Niko Paech, seines Zeichens Ökonom, findet heute in der TAZ das “Konsum nervt”. Wer wie Paech behauptet, “Konsum macht keine Freude, sondern strengt an” dem möchte man ein Leben im Wald nahelegen, wo er die Anstrengung in einer Wohnung zu leben endlich hinter sich lassen kann. Aber es geht ihm natürlich gar nicht um Konsum an sich, sondern um den “überflüssigen Konsum”. Da weiß einer wie Paech auch zielgenau wie der vom richtigen zu unterscheiden ist:
Niko Paech, seines Zeichens Ökonom, findet heute in der TAZ das “Konsum nervt”. Wer wie Paech behauptet, “Konsum macht keine Freude, sondern strengt an” dem möchte man ein Leben im Wald nahelegen, wo er die Anstrengung in einer Wohnung zu leben endlich hinter sich lassen kann. Aber es geht ihm natürlich gar nicht um Konsum an sich, sondern um den “überflüssigen Konsum”. Da weiß einer wie Paech auch zielgenau wie der vom richtigen zu unterscheiden ist:
Das “knappste Gut ist unsere Lebenszeit – die wir [!] damit verschwenden, Waren herzustellen und zu kaufen, die wir [!] nicht benötigen.” Dieses w i r ist dabei mehr als interessant, weil es nur im Kopf eines Paechs existiert. Wo Lohnarbeiter ihr Leben damit zubringen für den Konsum so basaler Dinge wie Wohnung, Essen, Kino und Bier für andere Leute und in anderer Leute auftrag Privatjets, Loofts und Waffen zu produzieren, wird tatsächlich so einiges produziert was d i e s e Leute nicht brauchen. Von einem “wir” ist dabei allerdings keine Spur.
Die meiste Mehrarbeit fließt im Kapitalismus allerdings nicht in die Konsumgewohnheiten der Arbeiter und auch nicht in die ausgefallenen Wünsche einer Oberschicht, sondern in die Reinvestitionen des Kapitals. Über Kategorien wie Lohn, Preis und Profit hört man einen wie Paech natürlich nicht sprechen – dafür umso mehr über den “überflüssigen Konsum” von “uns”.
Ist allerdings erstmal die Klassengesellschaft per gut gesetztem Personalpronom erste Person Plural ausradiert, lässt sich auch an dieses “wir” appellieren: “Dabei kann es den Genuss steigern, weniger zu konsumieren. Man hat mehr Zeit für die Tätigkeiten, die einem wirklich wichtig sind.” Ein Tipp dieses Kalibers ist wirklich nur mit einem “wir” machbar, wo der Durschnittsprolet der über 1/3 seines Lohnes allein für die Wohnung ausgibt einfach mit demjenigen Ingenieur zusammengefasst wird, der trotz fünfstelligem Monatsgehalt nicht daran denkt sein Arbeitspensum zu reduzieren.
Aber einer wie Paech will da auch gar nicht unterscheiden. Deswegen geht es ihm auch gar nicht darum, dass die Menschen weniger Arbeiten k ö n n e n und trotzdem gut leben: “Wenn jeder Mensch nur noch 20 Stunden pro Woche arbeitet, bleibt genug Zeit, um ergänzende Formen der Selbstversorgung zu praktizieren, etwa Nahrung selbst anzubauen, Güter gemeinschaftlich zu nutzen oder Dinge zu reparieren.” Das mit den heutigen Produktionsmitteln nach 20 Studen Arbeit pro Woche keiner mehr Zuchinis im eigenen Garten ziehen müsste bei zweckmäßiger Planung der Produktion bleibt einem natürlich verschlossen, wenn man für die Verwüstungen des Planeten den privaten Konsum der Lohnabhängigen verantwortlich macht.
Dabei gäbe es zur Reduzierung des Arbeitstags doch einiges zu sagen.Das von Marx propagierte “Reich der Freiheit”, welches auf dem “Reich der Notwendigkeit” aufbaut und “die Verkürzung des Arbeitstags” als seine Grundbedingung hat zum Beispiel könnte man etwas näher erläutern. Marx erkannte zu Recht: “Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sach nach jenseits der Spähre der eigentlichen materiellen Produktion”. Das “Reich der Notwendigkeit” ist dabei die Basis jeder frei verfügbaren Zeit: “Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adaequatesten Bedingungen vollziehn.” (MEW 25/828)
Paech hingegen geht es gar nicht darum, den Charakter der Arbeit grundsätzlich zu ändern und das Joch der Lohnarbeit endlich wegzuschaffen. Statt dessen sollen doch alle von etwas Lohnarbeit und Subsistanz dahinvegetieren und am besten wieder für stumpfe Arbeit hergerichtet werden: “50 Prozent der jungen Menschen sollen zu Akademikern ausgebildet werden. Aber an wen delegieren wir dann die physische Arbeit, die steigender Konsum voraussetzt?”
Am Ende möchte man dem Ökonomen mit Brecht antworten:
- Das simple Leben, lebe wer da mag
Ich habe unter uns genug davon
Kein Vögelchen von hier bis Babylon
Vertrüge solche Kost, nur einen Tag
Was hilft da Freiheit, es ist nicht bequem,
Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm. -
Mehr auf www.keinort.de
B.Brecht: Ballade vom angenehmen Leben – Dreigroschenoper
Alle Zitate von Paech aus: http://www.taz.de/Niko-Paech-ueber-Postwachstum/!145119/
Marx, Karl 1983: Das Kapital dritter Band. Seite 828
oh ...
