Hellersdorf Revisited – eine Analyse der rassistischen Mobilisierung

Hitlergruß während eines Naziaufmarsches in Hellersdorf

Hier do­ku­men­tie­ren wir in di­gi­ta­ler Form eine Aus­wer­tung des an­ti­ras­sis­ti­schen und an­ti­fa­schis­ti­schen Dis­kur­ses im Ber­li­ner Be­zirk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf der ver­gan­ge­nen 12 Mo­na­te. Die­ser Text wird in Bro­schü­ren­form in den kom­men­den Wo­chen er­schei­nen und dann auch als PDF-​Down­load zur Ver­fü­gung ste­hen. Gleich­zei­tig wol­len wir an die­ser Stel­le auf die An­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­ons­wo­che auf­merk­sam ma­chen, die vom 25. bis zum 30. Au­gust 2014 in Ber­lin-​Hel­lers­dorf statt­fin­det. Spread the word!

 

Als sich De­kon­struk­ti­on Ost im ver­gan­ge­nen Som­mer in Re­ak­ti­on auf die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung im Be­zirk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf grün­de­te, stan­den wir vor einem rie­si­gen Hau­fen Ar­beit. An­ders als in der Aus­ein­an­der­set­zung mit or­ga­ni­sier­ten Na­zi­struk­tu­ren tra­ten in der Ver­knüp­fung zwi­schen an­ti­ras­sis­ti­schem und an­ti­fa­schis­ti­schem En­ga­ge­ment viele Pro­blem­fel­der auf, in die wir uns erst ein­ar­bei­ten muss­ten; in den letz­ten 12 Mo­na­ten haben wir immer wie­der un­se­re Gren­zen und un­se­ren Ho­ri­zont ver­scho­ben. Wir haben ver­sucht, Span­nungs­fel­der für uns auf­zu­lö­sen, uns mit theo­re­ti­schen Grund­la­gen zu be­schäf­ti­gen. Gleich­zei­tig war da der ras­sis­ti­sche Volks­mob, der tobte, und mit dem wir einen prak­ti­schen Um­gang fin­den muss­ten, um ihn in sei­ner Mas­si­vi­tät zu­rück­zu­drän­gen. Ge­nos­s_in­nen ar­bei­te­ten in lan­gen Nacht­schich­ten daran, die Draht­zie­her_in­nen der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung zu ent­schlüs­seln, wir ver­such­ten dann, po­li­ti­sche Ge­gen­stra­te­gi­en zu ent­wer­fen, sie un­se­ren Bünd­nis­part­ner_in­nen zu prä­sen­tie­ren und mit ihnen zu­sam­men um­zu­set­zen. Wir set­zen star­ke Zei­chen und er­leb­ten auch herbe Nie­der­la­gen. Als ge­flüch­te­ter Mensch in Hel­lers­dorf zu leben, heißt auch wei­ter­hin, in stän­di­ger Ge­fahr zu leben. Wir be­grei­fen unser Wir­ken nur als Trop­fen auf dem hei­ßen Stein, der die deut­sche und eu­ro­päi­sche Asyl- und La­ger­po­li­tik als auch den Rechts­ruck der Ge­sell­schaft dar­stellt.

 

Diese Pu­bli­ka­ti­on soll einen Ar­beits­stand des eman­zi­pa­to­ri­schen Ak­ti­vis­mus ab­bil­den. Aus un­se­rem Grup­pen­stand­punkt her­aus ver­su­chen wir, die Si­tua­ti­on in einen grö­ße­ren po­li­ti­schen Kon­text ein­zu­ord­nen, die re­le­van­ten Struk­tu­ren und Ak­teu­re ge­nau­er zu be­trach­ten und unser ei­ge­nes En­ga­ge­ment kri­tisch zu be­trach­ten. Sie bie­tet auch den Platz, auf Rand­er­schei­nun­gen und Be­zirks­spe­zi­fi­ka ein­zu­ge­hen, die in einer ver­kürz­ten Ge­samt­dar­stel­lung an­sons­ten un­ter­zu­ge­hen droht. Wir wür­den uns freu­en, wenn die in­ter­es­sier­ten Le­ser_in­nen ihre ei­ge­ne po­li­ti­sche Ar­beit damit sinn­voll ge­stal­ten kön­nen und diese Pu­bli­ka­ti­on als Aus­gangs­punkt und De­bat­ten­bei­trag ver­ste­hen wür­den.

 

An­ti­ras­sis­t_in­nen und An­ti­fa­schis­t_in­nen von De­kon­struk­ti­on Ost im Juni 2014


Pfings­ten in Hel­lers­dorf: „Spring, Pa­ra­sit!“


Über drei­ßig Nazis ste­hen mit Deutsch­land­fah­nen vor einer Un­ter­kunft, in der Ge­flüch­te­te woh­nen, und brül­len ihnen ent­ge­gen: „Pa­ra­si­ten“; „Das hier ist unser Land“.[1] Vom Laut­spre­cher­wa­gen, der vor den ver­sperr­ten Fens­tern vor­bei­rollt, dröhnt Rechts­rock und NS-​Rap. Es ist Sonn­tag­nach­mit­tag, Pfings­ten, und weit und breit ist keine Po­li­zei zu sehen.[2]

 

Was klingt wie eine Szene aus dem An­fang der Neun­zi­ger Jahre aus struk­tur­schwa­chen, länd­li­chen Ge­bie­ten ist in Wahr­heit die Bun­des­haupt­stadt, der Be­zirk Hel­lers­dorf, Pfingst­wo­chen­en­de 2014. Vor nur we­ni­gen Wo­chen wur­den die Ber­li­ner In­nen­be­hör­den auch nach ei­ge­nen Aus­sa­gen[3] von dem kon­spi­ra­tiv ge­plan­ten Na­zi­auf­marsch über­rascht. Auch an­ti­fa­schis­ti­schen Ge­gen­pro­test sucht man ver­geb­lich, nur we­ni­ge Be­ob­ach­ter_in­nen be­glei­ten die De­mons­tra­ti­on und wer­den von den selbst­si­cher agie­ren­den Nazis be­drängt. Die ein­ge­setz­ten lo­ka­len Po­li­zei­kräf­te sehen kein Grund, die per Fax als Eil­ver­samm­lung an­ge­mel­de­te De­mons­tra­ti­on zu ver­bie­ten, viel­mehr schlägt sie den Nazis eine um­fas­sen­de Rou­ten­füh­rung bis zum mit einem Pfingst­fest ge­füll­ten Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz, der Hel­lers­dor­fer Dorf­kern in spe, vor, für den sich diese auch nach der De­mons­tra­ti­on bei der Di­rek­ti­on fei­xend be­dan­ken. Die Straf­ta­ten, die aus der De­mons­tra­ti­on her­aus vor­her be­gan­gen wur­den, wer­den nicht in die Ent­schei­dung mit ein­be­zo­gen, auch nicht die Straf­ta­ten, die auf der letz­ten kon­spi­ra­ti­ven De­mons­tra­ti­on der so­ge­nann­ten Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-​Hel­lers­dorf am 9. Au­gust 2013 be­gan­gen wur­den. Da­mals zeig­ten 12 der knapp 60 teil­neh­men­den Ras­sis­t_in­nen den Hit­ler­gruß und wur­den dafür fest­ge­nom­men, der Ein­satz­lei­ter muss­te den An­mel­der auf­for­dern, die straf­ba­ren Pa­ro­len in der De­mons­tra­ti­on zu un­ter­bin­den.[4] Die für den Be­zirk zu­stän­di­ge Po­li­zei­di­rek­ti­on gibt sich als will­fäh­ri­ge Hand­lan­ge­rin der Nazis, Kri­tik an der heute unter dem Namen „Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“ fir­mie­ren­den Grup­pe ver­bit­tet sich der Ein­satz­lei­ter, das seien red­li­che Leute.

 

Das ist nur das vor­erst letz­te Ka­pi­tel einer Ent­wick­lung, die von dem brei­ten an­ti­ras­sis­ti­schen Kon­sens des letz­ten Jah­res hin zu einer ver­fes­ti­gen neo­na­zis­ti­schen Struk­tur ge­führt hat. Diese Ent­wick­lung hat viele Fa­cet­ten und geht über Hel­lers­dorf hin­aus, stellt sich viel­mehr in den Kon­text der Flücht­lings­po­li­tik des Lan­des Ber­lin und den Zu­stand der an­ti­fa­schis­ti­schen Be­we­gung im All­ge­mei­nen.

 

Die Nie­der­schla­gung der Re­fu­gee-​Pro­tes­te in Ber­lin



(Foto: Flyer „Ora­ni­en­platz bleibt“)

 

Der Um­gang mit den Ge­flüch­te­ten am Ora­ni­en­platz hat den schwarz-​ro­ten Senat 2013 an die Gren­ze der Ko­ali­ti­ons­fä­hig­keit ge­bracht – wäh­rend CDU­ler Frank Hen­kel ein har­tes Vor­ge­hen gegen die wi­der­recht­li­che Nut­zung der Grün­flä­chen pro­pa­giert und damit ei­gent­lich sagen will, dass die Men­schen, die dort ihre In­ter­es­sen ver­tre­ten, in Lager[5] ge­sperrt wer­den sol­len oder am bes­ten gleich ab­ge­scho­ben wer­den müss­ten, hält der re­gie­ren­de SPD­ler Wo­wer­eit eine be­hut­sa­me­re (aber nicht etwa mensch­li­che­re) Vor­ge­hens­wei­se für not­wen­dig. Er sieht den Druck, der in Ham­burg auf den al­lei­ne durch die SPD ge­führ­ten Senat in Flücht­lings­fra­gen auf­ge­baut wird und kann sich einen Faux­pas wie Scholz in dem ins­ge­samt lin­ke­ren Ber­lin nicht leis­ten, zudem er wegen dem BER-​Skan­dal keine wei­te­re „Front“ er­öff­nen möch­te. Als Hen­kel offen die Räu­mung an­kün­digt[6], lässt ihn Wo­wer­eit auf­lau­fen und schickt Se­na­to­rin Kolat vor, die Ver­hand­lun­gen füh­ren soll. Diese Ver­hand­lun­gen lau­fen für den Senat er­folg­reich, er schafft es, eine große Grup­pe der am Ora­ni­en­platz le­ben­den Ge­flüch­te­ten für seine An­ge­bo­te zu be­geis­tern – ein fa­ta­ler Feh­ler, wie ei­ni­ge Re­fu­gees schon da­mals an­mer­ken, und sich in­zwi­schen auch offen zeigt.[7]

 

Diese Stra­te­gie lässt auch eine links­ra­di­ka­le Mo­bi­li­sie­rung, die die Räu­mung des Ora­ni­en­plat­zes ver­hin­dern soll, ins Leere lau­fen. Viele linke Grup­pen haben schon seit lan­gem keine Be­stre­bun­gen mehr, die Pro­tes­te der Ge­flüch­te­ten zu be­glei­ten und zu un­ter­stüt­zen, ste­hen oft vor ihrem ei­ge­nen Pa­ter­na­lis­mus und gleich­zei­tig vor der Un­fä­hig­keit, aus der eu­ro­päi­schen Pri­vi­le­gi­enstel­lung re­sul­tie­ren­de um­fas­sen­de Kri­tik mög­lichst vie­ler Macht­ver­hält­nis­se eine Ak­zep­tanz für die he­te­ro­ge­ne Selbst­ver­tre­tung der Ge­flüch­te­ten zu ent­wi­ckeln. Deut­sche Ak­ti­vis­t_in­nen sind über­for­dert mit den Struk­tu­ren, die nicht kon­sen­su­al ar­bei­ten, es gibt Pro­ble­me mit Se­xis­mus und es gibt hand­fes­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen. An­statt diese Pro­ble­me auf­zu­ar­bei­ten, an­statt einen Weg zu fin­den, aus der pri­vi­le­gier­ten Bin­nen­dis­kus­si­on, in der sich die ra­di­ka­le Linke seit Jah­ren be­fin­det, einen Schritt her­aus­zu­tre­ten, wird schwei­gend die Un­ter­stüt­zung auf­ge­ge­ben. In den Mo­na­ten vor der Räu­mung des Ora­ni­en­plat­zes kommt es zu meh­re­ren An­schlä­gen auf die Ge­flüch­te­ten, ein Toi­let­ten­wa­gen und ein Zelt wer­den an­ge­zün­det und bren­nen aus; wich­ti­ge, schwer zu er­set­zen­de In­fra­struk­tur fällt damit den Flam­men zum Opfer, Men­schen­le­ben wer­den ernst­haft ge­fähr­det. Die So­li­da­ri­tät hält sich – ge­lin­ge ge­sagt – in Gren­zen. Und auf der Seite der Hel­lers­dor­fer Bür­ger­be­we­gung taucht ex­klu­si­ves Bild­ma­te­ri­al auf, dazu Texte, die sich auch wie in­di­rek­te Be­ken­ner_in­nen-​Schrei­ben lesen.[8] Man kann sich vor­stel­len, unter wel­chem Druck die Ge­flüch­te­ten am Ora­ni­en­platz ste­hen: die Räu­mung als om­ni­prä­sen­tes Da­mok­les­schwert, An­schlä­ge, Hetze in der Pres­se, schwin­den­de Un­ter­stüt­zer_in­nen-​Struk­tu­ren[9] und kaum noch Mög­lich­kei­ten, ihr An­lie­gen wahr­nehm­bar zu ma­chen. Und in die­ser Si­tua­ti­on tref­fen viele von Ihnen eine Ent­schei­dung: die Auf­ga­be des Ora­ni­en­plat­zes. Die Ver­hand­lungs­part­ner_in­nen vom Senat, ver­su­chen erst gar nicht, ein An­ge­bot zu ent­wer­fen, das alle Ge­flüch­te­ten zu­frie­den­stel­len könn­te. Sie spe­ku­lie­ren auf der Öf­fent­lich­keit kom­mu­ni­zier­ba­re Mehr­hei­ten und fin­den sie nach wo­chen­lan­gen Ver­hand­lun­gen auch.[10] Sie tref­fen damit schon vorab die Ent­schei­dung, wer „guter“ und wer „schlech­ter Flücht­ling“ sei.

