.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) sagt, er könne dies im wesentlichen bestätigen, egal wie man es kleide, ob Untersuchungsausschuss oder Enquetekommission, man sei der Abstimmung mit der GBA und dem OLG nie enthoben. Es könne da nur in Nuancen Unterschiede geben.
Nikolaos Sakellariou (SPD) fragt nach der historischen Begründung für das Trennungsprinzip von Geheimdiensten und Polizei.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) führt aus, das Trennungsprinzip von Polizei und Geheimdiensten sei historisch auf die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus zurückzuführen. Der Verfassungsschutz könne in großzügigerem Umfang Informationen erheben als die Polizei, da er keine Exekutivbefugnisse habe. Die Polizei sei hier stark reglementiert. Die Informationsübermittlung sei deshalb eng beschränkt, werde allerdings nach den Erfahrungen mit dem NSU verbessert.

Andreas Glück (FDP/DVP) hat eine Verständnisfrage zu den Paralellermittlungen von EG Umfeld und BKA. Er möchte wissen, wie da der Austausch ausgesehen habe.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) erklärt, die EG Umfeld sei in der ersten Phase in der Obhut des BKA gewesen, sie sei nur wenige Tage selbst zuständig gewesen und danach sei alles über das BKA gelaufen, das LKA habe vom BKA die Akten zur Auswertung und für die Nutzung polizeirechtlicher Ermittlungen bekommen.

Sabine Wölfle (SPD) sagt, der Bundestags-Untersuchungsauschuss zum NSU habe ja Defizite bei der V-Leute-Führung festgestellt. Die V-Leute hätten zum Teil ein Eigenleben in der rechten Szene entwickelt, Bayern habe deshalb z.B. die V-Leute zurückgefahren und setze mehr auf Verdeckte Ermittler. Wölfle fragt, ob dies auch ein Weg für Baden-Württemberg sein könne.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) antwortet, Verdeckte Ermittler seien immer ein Mittel, das aber kompliziert sei. In Baden-Württemberg werde dies nicht gemacht.
Zu den V-Leuten erklärt Schnöckel, dies seien in Baden-Württemberg weder Schwerkriminelle gewesen, noch hätten diese exorbitante Vergütungen bekommen, die in die Szene geflossen seien. V-Leute seien ein vergleichseweise taugliches Instrument, mit dem sich vergleichsweise gute Ergebnisse erzielen generieren ließen.
Er verweist dann wieder auf die noch kommenden Beiträge aus dem LfV im weiteren Verlauf der Sitzung.

Petra Häffner (Bündnis 90/Die Grünen) verweist darauf, dass die Ermittlungen im Fall Kiesewetter nach 2 Jahren von der PD Heilbronn zum LKA übergegangen seien. Sie fragt, ob es üblich sei, dass so ein Zeitraum vergehe bis ein Verfahren ans LKA übergeben werde und welche Gründe für die Übernahme durchs LKA ausschlaggebend gewesen seien.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) erklärt, dass in Sonderkommissionen immer eine Vielzahl von Beamten eingesetzt werde, die dann nicht im Alltagsgeschäft seien. Dies führe nach 2 Jahren in einer Polizeidirektion wie in Heilbronn – aber auch in allen anderen Polizeidirektionen – dazu, dass es erhebliche Belastungen in der Alltagssituation gebe.
Petra Häffner (Bündnis 90/Die Grünen) sagt, ihr reiche das nicht ganz aus, weil 2 Jahre ja eine lange Strecke seien. Sie möchte wissen, warum die Übernahme durchs LKA nicht nach einem Jahr erfolgt sei und ob es noch andere Gründe für die Übernahme durchs LKA gegeben habe.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) sagt, die personelle Belastung sei ein Grund gewesen und nach 2 Jahren hätten die Ermittlungen auch eine neue Richtung bekommen.

Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) sagt, es habe die Anfrage an die GBA gegeben, ob Aussagen von Polizisten hier möglich gemacht werden könnten. Er möchte wissen, ob es da Signale oder Aussagen von der GBA geben würde. Die Prüfung sei ja noch offen, da noch ein Gutachten dazu erstellt würde.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) entgegnet, sie hätten den Beschluss der Enquetekommission zum Maßstab genommen und Ermittlungsberichte ersucht, die beim BKA/OLG sind. Sie hätten angefragt, ob diese Berichte für die Enquete zugänglich gemacht werden können, sie hätten nicht im Hinblick auf konkrete Aussagen angefragt.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) wiederholt die Aussage, dass in Baden-Württemberg keine Verdeckten Ermittler eingesetzt würden. Er fragt, ob das auch für den Berichts-Zeitraum ab 1991 gelten würde oder ob es Verdeckte Ermittler in der rechtsextremen Szene in Baden-Württemberg gegeben habe.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) sagt, er könne dies nicht beantworten.

Annika Bohn (externes Mitglied) äußert sich zum Fall F.H. Sie fragt, in wieweit Maßnahmen getätigt wurden zum Begriff NSS bzw. zur Entdeckung eines NSS.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) antwortet, es habe Abfragen bundesweit gegeben, keiner Sicherheitsbehörde sei der Begriff NSS bekannt gewesen.
Annika Bohn (externes Mitglied) möchte wissen, welche konkreten Schritte gemacht worden seien, um eine Struktur NSS frühzeitig erkennen zu können, da dies beim NSU ja nicht geglückt sei.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) sagt, der Begriff NSS sei im Staatsschutz hinterlegt für den Fall, dass er irgendwo auftauche.

Anton Maegerle (externes Mitglied) fragt, ob es Waffenfunde bei F.H. gegeben habe und wenn ja, ob diese Personen zugeordnet werden konnten.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) sagt, dies entziehe sich seiner Kenntnis und man müsse dies auch mit der Staatsanwaltschaft abstimmen.
Anton Maegerle (externes Mitglied) fragt nach dem rechtsmedizinischen Gutachten im Fall F.H., ob es Knochenbrüche bei F.H. gegeben habe.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) antwortet, aus seiner Sicht seien dies Detailfragen, die nicht mit der Stuttgarter Staatsanwaltschaft abgestimmt worden seien, dies würde zu sehr ins Detail gehen.

Alexander Salomon (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, wie Informationen von Informanten der Polizei, die auf terroristische Zellen hinweisen, bei der Polizei zusammenfließen würden und ob es zum NSU eine Zusammenfassung der V-Leute geben würde.
Hartmut Keil (Landespolizeipräsidium) äußert, dies sei ein hochsensibler Bereich, keine der im Zusammenhang mit dem NSU genannten Personen sei in Baden-Württemberg als V-Person geführt worden, Abfragen seien erfolgt, hätten aber keine Ergebnisse erbracht.

Annika Bohn (externes Mitglied) weist auf die 32 bekannt gewordenen Vorfälle mit rechtsextremen Tendenzen bei der Polizei Baden-Württemberg hin und fragt, warum diese Verfahren eingestellt worden seien.
Dr. Stefan Schnöckel (LfV) schiebt diese Frage auf und möchte sie dem Leitenden Kriminaldirektor beim LKA, Martin Schatz, überlassen, der später zu Wort komme.

5. Strukturen der rechtsextremistischen Szene

Die Präsidentin des LfV Baden-Württemberg, Beate Bube, beginnt mit einigen Vorbemerkungen. Sie führt aus, dass das Thema V-Leute in nicht-öffentlicher Sitzung vertieft werden solle.
Gerade die Frage "Verdeckte Ermittler – ja oder nein?" und die Frage der Kontrollmechanismen solle in nicht-öffentlicher Sitzung erörtert werden. Aktuell würde keine Verfassungsschutz-Behörde Verdeckte Ermittler führen.
Der Bereich Rechtsextremismus sei im LfV mit 9 Stellen aus anderen Bereichen verstärkt worden, es sei eine Umverteilung aus allen anderen Bereichen vollzogen worden.

Beate Bube stellt dann quantitative Aspekte des Berichtes über die Entwicklung des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg vor. Insgesamt habe man es mit einem drastischen Rückgang des Rechtsextremismus zu tun, allerdings bleibe der harte Kern der Rechtsextremisten bestehen.
Im Jahr 1991 habe das LfV 4.875 Personen als Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen eingeordnet, bundesweit seien 1991 39.800 deutsche Rechtsextremisten gezählt worden.
Im Jahr 2013 seien bundesweit 21.700 Rechtsextremisten gezählt worden, davon etwa 1.800 in Baden-Württemberg.
Im Vergleich bedeute das einen Rückgang um die Hälfte im Bund und um annährend zwei Drittel im Land. Ziehe man zum Vergleich das Jahr 1993 heran (dem Jahr, in dem im Land und im Bund die höchste Zahl von Rechtsextremisten registriert worden sei), würden die Rückgänge noch drastischer ausfallen: im Bund sei das rechtsextremistische Personenpotenzial innerhalb von 20 Jahren um knapp zwei Drittel und im Land um fast drei Viertel geschrumpft.
Dies hänge auch mit einem Rückgang des rechtsextremistischen Parteienspektrums zusammen (Ende der Beobachtung der "Republikaner" (REP) im Jahr 2010, Ende der "Deutschen Volksunion")
Allerdings sei trotz rückläufiger Zahlen in Baden-Württemberg weiterhin ein Kern rechtsextremistischer Personen mit hoher Extremismusintensität und Gewaltorientierung aktiv.

Anschließend geht es um die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten.
Seit 2001 erfasse die Polizei mit Hilfe eines modifizierten Definitionssystems "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK), also alle politisch motivierten Straf- und Gewalttaten.
Die Straftaten mit extremistischem, also verfassungsfeindlichen Hintergrund seien nur ein Teil davon, der aber im Bereich der rechtsextremistischen Gewalttaten mehr als 90 Prozent ausmache. Zu diesen Taten zählten Tötungsdelikte, versuchte Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Landfriedensbruch usw.
Aufgrund dieses neuen Definitionssystems sei ein direkter Vergleich der vor 2001 erhobenen Zahlen mit späteren Zahlen schwierig. Insgesamt ergebe sich bundesweit und im Land ein Bild einer wellenartigen, von Schwankungen gekennzeichneten Entwicklung mit 6 Phasen:

1. Anfang der 1990er Jahre
Explosionsartiger Anstieg der rechtsextremistischen Gewalttaten, Negativ-Höhepunkt sei 1992 erreicht worden mit 129 Gewalttaten in Baden-Württemberg und 1.485 Gewalttaten bundesweit.
Bube erwähnt die Anschläge und Ausschreitungen in Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen, aber auch die Ausschreitungen im Mai 1992 gegen ein Ayslbewerberheim in Mannheim. Bube erinnert außerdem an einen Überfall auf MigrantInnen in Ostfildern-Kemnat (Kreis Esslingen), bei dem ein Kosovo-Albaner ermordet  wurde.

2. Mitte der 1990er Jahre
Beruhigung der Situation, bis 1995 sei die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten in Baden-Württemberg auf 28 und damit auf den niedrigsten je festgestellten Wert gesunken (bundesweit 612 Taten). Gründe hierfür seien der massive Verfolgungsdruck, die konsequente Strafverfolgung und die Verbote von neonazistischen Organisationen gewesen, aber auch die geringere Anzahl von Asylsuchenden und die breite gesellschaftliche Ächtung von Gewalt gegen MigrantInnen.

3. Jahrtausendwende
Fast kontinuierliche Verschärfung der Situation, im Jahr 2000 107 rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten in Baden-Württemberg und 998 bundesweit. Bube erinnert an den vermeintlich rechtsextremistischen Sprengstoffanschlag an einem S-Bahnhof in Düsseldorf am 27. Juli 2000, der wie ein Fanal gewirkt habe. Es sei zu zahlreichen Nachahmungstaten gekommen, auch das Wiedererstarken der Neonaziszene habe eine Rolle gespielt.

4. Jahr 2001
Vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 habe sich die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten nehezu halbiert auf 55 in Baden-Württemberg und 709 bundesweit. Gründe seien der hohe staatliche Kontroll- und Verfolgungsdruck und die im Jahr 2000 von Bund und Ländern beschlossenen umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gewesen (Aussteigerprogramme, Intensivierung der Kriminalprävention, Aufklärung, Jugendsozialarbeit, Öffentlichkeitsarbeit).

5. Jahre 20002 bis 2006
Anstieg auf 99 Gewallttaten im Jahr 2006 in Baden-Württemberg (bundesweit 1.047). Zunahme der Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Links- und Rechtsextremisten und Zunahme neonazistischer Demonstrationen, generell ansteigende Gewaltbereitschaft von Neonazis und Skinheads.

6. Entwicklung der letzten Jahre
Insgesamt sei die Entwicklung der letzten Jahre positiv zu bewerten, die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten habe fast kontinuierlich abgenommen auf 35 im Jahr 2013 in Baden-Württemberg. Dies sei der niedrigste Wert seit 1995. Der Rückgang sei in Baden-Württemberg deutlicher ausgefallen als bundesweit.

