Studierende der Universität Potsdam können sich in der Bibliothek Bücher bei einem Neonazi ausleihen. Der NPD-Kader Steve Schmidt geht in der Universitätsbibliothek einer Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste nach. Eingesetzt wurde er mindestens an den Standorten Neues Palais und Golm. Den schulischen Teil absolviert er am Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung “Louise-Schroeder-Schule” in Berlin. Steve Schmidt, geboren 1989 in Henningsdorf, ist Mitglied der “Junge Nationaldemokraten” (JN), der Jugendorganisation der NPD, und seit 2013 Pressesprecher des NPD-Kreisverbandes Oberhavel.
Erstmals ins Licht der Öffentlichkeit stellte er sich am 27. Februar
2013 auf einer sogenannten Bürgerfragestunde des Kreistages Oberhavel.
Dort stellte er Fragen zum Oberstufenzentrum Zehdenick und informierte
sich über Strategien der Verwaltung gegen den Wegzug von Jugendlichen
aus dem strukturschwächeren Norden des Kreises Oberhavel. Durch die
anwesenden Abgeordneten wurde er bejubelt und für sein Engagement
gelobt. Dass er zuvor dem NPD-Abgeordneten Axel Dreier die Hand
schüttelte, und so seine Verbindung zur neonazistischen Szene öffentlich
zeigte, wurde für Außenstehende offenbar nicht ersichtlich. [1]
Für die NPD engagierte er sich bisher bei verschiedenen
Wahlkampfaktionen, war Teilnehmer mehrerer Kundgebungen und hing u.a. im
Bundestagswahlkampf 2013 Plakate für die neonazistische Partei auf.
Außerdem war er an Flugblatt-Verteilaktionen im Rahmen des
Bundestagswahlkampfes 2013 u.a. in Mittelstadt beteiligt.
Insbesondere beim Thema Asyl bemühte er sich, sich und seine Partei ins
Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Am 23. Oktober 2013 versuchte er
zusammen mit anderen NPD-Mitgliedern, auf einer Bürger_innenversammlung
zu einem geplanten Geflüchtetenwohnheim in Gransee rassistische Stimmung
zu verbreiten. Die Polizei belegte die Gruppe und ihn jedoch mit
Platzverweisen. [2] Weiterhin nahm er an mehreren Kundgebungen gegen
geplante Geflüchtetenwohnheime in Neuruppin, Gransee und Rheinsberg
teil.
Auf dem Landesparteitag der NPD-Brandenburg am 22. März 2014 in
Oranienburg hielt Steve Schmidt die Eröffnungsrede und hetzte gegen
Geflüchtete. [3] Dies zeigt seinen Stand innerhalb der NPD. Wer einen
Parteitag einer Partei eröffnet, kann nicht als Mitläufer gelten und als
solcher behandelt werden. Bei ihm ist von einer festen Einbindung in
die Strukturen der NPD und einem gefestigten menschenfeindlichen
Weltbild auszugehen.
Aktiv ist Schmidt jedoch nicht nur in NPD-Kreisen. Auch Demonstrationen
und Aktionen außerparlamentarischer “Kamerad_innen” besuchte er und ist
Teil bei deren Organisierung und Durchführung. Anlässlich des
Jahrestages der Bombardierung der Stadt Magdeburg während des Zweiten
Weltkrieges fand ein Neonaziaufmarsch am 12. Januar 2013 statt, den er
beispielsweise als Ordner begleitete und so bei der Durchführung half.
Am 8. Mai 2013 war Schmidt außerdem Fackelträger auf einer jährlich stattfindenden neonazistischen Demonstration in Demmin.