 

Am Tag der Räu­mung kommt es zu häss­li­chen Sze­nen: ei­ni­ge Ge­flüch­te­te ver­su­chen die große Grup­pe der­je­ni­gen Re­fu­gees, die, wie vom Senat dik­tiert, die Zelte in Ko­ope­ra­ti­on mit der BSR ab­bau­en auch mit kör­per­li­cher Ge­gen­wehr an ihrem Vor­ha­ben zu hin­dern. Weiße Un­ter­stüt­zer_in­nen, vor­her nie am Ora­ni­en­platz aktiv, grei­fen ein, so­li­da­ri­sie­ren sich mit der Grup­pe, die blei­ben will und aktiv den Abbau der Zelte ver­hin­dert, mi­schen sich ein in einen Kon­flikt, der nicht ihrer war.[11] Viele der ab­bau­en­den Ge­flüch­te­ten füh­len sich durch die vor Ort agie­ren­den Links­ra­di­ka­len in­stru­men­ta­li­siert. Weiße ent­schei­den nun er­neut, wer „guter Flücht­ling“ und wer „schlech­ter Flücht­ling“ sei, wer mit dem „Sys­tem“ ko­ope­rie­re und Hand­lan­ger des Ka­pi­tals und des Staa­tes sei und des­we­gen im Un­recht sei. Es wird hand­greif­lich, schlim­me Sze­nen: weiße Linke grei­fen Ge­flüch­te­te an! Da­ne­ben steht die Po­li­zei und kommt aus dem Stau­nen nicht her­aus, ei­ni­ge der ein­ge­setz­ten Be­reit­schafts­po­li­zis­t_in­nen wer­den wohl vor Scha­den­freu­de in­ner­lich jauch­zen. Im ver­gan­ge­nen Jahr sah das noch ganz an­ders aus: als sich die Po­li­zei zur Un­ter­stüt­zung einer durch die grüne Be­zirks­re­gie­rung ge­plan­te Räu­mung zu­sam­men­zog, wurde sie durch die Stra­ßen ge­jagt, 31 von 150 Po­li­zis­t_in­nen mel­de­ten Ver­let­zun­gen.[12]

 

Da­nach de­mons­triert ein Teil der Ber­li­ner Links­ra­di­ka­len am Kott­bus­ser Tor.[13] In Er­man­ge­lung ei­ge­ner Pro­duk­ti­vi­tät und Raum­nah­me er­klärt sie die „frei­wil­li­ge“ Räu­mung des Ora­ni­en­plat­zes als einen An­griff auf ein kon­stru­ier­tes „Uns“. Der Ora­ni­en­platz wird als Kern­punkt der Ber­li­ner Links­ra­di­ka­len aus­ge­ru­fen, dabei hatte außer einer klei­nen Un­ter­stüt­zer_in­nen-​Grup­pe schon lange kein po­li­ti­scher Zu­sam­men­hang mehr die Nähe zu den Re­fu­gees ge­sucht, die ih­rer­seits skep­tisch auf­grund der un­re­flek­tier­ten Pri­vi­le­gi­enstel­lung der wei­ßen, aka­de­mi­sier­ten Lin­ken auf Ab­stand blei­ben. Ei­ni­ge po­li­ti­sche Grup­pen bie­ten eine schnel­le Er­klä­rung für die Um­stän­de der Räu­mung an: der Senat hätte die Re­fu­gees be­nutzt und sie ge­gen­ein­an­der auf­ge­hetzt. „Di­vi­de et im­pe­ra!“ ist eine viel­zi­tier­te Ma­xi­me in die­sen Tagen.[14] In die­ser pla­ka­ti­ven Schuld­zu­wei­sung scheint der om­ni­prä­sen­te Pa­ter­na­lis­mus vie­ler lin­ker Struk­tu­ren ge­gen­über den sich selbst ver­tre­ten­den Ge­flüch­te­ten durch: die Fä­hig­keit, be­wuss­te Ent­schei­dun­gen zu tref­fen wird ihnen ab­ge­spro­chen. Ihre Sub­jekt­stel­lung im po­li­ti­schen Dis­kurs wird ihnen in die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on ver­wehrt, viel­mehr wer­den sie zum un­wis­sen­den und/oder un­fä­hi­gen Ob­jekt der Se­nats­ver­tre­ter_in­nen er­klärt. Wie selbst­ver­ständ­lich wer­den die „Sze­ne­stan­dards“ der lin­ken Po­lit­sub­kul­tur auf die he­te­ro­ge­ne Zu­sam­men­set­zung des Ora­ni­en­plat­zes über­tra­gen. Es gibt keine Re­flek­ti­on dar­über, dass Kon­sens-​Ent­schei­dun­gen und ver­bind­li­che Ple­na­struk­tu­ren ein Pri­vi­leg der Ak­zep­tanz der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft sind; sich in die Po­si­ti­on hin­ein­zu­ver­set­zen, dass man Ent­schei­dun­gen dar­über tref­fen muss, ob man eine Aus­sicht auf einen ge­si­cher­ten Auf­ent­halts­sta­tus hat oder ohne die­sen wei­ter­kämpft und even­tu­ell dafür ab­ge­scho­ben wird – diese Trans­fer­leis­tung schaf­fen we­ni­ge weiße Ak­ti­vis­t_in­nen. Wenn die Ber­li­ner Links­ra­di­ka­le in Zu­kunft ge­stal­ten­de Teil­ha­be an den Re­fu­gee-​Pro­tes­ten sucht, ist eine Aus­ein­an­der­set­zung mit der Räu­mung des Ora­ni­en­plat­zes un­ab­ding­bar.

 

Die Räu­mung ist der Wen­de­punkt der Re­gie­rungs­po­li­tik – von nun an wird die Deu­tungs­ho­heit über Asyl­fra­gen mit aller Macht vom Senat ein­ge­fah­ren. Das muss sie auch, denn der Rechts­ruck in der Ge­sell­schaft ist für die Par­tei­en­de­mo­kra­tie nicht mehr zu igno­rie­ren – mit der Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) wäre eine rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tei 2013 fast in den Bun­des­tag ein­ge­zo­gen und hat es ei­ni­ge Mo­na­te spä­ter in das Eu­ro­pa­par­la­ment mit knapp 7% (in Ber­lin über­durch­schnitt­lich: 7,9%[15]) ge­schafft. Nun geht es um Wäh­ler_in­nen­stim­men – und die Wäh­ler_in­nen haben ras­sis­ti­sche Po­li­tik mit­ge­wählt. Zudem hat sich auch das Machtspek­trum auf der Lan­des­ebe­ne ver­än­dert. Die CDU-​Se­na­to­ren sind un­zu­frie­den mit dem Macht­wort Wo­wer­eits in der Frage um den Ora­ni­en­platz. Er hat Hen­kel auf­lau­fen las­sen und gleich­zei­tig den ori­gi­nä­ren Auf­ga­ben­be­reich von So­zi­al­se­na­tor Mario Czaja der In­te­gra­ti­ons­se­na­to­rin Dilek Kolat von der SPD zu­ge­spielt. Neben dem BER-​Skan­dal wird Klaus Wo­wer­eit in aller Öf­fent­lich­keit für seine Miet- und Wohn­po­li­tik ab­ge­straft, mit dem er­folg­rei­chen Volks­be­geh­ren „100% Tem­pel­ho­fer Feld“. Der „König von Ber­lin“ hängt schlaff in sei­nem Thron, und die Nach­kom­men­schaft strei­tet sich um die Kru­men, die her­un­ter­fal­len. Und lässt dabei or­dent­lich Fe­dern.[16] In die­ser Si­tua­ti­on setzt die CDU sich mit neuem Selbst­be­wusst­sein durch.

 

Der Dis­kurs ver­schiebt sich. Von nun an be­stimmt in der Kon­se­quenz eine harte Linie den Um­gang mit Ge­flüch­te­ten durch den Ber­li­ner Senat: eine hun­ger­strei­ken­de Grup­pe von Ge­flüch­te­ten aus Sach­sen-​An­halt wird wegen des Ver­sto­ßes gegen die Re­si­denz­pflicht von dut­zen­den Po­li­zis­ten an der Ge­dächt­nis­kir­che um­zin­gelt und zu­rück in das Flä­chen­land de­por­tiert[17] – ein Ber­li­ner Novum für den po­li­zei­li­chen Um­gang mit Re­fu­gees im po­li­ti­schen Pro­test. Die vom Senat ge­trof­fe­nen Zu­sa­gen für die Ge­flüch­te­ten am Ora­ni­en­platz wer­den nicht um­ge­setzt[18], statt­des­sen wer­den Ab­schie­be­ver­fah­ren gegen die ers­ten Re­fu­gees er­öff­net, die sich auf die Liste derer ein­ge­tra­gen haben, die das Ver­hand­lungs­er­geb­nis des Se­nats ak­zep­tie­ren. Die sys­te­ma­ti­sche Er­fas­sung von Il­le­ga­li­sier­ten ist eines der wich­tigs­ten Er­geb­nis­se der Ver­hand­lun­gen für die Ber­li­ner Be­hör­den – das macht sie dem Kon­troll-​ und Ab­schie­be­sys­tem über­haupt erst zu­gäng­lich und lässt sie in das Mühl­werk der Bü­ro­kra­tie fal­len. In Ber­lin wurde letzt­end­lich doch eine „Ham­bur­ger Linie“ eta­bliert – und der Pro­test, der in Ham­burg auf gan­zer Brei­te wirk­te und eine ganze Schü­ler_in­nen-​Ge­ne­ra­ti­on po­li­ti­siert hat[19], bleibt in Ber­lin aus.

 

An­ti­fa in der Krise


Die an­ti­ras­sis­ti­sche Links­ra­di­ka­le steht vor einem Scher­ben­hau­fen und tut aus der Angst, etwas falsch zu ma­chen, am Ende schlicht­weg nichts. Die Be­schäf­ti­gung mit dem Thema Asyl wird, an­ders als in Ham­burg[20], zur Ne­ben­sa­che. Als die NPD durch Kreuz­berg mar­schie­ren will, ist der Skan­dal die Wahl des Post­be­zirks SO36 (Ber­lin-​West) als Auf­marsch­ge­biet, nicht das ge­ziel­te An­lau­fen der Kris­tal­li­sa­ti­ons­punk­te an­ti­ras­sis­ti­scher Po­li­tik und der Selbst­ver­tre­tung Ge­flüch­te­ter.[21]Die Blo­cka­den des 26. April 2014 ste­hen ganz im Sinne eines al­ter­na­ti­ven „Hei­mat­schut­zes“, die an­ti­fa­schis­ti­sche Linke zeigt mit tau­sen­den von Men­schen, dass sie Nazis nicht in „ihrem“ Be­zirk haben möch­te, ganz nach dem Motto „not in my ba­cky­ard“, immer wie­der wird die iden­ti­tä­re Vor­stel­lung vom ei­ge­nen Kiez be­tont. Mit So­li­da­ri­tät hat das wenig zu tun. Die Nazis wei­chen nach Ad­lers­hof aus – die dor­ti­ge Na­zi­sze­ne, an­ge­schlos­sen an die star­ke neo­na­zis­ti­sche In­fra­struk­tur in Schö­ne­wei­de, mo­bi­li­siert seit Wo­chen ähn­lich wie in Hel­lers­dorf gegen eine Un­ter­kunft für Asyl­su­chen­de – und kön­nen dort über Ki­lo­me­ter un­ge­stört lau­fen. Von den tau­sen­den Men­schen aus Kreuz­berg schaf­fen es nur we­ni­ge Dut­zend an den End­punkt der Nazis, um dort zu pro­tes­tie­ren. Statt­des­sen kommt es in Mitte und Kreuz­berg zu einer „Sie­ges­de­mons­tra­ti­on“. Man fei­ert die Ver­drän­gung der Nazis an den Stadt­rand – was nur we­ni­ge in­ter­es­siert: die Ver­drän­gung an den Stadt­rand fin­det auch für Ge­flüch­te­ten statt, die dort in La­gern un­ter­ge­bracht wer­den und nun wie­der­um den an den Stadt­rand ver­dräng­ten Nazis schutz­los aus­ge­lie­fert sind. Im­mer­hin: die Macht­de­mons­tra­ti­on der Nazis in Kreuz­berg schlägt fehl und schä­digt den an­ge­schla­ge­nen Lan­des­vor­sit­zen­den der NPD, Se­bas­ti­an Schmidtke, enorm. Eine für den 1. Mai ge­plan­te De­mons­tra­ti­on fällt aus, die Szene fährt nach Ros­tock oder Dort­mund. Was folgt, ist ein mo­ti­va­ti­ons­lo­ser Wahl­kampf der Ber­li­ner Nazis für den Eu­ro­pa­wahl­kampf.