Den qualitativen Teil der Entwicklungen des Rechtsextremismus stellt Frank Dittrich vom LfV vor.
Insgesamt sei die Szene uneinheitlich und komplex. Man versuche zwar, die Szene in idealtypische "Schubladen" zu unterteilen, insgesamt habe man es beim Rechtsextremismus mit einem Netzwerk mit vielen Überschneidungen und Verbindungen zu tun.
Gleichzeitig sei die rechtsextremistische Szene bundesweit und in Baden-Württemberg zerstritten und zersplittert. Dittrich erwähnt in diesem Zusammenhang die Zersplitterung des rechtsextremistischen Parteienspektrums, die sich auch in jüngster Zeit wieder zeige ("Die Rechte", "Der Dritte Weg").
Ein genauerer, differenzierender Blick auf den Rechtsextremismus relativiere auf der qualitativen Ebene die positive Entwicklung auf der quantitativen Ebene.
Die Szene sei zwar personell kleiner geworden, aber im Durchschnitt auch jünger, aktiver und extremismusintensiver. Es seien eher die lebensälteren, passiveren und weniger extremismusintensiven Segmente verschwunden – die "weichen" Ränder seien weg geschmolzen und der "harte Kern" sei übrig geblieben und phasenweise entgegen der Gesamttendenz gewachsen.

Dittrich unterscheidet verschiedene Spektren der rechtsextremistischen Szene:

Subkulturelle Skinheadszene: habe sich seit 1991 von einer Randerscheinung zu einem wesentlichen Faktor der rechtsextremistischen Szene entwickelt, gegen Ende der 1990er Jahre habe es einen regelrechten Boom gegeben mit einer Hochphase im Jahr 2005, seit 2005 sei die rechtsextremistische Skinheadszene allerdings in einer Krise, dieser Erosionsprozess halte bis heute an. Im Jahr 2013 habe es in Baden-Württemberg noch etwa 400 rechtsextremistische Skinheads in Baden-Württemberg gegeben, dies sei ein Fünftel des gesamten rechtsextremistischen Personenpotenzials.

Neonazismus: dieser mache ein Viertel der rechtsextremistischen Szene aus und sei eng am historischen Nationalsozialismus orientiert, die Neonaziszene sei eine ideologisch besonders "harte" Variante des Rechtsextremismus mit hoher Extremismusintensität, die Aktivisten seien in der Regel jünger, dieser härteste Teil des Rechtsextremismus sei vom quantitativen Schrumpfungsprozess nicht betroffen und heute größer als in den 1990er Jahren.
Im Jahr 1993 habe es in Baden-Württemberg ca. 255 Neonazis gegeben, im Jahr 2013 seien es ca. 410 Neonazis gewesen, in den Jahren 2003 bis 2011 habe sich die personelle Entwicklung der Neonaziszene von der Entwicklung der gesamten rechtsextremistischen Szene entkoppelt und sei in entgegengesetzter Richtung verlaufen, ein Grund dafür sei das Auftreten der "Autonomen Nationalisten" (AN) ab 2003. Diese seien attraktiver für junge Leute im Gegensatz zur überalterten Skinheadszene. In Baden-Württemberg gebe es derzeit etwa 179 AN.
Erst nach 2011 habe die Neonaziszene Angehörige eingebüßt.

Rechtsextremistisches Parteienspektrum:

"Republikaner" (REP): seien ab Dezember 1992 durch Verfassungsschutzbehörden beobachtet worden, die höchste Zahl von erfassten Rechtsextremisten im Jahr 1993 sei fast ausschließlich darauf zurück zu führen gewesen, dass die REP-Mitglieder in die Statistik einbezogen worden seien, der Niedergang der REP und das Ende ihrer Überwachung 2010 hätten großen Anteil daran, dass Anzahl baden-württembergischer und deutscher Rechtsextremisten so weit unter den Vergleichswerten des Jahres 1993 liegen würde. Baden-Württemberg sei parlamentarisch eine Hochburg der REP gewesen (1991 bis 2001 im Landtag), die REP hätten eine eher geringe Extremismusintensität aufgewiesen, der Niedergang der REP habe deshalb den harten Kern der rechtsextremistischen Szene nicht betroffen

"Deutsche Volksunion" (DVU): sei mittlerweile mit der NPD vollständig fusioniert, sei vor allem durch ihren Bundesvorsitzenden Gerhard Frey finanziert und dominiert worden, sei als Wahlpartei erfolgreich gewesen und habe einen hohen Mitgliederstand gehabt. Der baden-württembergische Landesverband habe zu den unbedeutenderen und inaktiveren gezählt

"Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD): sei die mitgliederstärkste und einzige bundesweit bedeutende Partei trotz der aktuellen Niederlagen bei den Landtagswahlen, nach 1996 habe die NPD einen "zweiten Frühling" erlebt und bis zum Jahr 2007 bundesweit etwa 7.200 Mitglieder sammeln können, seitdem seien die Zahlen wieder rückläufig. Die Verfassungsfeindlichkeit der NPD stehe außer Frage, die Ausrichtung sei rechtsextremistisch und in Teilen neonazistisch, die NPD übe den Schulterschluss mit Neonazis und sei eine Partei mit hoher Extremismusintensität.
Der Landesverband der NPD in Baden-Württemberg sei von untergeordneter Bedeutung, weise aber eine Besonderheit auf, und zwar zähle der Landesverband der NPD- Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) zu den stärksten JN-Landesverbänden, im Jahr 2013 hätte ein Fünftel der bundesweit ca.380 JN-Mitglieder in Baden-Württemberg gelebt, in früheren Jahren sei dieser Anteil noch größer gewesen

"Die Rechte" und "Der Dritte Weg": Dittrich erwähnt die beiden noch jungen Parteien. Anfang August 2013 sei in Karlsruhe der Landesverband Baden-Württemberg von "Die Rechte" gegründet worden, dessen Personenpotenzial sich nach eigenen Angaben auf 73 Personen belaufe.
Der "Dritte Weg" sei im September 2013 in Heidelberg gegründet worden und habe bundesweit weniger als 100 Mitglieder, in Baden-Württemberg existiere trotz der Gründung in Heidelberg bisher kein Stützpunkt der Partei.

Im Bezug auf Schwerpunkte des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg sei es sinnvoll, von günstigen "Gelegenheitsstrukturen" statt von "Hochburgen" zu sprechen. Die Entstehung solcher "Gelegenheitsstrukturen" sei oftmals Zufällen geschuldet, an einzelne Personen gebunden und sehr flüchtig.
Als Beispiele werden die ca. 10 Demonstrationen von Neonazis in Schwäbisch Hall von 2003 bis 2005 und die 3 Demonstrationen in Heilbronn im Jahr 2005 genannt.
Diese Aktionen seien im Wesentlichen auf den Aktionismus eines einzelnen Neonazis und seiner Kleinstorganisationen zurückzuführen. Dieser Neonazi habe aber weder in Schwäbisch Hall, noch in Heilbronn gelebt, sondern sich diese Städte gezielt ausgesucht.

Als weiteres Beispiel nennt Dittrich den Fakt, dass im Jahr 2005 die bislang höchste Zahl von rechtsextremistischen Skinheadkonzerten in Baden-Würrtemberg zu verzeichnen gewesen sei. Dies sei auf eine Sonderkonstellation in Mannheim-Rheinau zurückzuführen. Dort hätte fast ein Drittel dieser Konzerte in einem Clubhaus der Rockergruppe "Bandidos" statt gefunden, wobei vorrangig kommerzielle Interessen im Vordergrund gestanden hätten.

Als drittes Beispiel werden die rechtsextremistischen Skinheadkonzerte in einer Gaststätte in Rheinmünster-Söllingen im Kreis Rastatt genannt. Die Gaststätte sei von Anfang des Jahres 2010 bis Juni 2011 von einem Rechtsextremisten angemietet worden. In dieser Zeit hätte dort die Hälfte aller rechtsextremistischen Skinheadkonzerte in Baden-Württemberg statt gefunden.
Zwischen Juni und November 2013 hätten in der Gaststätte wieder solche Konzerte statt gefunden, die aufgrund der Planungssicherheit für die Szene überdurchschnittlich gut besucht gewesen seien. Zum 1. Januar 2014 habe der Landkreis Rastatt die Gaststätte gepachtet und damit die Durchführung weiterer rechtsextremistischer Konzerte verhindert.

Zum Thema Rechtsterrorismus wird festgehalten, dass das Interesse an Waffen der rechtsextremistischen Szene immanent sei.
Immer wieder komme es zu Versuchen, legal oder illegal an Waffen zu gelangen. Rechsterrorismus stehe als Sammelbezeichnung für gewaltgeneigte Gruppen, die auf der ideologischen Basis von Nationalismus und Rassismus Anschläge insbesondere gegen Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten durchführten.
Schon lange vor Bekanntwerden des NSU sei es bundesweit und in Baden-Württemberg wiederholt zu Rechtsterrorismus gekommen, erwähnt werden die "Deutschen Aktionsgruppen" mit Anschlägen 1980 in Esslingen, Ostfildern, Leinfelden und Lörrach, die "Wehrsportgruppe Hoffmann" mit dem Münchner Oktoberfest-Attentat und die "Hepp-Kexel-Gruppe".
Die Serien-Morde des NSU stünden für eine neue Dimension des Rechtsterrorismus, weil hier systematisch vorbereitete Morde durchgeführt worden seien.

Seit den Anschlägen von Anders Breivik in Norwegen im Juli 2011 sei auch in Baden-Württemberg ein Anwachsen islamkritischer bzw. Islamfeindlicher Reaktionen festzustellen. Erwähnt wird die Internetseite "Politically Incorrect" oder Gruppen wie die "Identitäre Bewegung" oder die "German Defence League".

Zur rechtsextremistischen Einflussnahme auf die Hooligan-Szene sei zu sagen, dass aktuell nicht von einer strukturellen Zusammenarbeit der Szenen in Baden-Württemberg ausgegangen werden kann und auch keine nachhaltige Politisierung der Hooligan-Szene ersichtlich sei.
Eine punktuelle Zusammenarbeit habe sich allerdings z.B. am 23. März 2014 bei einer Veranstaltung des Salafisten Pierre Vogel in Mannheim gezeigt.

Auch eine strukturelle Zusammenarbeit zwischen rechtsextremistischer Szene und der Rocker-Szene sei nicht festzustellen. Anlassbezogene Kooperationen auf Basis persönlicher Kennverhältnisse seien bekannt geworden, hierbei habe aber das monetäre Interesse der Rockergruppen im Vordergrund gestanden (Verpachtung von Clubheimen für Konzerte).
Vereinzelt seien Rechtsextremisten in Rockergruppierungen eingetreten, deren Engagement in der rechtsextremistischen Szene habe dann aber abgenommen ("Szene-Wechsel").

Auch eine gezielte Einflussnahme von Rechtsextremisten auf Burschenschaften sei bisher nicht festgestellt worden. Eine Beobachtung einer in Baden-Württemberg ansässigen Burschenschaft erfolge durch das LfV nicht.
Anlassbezogen und in regelmäßigen Abständen würde geprüft, ob Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen bei Burschenschaften in Baden-Württemberg vorliegen würden. Dazu erfolge ein Informationsabgleich und Informationsaustausch mit dem BfV.

Als rechtsextremistischer Verlag wird der "Grabert Verlag" und seine Tochterunternehmen wie der "Hohenrain Verlag" erwähnt. Seit dem Jahr 2013 seien die Verlage "Grabert Verlag" und "Hohenrain Verlag" zusammengeführt unter dem Namen "Hohenrain Verlag".

Trotz der bereits erwähnten Zersplitterung und teilweise Zerstrittenheit der heterogenen rechtsextremistischen Szene handle es sich bei dieser um ein Netzwerk bzw. ein Bündel von ineinandergreifenden Netzwerken mit vielfältigen Verbindungen und Überschneidungen.
Durch diesen Befund werde die idealtypische Gliederung der Szene in verschiedene Kategorien (Neonazis, subkulturelle Skinheads, Parteienbereich usw.) relativiert, in der Realität seien diese Teilsegmente eng miteinander verzahnt und es gebe beträchtliche Schnittmengen.
Als Beispiele für diese Vernetzungen werden genannt:

- Vernetzung subkultureller Rechtsextremisten mit Neonazis: Rechtsextremistische Skinheadbands würden immer wieder neonazistische Liedtexte verfassen und veröffentlichen.
Als Beispiel werden die Bands "White Voice" aus Villingen-Schwenningen und "Race War" aus dem Ostalbkreis genannt. Auch würden immer wieder Neonazis rechtsextremistische Skinheadkonzerte veranstalten, z.B. in den Jahren 2010 und 2011 in Rheinmünster-Söllingen (Kreis Rastatt) wiederholt die neonazistischen "Nationalen Sozialisten Rastatt".