Zitat Lila Fee: "dem[Paech] möchte man ein Leben im Wald nahelegen, wo er die Anstrengung in einer Wohnung zu leben endlich hinter sich lassen kann."
Niko Paech im kritisierten Interview: "Die frühere Aussteigerbewegung war romantisch, wollte raus aufs Land. Mein Ansatz ist genau umgekehrt: Ich rede nicht von Stadtflucht, sondern von urbaner Subsistenz."
Augenschenlich hast du den Text nicht wirklich gelesen, sondern nur überflogen. Wie vom marxistischen Elfenbeiturm herab liest sich deine Kritik an dem Interview. Schade um die Kritik an Paechs Position.
Sowohl als auch
Einesets mag sich Paech im Interview etwas schwammig und widersprüchlich audrücken, wen er mit "wir" meint. Anderersets nennt Paech doch die Gruppe, auf die er sich zu beziehen scheint:
"Die prosperierende Mittelschicht erstickt längst an ihrem immensen Wohlstand und kann nicht mal mehr ihre digitale Coolness glückstiftend verarbeiten."
An sich fragt sich, wer unter einer Gruppe zusammengefasst wird und welcher Maßstab für Einkommen und Konsum ihr angelegt wird und was das für einen Einfluss auf das Ökosystem hat.
Paech spricht vom "Oil Peak" und "Peak Everything". Er geht davon aus, dass "das jetzige Wirtschaftssystem [...] ökonomisch und ökologisch nicht zu stabilisieren [ist]." Klar bleibt das Prekariat als Verursacher zum Großteil außenvor. Andererseits konsumiert und produziert die gesellschaftliche Mehrheit Massen an Elektronik, Klamotten, Verpackungen, Tierprodukte, fährt Auto, reist mit dem Flugzeug usw. und plädiert für den Erhalt bzw. Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur. Und unter der Mehrheit der Konsument_innen befinden sich viele Lohnabhängige, die nach Abzug der Miete 2/3 ihres Lohnes auszugeben haben.
Sicherlich muss mensch sagen, Porsche und Privatjet ist Überfluss. Allerdings ist es bereits (öko-katastrophaler) Überfluss, wenn alle Menschen so viele Autos konsumieren und mit dem Flugzeug fliegen würden wie viele der Deutschen. Damit will ich nicht alleinig den Konsum als Wesentliches ausmachen, jedoch festhalten, dass sich wohl nur wenige nicht an die Nase zu packen haben, wenn es gilt, nach den Verantwortlichen zu suchen.
leserbrief taz - nicht abgedruckt
Immerhin gelingt es Ulrike Herrmann, dem außerplanmäßigen Professor Niko Paech nicht als Stichwortgeberin zu begegnen, dennoch verzichtet sie auf kritischeres nachfragen . Warum?
Niko „mein Jackett ist 25 Jahre alt“ Paech betrachtet sich selbst als Teil einer Avantgarde. Anhänger_innen bezeichnen ihn wahlweise als „Lichtgestalt“, „Propheten“ oder „Vorbild“ .In einer Oldenburger Filmreihe sind sich die Mitspielenden nicht zu schade, in lautes Jubeln auszubrechen, wenn Herr Paech um die Ecke geradelt kommt. Die Verehrung schlägt um in Lobhudelei und nimmt verquast religiöse Züge an. Die Botschaft: Das Ende ist nah, haltet ein und tuet Buße. Nur die Auserwählten, zu denen dann in 10 Jahren nach seiner zynischen Logik auch vielleicht „die Griechen“ gehören dürfen, werden überleben.
Minimale Recherche reicht aus, um auf die Verbindung Paechs zum Gesellianertum zu stoßen. Einen deutlichen Hinweis gibt Paech in dem Interview selbst. Der positive Bezug auf die „Regio-Geld-Bewegung“, die im Übrigen als schon längst gescheitert betrachtet werden kann, ist die direkte Verbindung zur Lehre des Silvio Gesell. (Empfehlenswert ist das Buch:“ Schwundgeld, Freiwirtschaft und Rassenwahn. Kapitalismuskritik von rechts: Der Fall Silvio Gesell“ von Peter Bierl)
Dass seine Vereinnahmung aller Menschen, die Sachen reparieren, Gemüse anbauen oder den Konsum beschränken eine Frechheit ist, sei nur am Rande erwähnt.
Die Sehnsucht nach „vorindustriellen Versorgungsformen“, die Sehnsucht nach der urbanen Scholle, die durchschimmernde Intellektuellenfeindlichkeit, die Sorge um die Volksgesundheit (mehr Bewegung + bessere Ernährungsgewohnheiten= weniger Gesundheitsausgaben), Glorifizierung des Kleinunternehmertums, Dämonisierung der Finanzsphäre, konservative Kulturkritik („wir leben alle über unsere Verhältnisse“) und bedenkliche Nähe zu Konzepten zukünftiger Armuts-und Elendsverwaltung (hat schon mal jemand die Frage gestellt, warum ein solch „radikaler“ Kritiker durch sämtliche staatstragende Feuilletons der Republik gereicht wird?) erinnern doch sehr an die fortschrittsfeindliche Ideologie der „Lebensreform“ um die vor-vorige Jahrhundertwende.
Herr Paech spielt m.E. nicht mit offenen Karten, da er seinen tatsächlichen weltanschaulichen Hintergrund verschweigt und unter dem Mantel des Postwachstums (ich glaube, er rühmt sich sogar der Erfindung dieses Begriffs) ein fragwürdiges ideologisches Gebräu anrührt.
Rolf