 

Selbst­be­stä­ti­gung als Ri­tu­al ver­bleibt re­gel­mä­ßig wich­ti­ger als tat­säch­li­che an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­beit.[22] Auch der 1. Mai wurde in­halt­lich und prak­tisch nur wenig mit den Re­fu­gee-​Pro­tes­ten kon­textua­li­siert, auch hier ist der ri­tual­haf­te Cha­rak­ter her­vor­zu­he­ben.[23]Und doch: trotz der an­hal­ten­den Kri­tik von wei­ten Tei­len der Links­ra­di­ka­len konn­te der 1. Mai stei­gen­den Zu­lauf ver­zeich­nen. Das ver­stärk­te Be­kennt­nis zu einer links­ra­di­ka­len po­li­ti­schen Per­spek­ti­ve und die in­ter­na­tio­na­le Be­zug­nah­me und eu­ro­päi­sche Ver­net­zung sind dabei durch­aus po­si­tiv zu ver­zeich­nen­de Nach­rich­ten, den­noch wäre es wün­schens­wert, wenn sich die­ses Be­kennt­nis nicht nur mit dem sym­bo­li­schen Sturm der SPD-​Zen­tra­le, son­dern mit täg­li­chem und prak­ti­schem Wi­der­stand gegen (nicht nur) SPD-​Po­li­tik ver­bin­den würde. Denn po­li­ti­sche Ri­tua­le sind das To­des­ur­teil der wi­der­stän­di­gen Pra­xis, sie glie­dern sich ein in die Rea­li­tät einer bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft und wer­den als fes­ter Be­stand­teil as­si­mi­liert. Der ri­tual­haf­te Aus­bruch aus den Kon­ven­tio­nen wird selbst zur Kon­ven­ti­on.[24]

 

Die not­wen­di­ge Re­flek­ti­on die­ses Zu­stan­des fin­det eben­falls in Ber­lin statt. Der Kon­gress „An­ti­fa in der Krise“[25] setzt viele The­men auf die Ta­ges­ord­nung, die an­ti­fa­schis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen ge­ra­de be­we­gen: warum kommt keine Ju­gend mehr zu uns? Ma­cker vom Land vs. Stu­den­ten aus der Stadt! In­ter­na­tio­na­le Ver­net­zung und lo­ka­le Ver­ein­zelung. Die Be­zie­hung zu bür­ger­li­chen Platt­for­men, Bünd­nis­ar­beit, Per­spek­ti­ve über den An­ti­fa­schis­mus hin­aus. Nicht zu­letzt auch: Ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung und das Ver­hält­nis zur an­ti­ras­sis­ti­schen Be­we­gung. Fast zu viele Fra­gen für ein Wo­chen­en­de, aber ein guter An­fang – die Hoff­nung bleibt, dass die­ser Kon­gress künf­tig in aller Re­gel­mä­ßig­keit statt­fin­det: ent­we­der, um eine an­ti­fa­schis­ti­sche Be­we­gung neu zu for­men und ihre Pro­ble­me auf­zu­ar­bei­ten – oder um den To­ten­grä­ber zu spie­len, die Trans­for­ma­ti­on in eine neue Be­we­gung zu be­glei­ten. Denk­bar sind beide Per­spek­ti­ven, fest steht: an­ti­fa­schis­ti­sche Po­li­tik ist ver­dammt not­wen­dig – und ver­dammt sel­ten ge­wor­den.

 

Ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung – ein Er­folgs­kon­zept?


In die­ser Me­lan­ge aus re­pres­si­vem Staat und Schwä­chen in Szene und so­zia­ler Be­we­gung sehen sich viele Be­zir­ke mit neu ein­ge­rich­te­ten La­gern kon­fron­tiert. Und die Ber­li­ner Na­zi­sze­ne ver­sucht, Hel­lers­dorf als Blau­pau­se für die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung zu nut­zen: über­all ent­ste­hen omi­nö­se Bür­ger­initia­ti­ven und „Nein zum Heim“-​Face­book-​Sei­ten, man ver­sucht auf di­gi­ta­lem Wege ei­ni­ge Mit­strei­ter_in­nen aus der di­rek­ten Wohn­um­ge­bung an­zu­wer­ben. In Neu­kölln ver­ei­teln eine stark auf­ge­stell­te Zi­vil­ge­sell­schaft und jah­re­lang ak­ti­ve Struk­tu­ren den Plan der Nazis. Die aus­ge­fal­le­ne De­mons­tra­ti­on der NPD am 1. Mai soll­te in die Nähe der Neu­köll­ner Un­ter­kunft füh­ren – Blo­cka­den hät­ten das mit aller Si­cher­heit ver­hin­dert. An­ders in Kö­pe­nick und Ad­lers­hof: die hier ent­ste­hen­den Lager wer­den zen­tra­le Agi­ta­ti­ons­punk­te, es gibt Brand­an­schlä­ge, An­woh­ner_in­nen-​Pro­tes­te, NPD-​Kund­ge­bun­gen und wie­der zen­tra­le Tarn­sei­ten auf Face­book, deren Draht­zie­her zu­min­dest bald offen be­nannt wer­den.[26] Die Ge­gen­de­mons­tra­tio­nen sind in der Regel klein und wer­den von der Po­li­zei an ab­sur­de Orte ge­setzt, ein Pro­test gegen die Ras­sis­t_in­nen wird aktiv ver­un­mög­licht.[27]Ak­ti­vis­t_in­nen vor Ort füh­len sich aber auch al­lei­ne ge­las­sen, zu wenig seien mo­bi­li­sier­bar, um ein star­kes Zei­chen zu set­zen, gegen die Nazis, die sich ge­ra­de in Ad­lers­hof pu­del­wohl füh­len, sogar eine De­le­ga­ti­on tsche­chi­scher Fa­schis­ten auf einer Kund­ge­bung emp­fängt.[28]

 

Für die Ber­li­ner Nazis ist das – nur mäßig funk­tio­nie­ren­de – Kon­zept ein Hoff­nungs­schim­mer. Ihre Szene liegt am Boden, die viel­be­schwo­re­ne „Volks­nä­he“ ist seit Jah­ren de facto nicht exis­tent, Auf­mär­sche fin­den in der Regel in men­schen­lee­ren Ge­gen­den statt oder wer­den blo­ckiert[29], meis­tens reicht es nur für Kund­ge­bungs-​Hop­ping mit LKWs oder klei­nen Trans­por­tern und we­ni­ger als 10 Per­so­nen. Die NPD muss drin­gend für an­stei­gen­de Wahl­er­geb­nis­se sor­gen, sonst ist sie noch vor dem Ver­bots­ver­fah­ren[30] plei­te, ihrer Be­leg­schaft muss­te sie in­zwi­schen voll­stän­dig kün­di­gen.[31] Mul­ti­funk­tio­när Schmidtke be­kommt in den Ge­richts­ver­fah­ren der letz­ten Mo­na­te die Quit­tung für seine neo­na­zis­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten[32], in­zwi­schen muss er jedes Wort gut über­le­gen – jede wei­te­re Ver­ur­tei­lung ist der si­che­re Weg ins Ge­fäng­nis. Auch pri­vat hat er zu kämp­fen, sein Laden „He­xo­gen“ muss schlie­ßen.[33]
Die Er­fol­ge, die das Hel­lers­dor­fer Kon­zept für ihn und die Ber­li­ner Szene birgt, sind umso be­frei­en­der: durch die Ak­ti­vie­rung ras­sis­ti­scher An­woh­ner_in­nen hebt sich das Ge­fühl der ge­sell­schaft­li­chen Iso­liert­heit auf, dass Na­zi-​Ak­ti­vis­t_in­nen seit Jah­ren be­glei­tet. Sie haben end­lich eine Art „Nach­wuchs“ aus der für sie so wich­ti­gen „Mitte der Ge­sell­schaft“, den sie lang­sam und ste­tig über die vor­geb­li­che „Be­trof­fen­heit“ an sich bin­den kön­nen und der Ak­ti­vis­mus zeigt. Die­ser „Nach­wuchs“ steht in der Regel fes­ter im Leben als über Sze­ne­ha­bi­tus an­ge­wor­be­ne Ju­gend­li­che, er hat hö­he­re Res­sour­cen und kann per­sön­li­che Netz­wer­ke ak­ti­vie­ren, die au­ßer­halb der Na­zi­sze­ne wir­ken.[34] Auf­ga­ben kön­nen an sie de­le­giert wer­den; ras­sis­ti­sche Ak­tio­nen wer­den nach Außen als le­gi­tim, weil durch An­woh­ner_in­nen ge­tra­gen, kom­mu­ni­ziert. Und es pro­du­ziert Wahl­er­geb­nis­se: zur Bun­des­tags­wahl lag in einem Wahl­lo­kal nahe des Hel­lers­dor­fer La­gers der NPD-​Zwei­stim­men­an­teil bei über 10%, ins­ge­samt hatte sich das Er­geb­nis im ge­sam­ten Wahl­kreis um über einen Pro­zent­punkt auf 4.4% ver­bes­sert.[35]

 

Die Furcht vor Lich­ten­ha­gen


Diese Er­geb­nis­se sind lokal be­trach­tet scho­ckie­rend, aber haben auf Bun­des-​ und Lan­des­ebe­ne kaum Ein­fluss ge­habt. Ein „Über­schwap­pen“ der Stim­mung in brei­te Teile der Be­völ­ke­rung ist nicht er­folgt, auch ist das Hel­lers­dor­fer Kon­zept kein Selbst­läu­fer ge­wor­den. Es konn­te sich bis­her nur unter der Füh­rung der Ex­tre­men Rech­ten eta­blie­ren, die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung ohne or­ga­ni­sier­ten neo­na­zis­ti­schen Hin­ter­grund hat deut­lich an­de­re For­men an­ge­nom­men als in den 90ern.[36]

 


(Foto: „Lich­ten­ha­gen und Hel­lers­dorf“ // Quel­le: In­ter­net)

 