- Vernetzung rechtsextremistischer Parteien mit Neonazis: Die Partei sei aufgrund ihres ideologischen Profils seit vielen Jahren selbst in Teilen als neonazistisch zu bezeichnen. Außerdem bemühe sich die NPD um einen Schulterschluss mit der Neonaziszene. Dittrich erwähnt hier die sogenannte "Volksfront"-Strategie der NPD seit 2004. Dabei seien Neonazis nicht nur als Parteimitglieder, sondern auch in hohe Parteiämter aufgenommen worden.
Erwähnt werden für Baden-Württemberg Aussagen des NPD-Landesvorsitzenden Alexander Neidlein und der "Ring Nationaler Frauen" (RNF)-Vorsitzenden Edda Schmidt. Im Bundestagswahlkampf 2013 sei die NPD außerdem wiederholt von Neonazis unterstützt worden.
Auch an der Kampagne "Die Unsterblichen" hätten sich zumindest vereinzelt Neonazis und JN-Vertreter gemeinsam beteiligt.
Außerdem verweist Dittrich auf Großveranstaltungen wie die neonazistische Großdemonstration in Heilbronn am 1. Mai 2011 mit rund 750 Teilnehmern, bei denen tatkräftig zwischen NPD/JN und Neonaziszene kooperiert werde.

- Vernetzung mit Rechtsextremisten im und aus dem Ausland: Kontakte und Kooperationen mit rechtsextremistischen Gesinnungsgenossen seien längst gängig. Erwähnt werden die Auftritte der Band "Noie Werte" 2006 und 2009 in Italien, der Band "Ultima Ratio" 2004 in Großbritannien und die Auftritte von Rednern aus der Schweiz und aus Griechenland bei der Demonstration der "Autonomen Nationalisten" in Göppingen am 12. Oktober 2013.

Es folgt eine Fragerunde der Enquete-Kommission an Frank Dittrich und Beate Bube.

Matthias Pröfrock (CDU) sagt, das rechtsextremistische Personenpotenzial werde ja an Mitgliedschaften gemessen. Dies führe auch zu Unschärfen. Er fragt, in wie weit Einzelpersonen beachtet werden können und wie das LfV auf die Personenzahlen kommen würde.
Beate Bube (Präsidentin LfV) antwortet, hierbei sei nach Organisationsgrad zu unterscheiden. Die Parteien würden z.B. Selbstbekundungen über ihre Mitgliedschaften machen und es gebe nachrichtendienstliche Maßnahmen zur Überprüfung dieser Zahlen.
In der Neonaziszene und Skinheadszene würden die Erkenntnisquellen der nachrichtendienstlichen Arbeit und Informationen der Polizei für ein Gesamtbild sorgen. Bube: "Wir müssen uns stützen auf die Personen, die tatsächlich in einem erfassbaren Zeitraum auch entsprechende Aktivitäten betreiben, wir dürfen nicht auf Phantasiezahlen ausweichen, so dass wir immer dazu sagen müssen, dass es ein Blindfeld gibt".
Matthias Pröfrock (CDU) erwähnt, dass die Zahlen rechtsextremistischer Gewalttaten seit 2007 rückläufig seien und möchte wissen, welche Ursachen dies habe und warum in Baden-Württemberg eine bessere Entwicklung zu sehen sei als bundesweit.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, es habe 2005/2006 ein hohes Demonstrationsaufkommen und einen Anstieg der Taten gegeben mit einer Beruhigung ab 2007. Dies falle bei der Auswertung auf. Zudem sei zu sagen, dass die neuen Bundesländer immer im oberen Feld bei den rechtsextremistischen Aktivitäten wären.
Matthias Pröfrock (CDU) fragt nach einem Vergleich der Entwicklung rechtsextremistischer Straftaten und linksextremistischer Straftaten.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, sie habe dazu heute keine Unterlagen dabei. Aus der Erinnerung könne sie sagen, dass in den letzten Jahren die Zahlen im Bereich links ein Stück weit höher gewesen seien mit teils hohen Ausschlägen. "Aber lassen sie mich nicht lügen. Wir lagen auf jeden Fall über den rechtsextremistischen Gewalttaten, wobei das keine qualitative Betrachtung darstellt."
Matthias Pröfrock (CDU) kündigt an, das in einer der zukünftigen Sitzungen vertiefen zu wollen. Er verweist auf die verstärkten Aktivitäten der "Autonomen Nationalisten" (AN) mit Anleihen an die Linksextremisten. Er fragt, in wie weit Erfahrungen aus dem Bereich Linksextremismus hilfreich seien bei der Bewertung der weiteren Entwicklung der AN.
Frank Dittrich (LfV) antwortet, er könne sich schwer vorstellen, dass die AN von der Bildfläche verschwinden würden, sie seien als Teil der Neonaziszene etabliert mit mehr Akzeptanz als noch 2003 oder 2004.
Im Bereich Neonazismus gebe es immer wieder Bemühungen modernere Erscheinungsformen zu nutzen (z.B. "Die Unsterblichen", Flashmobs), man könne hier keine Entwarnung geben. Die Anleihen an den Linksextremismus seien bemerkenswert, aber das zeige insoweit die Flexibilität die erreicht wurde um den bestmöglichen Weg zu wählen, um seine Ideologie umzusetzen. Und das sei dann eben auch der Schwarze Block. Wenn beide Seiten dann gegen den Kapitalismus wettern würden, sei eine Unterscheidung in Linksextremisten und Rechtsextremisten nicht einfach.
Matthias Pröfrock (CDU) sagt: "Vielen Dank, dass Sie uns die Parallelen aufgezeigt haben." Pröfrock erwähnt die Überalterung in der Skinheadszene und fragt, ob es andere subkulturelle Bereiche gebe?
Frank Dittrich (LfV) sagt, dass die rechtsextremistischen Skinheads Teil der rechtsextremistischen Szene seien. Andere Subkulturen seien nicht die Aufgabe des LfV.
Matthias Pröfrock (CDU) möchte wissen, ob es in Baden-Württemberg Anhalte dafür gebe, dass Rechtsextremisten versuchen würden, gesellschaftliche Strukturen zu unterwandern, also z.B. Feuerwehr, Vereine etc.
Frank Dittrich (LfV) entgegnet, dass das LfV natürlich versuchen würde, da zu schauen. Was sie primär im Blick hätten, sei der Einfluss von Rechtsextremisten auf die Rockergruppen, die Burschenschaften und bei den Hooligans. Anhaltspunkte für gezielte Vereinsunterwanderungen seien ihm aus den letzten Jahren keine erinnerlich.
Matthias Pröfrock (CDU) bedankt sich. Er fragt zur Einflussnahme auf die Hooliganszene.
Seiner Meinung nach sei diese eher am Absterben und die Ultra-Szene sei stärker. Er will wissen, ob es da Hinweise gibt auf die Ultraszene.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, es gebe da keine flächendeckende Strategie, man bewege sich da im unteren Bereich aber dies sei sehr personenabhängig. In Einzelfällen gebe es ein Zusammenwirken der Szenen z.B. bei Demogeschehen wie im Mai in Mannheim (Hooligans und Rechtsextremisten gemeinsam). Hier werde vom LfV und vom BfV genau hin geschaut und sie seien hier auf den Datenabgleich mit der Polizei angewiesen.
Matthias Pröfrock (CDU) bedankt sich. Er fragt, in wie weit es Erkenntnisse über Überschneidungen zwischen rechtsextremistischer Szene und der Organisierten Kriminalität gebe.
Frank Dittrich (LfV) antwortet, ihm seien insoweit keine entsprechenden Hinweise bekannt, er könne ihm damit nicht dienen.
Matthias Pröfrock (CDU) möchte alle Arbeitsbereiche wissen, aus denen die 9 neuen Stellen im Bereich Rechtsextremismus kamen und ob das den Phänomenen in den anderen Bereichen beim LfV entspreche.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, alle Bereiche des Hauses seien betroffen davon. Es habe nirgends die Situation gegeben, dass man es gut vertreten habe können. Deshalb sei es paritätisch und so schonend wie möglich auf alle Bereiche verteilt worden.

Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) möchte wissen, ob es ein Abwandern von Rechtsextremisten in Organisationen gebe, die noch gar nicht vom LfV erfasst seien, z.B. "Identitäre Bewegung".
Außerdem fragt er nach den neuen Kommunikationswegen, ob diese zu einer engeren Verschränkung bei Abnahme des formalen Organisationsgrades bei den Rechtsextremisten geführt hätten.
Beate Bube (Präsidentin LfV) antwortet, das LfV würde Personen erfassen, die zu den einzelnen Strukturen gerechnet werden könnten. Darüber hinaus gebe es "Grenzbereiche", die sogenannten "Prüffälle". Dazu gehöre die islamfeindliche Szene, die Rockerszene, die Hooliganszene. Hier sei eine Erfassung so noch nicht möglich, wenn dort "alte Bekannte" auftauchen würden, habe man aber ein Auge darauf.
Für die Kommunikationswege sei die Internetbearbeitung des LfV zuständig, das sei eine Sisyphos-Arbeit.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt nach Kontakten des norwegischen Attentäter Breivig und welche Maßnahmen diesbezüglich eingeleitet worden seien.
Beate Bube (Präsidentin LfV) antwortet, der Fall Breivig sei ein massiver Anstoß gewesen, die islamfeindliche Szene intensiver in den Blick zu nehmen. Das Phänomen von Internetaktivisten, die vorher nicht bekannt gewesen seien, kenne das LfV. Die Internetbearbeitung spiele eine große Rolle. Es gebe in diesem Bereich große Gefahren.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt nach einer Arbeitsteilung des LfV mit anderen Strukturen in diesem Bereich.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, wenn es um Straftaten gehen würde, gehe dies unmittelbar an die Polizei und auf Bund-Länder-Ebene sei dies ein großes Thema im GETZ.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) möchte wissen, ob Islamfeinde in einer Statistik erfasst werden.
Beate Bube (Präsidentin LfV) verneint dies, weil sie nicht einer festen Struktur zuzuordnen seien.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, was denn eine feste Struktur sei.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, wenn es zum Beispiel in Baden-Württemberg bei "Politically Incorrect" (PI) Ortsgruppen gibt, dann müssten diese natürlich erfasst werden.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, wie die rückläufigen Zahlen in der Skinheadszene zu bewerten seien und was aus diesen Personen werden würde, die aus der Szene gehen.
Frank Dittrich (LfV) antwortet, die Ursachen für die personellen Einbußen der Skins seien die Überalterung und dass die Szene damit kämpfe, als Erscheinungsform überholt zu sein. Die Skinheadszene sei weniger attraktiv, weniger modern und im Moment sei der Neonazismus attraktiver für junge Leute. Er glaube nicht, dass es massive Wanderungen von den Skinheads in die Parteien gebe, weil Skins eher parteifeindlich seien.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt nach den Abwanderungspotenzialen bei den Kameradschaften.
Frank Dittrich (LfV) sagt, Einzelne seien sicherlich in neue Gruppierungen übergegangen und ein harter Kern sei geblieben, aber es gebe da unterschiedliche Entwicklungen z.B. auch ein Herauswachsen aus der Szene (zum Beispiel sei dies bei der ältesten Kameradschaft der BRD, der "Kameradschaft Rastatt" der Fall).
Beate Bube (Präsidentin LfV) ergänzt, sie würden mit Interesse auf Entwicklungen in anderen Bundesländern schauen.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt nach der Gewaltbereitschaft der rechtsextremistischen Szene insbesondere der Subkultur. Er möchte wissen, ob es Waffenfunde oder Waffenbeschlagnahmungen gegeben habe.
Frank Dittrich (LfV) sagt, Waffenfunde seien soweit er es überblicken könne primär Fälle weniger in der Skinheadszene, sondern eher im neonazistischen Spektrum. Er erwähnt den Fall "Standarte Württemberg" 2011.
Dies sei nichts Typisches für die Skinheadszene, die eher spontane Gewalttaten begehen würde, systematische Straftaten seien eher im neonazistischen Spektrum zu finden.
Beate Bube (Präsidentin LfV): "Das ist das, was man ad hoc dazu sagen kann."
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) erwähnt NSU-Kontakte nach Baden-Württemberg und in die Skinheadszene in Stuttgart ohne konkrete Personen zu nennen. Er fragt, ob es für diese Personen Erkenntnisse mit Waffen oder Gewalttaten geben würde und ob man das Gefahrenpotenzial nicht unterschätzt habe. Er verweist auf klandestine Methoden von "Blood and Honour" (B&H) und beträchtliche Geldsummen.
Frank Dittrich (LfV) sagt, B&H sei bereits vor dem Verbot Beobachtungsschwerpunkt seit Anfang der 1990er Jahre gewesen. Es seien auch Infos vom LfV ins bundesweite Verbotsverfahren gegen B&H geflossen. Zum Teil hätten G10- Maßnahmen auch zu Verurteilungen von B&H-Aktivisten geführt.
Er erwähnt "Furchtlos und Treu" (F&T) mit deren "etwas eigener Zielsetzung", auch F&T sei Bearbeitungsschwerpunkt gewesen und sei mit ND-Maßnahmen überzogen worden.
Trotzdem habe es diese Kontakte zum NSU gegeben, die den Sicherheitsbehörden verborgen geblieben seien. Aber es sei auch schwierig, wenn rechtsextremistische Terroristen in Ostdeutschland Banküberfälle und Tötungsdelikte begehen würden, aber ansonsten in unserem Bundesland öffentlich nicht aufgefallen seien. Man dürfe daraus nicht messerscharf den Schluss ziehen, man habe die Szene nicht im Auge gehabt. Hier hätten keine V-Leute auf dem Sofa gesessen.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt nach Erkenntnissen zum Waffenbesitz dieser Personen.
Beate Bube (Präsidentin LfV) entgegnet, da müsse man genauer fragen, sie könne das so aus dem Stehgreif nicht beantworten.