In diesem Jahr, am 8. Februar, nahm Steve Schmidt erstmals am “Day Of
Honour” in Budapest teil. Diese Demonstration wird jährlich aus dem
Spektrum der Neonazi-Struktur “Blood & Honour” oder der
neonazistischen Partei Jobbik organisiert und soll an den “Heldenmut”
der Waffen-SS und ungarischer Faschisten während einer Schlacht 1944
erinnern. Regelmäßig werden dort faschistische und antisemitische
Parolen und Transparente vernommen. Schmidt besuchte die Demonstration
u.a. zusammen mit dem NPD-Vorstandsmitglied aus Oberhavel, Robert
Wolinski, und weiteren Neonazis aus Deutschland. [4] Ebenso dabei war
auch der mittlerweile in Potsdam ansässige Neonazi und NPD-Kader Maik
Schneider, der zur Zeit sein Abitur an der “Heinrich-von-Kleist”-Schule
in der Potsdamer Innenstadt macht. [5]
Neben diesen offen neonazistischen Machenschaften versucht sich Steve Schmidt auch an Querfront-Aktivitäten. Auf seiner Facebook-Seite versieht er neben verschwörungsideologischen Seiten oder antisemitischen und rassistischen Inhalten auch linke und emanzipatorische Projekte mit einem “Like”. Der Antisemit Ken Jebsen, Initiator mehrerer “Montagsdemos” in Berlin, rassistische Theorien von Thilo Sarrazin und das verschwörungsideologische Magazin “Compact” von Jürgen Elsässer sind ebenso auf seiner “Gefällt Mir”-Liste zu finden wie die linke Tageszeitung “Junge Welt” und das Musikprojekt “Früchte des Zorns”. Passend zu seinen verschwörungsideologischen Ansichten besuchte Schmidt zusammen mit weiteren Neonazis am 28. April 2014 auch eine der “Montagsdemonstrationen” in Berlin. Diese erhielten wegen ihrer antisemitischen Ausfälle bundesweite Aufmerksamkeit. [6]
Dass ein aktiver, organisierter Neonazi in der Bibliothek der Universität Potsdam arbeitet und so auch Zugang zu den persönlichen Daten der Studierenden erhält, stellt ein großes Sicherheitsrisiko für all jene dar, die sich gegen neonazistische und andere menschenfeindliche Aktivitäten engagieren und Nutzer_innen der Uni-Bibliothek sind. Darüber hinaus sollten Neonazis nie Ämter bekleiden können, ohne dass es öffentlich thematisiert wird, für welche menschenverachtende Ideologie diese Menschen eintreten. Es liegt nun an der Potsdamer Universität, dies zu thematisieren und einen Umgang mit Steve Schmidt zu finden.
[1] http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2013/03/01/neonazi-halt-rede-vor-kreistag-und-erhalt-danksagungen-und-applaus_11694
[2] http://jungle-world.com/artikel/2013/45/48759.html
[3] https://www.youtube.com/watch?v=wzdPcEqGF6Y
[4] http://www.inforiot.de/brandenburger-npd-funktionaere-beim-day-of-honour-in-ungarn/ und https://pusztaranger.wordpress.com/2014/02/08/tag-der-ehre-2014-in-budapest-nazis-marschieren-im-burgviertel-auf/ und https://www.kombinat-fortschritt.com/2014/02/14/npdler-aus-mv-beim-ungarischen-day-of-honour/
[5] http://arpu.blogsport.eu/2013/09/07/neonazistischer-kader-maik-schneider-npd-bundestagskandidat-an-potsdamer-schule/
[6] http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/einigende-feindbilder – im Volltext auf https://www.torial.com/soeren.kohlhuber/portfolio/19483
Bild 1: Steve Schmidt (li.) am 19. April 2014 auf einer NPD-Kundgebung in Gransee
Bidl 2: Steve Schmidt (am Transparent zweiter von rechts) am 8. Februar 2014 auf dem neonazistischen “Day of Honour” in Budapest
Bidl 3: Maik Schneider (ganz rechts) am 8. Februar 2014 auf dem neonazistischen “Day of Honour” in Budapest
Bilder mit Bildunterschriften: https://linksunten.indymedia.org/en/node/123308
Artikel auf der AR_P//U-Website mit allen Bildern und Bildunterschriften: http://arpu.blogsport.eu/2014/09/29/npd-kader-als-mitarbeiter-der-universitaet-potsdam/
Reaktion der Universität Potsdam
vom 1.10.2014 auf der FB-Seite der Uni facebook.com/unipotsdam
Scheiß Arbeitsrecht
PNN dazu
ein Artikel der PNN dazu http://www.pnn.de/potsdam/897715/