In der me­dia­len, aber vor allem in der in­ner­lin­ken De­bat­te über die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung in Hel­lers­dorf wurde oft das Bild der ras­sis­ti­sche Aus­schrei­tun­gen in Ros­tock-​Lich­ten­ha­gen 1992 be­müht. Es war zen­tra­ler An­trieb­spunkt für viele Ak­ti­vis­t_in­nen, sich an den Ge­gen­pro­tes­ten zu be­tei­li­gen: sol­che Sze­nen wie in Lich­ten­ha­gen solle es nie wie­der geben, ein Po­grom müsse mit aller Kraft ver­hin­dert wer­den. Ge­ra­de weil auch schon Nazis, die auf dem „Brau­nen Diens­tag“[37] agi­tier­ten, un­mit­tel­ba­ren Bezug zu Lich­ten­ha­gen nah­men und die Daten auf T-​Shirts tru­gen. Die linke De­bat­te frag­te al­ler­dings auch schon früh kri­tisch nach der Qua­li­tät und den Be­din­gun­gen von Ros­tock-​Lich­ten­ha­gen 1992, und ob diese in Ber­lin-​Hel­lers­dorf 2013 er­füllt wären.[38] In dem be­ach­tens­wer­ten Po­si­ti­ons­pa­pier der Grup­pe „avan­ti“ wird unter dem Titel „Nur Mob, noch keine Elite“ kon­sta­tiert: „Trotz der von An­ti­fas be­fürch­te­ten und von den Nazis be­schwo­re­nen Par­al­le­li­tät zu der Po­grom­stim­mung zu Be­ginn der 1990er Jahre liegt ein we­sent­li­cher Un­ter­schied darin, dass das po­li­ti­sche Es­ta­blish­ment ak­tu­ell kein In­ter­es­se an einer ge­walt­för­mi­gen ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung hat. […] Al­ler­dings su­chen die Kon­ser­va­ti­ven mo­men­tan nicht das »Bünd­nis von Mob und Elite« (Han­nah Arendt), son­dern be­die­nen sich der kal­ten In­stru­men­ta­ri­en bür­ger­li­chen Ver­wal­tungs­han­delns.“[39] In­zwi­schen muss man kon­sta­tie­ren: die Ent­wick­lung hat zu­min­dest die Ber­li­ner Re­gie­rung vor sich her­ge­trie­ben. Ein „Bünd­nis aus Mob und Elite“ ist zwar immer noch nicht offen er­kenn­bar, aber es zeich­net sich eine Drei­ecks­be­zie­hung aus Bür­ger­mob, Par­la­ment­se­li­te und Na­zi­ter­ror ab, die sich ge­gen­sei­tig in ihren In­ter­es­sen stüt­zen: wäh­rend der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung durch die Be­hör­den er­laubt wird, tief in die Pri­vat­sphä­re von Ge­flüch­te­ten ein­zu­drin­gen und ihnen damit das Leben zur Hölle zu ma­chen, blei­ben in­di­vi­du­el­le ras­sis­ti­sche At­ta­cken und An­schlä­ge wei­test­ge­hend straf­los, Er­mitt­lun­gen wer­den noch am sel­ben Tag für ein­ge­stellt er­klärt.[40] Auf Lan­des­ebe­ne wird kein Pro­test der sol­chen Zu­stän­den aus­ge­setz­ten Men­schen mehr ge­dul­det. Und auf Bun­des­ebe­ne geht eine der strengs­ten Ver­schär­fun­gen des Asyl­rechts seit der fak­ti­schen Ab­schaf­fung des Grund­rechts auf Asyl 1992 in Re­ak­ti­on auf Ros­tock-​Lich­ten­ha­gen in die Le­sung.[41] Hinzu kommt, dass nicht nur das „po­li­ti­sche Es­ta­blish­ment“ ein Fak­tor in dem Dis­kurs ist, son­dern auch ge­ra­de die Be­dro­hung die­ses Es­ta­blish­ments durch die AfD, deren ras­sis­ti­sche Po­li­tik die Gren­ze des Sag- und Mach­ba­ren spür­bar ver­schiebt. Der Ver­gleich mit Lich­ten­ha­gen kann al­ler­dings nur sel­bi­ges blei­ben: ein Ver­gleich. Die Zu­stän­de sind ver­gleich­bar mit den frü­hen 90ern, die das Wort „Lich­ten­ha­gen“ stell­ver­tre­tend für Ho­yers­wer­da, Mölln und die un­zäh­li­gen un­er­wähn­ten Orte sym­bo­li­siert – sie sind ver­gleich­bar dort, wo sie ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung, bun­des­weit An­schlä­ge auf Un­ter­künf­te von Asyl­be­wer­ber_in­nen und eine Ver­schär­fung von par­la­men­ta­ri­scher De­bat­te und Ge­set­zes­la­ge zur Folge haben. Sie sind aber keine Kopie der kon­kre­ten Tage von Lich­ten­ha­gen, mit den tau­sen­den Men­schen, die ihrem ras­sis­ti­schen Hass frei­en Lauf lie­ßen und dabei die Be­woh­ner_in­nen eines gan­zen Wohn­blocks ver­bren­nen woll­ten.

 

Dis­kurs­ent­wick­lung in Hel­lers­dorf


Aber wie ist es nun ein­zu­ord­nen, wenn wie ein­gangs er­wähnt über 30 Nazis vor der Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft ste­hen und einem Ge­flüch­te­ten am Fens­ter zu­ru­fen: „Spring doch, du Pa­ra­sit!“? Als im ver­gan­ge­nen Jahr die Ge­flüch­te­ten ein­zo­gen, stan­den An­woh­ner_in­nen an glei­cher Stel­le. Sie rie­fen: „Haut ab.“ Die Hit­ler­grü­ße des „Ronny“[42] be­stimm­ten bun­des­weit die Me­di­en, ge­gen­über der Un­ter­kunft po­si­tio­nier­ten sich wei­te­re Ras­sis­t_in­nen, so Da­nie­la Fröh­lich, Mar­cel Ro­ckel, aber auch Mar­cus K. und Ro­nald Habel[43]. Vor dem La­ger­ein­gang zeig­ten an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen ihre So­li­da­ri­tät, set­zen sich mit den An­woh­ner_in­nen aus­ein­an­der, dräng­ten den ras­sis­ti­schen Pro­test zu­rück und ver­scho­ben das An­griffs­ziel teil­wei­se auch auf sich, wur­den mit wüs­ten Be­lei­di­gun­gen be­dacht. Viele Ge­flüch­te­te über­for­der­te die Si­tua­ti­on: schon die An­rei­se war ein ein­zi­ges Fi­as­ko, sie wur­den in einem durch Po­li­zei­t­rans­por­ter ge­schütz­ten Kon­voi aus Ro­te-​Kreuz-​Wa­gen durch die Stadt ge­fah­ren. Die feh­len­de Sen­si­bi­li­tät der Ver­wal­tung war er­schre­ckend – wuss­te nie­mand, dass die Wagen des Roten Kreu­zes für viele aus Kriegs­ge­bie­ten ge­flo­he­ne Men­schen die Fahrt durch eine Ge­fah­ren­zo­ne be­deu­te­te? Dazu die Si­tua­ti­on, in der sie lan­de­ten: bür­ger­kriegs­ähn­li­che Zu­stän­de in Bezug auf die ei­ge­ne Fluch­ter­fah­rung der Ge­flüch­te­ten wird es wohl am ehes­ten um­schrie­ben.[44] Zwei Kon­flikt­par­tei­en ste­hen sich ge­gen­über, für die Ge­flüch­te­ten ist nicht er­kenn­bar, wer sie sind und was sie wol­len, eine Dif­fe­ren­zie­rung ist schwer und sie selbst sind in eine ab­so­lut pas­si­ve Rolle ge­drängt, viele un­fä­hig, den Kon­flikt zu be­grei­fen und in der Kon­se­quenz damit einen Um­gang zu fin­den. Und so tun ei­ni­ge Ge­flüch­te­te das, was sie schon ein­mal tun muss­ten. Sie flo­hen. Eine Flucht aus Hel­lers­dorf, eine Flucht vor den Hel­lers­dor­fer Zu­stän­den.

 

Auf die­ser Flucht be­geg­ne­ten sie den an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen, deren Kom­mu­ni­ka­ti­ons­leis­tung nicht aus­reich­te, um den Ge­flüch­te­ten ver­ständ­lich zu ma­chen, wer sie sind und warum sie ge­ra­de Zelte vor der Un­ter­kunft auf­bau­en. Sie wer­den an­ge­schrien und in Panik at­ta­ckiert. Die Ge­flüch­te­ten flo­hen wei­ter und stan­den am Bahn­hof, wäh­rend di­rekt neben ihnen die Si­tua­ti­on es­ka­liert: die Köpfe der Bür­ger­initia­ti­ve, Da­nie­la Fröh­lich, Mar­cel Ro­ckel und Kai Schus­ter sowie ein füh­ren­der Ber­li­ner Par­tei­funk­tio­när der neo­na­zis­ti­schen Par­tei „Die Rech­te“, Pa­trick Krü­ger, at­ta­ckie­ren ge­ra­de ei­ni­ge An­ti­fa­schis­t_in­nen, be­wer­fen sie mit Bier­krü­gen.[45] Wäh­rend die Po­li­zei die Nazis fest­nimmt (und spä­tes­tens zu die­sem Zeit­punkt die Per­so­na­li­en der Köpfe der Bür­ger­initia­ti­ve / Bür­ger­be­we­gung hat), wer­den die Ge­flüch­te­ten von ei­ni­gen zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Ak­ti­vis­t_in­nen be­treut und Rich­tung In­nen­stadt ge­bracht. Die durch An­ti­ras­sis­t_in­nen mit­ver­ur­sach­te neu­er­li­che Flucht ist wohl der größ­te Makel die­ses Tages, der die Hilfs­lo­sig­keit lin­ker Struk­tu­ren trotz ihrer wei­test­ge­hend er­folg­rei­chen In­ter­ven­ti­ons­stra­te­gie zeigt. Die Zelte wer­den über Nacht zu einer Mahn­wa­che aus­ge­baut.

 


(Foto: Mar­cel Ro­ckel, Da­nie­la Fröh­lich und Micha­el Engel [v.l.n.r.] / Quel­le: Theo Schnei­der)

 

Diese Mahn­wa­che trieb als Fix­punkt an­ti­ras­sis­ti­scher Feu­er­wehr­po­li­tik über Wo­chen einen Keil zwi­schen die über die Bür­ger­initia­ti­ve lose or­ga­ni­sier­ten ras­sis­ti­schen An­woh­ner_in­nen: mit per­sön­li­chen Ge­sprä­chen wur­den dut­zen­den An­woh­ner_in­nen auf einer ar­gu­men­ta­ti­ven Ebene mit ihren ras­sis­ti­schen Vor­ur­tei­len kon­fron­tiert, manch­mal hit­zig dis­ku­tie­rend, oft aber freund­lich und be­stimmt. Die Prä­senz von hun­der­ten An­ti­fa­schis­t_in­nen im Hel­lers­dor­fer Kiez lässt zudem die lo­ka­len Nazis und ge­walt­su­chen­den Ras­sis­t_in­nen schnell sehr klein wer­den – die phy­si­sche Prä­senz lässt ihnen die Lust auf Pö­be­lei oder mehr schnell ver­ge­hen, weil sie die Quit­tung post­wen­dend er­hal­ten. Die Stra­te­gie funk­tio­niert. Die NPD ver­sucht in den Tagen nach dem Ein­zug Stim­mung zu ma­chen. Immer wie­der stel­len sich ihnen Hun­der­te in den Weg, nur mit Mühe und Not kann die Ber­li­ner Po­li­zei ihnen die Wege zu den Kund­ge­bungs­plät­zen frei­prü­geln.[46] Auch die rechts­po­pu­lis­ti­sche Kleinst­par­tei Pro Deutsch­land ver­sucht, die Stim­mung für sich zu nut­zen und hält eine Kund­ge­bung gegen Asyl­be­wer­ber_in­nen ab – auch sie be­kom­men dafür ein Pfeif­kon­zert.[47] Die Mahn­wa­che fun­giert als Treff-​ und In­for­ma­ti­ons­punkt, das ge­fällt der Be­zirks­ver­wal­tung nicht, die die Ruhe der An­woh­ner_in­nen (und damit mein­te sie nicht die neuen An­woh­ner_in­nen in Form der Ge­flüch­te­ten) ge­schützt sehen woll­te und erst nach har­ten Ver­hand­lun­gen ein gang­ba­res Kon­zept für die Auf­recht­er­hal­tung des Pro­tes­tes ak­zep­tier­te.

 

Für die Ge­flüch­te­ten ist an ein nor­ma­les Leben nicht zu den­ken. Sie be­kom­men Aus­gangs­sper­re für die ers­ten Tage, es sei nicht si­cher, das Ge­bäu­de zu ver­las­sen, wird ihnen er­klärt. Es wird ihnen auch ex­pli­zit vom Um­gang mit an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen ab­ge­ra­ten. Erst nach ei­ni­gen Tagen dür­fen sie sich in ihrer neuen Wohn­um­ge­bung um­schau­en, ei­ni­ge knüp­fen vor­sich­tig Kon­takt mit den Ak­ti­vis­t_in­nen an der Mahn­wa­che, viele ma­chen sich erst­mal mit den Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten vor Ort ver­traut. Dort tref­fen sie auf den küh­len Hass vie­ler Hel­lers­dor­fer und die Ab­leh­nung ihrer Per­son. Ein­kau­fen wird oft zum Spieß­ru­ten­lauf – bis heute.