Nikolaos Sakellariou (SPD) sagt, die Szene sei jünger und brutaler geworden und fragt, ob dieser Trend spezifisch für Baden-Württemberg oder bundesweit sei.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, in der Form sei dies auch bundeswit erkennbar, bei den Gewalttaten sei man aber landesweit besser als bundesweit.
Nikolaos Sakellariou (SPD) sagt, im Bericht sei die Verkleinerung der Szene Anfang der 1990er Jahre mit konsequenter Strafverfolgung begründet worden, dies habe aber nur die Ränder wegbrechen lassen und den Kern radikalisiert.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, Verfolgungsdruck könne zu einem Rückgang der Straftaten führen, aber eventuell würde sich die gewaltbereite Szene dann auch einfach etwas zurück halten um dann wieder tätig zu werden (siehe NSU), man müsse trennen zwischen Gewaltpotential und den tatsächlichen Gewalttaten.
Nikolaos Sakellariou (SPD) sagt, die Zerstrittenheit der Szene sei deren einziger erkennbarer Schwachpunkt. Er fragt, wer mit wem in welcher Intensität streite.
Frank Dittrich (LfV) antwortet, diese Zerstrittenheit könne ideologisch oder persönlich begründet sein z.B. in der NPD bei der Frage welcher Kurs vor dem drohenden Verbot einzuschlagen sei oder bei der Frage nach der Einbindung gewaltbereiter Bereiche in die Partei.
Aber auch sonst gebe es zum Teil Verwerfungen und rigorose Abgrenzungen, z.B. würden sich die "Hammerskins" in großem Maße von der Szene distanzieren, weil sie sich als Elite sehen würden oder die NPD würde sich von den AN distanzieren wegen Wahlerfolgen. Die Szene sei sehr heterogen, Versuche, eine vereinte Rechte zu schaffen, seien immer wieder in den Köpfen da, aber immer wieder gescheitert an der Frage nach dem gemeinsamen Weg.

Andreas Glück (FDP/DVP) sagt, er könne sich die kleine Freude nicht verhehlen, dass gerade die Grünen Fragen zum Verfassungsschutz stellen würden. Dies könne man ja mal im Integrationsausschuss hören.
Er will dann wissen, wie das LfV zu den Zahlen komme, also z.B. "610 Gewalttaten". Ob dies Einzelfallerhebungen oder Messungen seien. Außerdem möche er wissen, ob die Definition von Rechtsextremismus über die Jahre gleich geblieben sei oder sich geändert habe.
Beate Bube (Präsidentin LfV) antwortet, es habe die Veränderung gegeben, dass die AN jetzt zu den gewaltbereiten Rechtsextremisten gezählt werden (dies werde im Verfassungsschutzverbund abgestimmt). Ansonsten würde das LfV auf das Infosystem NADIS rekurrieren und keine Phantasiezahlen verwenden, sondern das eingespeicherte Personenpotenzial.
Andreas Glück (FDP/DVP) fragt nach der Rolle der Frauen in der rechtsextremistischen Szene und nach Zahlen dazu.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, dazu seien Landtagsanfragen gelaufen, es seien um die 18 % Frauen, Frauen hätten eine nachgeordnete Rolle in der Szene, es gebe aber einige namhafte Protagonistinnen in Baden-Württemberg. Als Beispiel führt sie Edda Schmidt  vom RNF an.
Andreas Glück (FDP/DVP) fragt, ob der Versuch einer Selektion im Präventionsbereich in Linksextremismus und Rechtsextremismus so sinnvoll sei. Er bezieht sich auf die Äußerungen von Dittrich zu den Anleihen der AN bei Linksextremisten.
Beate Bube (Präsidentin LfV) antwortet, natürlich seien die Szenen durchaus erkennbar, man müsse halt etwas genauer hinschauen. Prävention müsse an den Ideologien der Szenen ansetzen und da seien sie weit weg davon links und rechts in einen Topf zu schmeissen. Diese gleichzusetzen und gleich zu behandeln im präventiven Sinne wäre nicht der richtige Weg, Rechte und Linke würden sehr unterschiedlich ticken.
Frank Dittrich (LfV) ergänzt, dass bei einem typischen Demogeschehen die Gruppen durchaus unterschieden werden könnten. "Aber wenn ich ihnen Bilder von AN und Linksautonomen hinhalte, können sie die nicht unterscheiden." So habe er es vorhin gemeint.
Andreas Glück (FDP/DVP) sagt, es sei klar, dass die Gruppen bei einer Demo unterschieden werden könnten aber Dittrich habe vorhin gesagt, die Gruppen würden sich beeinflussen bei Demogeschehen. Deshalb die Frage, ob die selektive Betrachtungsweise Blick nach rechts oder links richtig sei oder ob man da nicht in beide Richtungen gleichzeitig schauen müsste.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, dies sei ohnehin die gesetzliche Aufgabe und diese nehme das LfV vollumfänglich wahr. Die Bekämpfungsansätze müssten aber sehr differenziert sein.

Mittagspause von 13.13 Uhr bis 14.23 Uhr.

Arnulf Freiherr von Eyb (CDU) sagt, die Gruppierungen seien kleiner aber gewaltbereiter geworden und fragt, ob das politisch motiviert sei oder ob insgesamt die Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft gestiegen sei. Er fragt außerdem, was im Moment die größte Gefahr in Baden-Württemberg sei.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, die Gewaltbereitschaft sage noch nichts über die Deliktsart aus, es werde in Gewalttäter, Gewaltbereite und Gewaltbefürworter differenziert. Das Gros der Gewalttaten seien Körperverletzungen, dort gelte dass die Hemmschewelle sinke. Die Polizeivertreter könnten das aber später detaillierter erklären.
Für das LfV stehe der internationale Terrorismus an oberster Stelle, auch quantitativ – gefolgt von Rechtsextremismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus und Salafismus. Der Blick auf andere Bereiche dürfe nicht verloren werden, da gebe es überhaupt nichts zu vernachlässigen.

Christoph Bayer (SPD) fragt, was ein Programm sein müsste, das wirksam wäre.
Beate Bube (Präsidentin LfV) verweist auf Öffentlichkeitsarbeit und Programme in der Zivilgesellschaft.

Petra Häffner (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, wie die steigenden Zahlen innerhalb der Wellenbewegungen bei den rechtsextremistischen Taten erklärt werden könnten. Sie möchte wissen, ob die Taten aufgeteilt wurden in verschiedene Arten und ob es eine Gewichtung gebe.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, bestimmte Aktivitäten wie Demonstrationen gingen mit Gewalttaten einher. Außerdem komme es immer zu Nachahmern, z.B. habe es in Baden-Württemberg nach dem Anschlag in Düsseldorf 2000 2 Nachahmungstaten gegeben.
Aktuelle gäre es bundesweit durch die ansteigenden Asylbewerberzahlen und deren Unterbringung, hier sei nicht auszuschließen, dass Schlimmeres passiere.
Die Taten seien immer auch Reaktionen auf gesellschaftliche Entwicklungen, deshalb sei es wichtig, die Bevölkerung mit zunehmen (z.B. aktuell in Messstetten).
Petra Häffner (Bündnis 90/Die Grünen) fragt Dittrich, welche Grundlage es für die These gebe, dass  Verbote nicht zu einer Reduzierung des Rechtsextremismus geführt hätten.
Frank Dittrich (LfV) sagt, das Personenpotenzial habe sich trotz der Verbote in den 1990er Jahren nicht gravierend verändert. Aber man müsse dies differenziert betrachten bei der Frage nach den Parteiverboten. Zum Teil seien Kameradschaften, Freundeskreise und klandestine Gruppen gegründet worden und es sei schwer von diesen Informationen zu bekommen, dort müsse man nachrichtendienstliche Methoden anwenden.

Alexander Salomon (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, wie das LfV die antifaschistische Arbeit einschätzen würde. Er möchte wissen, ob das LfV Erkenntnisse auch auf anderem Wege gewinnen könnte. Er bittet außerdem um eine Beurteilung des Personenpotenzials im Bereich Rechtspopulismus. Er fragt, ob für die, die nicht beobachtet werden können, ein Monitoring sinnvoll wäre.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel sei nicht möglich, solange keine Verfassungsfeindlichkeit vorliege, bei Prüffällen würden aber bereits jetzt immer wieder Recherchen angestellt (Prüfprozess für gesetzliche Beobachtung).
Die Erkenntnisse der Antifa seien ein weites Feld. Dies seien keine Gruppierungen mit einem gesetzlichen Rahmen für die Ausforschung der rechten Szene. Eine Form der Selbstjustiz könne es nicht geben in diesem Staat. "Wir nehmen wahr, was die Szene weiss und ins Netz stellt – Outing ist ja ein großes Thema – das nehmen wir sowohl im Bereich Linksextremismus und Rechtsextremismus wahr und wir stellen immer wieder fest, dass Erkenntnisse zutreffen. Die Frage ist, ob das eine Alternative zum Verfassungsschutz ist."
Jeder rechtsstaatlich denkende Mensch solle dazu eine Meinung haben und man könne sich denken, welche Meinung sie selbst dazu habe.
Alexander Salomon (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob ein Monitoring als Begleitung mit wissenschaftlichen Methoden sinnvoll sei und wie die Materialien ausgewertet werden.
Frank Dittrich (LfV) sagt, im NSU-Komplex habe es eine Vielzahl von Veröffentlichungen gegeben und das, was zugänglich sei, werde in die Überlegungen mit einbezogen.
Das bedeute aber nicht, dass das LfV eine Veröffentlichung auf Indymedia übernehme, sondern man beziehe das mit ein und ziehe Schlüsse daraus. Für ihn sei das ein weiterer Mosaikstein an Erkenntnissen, die das LfV möglicherweise darauf bringen könnten, mal irgendwo genauer hin zu schauen. Aber manchmal irre auch die Antifa.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, es sei durchaus auch manchmal möglich, einzelne Erkenntnisse zu nutzen weil sie auf Indymedia stehen.
Alexander Salomon (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob es eine systematische Auswertung der Ergebnisse gebe. Aus den Informationen könne man ja schon etwas gewinnen. Er fragt, wie die Informationen verarbeitet werden würden.
Beate Bube (Präsidentin LfV) antwortet, tagesaktuell werde in den Bereichen im Internet recherchiert, aber auch andere Medien (V-Leute, Berichte, Observationen) würden zusammengeführt. Das sei Alltagsgeschäft, auch die Auswertung derartiger Internet-Seiten.