 

NPD-​Wahl­kampf und Wahl­er­geb­nis­se



(Foto: NPD-​Kund­ge­bung auf dem Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz am 20.​08.​2013 / Quel­le: Sören Kohl­hu­ber)

 

Hel­lers­dorf wird im Bun­des­tags­wahl­kampf 2013 – also in­ner­halb we­ni­ger Wo­chen – durch mehr als ein hal­bes Dut­zend Kund­ge­bun­gen von Par­tei­en der Ex­tre­men Rech­ten „be­sucht“. Ins­be­son­de­re die NPD er­hoff­te sich regen Zu­spruch auf ihre ras­sis­ti­sche Hetze und legte eine große Va­rie­tät in Teil­neh­mer_in­nen-​Zahl (von 10 bis 120 Per­so­nen) und Aus­ge­stal­tung (Kund­ge­bung, Kund­ge­bungs-​Hop­ping, Kund­ge­bung mit de­mo­ar­ti­ger An­rei­se) an den Tag. Ihre Reden gehen al­ler­dings im Lärm der Ge­gen­de­mons­tran­t_in­nen unter. Auch An­woh­ner_in­nen schei­nen sich vor­erst nicht son­der­lich zu in­ter­es­sie­ren – an­ders als bei Ver­an­stal­tun­gen der Bür­ger­be­we­gung. In­ter­es­sant ver­bleibt auch, dass trotz des Ver­su­ches der NPD, sich als die­je­ni­gen zu prä­sen­tie­ren, die sich für die Be­lan­ge der An­woh­ner_in­nen ein­set­zen, die bei­den par­la­men­ta­ri­schen Ver­tre­ter der NPD in der Be­zirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung, Matt­hi­as Wich­mann und Karl-​Heinz Burk­hardt,[48] auch in der Hoch­pha­se des Dis­kur­ses um die Un­ter­kunft kaum Ak­ti­vi­tät zei­gen.[49]

 

Trotz­dem wird das Er­geb­nis[50] der Bun­des­tags­wahl für die NPD ein Er­folg ihrer Stra­te­gie. Mit 0,9% mehr Zweit­stim­men im Ver­gleich zu 2009 ver­bes­sert die NPD sich im Wahl­kreis 85 enorm auf 3,9%. Ent­ge­gen des Bun­des­trends, wo sich die NPD um 0,3% auf ein Wahl­er­geb­nis von 1,5% ver­schlech­tert, pro­fi­tiert die NPD hier vom ras­sis­ti­schen Dis­kurs. Ins­be­son­de­re die Wahl­lo­ka­le der an die Un­ter­kunft an­gren­zen­den Wohn­ge­bie­te haben er­schre­cken­de Er­geb­nis­se: im Wahl­lo­kal 601 er­ringt die NPD 10,2% Zweit­stim­men und hat damit ber­lin­weit das zweit­höchs­te NPD-​Er­geb­nis. We­ni­gen Stra­ßen wei­ter, in den Wahl­lo­ka­len 617 (9,8%) und 618 (9,1%) fal­len die Er­geb­nis­se ähn­lich hoch aus. Aber: es ist nicht der stärks­te Kiez der Nazis, wei­ter nörd­lich[51], an der Gren­ze zu Bran­den­burg, stimm­ten noch mehr Men­schen für die NPD.

 

Aber schon in der Bun­des­tags­wahl 2013 zeigt sich, dass nicht nur die NPD von dem ras­sis­ti­schen Dis­kurs pro­fi­tiert hat. Im Wahl­lo­kal 601 stim­men 9,5% für die AfD – ob­wohl der Be­zirks­wahl­kampf durch die AfD kaum wahr­nehm­bar ge­führt wurde und auch keine ex­pli­zi­te Po­si­tio­nie­rung zur Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft er­folg­te. Hinzu kom­men Pro Deutsch­land mit 1,2% der Stim­men und die Re­pu­bli­ka­ner mit 0,5%. Ins­ge­samt hat der Kiez also Kli­en­tel, das zu 21,4% rechts der CDU wählt. In den an­de­ren Wahl­lo­ka­len sieht es nicht bes­ser aus. Die Schutz­be­haup­tung der Be­zirks­po­li­tik, „ihre“ An­woh­ner_in­nen wären nicht „rechts“ und schon gar nicht ras­sis­tisch hatte spä­tes­tens zu dem Zeit­punkt ein Pro­blem: die Po­si­tio­nen von NPD, AfD & Co. sind bei einem Fünf­tel der Wäh­ler_in­nen nicht nur denk- son­dern auch wahl­fä­hig ge­we­sen. Das zeigt auch die in­ne­re Über­zeu­gung, die der ra­tio­na­len und in­di­vi­dua­li­sier­ten Wahl­ent­schei­dung im Un­ter­schied zu­grun­de liegt, in Dif­fe­renz zum emo­tio­na­li­sier­ten Mas­sen­phä­no­men der Nein-​zum-​Heim-​Pa­ro­len des „Brau­nen Diens­ta­ges“.

 

Die letz­ten Mo­na­te wur­den dann durch den Eu­ro­pa­wahl­kampf be­stimmt, in dem die NPD zwei Kleinst-​Ak­tio­nen nach Hel­lers­dorf ver­leg­te, ins­ge­samt also deut­lich we­ni­ger En­ga­ge­ment als im Bun­des­tags­wahl­kampf zeig­te. Schon hier legte die Po­li­zei­di­rek­ti­on 6 aber einen Grund­stein für die Selbst­si­cher­heit der Nazis am Pfingst­sonn­tag: sie er­laub­te die Ab­schluss­kund­ge­bung der NPD in nur 100m Ent­fer­nung zur Un­ter­kunft, in Hör- und Sicht­wei­te der Ge­flüch­te­ten, die eine halbe Stun­de lang von Schmidtkes Reden be­schallt wur­den. Ge­gen­pro­tes­te hin­ge­gen wur­den daran ge­hin­dert, sich schüt­zend zwi­schen NPD und die Ge­flüch­te­ten zu stel­len, und weit ab­seits hin­ter die NPD ver­bannt.


Trotz der ver­gleichs­wei­se ge­rin­gen Ak­ti­vi­tä­ten der NPD im Wahl­kampf 2014 stell­te sich er­neut ein hohes Er­geb­nis[52] im Be­zirk ein. In­zwi­schen sind die an die Un­ter­kunft an­gren­zen­den Wahl­kie­ze 6E (7,4%) und 6A (6,0%) die­je­ni­gen mit dem höchs­ten NPD-​An­teil in Ber­lin. Auch wenn das zwei­stel­li­ge Er­geb­nis der Bun­des­tags­wahl dort nicht er­neut er­reicht wurde, zeigt sich eine ver­fes­tig­te Ten­denz. Er­neut sehr stark schnei­det die AfD ab, die mit 10,8% und 11,1% aber noch unter dem Be­zirks­schnitt von 11,7% lag. Ihre Hoch­bur­gen lie­gen im klein­bür­ger­lich ge­präg­ten Mahls­dorf, wo sie in der Spit­ze 14,2% er­hal­ten. Im Kiez um die Un­ter­kunft kommt es zu 18, 7% der Stim­men rechts der CDU, er­neut liegt der rech­te Wahl­an­teil bei knapp einem Fünf­tel der Wäh­ler_in­nen.

 

Zu­sam­men­fas­send lässt sich kon­sta­tie­ren, dass die ras­sis­ti­sche Agi­ta­ti­on der NPD zu­sam­men mit der Bür­ger­be­we­gung, von denen ihnen immer wie­der in­di­rek­te Wahl­emp­feh­lun­gen aus­ge­spro­chen wur­den, sich in einer Ver­fes­ti­gung rech­ter Wäh­ler­schaft über­setz­te. Gleich­zei­tig liegt sie in star­ker Kon­kur­renz mit der AfD – die durch NPD und auch Bür­ger­be­we­gung offen an­ge­fein­det wurde – und es bleibt zu ver­mu­ten, dass die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung und die Stim­mungs­ma­che be­zirks­weit für das Wahl­er­geb­nis der AfD mit­ent­schei­dend war, ob­wohl oder ge­ra­de weil sich diese nur in­di­rekt zur kon­kre­ten Pro­ble­ma­tik in Hel­lers­dorf ge­äu­ßert hat und vor Ort keine ei­ge­ne Ak­ti­vi­tät ent­fal­te­te. Die NPD geht ins­ge­samt ge­stärkt aus dem Eu­ro­pa­wahl­kampf her­vor: durch die Auf­he­bung der 5%-​Hür­de ist ihr Spit­zen­kan­di­dat, der Wahl­ber­li­ner Udo Voigt, der Ein­zug ins Eu­ro­pa­par­la­ment ge­lun­gen. Da­durch rückt Schmidtke in die BVV Trep­tow-​Kö­pe­nick nach und hat damit nach der Ab­ge­ord­ne­ten­haus-​Re­form vom 1. Ja­nu­ar 2014 eine steu­er­freie Grund­si­che­rung bis 2016.[53]

 

NPD, Die Rech­te und Na­zi­struk­tu­ren in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf



(Foto: Screen­shot von npd-​mar­zahn-​hel­lers­dorf.​com)

 

Schmidtke konn­te zu­letzt im Eu­ro­pa­wahl­kampf auch auf lo­ka­le NPD-​Struk­tu­ren ver­trau­en, die seit dem ver­gan­ge­nen Som­mer ge­fes­tig­ter und ak­ti­ver auf­tre­ten. Ein­ge­bun­den sahen sich vor allem Kai Schus­ter, Rene U., Lars N., Den­nis P., An­dre­as K. und Ro­ma­no S., die sich selbst immer wie­der beim Pla­ka­te hän­gen film­ten – Hash­tag: #NPD – Sel­fies, so hatte man den Ein­druck, waren auf den ein­schlä­gi­gen Face­book-​Pro­fi­len der Trend des Früh­lings. Die NPD Mar­zahn-​Hel­lers­dorf (KV4) gibt ex­pli­zit an, dass sie mit den Frei­en Kräf­ten zu­sam­men­ar­bei­tet, was zeigt, wie eng die Vor­stel­lung des Kamp­fes um die Par­la­men­te und des Kamp­fes um die Stra­ße in den lo­ka­len Struk­tu­ren ver­zahnt ist. Der Be­zirks­ver­band hat in­zwi­schen auf die Er­fah­run­gen, die er im Rah­men der Mit­ar­beit in der Bür­ger­be­we­gung mit di­gi­ta­len Me­di­en sam­meln konn­te, auf­ge­baut und be­treibt eine ei­ge­ne ak­ti­ve Face­book-​Prä­senz, die aber un­wei­ger­lich we­ni­ger Zu­spruch er­hält als die Bür­ger­be­we­gungs-​Sei­te. Trotz­dem ist be­mer­kens­wert, wie Ar­beits­er­geb­nis­se und Er­fah­run­gen hier ihre Über­tra­gung fin­den. Weit­ge­hend davon ab­ge­schot­tet be­fan­den sich in den letz­ten Mo­na­ten die BVV-​Ver­tre­ter Matt­hi­as Wich­mann und Karl-​Heinz Burk­hardt, die sich weder um ak­ti­ve lo­kal­po­li­ti­sche Ar­beit in Form von An­trä­gen oder Wort­bei­trä­gen be­müh­ten, noch um eine Re­prä­sen­ta­ti­on ge­gen­über der Öf­fent­lich­keit – NPD-​Po­li­tik bleibt in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf glück­li­cher­wei­se eine Farce[54], man greift seine Gel­der ab und hat es sich im ach-​so-​ver­hass­ten Sys­tem be­quem ge­macht.

 


(Foto: NPD­ler An­dre­as K. po­siert in der U5 an der Halt­stel­le Cott­bus­ser Platz mit einer Reichs­kriegs­flag­ge / Quel­le: In­ter­net)

 

Dabei star­te­te die Bür­ger­initia­ti­ve unter den Flag­gen der lo­ka­len NPD. Mit Tho­mas Crull zeich­ne­te sich ein lo­ka­ler NPD-​Kan­di­dat für das erste Auf­tre­ten der Bür­ger­initia­ti­ve über­haupt – auf Fly­ern voll mit ras­sis­ti­scher Hetze – pres­se­recht­lich ver­ant­wort­lich.[55] Die Flyer sol­len auch von Matt­hi­as Wich­mann im Wohn­ge­biet um die Un­ter­kunft (er selbst wohnt nur we­ni­ge Meter vom Lager ent­fernt) noch um Juni 2013 ver­teilt wor­den sein. Schnell wurde auch be­kannt, dass Karl-​Heinz Burk­hardt sich mit sei­nem BVV-​Aus­weis Zu­tritt zur Un­ter­kunft ver­schaf­fen woll­te. Da­nach wurde es ruhig um die bei­den NPD-​Par­la­men­ta­ri­er. Sie tauch­ten auf kei­nen De­mons­tra­tio­nen oder Ver­an­stal­tun­gen auf. Erst in den letz­ten Wo­chen schei­nen sie wie­der in­ten­si­ver In­for­ma­tio­nen aus der BVV an die Bür­ger­be­we­gung wei­ter­zu­ge­ben, In­for­ma­tio­nen aus NPD-​An­fra­gen[56] wer­den ohne Quel­len auf deren Seite hoch­ge­la­den.

 

So rich­tig ein- und un­ter­ord­nen will man sich in der lo­ka­len NPD-​Ba­sis an­schei­nend nicht: die Ak­tio­nen des Lan­des­ver­ban­des wer­den nur sel­ten mit­ge­tra­gen, meis­tens er­scheint man auf De­mons­tra­tio­nen. Zwei zen­tra­le Agi­ta­ti­ons­ver­su­che von Schmidtke er­lo­schen je­doch im Nir­wa­na, wohl auch durch den feh­len­den Um­set­zungs­wil­len vor Ort. Es wurde ei­ner­seits die Ein­rich­tung einer Bür­ger­wehr durch Schmidtke an­ge­kün­digt, die gegen die an­geb­li­che Kri­mi­na­li­täts­be­las­tung, die durch die Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft ent­stan­den wäre, vor­ge­hen würde. Kühl such­ten die Be­hör­den Schmidtke auf und ver­ba­ten ihm eine wei­te­re Agi­ta­ti­on in diese Rich­tung, die Ak­ti­on flopp­te.[57] Bür­ger­wehr­struk­tu­ren waren nicht mehr fest­stell­bar, auch wenn die zahl­rei­chen Gas­si-​Run­den mit Max & Co. zeit­wei­lig den An­schein einer fes­ten In­sti­tu­ti­on mach­ten und die Be­fürch­tung einer Bür­ger­wehr in spe auf­kom­men lie­ßen. An­de­rer­seits ver­such­te Schmidtke durch eine Un­ter­schrif­ten­samm­lung – in Pa­pier­form! – den öf­fent­li­chen Druck zu er­hö­hen und die Schlie­ßung der Un­ter­kunft zu for­cie­ren.[58] Noch im Fe­bru­ar 2014 wurde das Kon­zept zwar di­gi­tal durch die Bür­ger­be­we­gung ver­brei­tet und mit­ge­tra­gen, doch durch die Stra­ßen gehen und klin­geln woll­te an­schei­nend nie­mand, wohl wis­send, dass sie damit ihr Ge­sicht in der Öf­fent­lich­keit prä­sen­tie­ren hät­ten müs­sen und so­fort an­ti­fa­schis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen auf­ge­fal­len wären, die ihnen trotz der Be­haup­tung, in Hel­lers­dorf wür­den ei­gent­lich gar keine An­ti­fas woh­nen und die kämen aus Kreuz­berg an­ge­reist, schon lange im All­tag auf die Pelle rück­ten und viele Agi­ta­ti­ons­ver­su­che unter Be­ob­ach­tung und In­ter­ven­ti­on stell­ten. Die Un­ter­schrif­ten­samm­lung flopp­te also auch, bis heute ist weder ein Er­geb­nis noch ein neu­er­li­cher An­lauf zur wei­te­ren Samm­lung ent­stan­den.

 


(Foto: Sven Neu­bau­er, Anja N, Ni­co­le H und Pa­trick Krü­ger als Ver­tre­ter der DIE RECH­TE Ber­lin bei einem Auf­marsch der Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf am 26.​10.​2013 in Hel­lers­dorf / Quel­le: In­ter­net)

 

Im Som­mer 2013 grün­de­te sich in Ber­lin der Lan­des­ver­band der Par­tei „Die Rech­te“ aus dem Um­feld der ehe­ma­li­gen Front­ban­n24-​Mit­glie­der, deren vor­he­ri­ge Or­ga­ni­sa­ti­ons­form ver­bo­ten wurde.[59] Front­bann 24 war auch in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf aktiv, und so ist es wenig ver­wun­der­lich, dass der stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de des Lan­des­ver­ban­des, Pa­trick Krü­ger, zu­sam­men mit sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin Ni­co­le H. und zwei Kin­dern in Mar­zahn wohnt. Wie das Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma auf­führ­te ist der sehr auf­fäl­li­ge, offen mit neo­na­zis­ti­schen Tat­toos her­um­lau­fen­de Krü­ger ein An­hän­ger des be­waff­ne­ten Arms der in Deutsch­land ver­bo­te­nen Blood-​&-​Ho­nour-​Be­we­gung[60], Com­bat 18[61], und po­siert im Netz mit Hit­ler­grü­ßen. Seine be­weg­te Ver­gan­gen­heit führ­te ihn unter an­de­rem in das Um­feld des NSU und in meh­re­re mi­li­tan­te, neo­na­zis­ti­sche Skin­head­grup­pie­run­gen.[62] Krü­ger gibt sich als rei­se­freu­di­ger De­mons­tra­ti­ons­teil­neh­mer, und ist bei vie­len zen­tra­len Auf­mär­schen der Szene bun­des­weit zu fin­den. In Oder­berg ver­trat er zu­sam­men mit Da­nie­la Fröh­lich, die für die Bür­ger­be­we­gung sprach, seine Par­tei in einem Re­de­bei­trag.[63] Er pflegt zudem gute Kon­tak­te nach Bar­nim. Umso in­ter­es­san­ter ist es, dass die par­tei­po­li­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten der Par­tei „Die Rech­te“ im Be­zirk nicht wahr­nehm­bar sind. Man schaff­te es als Par­tei auch nicht, an der Eu­ro­pa­wahl teil­zu­neh­men und scheint auch sonst wenig par­la­men­ta­ri­sches In­ter­es­se zu ent­wi­ckeln. „Die Rech­te“ dient nicht nur in Ber­lin als rei­nes Auf­fang­be­cken für Mit­glie­der ver­bo­te­ner Ka­me­rad­schaf­ten und Or­ga­ni­sa­tio­nen, auch in Dort­mund fin­den sich bei­spiels­wei­se die Mit­glie­der des ver­bo­te­nen NWDO (Na­tio­na­ler Wi­der­stand Dort­mund) in der Par­tei wie­der – und sor­gen mit einem ver­such­ten Rat­haus­sturm und An­grif­fen auf Ver­tre­ter_in­nen der de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en für Schlag­zei­len.[64] Es ist also nicht nur ber­lin-​ son­dern auch bun­des­weit nach­weis­bar, dass die Par­tei nur als Er­satz­or­ga­ni­sa­ti­on für ver­bo­te­ne Struk­tu­ren dient und keine Be­tei­li­gung an der Par­tei­en­de­mo­kra­tie im Sinn hat – unter nor­ma­len Um­stän­den ein ge­läu­fi­ger Ver­bots­grund, den die FAP durch die Ein­stu­fung als Ver­ein an­statt als Par­tei und das post­wen­den­de Ver­bot sel­bi­ger im Jahre 1995 stür­zen ließ.[65] In Ber­lin scheint es diese nor­ma­len Um­stän­de aber auch mit of­fen­kun­dig mi­li­tant or­ga­ni­sier­ten Nazis wie Pa­trick Krü­ger nicht zu geben. Ein Ver­bot der „Die Rech­te“ im Land steht nicht auf der Ta­ges­ord­nung, die In­nen­ver­wal­tung hat kaum In­for­ma­tio­nen über die Par­tei und fo­kus­siert sich in ihren Be­rich­ten auf die NPD. Dabei hat „Die Rech­te“ in mit­tel­fris­ti­ger Sicht durch­aus das Po­ten­ti­al, mit Ak­tio­nis­mus und Stra­ßen­ter­ror die Lücke zu fül­len, die durch die schwa­che NPD und den Re­pres­si­ons­druck gegen NW Ber­lin (Na­tio­na­ler Wi­der­stand Ber­lin) ent­stan­den ist. Schon die De­mons­tra­ti­on am 21. Sep­tem­ber 2013 in Lich­ten­berg un­ter­schied sich in ihrer Ag­gres­si­vi­tät deut­lich von den NPD-​Ver­an­stal­tun­gen der letz­ten Jahre.[66]Ein Red­ner ließ es sich nicht neh­men, in der Ver­le­sung der Auf­la­gen die po­li­zei­lich un­ter­sag­ten Pa­ro­len in die Menge der Ge­gen­de­mons­tran­t_in­nen hin­ein­zu­brül­len, zur Be­geis­te­rung sei­ner An­hän­ger_in­nen. Auch Pa­trick Krü­ger nahm an die­ser De­mons­tra­ti­on teil, for­der­te An­ti­fa­schis­t_in­nen auf, sich ihm „zu stel­len“. „Die Rech­te“ or­ga­ni­sier­te auch den Ber­li­ner Ab­le­ger der de­zen­tral or­ga­ni­sier­ten Kund­ge­bun­gen zur The­ma­ti­sie­rung der Flie­ger-​An­grif­fe auf Dres­den am Ende des 2. Welt­krie­ges.[67]

 


(Foto: Pa­trick Krü­ger als Red­ner DIE RECH­TE Ber­lin am 16.​11.​13 in Oder­berg / Bran­den­burg 2013)

 

Zwi­schen NPD, „Die Rech­te“ und Bür­ger­be­we­gung fin­den sich auch immer wie­der her­aus­ste­chen­de ein­zel­ne Nazis. Es tau­chen in aller Re­gel­mä­ßig­keit offen na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Sti­cker und Spuckis auf, es wer­den ver­schie­de­ne La­bels be­nutzt, um eine brei­te Ak­ti­ons­front zu si­gna­li­sie­ren, hin­ter ein wei­test­ge­hend ge­fes­tig­ter klei­ner Per­so­nen­kreis ste­hen dürf­te, der seit Jah­ren im Be­zirk aktiv ist.[68] Be­un­ru­hi­gend ist al­ler­dings die – zumal öf­fent­lich zur Schau ge­stell­te – zu­neh­men­de Mi­li­tanz auch der sub­kul­tu­rel­len, un­or­ga­ni­sier­ten Nazis.

 


(Foto: NPD­ler An­dre­as K. mit Freun­den beim Hit­ler­gruß / Quel­le: In­ter­net)

 

Ein jun­ger Jour­na­list wird im Herbst 2013 am Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz durch zwei Nazis kran­ken­haus­reif ge­prü­gelt und kommt nur knapp mit schwe­ren Kopf­ver­let­zun­gen davon.[69] Einer der An­grei­fer ist Nor­man K., er wird in der Sil­ves­ter­nacht in Frank­furt/Oder ge­stellt und ein of­fe­ner Haft­be­fehl voll­streckt.

Im Ja­nu­ar 2014 muss dann Marco Z. eine vier­mo­na­ti­ge Haft­stra­fe an­tre­ten. Sein Face­book-​Pro­fil wim­melt von na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Be­zü­gen, gleich­zei­tig fühlt er sich, nach­dem er im April 2014 aus der JVA Plöt­zen­see ent­las­sen wird, von der rech­ten Szene miss­ach­tet und aus­ge­grenzt. Er sucht aber wei­ter­hin die Nähe zur NPD, wo er am 24. Mai bei den Kund­ge­bun­gen auf dem Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz und vor der Un­ter­kunft auf­taucht. Schon im Som­mer 2013, kurz nach dem „Brau­nen Diens­tag“ be­droh­te er Ak­ti­vis­t_in­nen über Face­book-​Nach­rich­ten mit Ver­ge­wal­ti­gung und Tod und droh­te, das ent­ste­hen­de Lager und die ein­zie­hen­den Be­woh­ner_in­nen nie­der­zu­bren­nen.

 


(Foto: Hel­lers­dor­fer Neo­na­zi Ro­ma­no S und sein Bru­der Mar­cel po­sie­ren mit Waf­fen / Quel­le: In­ter­net)

 

Ro­ma­no S. und sein Bru­der Mar­cel stell­ten am 18. Mai 2014 ein Bild auf Face­book ein, das sie mit einer Pis­to­le, einem Base­ball­schlä­ger und Kampf­hand­schu­hen zeigt. Die Brü­der sind oft am Nach­mit­tag oder Abend am Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz zum Trin­ken ver­ab­re­det, von ihrer Grup­pe gehen re­gel­mä­ßig Über­grif­fe auf Per­so­nen aus, die nicht in ihr Welt­bild pas­sen. Die of­fen­si­ve Be­waff­nung der Nazis lässt es nur eine Frage der Zeit er­schei­nen, bis es zu ernst­haf­ten Ver­let­zun­gen kommt. Die Po­li­zei bleibt – wie immer – un­tä­tig.

 


(Foto: Vi­wa-​Im­biss am 19.​08.​13 um­stellt durch Po­li­zei­kräf­te, die Nazis in Schach hal­ten / Quel­le: Theo Schnei­der)

 

Neben dem Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz sam­meln sich viele Rech­te auch in dem Vi­wa-​Im­biss am U-​Bahn­hof Cott­bus­ser Platz. Schon seit den Neun­zi­gern ist die klei­ne Knei­pe, aus­ge­stat­tet mit Spiel­au­to­ma­ten, be­kann­ter Treff­punkt von al­ko­hol­kran­ken und spiel­süch­ti­gen All­tags­ras­sis­t_in­nen und frus­trier­ten Nazis. Doch ge­ra­de die räum­li­che Nähe zum Lager, das nur we­ni­ge hun­dert Meter auf der an­de­ren Seite des U-​Bahn­ho­fes liegt, lässt es zu einem der zen­tra­len Treff­punk­te für Or­ga­ni­sa­tor_in­nen der Bür­ger­be­we­gung wer­den. Ge­ra­de Kai Schus­ter ist hier schon län­ger Gast, und kann er­folg­reich seine Sauf­kum­pa­nen an agi­tie­ren. Auch Tina Krü­ger und ihr Ver­lob­ter T. las­sen sich ein­bin­den, Tina Krü­ger stellt ihr Konto der Bür­ger­initia­ti­ve als Spen­den­kon­to zur Ver­fü­gung, sie tau­chen zu­sam­men immer wie­der auf De­mons­tra­tio­nen der Ex­tre­men Rech­ten im Be­zirk, aber auch in Bran­den­burg auf. Eine der Tre­sen­kräf­te des Im­biss steht im Ver­dacht von An­ti­fa­schis­t_in­nen, die über­all in Hel­lers­dorf aus­ge­kipp­ten „Nein zum Heim“-​Schnip­sel für die Bür­ger­be­we­gung pro­du­ziert zu haben.