Annika Bohn (externes Mitglied) fragt nach der Definition von Neonazismus. Ihr sei nicht ganz klar, wie das LfV Neonazismus und rechtsextremistische Skinheads unterscheide, ihr fehle die Beachtung der massiven Gewaltbereitschaft beim Neonazismus bis hin zum Mord.
Sie fragt, ob das nicht genau das Potenzial sei, was die Neonazis vom Linksextremismus unterscheide.
Frank Dittrich (LfV) sagt, gerade aus diesem Spektrum des Neonazismus kämen durchaus immer wieder Gruppierungen mit Anschlägen, der größte Teil des Neonazismus sei gewaltorientiert.
Er erwähnt "Deutsche Aktionsgruppen", "Wehrsportgruppe Hoffmann" und NSU. Dort gebe es einen anderen ideologischen Hintergrund als bei den Skinheads, bei denen es eher um "Saufen, Konzerte und Ausländer verprügeln" gehe. Es gebe hier einen ganz großen Unterschied bei der ideologischen Basis.
Er tue sich ein bisschen schwer damit zu sagen, die Tatsache, dass hier Morde begangen worden seien, mache dies zum Merkmal des Neonazismus weil Morde könnten ja auch von anderen Teilen der rechtsextremistischen Szene begangen werden. Diese Schubladen seien eine Arbeitshilfe aber mehr auch nicht, die Szene sei da inhomogen mit fließenden Übergängen.
Annika Bohn (externes Mitglied) fragt, ob nicht die Schubladen die Grundlage seien, um einzuschätzen, wer beobachtet wird und wer nicht. Sie fragt, was mit Menschen passiere, die als rechte Parteimitglieder verschwinden würden und was in diesem Zusammenhang "verschwinden" bedeuten würde.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, "verschwunden" bedeute, dass die nicht mehr in der Statistik drin seien weil sie nicht mehr in Erscheinung treten würden.
Sie bräuchten als gesetzliche Grundlage einen Personenzusammenschluss. Wer zuhause Hitler-Verehrer sei, den dürften sie nicht beobachten. Wenn eine Person jahrelang in einer Partei aktiv gewesen sei und dann in anderen Kontexten aktiv werde z.B. im Neonazismus, dann würden die Informationen erhalten bleiben. Aber die Grundlage müsse immer geklärt werden, um Personen in Datei-Systemen zu führen. Als Beispiel führt sie die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) an, die 2009 verboten worden sei. Diese habe mit Gewalttaten nichts zu tun, deren Zeltlager seien zwar höchst gespenstisch aber hätten nichts mit Gewalt zu tun.
Annika Bohn (externes Mitglied) sagt, dann könnten die vorgelegten Zahlen also keine Auskunft geben, wie der wirkliche Zustand in diesem Bundesland sei. Sie fragt, in wie weit diese Zahlen relevant seien für die Frage, wieviel rechtes Gedankengut im Land vorhanden sei.
Beate Bube (Präsidentin LfV) entgegnet, der Verfassungsschutz könne dies nicht leisten, sie würden Personen erfassen, die in Zusammenschlüssen aktiv werden würden. Dies erschließe sich aus dem Landesverfassungsschutzgesetz. Sie würden nicht an der Einstellungsebene ansetzen.
Annika Bohn (externes Mitglied) fragt, welche Gruppen zum harten Kern gehören bzw. welchen Gruppen diese Einzelakteure angehören würden.
Frank Dittrich (LfV) bezieht sich auf den Bereich des Neonazismus. Hier gebe es knapp über 40 Strukturen in Baden-Württemberg, ein Dutzend AN-Gruppen und ein Personenpotenzial mit etwa 410 Personen. Das sei die Größenordnung, das sei der harte Kern.
Annika Bohn (externes Mitglied) möchte wissen, wie er das einstufe, denn 410 Menschen seien ja kein geringes Personenpotenzial.
Frank Dittrich (LfV) sagt, dieser harte Kern zuzüglich der Skinheads sei ein erheblicher Teil der rechtsextremistischen Szene, die Hälfte der rechtsextremistischen Szene sei gewaltbereites Spektrum. Das sei beängstigend. Hier solle kein falscher Eindruck entstehen, sie würden das als besorgniserregend ansehen, das sei aber eine bundesweite Entwicklung.
Sie würden das durchaus als Kernproblem sehen, weil durch die Isolierung des harten Kerns von den rechten Rändern es zu einer Radikalisierung des Kerns kommen könnte. Hier sei Aufmerksamkeit geboten.
Annika Bohn (externes Mitglied) erkundigt sich nach der Aus- und Weiterbildung im LfV. Sie fragt, wie groß der Umfang des Themas Rechtsextremismus dabei sei.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, sie könne das ad hoc nicht beantworten. Jeder Mitarbeiter durchlaufe am Anfang eine einjährige Zusatzausbildung. Es würden nur Menschen mit Erstausbildung eingestellt, v.a. Polizeibeamte, Verwaltungsbeamte, auch Juristen und Historiker. Es gebe Kurse an der Schule für Verfassungsschutz. Die Anzahl der Stunden zum Thema Rechtsextremismus müsse sie nachschauen, es sei ein durchaus stattlicher Anteil für alle Mitarbeiter, egal in welchem Bereich sie eingesetzt würden. Im Referat Rechtsextremismus von Fabian Fehrle beim LfV gebe es spezifische und gezielte Weiterbildungen.

Friederike Hartl (externes Mitglied) erkundigt sich nach dem Maßnahmenpaket im LfV nach dem NSU und fragt, wie die Weiterbildung nach dem Bekanntwerden des NSU aussehe.
Beate Bube (Präsidentin LfV) antwortet, es habe eine Fülle von Maßnahmen im Verfassungsschutzverbund gegeben.
Das ganze sei Ausbildungsthema und die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter untereinander sei intensiviert worden. Ein Baustein sei das NADIS, ausschließlich im Bereich Rechtsextremismus seien jetzt Volltextdateien angelegt, vorher seien nur Fundstellendateien angelegt worden. So könne es nicht mehr passieren, dass eine Behörde nichts von den Infos einer anderen Behörde weiss.
Die Bundesbehörde koordiniere stärker die Aufgaben. In Baden-Württemberg sei neben NADIS der Bereich Rechtsextremismus ausgebaut worden, seit vielen Jahren gebe es außerdem einen Verbindungsbeamten beim LKA. Die Zusammenarbeit mit dem LKA sei alltäglich, es sei nur ein institutionalisiertes Modul hinzugefügt worden. Die Maßnahmen seien im Abschluss-Bericht vom Januar umfassend aufgeführt. Auch die Öffentlichkeitsarbeit sei intensiviert worden.

Birgit Kipfer (externes Mitglied) fragt, ob sich die rechtsextremistischen Gruppierungen aktiv um Nachwuchsgewinnung kümmern würden und wie sie das machen würden.
Beate Bube (Präsidentin LfV) antwortet, die strategischste Nachwuchsgewinnung betreibe die NPD, es gebe die Schulhof-CD und junge Leute würden im Wahlkampf angesprochen werden. Ansonsten laufe viel über das Internet und den Bekanntenkreis aber nicht in Form strategischer Nachwuchsgewinnung. Zur Musik würde Fabian Fehrle später mehr sagen.

Prof. Dr. Thomas Grumke (externes Mitglied) äußert, er habe sich alle gelieferten Verfassungsschutzberichte angeschaut hinsichtlich der rechtsextremistischen Gewalt und des Rechtsterrorismus. Im Jahr 1995 habe das Thema Rechtsterrorismus einen eigenen Abschnitt im Bericht. Dort würde auch auf die länderübergreifende Zusammenarbeit der Rechtsextremisten hingewiesen und auf die Möglichkeit, dass militante Nazis in den Untergrund gehen könnten. Auch 1996 seien massenhafte Waffenfunde in Baden-Württemberg beschrieben. 1998 gebe es dann kein Kapitel zum Rechtsterrorismus mehr und ein solches sei auch 1999 nicht mehr eingeführt worden.
2003 stehe dort, dass solche Tendenzen "nicht erkennbar" seien und dass es immer wieder Waffen- und Sprengstoff-Funde in der rechten Szene geben würde – dies sei keine neue Qualität.
Grumke fragt Bube, wie sie sich das erklären würde.
Allgemeine Heiterkeit im Saal
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, sie könne ihm das mitnichten erklären, man müsse sehr dezidiert den Bezug nach Baden-Württemberg untersuchen.
Prof. Dr. Thomas Grumke (externes Mitglied) weist darauf hin, dass genau bekannt war, welche Gefahren es gab und die Dinge seien ja zunächst punktrichtig beschrieben worden und dann komme nichts mehr. Er fragt, woher diese Sprünge kommen würden.
Frank Dittrich (LfV) sagt, er könne sich dies nur so erklären, dass es in den 1990er Jahren konkrete Hinweise gegeben habe und dass in den Folgejahren dann keine Ermittlungsverfahren eingeleitet worden seien. Insofern sei ein solcher Bericht immer eine Momentaufnahme, solle aber auch nicht den Eindruck erwecken, was sonst noch passieren könnte. Der Jahresbericht sei rückblickend und nicht vorausschauend.
Prof. Dr. Thomas Grumke (externes Mitglied) sagt, die Sprünge seien zu groß, da müsse man noch mal genauer hinschauen.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt zu Grumke, er sei ja selber vom Fach und er könne die Bedeutung des Verfassungsschutzberichtes einschätzen, der sei für die Öffentlichkeit und zeige nicht die Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes.
Prof. Dr. Thomas Grumke (externes Mitglied) erwidert, in den Berichten sei Baden-Württemberg ganz weit vorne gewesen und dann wieder ganz weit hinten.

Thomas Reusch-Frey (SPD) fragt zum Unterstützerkreis des NSU, ob die finanzielle Ausstattung durch kriminelle Machenschaften getätigt worden sei, ob es Erkenntnisse zur Parteienfinanzierung gebe und ob Strukturen erkennbar seien.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, man müsse da immer differenziert hinschauen, zum Teil sei es auch bei der Parteifinanzierung das Engagement von einzelnen (Beispiel: DVU durch Gerhard Frey), auch Musikszene,Verlage und Konzerte seien Faktoren auf die das LfV schauen würde.

Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) verweist auf Waffenfunde bei Rechtsextremisten in den 1990er Jahren "in der Nähe des Kriegswaffenkontrollgesetzes."
Er meint, solche Vorgänge sollten von der Enquetekommission genauer thematisiert werden.

Sarah Kleinmann (externes Mitglied) weist auf verhinderte Gewalttaten hin: "Standarte Württemberg ", geplanter Anschlag mit Modellflugzeug im September 2013 in Freiburg, Bombenbauer in Lörrach. Sie fragt Bube nach einer Einschätzung.
Beate Bube (Präsidentin LfV) meint, diese Vorfälle würden zeigen, dass wir in Baden-Württemberg durchaus das Personenpotenzial für Gewalttaten haben. Sie sei sich nicht sicher, ob der Fall "Standarte Württemberg" bereits abgeschlossen sei, es sei ein Erfolg ihrer Arbeit, wenn sie Hinweise bekämen und daraufhin Taten verhindert werden würden.
Sarah Kleinmann (externes Mitglied) fragt zur Unterscheidung von Neonazismus, Skinheads und Parteien.
Beate Bube (Präsidentin LfV) sagt, man müsse sehen, was die Bereiche unterscheide und was sie verbinde, nämlich das rechtsextremistische Weltbild. Eine detaillierte Unterscheidung sei hier an dieser Stelle nicht möglich.
Frank Dittrich (LfV) ergänzt, die Schubladen würden bei den Jahresberichten helfen, die Dinge zu erklären. Sie würden bei einer ersten Einsortierung helfen.
Im Fachreferat seien die Strukturen aber jetzt verändert worden und man arbeite dort jetzt anders. Zum Beispiel sei ein Sachbearbeiter, der für Württemberg zuständig sei, jetzt für alle Skinheads, gewaltbereite Parteimitglieder und gewaltbereite Neonazisten in diesem Bereich zuständig, die Gewaltbereitschaft stehe im Fokus.
Die Schubladen seien Arbeitshilfen, aber nicht die Basis all ihres Tuns.
Sarah Kleinmann (externes Mitglied) erwähnt Sascha Roßmüller, der eventuell NPD-Vorsitzender werde und Bandidos-Mitglied sei. Sie fragt nach Verbindungen von Bandidos zur NPD in Baden-Württemberg.
Frank Dittrich (LfV) sagt, er habe dazu bereits heute morgen etwas gesagt. Es gebe keine strukturelle Zusammenarbeit zwischen den Gruppen, aber personelle Überschneidungen und vereinzelt Leute aus der NPD mit Kontakten. Er möchte auf Details aber in öffentlicher Sitzung verzichten.

Der Vorsitzende Wilhelm Halder (Bündnis 90/Die Grünen) bedankt sich bei Beate Bube und Frank Dittrich für die geduldige Beantwortung der Fragen.

Anschließend stellt Dr. Fabian Fehrle vom LfV den Teil des Berichtes vor, in dem es um die rechte Musikszene geht.