 


(Foto: Susan W., Na­di­ne R., Tina Krü­ger und T. bei einer De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gung durch Hel­lers­dorf am 26.​10.​13 / Quel­le: Theo Schnei­der)

 

Hinzu kom­men wei­te­re Nazis, deren Welt­bild man an ihren Pro­fil­sei­ten ab­le­sen kann, und die das auch of­fen­siv auf die Stra­ße tra­gen. Im Um­feld der Bür­ger­be­we­gung fin­det man z.B. An­dre­as Horst Artur K. oder Micha­e­la N., die mit „Nein zum Heim“-​Sti­ckern, einer Scream-​Mas­ke und einem Spiel­zeug­ge­wehr po­siert. Sie ist auch bei den Auf­mär­schen der Bür­ger­be­we­gung zu Gast und steht ex­em­pla­risch für die Geis­tes­hal­tung und die dar­aus re­sul­tie­ren­de Ge­fahr, die sich aus der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung unter den An­woh­ner_in­nen im Be­zirk ent­wi­ckelt hat.

 


(Foto: Bür­ger­be­we­gung-​An­hän­ge­rin Micha­e­la N. po­siert mit Hor­ror-​Mas­ke und Spiel­zeug­waf­fe gegen die Un­ter­kunft / Quel­le: In­ter­net)

 

Rechts­ter­ro­ris­mus, das muss man so kon­sta­tie­ren, ge­hört in­zwi­schen zur glo­ri­fi­zier­ten Le­bens­wirk­lich­keit der be­zirk­li­chen Na­zi­sze­ne, man po­siert mit Waf­fen, Krü­ger be­wegt sich mit NSU-​So­li­da­ri­täts-​Shirt durch die Stadt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis da ei­ne_r mal ernst macht und zum Schuss an­setzt. Bis dahin äu­ßert sich die la­ten­te Ge­fahr in den zahl­lo­sen ge­walt­tä­ti­gen Über­grif­fen gegen Ge­flüch­te­te und den An­schlä­gen aus dem Um­feld der Bür­ger­be­we­gung.

 

Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-​Hel­lers­dorf …


Die Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-​Hel­lers­dorf war im Juni 2013 mit hohem Elan in die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung ein­ge­stie­gen. Un­mit­tel­ba­re Er­folgs­er­leb­nis­se stütz­ten die Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur, die sich bis­her nicht er­kenn­bar ver­än­dert hat. Bei der spon­ta­nen De­mons­tra­ti­on am Pfingst­sonn­tag 2014 tauch­ten in Folge der Kon­ti­nui­tät er­neut Da­nie­la Fröh­lich als Red­ne­rin, Mar­cel Ro­ckel und Kai Schus­ter als Or­ga­ni­sa­to­ren auf – wie schon vor einem Jahr.[70] Alle drei woh­nen in Hel­lers­dorf, in re­la­ti­ver Um­ge­bung zur Un­ter­kunft. Die Bür­ger­be­we­gung hat also durch­aus einen lo­ka­len Kern, der aber auf in­ten­si­ve Mit­hil­fe durch die Ber­li­ner Na­zi­sze­ne set­zen kann – Da­nie­la Fröh­lich sorgt für die Ver­net­zun­gen in die Ka­me­rad­schaf­ten und den ehe­ma­li­gen Front­bann-​Mit­glie­dern, Mar­cel Ro­ckel hat enge Kon­tak­te zu den Lich­ten­ber­ger NW-​Na­zis, der JN und der NPD und Kai Schus­ter ist in der lo­ka­len NPD-​Struk­tur ver­an­kert und stellt das Bin­de­glied zu den An­woh­ner_in­nen dar. So auf­ge­stellt be­glei­ten sie den Ein­zug der Ge­flüch­te­ten im Au­gust 2013 aus dem Vi­wa-​Im­biss her­aus und grei­fen zu­sam­men mit Pa­trick Krü­ger ei­ni­ge An­ti­fa­schis­t_in­nen aus der Knei­pe her­aus an. Sie wer­den dafür von der Po­li­zei fest­ge­setzt. Nach der brei­ten an­ti­ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung schi­cken sie An­woh­ner_in­nen vor, um den Kiez aus­zu­spä­hen, lo­ka­le NPD­ler fah­ren an der Mahn­wa­che vor, sie selbst hal­ten sich im Hin­ter­grund. Es muss wei­ter­hin eine Ver­net­zung zu an­de­ren Pro­test­be­we­gun­gen gegen Un­ter­künf­te geben, denn der vor­her für An­woh­ner_in­nen in Rei­ni­cken­dorf tä­ti­ge Rechts­an­walt Jens-​Ge­org Mor­gens­tern (as­so­zi­iert mit der Kanz­lei „Streif­ler & Kol­le­gen“) – ein be­ken­nen­der Ras­sist mit Ku-​Klux-​Klan-​Be­zü­gen auf sei­ner Face­book-​Sei­te – will auch in Hel­lers­dorf tätig wer­den, zieht sich nach me­dia­ler Skan­da­li­sie­rung zu­rück.[71] Auch André Otto, ein ehe­ma­li­ger DVU­ler und wegen ras­sis­ti­schen Ge­walt­de­lik­ten schon in den 90ern be­kannt,[72] zieht sich nach einer kur­zen So­li­da­ri­täts­er­klä­rung bei der Bür­ger­initia­ti­ve in sein The­men­ge­biet – die Tan­gen­te Ost[73] – zu­rück, wohl auch, um seine Kan­di­da­tur für die Bun­des­tags­wahl als par­tei­lo­ser Be­wer­ber nicht zu ge­fähr­den.[74]


(Foto: Screen­shot der Seite andreotto.​de)

 

Die Struk­tur der Bür­ger­initia­ti­ve spal­tet sich im Au­gust 2013, André Kie­bis grün­det einen ge­mä­ßig­ten Ab­le­ger in Ver­eins­form, auf den spä­ter ein­ge­gan­gen wird. Dafür taucht Kai Schus­ter zu­sam­men mit René U. in einer Sit­zung der BVV Mar­zahn-​Hel­lers­dorf auf, schüch­tert dort eine Ver­ord­ne­te ein. Die Face­book-​Sei­te wird mehr­mals ge­löscht, mit ihr die Ad­mi­nis­tra­ti­ons­ac­counts. Die Bür­ger­initia­ti­ve grün­det di­gi­ta­le Ab­le­ger, ber­lin­wei­te Sei­ten und einen ei­ge­nen De­mo-​Ac­count, der eine Tag-​X-​Mo­bi­li­sie­rung für den so­ge­nann­ten „Tag der Mei­nungs­frei­heit“ be­treibt.[75] Aber keine ist so be­liebt wie die Seite der Bür­ger­initia­ti­ve, die es jedes Mal auf 2000 bis 3000 Likes schafft, bevor sie ab­ge­schal­tet wird.

 


(Foto: René U. [Mitte] am „Brau­nen Diens­tag“ – 09.​07.​13 – in Hel­lers­dorf / Quel­le: Chris­ti­an Jäger)

 

Auf ihr geht die Hetze, die De­kon­struk­ti­on Ost im letz­ten Jahr schon aus­gie­big ana­ly­siert hatte[76], wei­ter. Bil­der von Ge­flüch­te­ten wer­den ge­pos­tet, wie sie vor Müll­ton­nen ste­hen, was aus nicht näher er­klär­ten Grün­den als ver­werf­lich dar­ge­stellt wird – aus­gie­big wird das Bild der „Rat­ten“, die den Müll durch­wüh­len, be­müht und er­regt den Zorn der An­woh­ner_in­nen.[77] Gleich­zei­tig, in­kon­se­quen­ter Weise, wer­den Bil­der vom an­geb­li­chen Reich­tum der Ge­flüch­te­ten be­müht, es wer­den Smart­pho­nes, Plas­ma-​Fern­se­her und an­de­re hoch­wer­ti­ge Tech­nik in der Un­ter­kunft ge­sich­tet und ab­fo­to­gra­fiert. Kri­ti­sche Stim­men, die ins­be­son­de­re bei den Fern­se­hern dar­auf hin­wei­sen, dass sie schon vor dem Bezug im Un­ter­kunfts­ge­bäu­de stan­den, gehen im Rau­schen der ras­sis­ti­schen Kom­men­ta­re unter, von denen die Mehr­zahl im straf­ba­ren und zu­min­dest be­lei­di­gen­den Be­reich liegt. Immer wie­der schla­gen je­doch die Ad­min­stra­tor_in­nen über die Strän­ge. Wäh­rend sich die Front ge­gen­über den Asyl­be­wer­ber_in­nen wei­test­ge­hend ge­schlos­sen zeigt, be­kom­men sie bei wei­ter­ge­hen­der Hetze ge­gen­über Peop­le Of Color das Un­be­ha­gen der An­woh­ner_in­nen zu spü­ren: als Asi­a­t_in­nen wahr­ge­nom­me­ne Men­schen wer­den ge­gen­über den An­fein­dun­gen in Schutz ge­nom­men, auf die ihnen zu­ge­schrie­be­nen Ei­gen­schaf­ten als „stil­le“, „ar­beit­sa­me“ und „gut in­te­grier­te“ Men­schen ver­wie­sen. Wäh­rend auch diese Zu­schrei­bun­gen ras­sis­ti­scher Natur sind, so dif­fe­ren­zie­ren sie je­doch die Com­mu­ni­ty auf der Seite der Bür­ger­be­we­gung durch die po­si­ti­ve Kon­no­tie­rung aus. Die Bür­ger­initia­ti­ve selbst merkt, dass sie in Hel­lers­dorf kaum noch einen Blu­men­strauß ge­win­nen kann. An­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen ma­chen ihnen die Stra­ßen­ak­ti­vi­tät zu­nich­te, der von ihnen pro­phe­zei­te in­stan­te „Über­frem­dung“ bleibt aus. Sie mer­ken aber, dass ihre di­gi­ta­le Hetze weit­ge­hend straf­frei bleibt und sie mit ihrem Ac­count eine hohe An­zahl von Leu­ten er­rei­chen. Au­ßer­dem kön­nen die Köpfe der Bür­ger­be­we­gung die De­bat­te auf der Seite merk­lich len­ken. Kai Schus­ter schreibt lange Zeit unter sei­nem rich­ti­gen Namen auf der Seite, Da­nie­la Fröh­lich be­nutzt das Pseud­onym „Helle Göre“ und ver­fasst damit ei­ni­ge Gast­bei­trä­ge und lange Kom­men­ta­re. So wird das The­men­spek­trum im Spät­som­mer ver­brei­tert: ab jetzt wird auch re­gel­mä­ßig über die „Zu­stän­de“ am Ora­ni­en­platz be­rich­tet, Men­schen wer­den ab­fo­to­gra­fiert, an­geb­li­che Müll­plät­ze und Ver­wahr­lo­sung sol­len ge­zeigt wer­den. Man be­kommt den Ein­druck, dass die Bür­ger­be­we­gung au­ßer­dem zum neuen Spiel­ball der An­ti-​An­ti­fas von NW Ber­lin wird, re­gel­mä­ßig wird dort über an­geb­li­che An­ti­fa­schis­t_in­nen, Jour­na­lis­t_in­nen und Lo­kal­po­li­ti­ker_in­nen de­tail­liert be­rich­tet und so eine di­gi­ta­le Fein­des­lis­te er­stellt, zu­sam­men mit Fotos, Per­so­nen­da­ten und An­schrif­ten, die durch die Nazis in den kom­men­den Mo­na­ten auch aktiv für Ter­ror gegen Lo­kal­po­li­ti­ker[78] ge­nutzt wer­den. Face­book be­schei­nigt in aller Re­gel­mä­ßig­keit un­be­denk­li­che In­hal­te und weist Lö­schauf­for­de­run­gen zu­rück, die Ber­li­ner Po­li­zei gibt sich un­wis­send und bleibt – kon­stant – un­tä­tig.