Er beginnt seine Ausführungen mit einem Zitat von Ian Stuart Donaldson, dem Sänger der englischen Skinhead-Band "Screwdriver". Rechtsextremistische Musik sei das verbindende subkulturelle Element bei der Entstehung und Verfestigung von Gruppen rechtsextremistischer Jugendlicher und spiegele die typischen Feindbilder der Szene wider, also "Fremde", "Ausländer", "Juden", politische Gegner und den demokratischen Verfassungsstaat.
Bei Konzerten würden Kontakte geknüpft und über das Liedgut werde die Ideologie verbreitet und Nachwuchs geworben.
Das Spektrum rechtsextremistischer Musik habe sich seit Anfang der 2000er Jahre erweitert, die Bandbreite reiche von Skinheadmusik bis zu Hardcore, Black Metal, Rap oder Liedermachern.
Die Musik sei ein wichtiger Bestandteil der "Erlebniswelt Rechtsextremismus" und wirke oft als "Einstiegsdroge".
Konzerte seien außerdem ein Mittel der Geldgewinnung für die rechtsextremistische Szene.
Die Mehrzahl der Konzerte werde von Einzelpersonen, die seit Jahren der Skinheadszene angehören, oder von regionalen Gruppen konspirativ organisiert.
Die Mobilisierung laufe über Telefonketten, SMS, Mailinglisten und Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Teilnehmer würden einen Treffpunkt erfahren, von dem aus sie zum Veranstaltungsort weitergeleitet werden würden.

Besonders aktiv bei der Durchführung von Konzerten sei die im Jahr 2000 verbotene Organisation "Blood and Honour" (B&H) mit ihrer Jugendorganisation "White Youth" gewesen. Auch nach dem Verbot hätten einzelne Aktivisten zunächst zwischen 2003 und 2005 weiter Konzerte organisiert. Nach Exekutivmaßnahmen wegen Nachfolgebestrebungen von B&H hätten diese Aktivitäten im Jahr 2006 wieder nachgelassen.
Auch die "Hammerskins" würden Konzerte organisieren.

Seit Anfang der 2000er Jahre sei eine zunehmende Vernetzung der Skinheadszene mit anderen Teilen der rechtsextremistischen Szene feststellbar. Rechtsextremistische Organisationen würden Skinheadkonzerte organisieren oder Skinheadbands bei ihren Veranstaltungen auftreten lassen. Besonders im Fall von Parteiveranstaltungen bedeute das für die Bands einen höheren Schutz der Veranstaltungen vor staatlichen Maßnahmen.
Seit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahr 2010, nach der Konzerte grundsätzlich Versammlungen gleich gestellt werden, sei es aufgrund des geltenden Versammlungsrechtes für die Polizei deutlich schwieriger, vor Ort polizeiliche Maßnahmen zu ergreifen. Auch ein Verbot der Konzerte sei schwieriger.
Das LKA habe eine Handreichung zum Umgang mit rechtsextremistischen Musikveranstaltungen für Einsatzkräfte erstellt.

Die rechtsextremistische Szene sei in der Lage, relativ schnell den Ort eines Konzertes zu wechseln, vor allem wenn sie über eigene Räumlichkeiten verfüge, wie das mit dem "Rössle" in Rheinmünster-Söllingen im Kreis Rastatt der Fall gewesen sei. Dort habe im November 2013 der nordrheinwestfälische Kreisverband der Partei "Die Rechte" ein Konzert im Rahmen des Kommunalwahlkampfes veranstaltet. Die ursprüngliche Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen war kurzfristig aus bauordnungsrechtlichen Gründen verboten worden, so dass die Partei nach Rheinfelden-Söllingen ausgewichen sei. Seit der Anmietung des "Rössle" durch den Landkreis Rastatt zum 1. Januar 2014 stehe die Gaststätte nicht mehr für rechtsextremistische Veranstaltungen zur Verfügung.

Rechtsextremistische Musik sei nicht im allgemeinen Handel erhältlich, sondern werde über eigene Vertriebsstrukturen produziert und verbreitet. Baden-Württemberg sei kein Schwerpunkt bundesweiter Vertriebsaktivitäten.
Fehrle zeigt sogenannte "Schulhof"-CDs, mit denen die rechtsextremistische Szene seit 2004 versuche, ideologisch noch nicht gefestigte Schüler zu ködern und deren Interesse für die Szene zu wecken.
Auch der NSU habe Musik für seine Zwecke benutzt und das Bekennervideo mit Liedern der baden-württembergischen Band "Noie Werte" unterlegt.

Die Inhalte der Liedtexte seien ein wichtiges Propagandamedium. Es gehe darin um Themen der germanischen bzw. völkisch-germanischen Mythologie, die Verherrlichung des Nationalsozialismus, des Krieges und der deutschen Soldaten als Helden. Andere Lieder würden sich gegen den Kapitalismus, die Globalisierung und das politische System richten.
Als Beispiel zeigt Fehrle einen Text der Band "Act of Violence" aus Ulm.
Derartige Texte würden durch die wiederholt in ihnen artikulierte Hetze gegen gängige rechtsextremistische Feindbilder die Angriffsziele vorgeben und könnten deshalb eine Ursache rechtsextremistisch motivierter Gewalt sein.
Die in Baden-Württemberg ansässigen Bands würden sich bemühen, Texte unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit zu veröffentlichen und würden die Texte oft anwaltlich prüfen lassen. Andere Bands würden würden ihre Tonträger im Ausland produzieren wie z.B. "Race War" aus dem Ostalbkreis, die einen europaweiten Bekanntheitsgrad erreicht hätten. Die Mitglieder von "Race War" seien auch aufgrund von Erkenntnissen des LfV im November 2006 wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 120 StGB zu Haftstrafen zwischen 17 und 23 Monaten zur Bewährung verurteilt worden.

Als Fazit führt Fehrle an, dass rechtsextremistische Musik und Konzerte ein Dauerproblem seien. Es müsse vor allem verhindert werden, dass Rechtsextremisten an feste Räume gelangen könnten.

Es folgt eine Fragrunde durch die Enquetekommission.

Matthias Pröfrock (CDU) möchte wissen, welche Maßnahmen getroffen würden, um die Verbreitung von rechtsextremistischen CDs zu verhindern.
Dr. Fabian Fehrle (LfV) sagt, wenn die Musik nicht indiziert sei, könnten sie auch nichts machen. Die Bands würden sich zudem rechtlich beraten lassen.
Matthias Pröfrock (CDU) fragt, warum das erwähnte Urteil des VGH Baden-Württemberg zu den Konzerten akzeptiert worden sei und ob es da politischen Handlungsbedarf für das Land oder den Bund gebe.
Dr. Fabian Fehrle (LfV) meint, dass das VGH-Urteil bereits rechtskräftig wäre.
Matthias Pröfrock (CDU) spricht von der "Band Blood and Honour" und wird berichtigt, dass es sich bei B&H nicht um eine Band, sondern eine Organisation handle. Pröfrock fragt dann nach der Bedeutung von B&H für Baden-Württemberg.
Dr. Fabian Fehrle (LfV) sagt, dass B&H auch in Baden-Württemberg aktiv gewesen sei und zwar mit den Sektionen "Baden" und "Württemberg".
Aktuell spiele B&H keine Rolle mehr, das Verbot wirke. Im Jahr 2000 habe es neue Aktivitäten als Fortführung von B&H gegeben. International sei B&H weiterhin relevant als "große Nummer und Qualitätssiegel".
Matthias Pröfrock (CDU) fragt nach der "Division 28".
Dr. Fabian Fehrle (LfV) meint, B&H habe mehrere Teile, Untergruppierungen und Anhängsel gehabt, z.B. auch "Combat 18".
Matthias Pröfrock (CDU) möchte wissen, ob Mitglieder von Division 28 oder Combat 18 in Baden-Württemberg aktiv gewesen seien.
Dr. Fabian Fehrle (LfV) sagt, sie hätten den B&H-Komplex sehr gut aufgeklärt, würden aber immer noch Nachfolgebestrebungen sehen.
Matthias Pröfrock (CDU) fragt nach der Rolle der neuen Medien, Filesharing usw.
Dr. Fabian Fehrle (LfV) sagt, da reiche Youtube schon aus, dort gebe es die entsprechenden Videos, man brauche gar kein Filesharing. Da sei kein Spezialwissen nötig, zum Teil laufe auch viel über Facebook ab.

Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob auch in Baden-Württemberg Konzerte unter dem NPD-Dach statt finden würden.
Dr. Fabian Fehrle (LfV) erwähnt, dass Liedermacher bei NPD-Veranstaltungen auftreten würden und verweist auf die eigene Schulhof-CD der NPD
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt nach der innerern Struktur von B&H und dem Verhältnis zwischen B&H und den Hammerskins.
Dr. Fabian Fehrle (LfV) möchte dazu in der öffentlichen Sitzung nichts sagen.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigt sich nach den Finanzen und möchte wissen, welcher Teil des gemachten Geldes in politische und in die private Richtung fließe.
Fabian Fehrle (LfV) möchte dazu in der öffentlichen Sitzung nichts sagen.
Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob es stimme, dass Ian Stuart Donaldson eine Art Wohnsitz in Stuttgart gehabt hätte und ob das LfV dazu Erkenntnisse habe oder das begleitet habe.
Fabian Fehrle (LfV) sagt, sie hätten ihn auf dem Schirm gehabt, er wisse aber nichts konkretes zu Maßnahmen.

Nikolaos Sakellariou (SPD) fragt, ob die im Bericht erwähnten relativ hohen Haftstrafen für die Mitglieder von "Race War" 2006 "nur" die Folge der Liedtexte gewesen seien.
Fabian Fehrle (LfV) antwortet, er wisse nicht, was die Gründe gewesen seien. Die Bandmitglieder seien "Hans Dampf in allen Gassen gewesen".

Dr. Ulrich Goll (FDP/DVP) fragt nach verschlüsselten Textstücken und dem Benutzen von Abkürzungen (88, 28), ob dies bedeute, dass die so zurückgezogen seien, dass sie codieren.
Fabian Fehrle (LfV) sagt, Codes seien ein häufig benutztes Mittel, es gebe aber auch andere Mittel, zum Beispiel indem Lieder gegen das "System" gesungen werden, die gegen die "Banken" gehen, aber in Wirklichkeit gegen die Demokratie an sich gerichtet sind.
Dr. Ulrich Goll (FDP/DVP) äußert, er habe den Eindruck, das sei eine geschlossene Szene. Ihn würden solche Texte als Jugendlicher nicht "antörnen", er hätte da anderes erwartet.
Fabian Fehrle (LfV) erzählt wie beim LfV die Kollegen mit den Kopfhörern da sitzen und tagelang die Musik anhören, es würden auch die Texte herausgehört und mit den abgedruckten Liedtexten verglichen. Da wolle keiner mit denen tauschen. Ansonsten sei das bei den Jugendlichen auch Geschmacksache.

Sabine Wölfle (SPD) bezieht sich auf einen Bericht des Deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2009. Es gebe viel zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse für Handlungsanleitungen. Sie fragt, welche Möglichkeiten Eltern hätten, Beratung zu bekommen, auch über den Islamismus.
Sie erwähnt außerdem, dass die Band "Freiwild" sich "im Dunstkreis des Rechtsrock" bewege und fragt, ob es auch wichtig sei, solche Bands zu beobachten.
Fabian Fehrle (LfV) entgegnet, Freiwild sei eine italienische Band, das LfV sei nicht zuständig.
Sie würden aber auf so etwas schauen und sich Gedanken machen. Solche Bands im Grenzgebiet seien oft der Einstieg, bei Freiwild sei er aber kein Experte.
Im Bezug auf die Frage nach den Eltern erwähnt Fehrle "Team meX", wo auch an Schulen gegangen werde um Jugendliche sensibel zu machen.

Annika Bohn (externes Mitglied) fragt nach rechtsextremistischen Konzerten in diesem Jahr.
Fabian Fehrle (LfV) sagt, es habe bisher Konzerte in Kieselbronn (120 Teilnehmer) und in Ilsfeld (80 Teilnehmer) gegeben und 3 Liederabende.
Annika Bohn (externes Mitglied) fragt nach Konzertorten außer dem "Rössle" und ob auch andere Anlässe, bei denen Musik eine Rolle spiele, beobachtet werden (z.B. Motto-Parties).
Fabian Fehrle (LfV) meint, Veranstaltungen mit Hintergrundbeschallung seien keine Konzerte, würden aber auch gesehen werden.
Annika Bohn (externes Mitglied) möchte wissen, ob ein Zusammenhang zwischen Gewalt und Musik ermittelt werden könne.
Fabian Fehrle (LfV) kann nicht sagen, wie oft das vorkommt, es gebe keine Erfassung oder Kontrolle des Zusammenhangs.
Annika Bohn (externes Mitglied) fragt noch einmal nach bekannten Konzert-Locations außer dem "Rössle".
Fabian Fehrle (LfV) sagt, es gebe keine festen Orte außer dem "Rössle", zum Teil würde die Szene nach Frankreich ausweichen und dies nicht ohne Grund. Es gebe aber zum Teil auch Gartengrundstücke.
Annika Bohn (externes Mitglied) erwähnt das "Dreiländereck", das die Nazis nutzen würden und erkundigt sich nach der Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern. Sie fragt, ob in andere Bundesländer "umgesiedelte" Events der Szene auch erfasst werden würden.
Fabian Fehrle (LfV) antwortet, es gebe eine enge Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg, dies laufe dann auch telefonisch.
Annika Bohn (externes Mitglied) fragt nach Vertriebsformen, Fanzines und wie viele Verteilaktionen der Schulhof-CD bekannt seien.
Fabian Fehrle (LfV) sagt, die Schulhof-CD sei in Baden-Württemberg zuletzt 2012 verteilt worden, das LfV würde davon aber auch nur erfahren, wenn die Schulleiter informieren würden.
Annika Bohn (externes Mitglied) fragt wieder nach Vertrieben und Fanzines.
Fabian Fehrle (LfV) sagt, es gebe keine Vertriebe in Baden-Württemberg aber auf Konzerten gebe es Verkaufstische.  Auch würden sich illegale Downloads auf die Verkaufszahlen auswirken.

Petra Häffner (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob es nicht relevant gewesen sei, dass "Freiwild" Sponsor einer Jugendmannschaft gewesen sei. Sie meint außerdem, es seien wenig Konzerte und fragt, wie das zu erklären sei, wieviele Schlupflöcher es gebe und wie es von der Polizei wahrgenommen werde.
Fabian Fehrle (LfV) sagt, in der Regel komme der Hinweis auf ein Konzert von einer Quelle in der Szene. Normalerweise würden an einem Abend mehrere Bands auftreten, eventuell sei so zu erklären, dass Bands viele Auftritte haben, obwohl wenige Konzerte statt finden.
Petra Häffner (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, wieviele Bands CDs produzieren würden und erkundigt sich nach Tonstudios und dem Ablauf der Produktion.
Fabian Fehrle (LfV) antwortet, es gebe rechte Produzenten, technisch sei das im eigenen Keller möglich. Es stehe auch hinten auf den CDs drauf, wo die produziert worden seien, das sei hoch professionell gemacht.

Dr. Ulrich Goll (FDP/DVP) erwähnt das VGH-Urteil zu den Konzerten und fragt, ob das bedeuten würde, dass Konzerte durch einen grundgesetzlichen Rahmen geschützt seien und die Polizei keine rechtliche Handhabe habe, weil das polizeirechtlich dann schwierig sei.
Fabian Fehrle (LfV) sagt "Ja, genau!". Im Fall des "Rössle" sei das eine einsturzgefährdete Fabrikhalle gewesen, da habe man das auf diesem Wege geregelt.

Karl Zimmermann (stellvertretender Vorsitzender der Enquetekommission, CDU) sagt: "Jetzt haben wir stundenlang gute Antworten gehört. Manchmal denke ich: haben sie eigentlich genug Personal, um das alles zu machen im LfV?"
Fabian Fehrle (LfV) sagt, der NSU binde Ressourcen, aber: "Wir kommen hin." Es müssten auch andere Bereiche gemacht werden, in der Urlaubszeit bleibe schon mal was liegen, bei der Priorisierung stehe der Gewaltbereich oben.

6. Straftaten mit Waffenbezug seit 1991

Diesen Teil des Berichtes stellt der Leitende Kriminaldirektor Martin Schatz vom LKA Baden-Württemberg vor.

Er beginnt zunächst mit einigen Vorbemerkungen. Schatz geht noch einmal auf das bereits vorhin erwähnte Monitoring-System (BKMS) für die Politisch Motivierte Kriminalität Rechts (PMK Rechts) ein. Bisher seien rund 400 Hinweise eingegangen, die Hälfte davon sei brauchbar gewesen, meist sei es um Propagandadelikte gegangen, gravierende Delikte seien nicht darunter gewesen.
Zum ebenfalls bereits erwähnten Aussteigerprogramm BIG REX sagt Schatz, dass seit 2001 526 Personen mit Hilfe von BIG REX aus der Szene ausgestiegen seien.
Dann äußert sich Schatz zum Fall F.H. und der Frage nach Knochenbrüchen bei F.H.
Er habe in der Mittagspause die entsprechenden Unterlagen eingesehen und es gebe keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden, es seien keine Verletzungen außerhalb des Brandgeschehens festgestellt worden.

Nach diesen Vorbemerkungen geht es um das eigentliche Thema.
Schatz erläutert zunächst die Schwierigkeiten, die der Auftrag "alle Straftaten mit Waffenbezug aus diesen Strukturen heraus seit 1991" mit sich gebracht habe.
Als Datenbasis seien fall- und personenbezogene Daten aus unterschiedlichen polizeilichen Datensystemen bis zum Stichtag 14. August 2014 herangezogen worden.
Für das Jahr 1991 seien aber keine Daten mehr in der Verbunddatei "Inpol Fall Innere Sicherheit" (IF IS) gespeichert. Der Datenbestand würde aufgrund datenschutzrechtlicher Löschpflichten permanent bereinigt.
Die im Rahmen dieser Sonderauswertung gewonnenen Erkenntnisse entsprächen daher nicht der Erkenntnislage zu einem beliebigen früheren Zeitpunkt.
Zudem seien die Erfassungsmodalitäten mit der Einführung des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes für Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) im Jahr 2001 geändert worden.
Die Erkenntnislage sei daher nur bedingt für einen Jahres- oder Langzeitvergleich geeignet.
Die Auswertung könne auch keine abschließende Aussage über Anzahl und Art der bei Straftaten eingesetzten Waffen liefern, häufig würden bei Meldungen die festgestellten Waffen nur pauschal oder exemplarisch benannt.

Folgende Datensysteme seien benutzt worden: Polizeiliches Auskunftsystem Baden-Württemberg (POLAS BW), Inpol Fall Innere Sicherheit (IF IS), Kriminalpolizeilicher Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK), Sonderauswertung des BKA.
Nicht berücksichtigt worden sei die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), da die dort gewonnenen Daten nicht dem Bereich der Politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen und anonymisiert seien.

Im IF IS seien für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis 11. August 2014 insgesamt 218 Straftaten gespeichert, bei denen Waffen oder sonstige Gegenstände zur Tatbegehung benutzt wurden und die PMK Rechts einzuordnen seien.
Am häufigsten seien gefährliche Körperverletzungen (42,7 %), an zweiter Stelle stünden Verstöße gegen das Waffengesetz (7,3 %), sehr häufig in Tateinheit mit dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Schatz zeigt eine Tabelle. Laut dieser kam es im Zeitraum u.a. zu 93 gefährlichen Körperverletzungen, 16 Verstößen gegen das Waffengesetz, 24 Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, 11 Fällen von Bedrohung, 9 Fällen von Totschlag und 2 Mordfällen.
Der Anteil der Gewaltdelikte an der Gesamtzahl von Straftaten mit Waffenbezug der PMK Rechts seit 2001 liege bei 55,3%.
Schatz zeigt ein Diagramm, aus dem hervorgeht, dass die Gewaltdelikte mit Waffenbezug insgesamt rückläufig sind, ebenso die gesamten Gewaltdelikte PMK Rechts.

Im 2001 eingeführten KPMD-PMK würden politisch motivierte Straftaten einem Themenfeld zugeordnet und könnten deshalb klassifiziert werden.
Für den Untersuchungszeitraum 1. Januar 1992 bis 11. August 2014 seien 48,2% der rechten Straftaten mit Waffenbezug "fremdenfeindlich" motiviert gewesen, gefolgt von Konfrontationsdelikten  gegen den politischen Gegner (28,9%) und antisemitisch motivierten Taten (6%).
Schatz zeigt wieder eine Tabelle, in der diese drei häufigsten Themenfelder der Straftaten mit Waffenbezug aufgeführt sind. Laut Tabelle gab es im Zeitraum von 2001 bis 2014 insgesamt 90 "fremdenfeindliche" Taten, 57 Taten "Konfrontation gegen Links" und 13 antisemitische Taten.

Insgesamt ergebe sich aus den Daten ein Gesamtpotenzial von 540 Personen, das dem Bereich PMK Rechts zuzuordnen sei und im Zusammenhang mit Straftaten mit Waffen in Erscheinung getreten sei.
Beinahe jeder siebte Straftäter mit Erkenntnissen aus PMK Rechts habe bereits Straftaten mit Waffenbezug begangen. Auffällig sei, dass Jugendliche beinahe genauso häufig an Kapitaldelikten beteiligt waren wie Heranwachsende und Erwachsene, auch hierzu wird eine entsprechende Tabelle gezeigt.

Zusätzlich habe das LKA im Zusammenhang mit den NSU-Ermittlungen (EG Rechts, EG Umfeld) ca. 4000 Personen im Zusammenhang mit der rechten Szene in Baden-Württemberg auf Waffenbesitz überprüft. Im Ergebnis seien 48 Waffenscheinbesitzer an die Waffenbehörden gemeldet und eine Überprüfung der Personen angeregt worden.

7. Ungeklärte Tötungsdelikte

Zu den ungeklärten Fällen gewaltsamen Todes bzw. Tötungsdelikten von Menschen mit Migrationsberichten in Baden-Württemberg hatte die Enquete-Kommission ebenfalls einen Bericht angefordert.
Schatz äußert sich hierzu. Die Innenministerkonferenz habe im Juni 2012 beschlossen, die ungeklärten Tötungsdelikte von 1990 bis 2011 zu analysieren. Dabei handle es sich um 3.300 Fälle. Außerdem seien jene ungeklärten Tötungsdelikte mit einbezogen worden, die mit einer im September 2010 in Pressepublikationen veröffentlichten Auflistung "137 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990" ("Opferliste") korrespondieren.
Die sei mit einem hohen personellen Aufwand verbunden gewesen.

Im Blickpunkt stünden Taten, bei denen Anhaltspunkte vorliegen, dass sie gegen eine Person gerichtet sind wegen ihrer Herkunft, Nationalität, Hautfarbe, Religion, politischen Einstellung, ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderungen, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Ehe-/Liebesbeziehung als Deutsche mit ausländischen Partnern, ihrer Funktion als staatliche Repräsentanten oder Angehörige ausländischer Streitkräfte, ihres gesellschaftlichen Status oder ihres Bekanntwerdens als Sexualstraftäter/Angehörige des kriminellen Milieus.

Neben diesen "harten" Opferkriterien seien auch "weiche" Kriterien berücksichtigt worden, z.B. der Tatort selbst (Nähe eines Homosexuellen-Treffpunktes oder jüdischen Einrichtung) oder eine raumzeiliche Nähe zu Veranstaltungen (z.B. der linksextremistischen Szene).

In Baden-Württemberg seien 359 Fälle überprüft worden, einschließlich 5 Fälle der "Opferliste".Es seien Akten gesichtet worden, z.T. Zeugen erneut vernommen worden und damals ermittelnde Kriminalbeamte befragt worden.
Bei bewusst weiterer Auslegung der Kriterien habe Baden-Württemberg 146 versuchte Tötungsdelikte, 63 vollendete Tötungsdelikte und 5 Fälle der sogenannten "Opferliste" an das BKA gemeldet. Dort würden die Fälle zentral erfasst und seien mit einschlägigen Daten abgeglichen worden.
Für Baden-Württemberg hätte sich daraus keine weiteren Ermittlungsansätze ergeben. Auch ein Zusammenhang mit den NSU-Taten habe sich nicht ergeben und in keinem der untersuchten Fälle sei es zu einer Umwertung als PMK Rechts gekommen.

8. Anzeichen rechtsextremistischer Einstellungen in Behörden

- Polizei Baden-Württemberg:
Seit dem Jahr 2002 habe es 32 Vorfälle mit rechtsextremen Tendenzen bei der Polizei Baden-Württemberg gegeben. Schatz erwähnt, dass es aktuell 4 neue Fälle gebe.
Bei den 32 Vorfällen würde es sich überwiegend um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, rechtsextremistische Äußerungen und Volksverhetzung, die Mitgliedschaft in einer vom LfV als rechtsextremistisch gekennzeichneten Partei, fremdenfeindliche, rassistische Äußerungen, Verwenden menschenverachtender und Gewalt verherrlichender Symbole sowie allgemein zu vermutende Affinitäten zu rechtsorientiertem Gedankengut handeln.
Die Vorkommnisse seien angezeigt worden, die Ermittlungen seien allerdings überwiegend eingestellt oder gar nicht erst eingeleitet worden.
Daraus lasse sich schließen, dass es sich in den allerwenigsten Fällen um schwerwiegende Vorkommnisse gehandelt habe.
Es sei auch weiteren Hinweisen nachgegangen worden, z.B. dem Hinweis, dass sich Angehörige der Bereitschaftspolizei Glatzen schneiden ließen. Dabei sei aber keine politische Motiviation festgestellt worden.
Insgesamt handle es sich um bedauerliche, nicht zu tolerierende Einzelfälle, denen entschieden entgegengetreten würde. Diese seien in jeder großen Organsiation nicht auszuschließen.

Eine grundsätzliche Tendenz zu einer rechtsextremistischen Einstellung lasse sich aus den 32 Vorfällen bei 30.000 Mitarbeitern der Polizei in Baden-Württemberg nicht ableiten. Schatz verweist darauf, dass Bewerber für den Polizeidienst in Baden-Württemberg mittlerweile in einem Fragebogen versichern müssten, keiner extremistischen oder extremistisch beeinflussten Organisation anzugehören. Dies sei zwingende Voraussetzung für die Einstellung und erleichtere künftig die Entfernung von Beamten aus dem Dienst. Außerdem bereite das Innenministerium zu statistischen Zwecken eine anonymisierte Datenbank vor, in der die bei den Polizeidienststellen durchgeführten Disziplinarverfahren dargestellt sind. Die Einführung der Datenbank sei für das Jahr 2015 vorgesehen.

- Verfassungsschutz Baden-Württemberg:
Im Bericht "Sicherheitsproblem 2002 beim LfV BW im Zusammenhang mit dem EWK KKK" gehe es um einen Vorfall mit einem in der G10-Stelle beschäftigten Beamten des LfV, der im Verdacht stehe, auf elektronischem Weg vertrauliche Informationen der Sicherheitsbehörden an den Leiter des EWK KKK weitergeleitet zu haben.
Dem Beamten sei 2003 die Sicherheitsermächtigung entzogen worden, am 12. Oktober 2012 sei ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten eingeleitet worden, am 2. Oktober 2013 sei der Beamte aus dem Dienst entfernt worden.
Eine Klage des Beamten gegen diese Verfügung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart laufe noch.
Es hätten sich aber keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Handeln des Beamten rechtsextremistisch motiviert gewesen sei oder weitere entsprechende Kontakte gehabt habe.
Abgesehen von diesem Vorfall hätte die Prüfung keine weiteren Erkenntnisse zu Kontakten von LfV-Mitarbeitern zu extremistischen Organisationen ergeben.

Es folgt eine Fragerunde durch die Enquetekommission.

Matthias Pröfrock (CDU) sagt, von 4000 Personen, die überprüft worden seien, sei bei 48 etwas gefunden worden. Das zeige die Intensität. "Herzlichen Dank an dieser Stelle." Pröfrock sagt weiter: "25.000 Polizisten – 25 Fälle, da kann sich jeder ein Bild machen."

Nikolaos Sakellariou (SPD) fragt, ob eine Sonderspeicherungsfrist eine Idee sei, um Defiziten bei der Speicherung der Straftaten mit Waffen nach zu kommen.
Martin Schatz (LKA) antwortet, auch mit der Kraft der Hände könne man eine schwere Straftat begehen. Es sei richtig, einen besonderen Augenmerk auf die Waffen zu haben, er habe aber nur die Schwierigkeiten der Anfrage durch die Enquetekommission darstellen wollen.
Nikolaos Sakellariou (SPD) fragt, ob es bezeichnend für den Rechtsextremismus sei, dass Jugendliche bei Kapitaldelikten genau so häufig beteiligt seien wie Erwachsene.
Martin Schatz (LKA) sagt, das sei ein Ergebnis der Erhebung und eine der Besonderheiten des Rechtsextremismus.
Nikolaos Sakellariou (SPD) äußert sich zu den Vorkommnissen bei der Polizei und fragt nach der Einstellung der Verfahren, es sei ja auch um Volksverhetzung und die Mitgliedschaft in rechtsextremistischen Parteien gegangen.
Martin Schatz (LKA) sagt, er finde die weitere Beschäftigung der Polizeibeamten, die Mitglied im EWK KKK waren, schwierig.
Zu den 32 Vorfällen bei der Polizei sagt er, da sei zum Teil auch gegen unbekannt ermittelt worden. Es habe auch Fälle gegeben, da sei ein Vater zur Polizei gekommen und habe angegeben, dass sein Sohn bei einer Polizeikontrolle rassistisch beleidigt worden sei.
Nikolaos Sakellariou (SPD) bedankt sich bei Herr Schatz für dessen Aussage zu den Polizisten beim EWK KKK.

Petra Häffner (Bündnis 90/Die Grünen) möchte wissen, wie den 32 Vorfällen bei der Polizei entgegen getreten werde, was gegen diese Gesinnung getan werde und für die Sensibilisierung innerhalb der Polizei.
Martin Schatz (LKA) antwortet, die Sensibilisierung finde in der Aus- und Fortbildung der Beamten statt, es gebe elektronische Lernanwendungen zum Thema Rechtsextremismus, die alle Kollegen absolvieren würden. Dass es funktionieren würde, sehe man ja auch daran, dass es nur 32 Vorfälle seien. Darunter seien auch Vorfälle wie: Ein Kollege macht bei einer Strefeinfahrt extremistische oder rassistische Äußerungen und der andere Kollege beschwert sich darüber. Es gebe keine Toleranz in diesem Bereich.
Petra Häffner (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, wie viele Polizisten an den  elektronischen Lernanwendungen zum Rechtsextremismus teilnehmen würden.
Martin Schatz (LKA) sagt, alle Kollegen im Streifendienst und die Kriminalbeamten seien die Zielgruppe, das Programm dokumentiere genau, wer sich einlogge und das Programm absolviere. "Das kann ich bis auf den letzten Mitarbeiter sagen."
Petra Häffner (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, warum nur die operative Polizei teilnehme. Es brauche eine Sensibilisierung bis in die Führungsspitze, damit es eine einheitliche Sprache gebe.
Das müsse bis nach oben zum Thema werden.

Annika Bohn (externes Mitglied) fragt zum Thema "racial profiling" und ob die Polizei für den Umgang mit den Betroffenengruppen sensibilisiert werde.
Die Lernprogramme würden nicht die eigene Einstellung der Beamten hinterfragen, es gehe aber um strukturellen Rassismus. In diesem Zusammenhang fragt sie nach der Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte.
Martin Schatz (LKA): "Ich verwahre mich gegen die Bezeichnung rassistische Kontrollen."
Pröfröck und andere Abgeordnete der CDU klopfen zustimmend auf die Tische
Schatz sagt weiter, nicht immer wenn jemand mit dunkler Hautfarbe kontrolliert werde, sei das rassistisch. Er verweist dabei auf seine eigene Erfahrung als Polizist im Drogenbereich, dort gebe es durchaus berechtigte Gründe.
Bei den Vorfällen in der Polizei sei es zum Teil auch um Dinge wie Autokennzeichen gegangen, das also z.B. ein Beamter ein PKW-Kennzeichen mit einer "88" gehabt habe.
Die Kennzeichnungspflicht stehe im Koalitionsvertrag, die Beamten würden regelmäßig Namensschilder tragen, aber dies sei keine Pflicht. Er wolle sich aus der Diskussion über die Kennzeichnungsplicht heraushalten.
In der heutigen Zeit könne sich kein Polizist rassistische Kontrollen erlauben, weil das sofort mit Handy-Kameras mitgefilmt werden würde.

Dr. Rudolf van Hüllen (externes Mitglied) möchte wissen, wie die Vergleichszahlen zu Straftaten mit Schusswaffen bei der Allgemeinkriminalität seien.
Martin Schatz (LKA) bietet an, da einen Vergleich herstellen zu können, dies sei aber hoch komplex. Dass Waffen in der rechtsextremistischen Szene immer wieder eine Rolle spielen würden, sei offensichtlich. Ob man eine eigene Statistik für Waffen brauche, finde er fragwürdig. Es sei wichtiger, dies für die Gewalttaten zu machen.

Daniel Andreas Lede Abal (Bündnis 90/Die Grünen) bezieht sich auf die 48 Fälle, in denen in Baden-Württemberg Waffenbesitz gemeldet wurde. Er fragt, ob es dabei zur Überprüfung der Waffenbesitzer gekommen sei und ob es zum Entzug der Berechtigung gekommen sei.
Er fragt weiterhin zu den ungeklärten Tötungsdelikten, ob diese auf Merkmale überprüft worden seien (Art der Waffen, Hinrichtungen).
Martin Schatz (LKA) sagt, die Affinität zu Waffen spiele eine große Rolle, er habe gerade keine Zahlen zu der Frage parat.
Es seien 214 Tötungsdelikte in Baden-Württemberg überprüft worden und es sei auch darauf geachtet worden, dass nicht die selben Beamten überprüfen, die damals bereits den Fall bearbeitet hätten. Zum Teil seien auch DNA-Spuren neu bewertet worden. Die Überprüfungen seien wasserdicht.

Arnulf Freiherr von Eyb (CDU) äußert sich. Er habe eine Verständnisfrage. Ob es richtig sei, dass nur diejenigen Polizisten erkannt werden könnten, die mit ihren rassistischen Gedanken nach außen gehen würden.
Martin Schatz (LKA) antwortet, es sei richtig, sie könnten nicht in die Köpfe unserer Beamten schauen.

Ende der Sitzung: ca. 17.30 Uhr

 

Tatort Theresienwiese - Initiative für die Aufklärung des NSU in Baden-Württemberg

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Sehr schön fand ich ja, dass sich laut VS auch die Antifa mal irrt (von wegen ;) ).

Dann die dieser Pröfrok und dieser Glück, die in ihrem Extremismuswahn sogar noch vom Verfassungsschutz gebremst werden müssen.

 

Beate Bube (Präsidentin LfV) antwortet, natürlich seien die Szenen durchaus erkennbar, man müsse halt etwas genauer hinschauen. Prävention müsse an den Ideologien der Szenen ansetzen und da seien sie weit weg davon links und rechts in einen Topf zu schmeissen. Diese gleichzusetzen und gleich zu behandeln im präventiven Sinne wäre nicht der richtige Weg, Rechte und Linke würden sehr unterschiedlich ticken."

 

Insgesamt halt leider ein bisschen Basisbanalitäten über Nazis in BaWü. Zu allen interessanten Sachen schweigt man. Kein Wort über das AB Rhein Neckar und die Szene in Ludwigshafen, die ja auch für Ba Wü nicht ganz unerheblich ist. Kein Wort zu den Hammerskins. Kein Wort zu ehemaligen B&H Strukturen, die nachweislich Kontakt zum NSU hatten. Generell: Kaum wirklich direkte Fragen zum NSU und seinen Verbindungen nach BaWü.

Dass der NSU nicht durch die Strukturen unterstützt wurde, die es erst seit ein paar Jahren gibt sollte ja klar sein. Es wäre wichtiger gewesen nach den Strukturen in den 90ern und anfang der 0er Jahre zu fragen, wenn man etwas über das Netzwerk um den NSU herausfinden will. Davon ausgehend ließe sich dann die Frage stellen, was diese Leute denn heute eigentlich machen.

 

Ich hatte zum Teil beim lesen das Gefühl, die Leute, die in der Komission sitzen nehmen das selbst nicht ganz ernst, weil sie wissen, dass sie da aufgrund ihrer beschnittenen Möglichkeiten ohnehin nichts substantielles heruasfinden werden können und/oder warten darauf, dass es vielleicht doch noch einen U-Ausschuss geben wird, der dann mehr herausfinden kann.

Vielleicht sollte man noch ein paar Himbeer-Sahne Torten backen.

137/2014 - 22.09.2014  – Beschluss in Sitzung am 22. September 2014:

Enquetekommission „Rechtsextremismus“ will am 13. Oktober 2014 vier Sachverständige anhören

 

Stuttgart. In ihrer nächsten Sitzung am 13. Oktober 2014 wird die Enquetekommission „Konsequenzen aus der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) / Entwicklungen des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg – Handlungsempfehlungen für den Landtag und die Zivilgesellschaft“ vier Sachverständige anhören. Dies hat das Gremium am Montagabend, 22. September 2014, beschlossen, wie der Vorsitzende der Enquetekommission, der Grünen-Abgeordnete Willi Halder, mitteilte. Die genaue Tagesordnung für diesen Sitzungstermin sei momentan aber noch offen. Die Obleute der Fraktionen seien damit beauftragt worden, entsprechende Sachverständige auszuwählen und die Tagesordnung für den 13. Oktober 2014 in Eigenregie festzulegen.


Nach Angaben Halders war im Anschluss an die öffentliche Sitzung am 22. September 2014 ein nichtöffentlicher Teil geplant, in dem ebenfalls über den Bericht des Innenministeriums zu Strukturen des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg gesprochen werden sollte. Dieser nichtöffentliche Teil der Sitzung sei allerdings aufgehoben und auf den nächsten Sitzungstermin am 13. Oktober 2014 verlegt worden. Die Sitzung der Enquetekommission an diesem Tag solle mit einem nichtöffentlichen Teil beginnen, in dem sich das Gremium mit den nichtbehandelten Fragen vom 22. September 2014 befassen soll. Im Anschluss daran sei ein öffentlicher Sitzungsteil vorgesehen.

 

Quelle: landtag-bw.de/cms/home/aktuelles/pressemitteilungen/2014/september/1372014.html