 

Zu­neh­mend un­be­frie­digt sind die lo­ka­len Nazis aber mit der Über­set­zung ihrer Agi­ta­ti­on auf die Stra­ße. Es ist nur wenig vom ras­sis­ti­schen Pro­test zu spü­ren, ein gro­ßes Bünd­nis trug am 3. Ok­to­ber 2013 die an­ti­ras­sis­ti­sche So­li­da­ri­tät mit 1500 Men­schen quer durch Hel­lers­dorf. Sie haben für eine immer klei­ner wer­den­de Grup­pe von Fans einen ge­schlos­se­nen Nar­ra­tiv[79] des Ras­sis­mus kon­stru­iert, der in der di­gi­ta­len Com­mu­ni­ty funk­tio­niert, und sich im Leben ei­ni­ger Hel­lers­dor­fer_in­nen fest­setzt. Aber nach außen wahr­nehm­bar bleibt vor­erst nur die So­li­da­ri­tät, die öf­fent­li­che Wür­di­gung so­li­da­ri­scher Ak­ti­vi­tät. Die In­itia­ti­ve Hel­lers­dorf Hilft hat bis­her drei Prei­se für ihr ge­sell­schaft­li­ches En­ga­ge­ment ge­won­nen[80], der Bun­des­prä­si­dent for­der­te Schü­ler_in­nen zum Pro­test auf[81] und selbst der Chef des Ber­li­ner Ver­fas­sungs­schut­zes äu­ßer­te sich an­er­ken­nend über so­li­da­ri­sche Ak­ti­vis­t_in­nen[82], die sich den Nazis ent­ge­gen­stell­ten und den Ras­sis­mus der An­woh­ner_in­nen auf­ar­bei­ten wür­den. An der in Hel­lers­dorf an­säs­si­gen Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Hoch­schu­le brach­ten sich zudem meh­re­re Grup­pen und Ein­zel­per­so­nen ein, allen voran me­di­en­wirk­sam die Rek­to­rin Theda Borde, die für eine star­ke Ver­net­zung der Hoch­schu­le mit den Be­woh­ner_in­nen der Un­ter­kunft sorg­te.[83] Da­ne­ben fan­den sich auch Stu­die­ren­de in der Grup­pe gren­zen_­weg[84] zu­sam­men, die sich in­ten­siv in die an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­beit in Hel­lers­dorf ein­brach­ten. Mit der De­bat­te um Na­zi­struk­tu­ren be­schäf­tigt sich der Ar­beits­kreis Rech­te Ge­walt.[85] Nicht zu­letzt brach­ten sich auch das An­ti­ra/An­ti­fa-​Re­fe­rat des AStA der ASH[86] in die De­bat­te vor Ort mit ein. Diese er­stark­ten Hoch­schul­struk­tu­ren sorg­ten auch für eine deut­lich spür­ba­re Sen­si­bi­li­sie­rung der Stu­die­ren­den der ASH, die nicht nur „für die Uni“ nach Hel­lers­dorf fah­ren woll­ten, son­dern auch über den ge­sam­ten Zeit­raum maß­geb­lich die an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­tio­nen un­ter­stütz­ten und mit­tru­gen.

 

Er­heb­li­chen Druck ver­ur­sacht für die Bür­ger­initia­ti­ve auch die per­ma­nen­te Of­fen­le­gung ihrer Struk­tu­ren. In einem ver­zwei­fel­ten Ver­such, die Dis­kur­sho­heit über die The­ma­tik zu­rück­zu­ge­win­nen, wird unter dem Label der Bür­ger­initia­ti­ve im spä­ten Ok­to­ber zum so­ge­nann­ten „Tag der Mei­nungs­frei­heit“ mo­bi­li­siert, der neben der bun­des­wei­ten NPD-​De­mons­tra­ti­on am 1. Mai die zen­tra­le Ver­an­stal­tung der Ber­li­ner Na­zi­sze­ne im Jahr 2013 wird. Knapp 180 Teil­neh­mer_in­nen wer­den re­gis­triert, auf Par­tei­fah­nen wird ver­zich­tet, den­noch ist die Par­tei­gar­de von NPD (Se­bas­ti­an Schmidtke, Maria Fank, Josef Graf, Frank Maar, Lars N., Den­nis P., Ma­nu­el A., An­dre­as K. und Ro­ma­no S.) und „Die Rech­te“ (Uwe Dreisch, Pa­trick Krü­ger, Klaus Mann, Sy­bil­le Mann, Ge­si­ne Schr­a­der, Ronny Schr­a­der, Sven Neu­bau­er, Anja N., Ni­co­le H. und Den­nis K.) an­we­send, dazu wei­te­re Na­zi­ka­der (Micha­el Fi­scher, Pa­trick Kil­lat, Chris­ti­an B., Tim W., Micha­el G., Marco Z., Si­nead G., Mike T. und Ben­ja­min W.). Aber auch viele An­woh­ner_in­nen fin­den den Weg zur De­mons­tra­ti­on (Ines Teß­mer, die An­mel­de­rin; aber auch Tina Krü­ger und ihr Ver­lob­ter T., Ga­brie­la E., Fran­zis­ka G., Yvon­ne F., Susan W., Na­di­ne R., An­na-​Le­na G., Micha­el W., Micha­e­la N., Ni­co­le R. und Maria E.), tat­säch­lich zeigt sich hier der knall­har­te ras­sis­ti­sche Kern des Hel­lers­dor­fer Kie­zes. Or­ga­ni­siert wie immer von Da­nie­la Fröh­lich, Kai Schus­ter und Mar­cel Ro­ckel. Die ur­sprüng­li­che De­mons­tra­ti­on soll in 300 Meter Ent­fer­nung an der Un­ter­kunft vor­bei­füh­ren und am Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz enden. Doch über tau­send An­ti­fa­schis­t_in­nen ma­chen den Nazis ein Strich durch die Rech­nung: sie be­set­zen an zwei zen­tra­len Punk­ten die Auf­marsch­stre­cke der De­mons­tra­ti­on mit Sitz­blo­cka­den. Die Po­li­zei scheint sich dar­auf ein­ge­stellt zu haben, schon in den frü­hen Mor­gen­stun­den sind genau diese Punk­te her­me­tisch ab­ge­sperrt und nicht ohne grö­ße­ren Auf­wand zu be­sei­ti­gen, wel­che von der an­ti­fa­schis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung als Blo­cka­de­punk­te ver­öf­fent­licht wer­den, es ist auch für die Nazis er­sicht­lich, dass sie nur we­ni­ge hun­dert Meter um den Block lau­fen dür­fen. Be­dröp­pelt und von allen ge­hasst wer­den sie mit lau­ten „Nazis raus“-​Ru­fen aus dem Kiez ge­trie­ben.[87]

 


(Foto: Ro­ma­no S., Yvon­ne F. und An­dre­as K. [v.l.n.r.] auf einer De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gung am 26.​10.​13 / Quel­le: Theo Schnei­der)

(Foto: Marco Z. [mit­tig hin­ten] auf einer De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gung am 26.​10.​13 / Quel­le: Theo Schnei­der)

 

Da­hin­ter steht eine Stra­te­gie der Po­li­zei, die sich auch bei wei­te­ren Groß­ver­an­stal­tun­gen der rech­ten Szene mit Blo­cka­de­auf­ru­fen be­währt hat: von An­fang an will man genau be­stim­men wie weit die Nazis kom­men, man gibt den Nazis ei­ni­ge hun­dert Meter, um sich nicht vor­wer­fen las­sen zu müs­sen, man hätte aktiv den Auf­marsch ver­hin­dert. Die Be­rech­nung ist: wenn man den Nazis etwas Raum gibt und den Blo­ckie­ren­den das Er­folgs­er­leb­nis der Blo­cka­de gibt, sind am Ende alle ei­ni­ger­ma­ßen zu­frie­den und es bleibt fried­lich. Eine kon­se­quen­te Fort­füh­rung der po­li­zei­li­chen Stra­te­gie der „Dee­s­ka­la­ti­on“ und der „Aus­ge­streck­ten Faust“.[88]Mit si­tua­ti­ver An­pas­sung fand die­ses Kon­zept 2010 im Prenz­lau­er Berg An­wen­dung, 2011 in Kreuz­berg und 2014 in Mitte und Kreuz­berg. Die an­ti­fa­schis­ti­sche Szene fei­er­te diese Er­eig­nis­se als Er­folg, nach kri­ti­scher Be­trach­tung bleibt je­doch die Ein­schät­zung, dass man nur Teil des er­folg­rei­chen Aus­gleich­s­prin­zips der Po­li­zei ist. Al­ler­dings: dort wo Pro­tes­te nicht in einem ex­pli­zi­ten Mas­sen­blo­cka­de-​Kon­zept ein­ge­bet­tet sind, läuft es schlim­mer: hier kön­nen die Nazis in aller Re­gel­mä­ßig­keit weite Stre­cken mar­schie­ren. Die Ber­li­ner Po­li­zei hat in den letz­ten Jah­ren klar­ge­macht: nur nach un­se­ren Re­geln wer­den Nazis blo­ckiert; wer nicht mit­spielt, wird weg­ge­prü­gelt.

 

Sicht­bar wird das im wei­te­ren Ver­lauf des „Tag der Mei­nungs­frei­heit“. Un­zu­frie­den mit dem De­mons­tra­ti­ons­ver­lauf und im Ge­fühl von der Po­li­zei­lei­tung be­tro­gen wor­den zu sein, mel­det NPD­ler Se­bas­ti­an Schmidtke einen spon­ta­nen Auf­marsch an, wie er es in der Ver­gan­gen­heit schon öfter ge­macht hat, meis­tens, um vom ei­gent­li­chen Auf­mar­schort nach Lich­ten­berg oder Schö­ne­wei­de zu fah­ren und dort un­ge­stört zu de­mons­trie­ren. In Hel­lers­dorf liegt die Sache an­ders: Schmidtke ent­schei­det sich, vom End­punkt der De­mons­tra­ti­on aus auf der an­de­ren Seite der U-​Bahn-​Li­nie 5 wei­ter zu de­mons­trie­ren.[89] Durch men­schen­lee­res Ge­biet, aber im­mer­hin. In­zwi­schen sind die meis­ten Pres­se­ver­tre­ter_in­nen weg, keine Fern­seh­ka­me­ras mehr dabei. Die Ber­li­ner Po­li­zei ent­schei­det sich, die Ei­lan­mel­dung zu ge­neh­mi­gen. Viele Blo­ckie­rer_in­nen schaf­fen es auf die an­de­re Seite der U-​Bahn-​Schie­nen und wer­den dort ra­bi­at durch die Po­li­zei zur Seite ge­prü­gelt, Sitz­blo­cka­den mit Schmerz­grif­fen auf­ge­löst. Schon bei den vor­he­ri­gen Blo­cka­den brach ein Ak­ti­vist ohn­mäch­tig zu­sam­men, nach­dem er durch die Po­li­zis­t_in­nen ge­würgt und ihm der Kehl­kopf ein­ge­drückt wurde.[90] Es kommt immer wie­der zum di­rek­ten Kon­takt mit den Nazis, sie wer­den nur we­ni­ge Meter an klei­ne­ren Sitz­blo­cka­den vor­bei­ge­führt. Hier zeigt die Po­li­zei, dass sie mit spon­ta­nen Ak­tio­nen der Nazis nicht um­ge­hen kann, ge­rüch­te­wei­se hat der Ein­satz­lei­ter ge­wech­selt, statt dem er­fah­re­nen In­nen­städ­ter ist ein Ver­tre­ter der Di­rek­ti­on 6 zu­stän­dig, die unter ei­ni­gen Be­ob­ach­ter_in­nen als „Dorf­po­li­zei“ ge­han­delt wird. Die Di­rek­ti­on also, die es in den fol­gen­den Mo­na­ten noch öfter ver­mas­seln wird und eine ge­ra­de­zu un­an­stän­di­ge Sym­pa­thie ge­gen­über den Nazis an den Tag zu legen scheint. Der Tag endet mit Po­li­zei­ge­walt und mit grö­len­den, mar­schie­ren­den Nazis. Der Blo­cka­de­er­folg vor der Un­ter­kunft schmeckt bit­ter, wenn man sich den Ver­lauf vor Augen ruft.

 

Aber auch die Nazis sind un­zu­frie­den, sie be­män­geln die of­fen­sicht­lich ge­plan­te Rou­ten­ver­kür­zung durch die Po­li­zei und die Be­richt­er­stat­tung, die sich auf den Blo­cka­de­er­folg kon­zen­trier­te. Und nur we­ni­ge Tage spä­ter ver­lie­ren sie er­neut ihre Face­book-​Sei­ten und wich­ti­ge Or­ga­ni­sa­ti­ons­ac­counts. Zu die­sem Zeit­punkt liegt die Bür­ger­initia­ti­ve am Boden, ihr Rück­halt unter den An­woh­ner_in­nen schwin­det mehr und mehr, ins­be­son­de­re da of­fe­ne na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Be­zugs­punk­te pro­pa­giert wer­den.[91]

 

… di­gi­tiert zu Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf!


Nach der Lö­schung ist ei­ni­ge Tage Ruhe, bevor eine neue Seite auf der Bild­flä­che er­scheint. Sich von der bis­he­ri­gen Na­mens­ge­bung etwas ent­fer­nend, um nicht in das Lö­schras­ter von Face­book zu fal­len und sich ge­gen­über der na­mens­glei­chen Ab­spal­tung von André Kie­bis zu dis­tan­zie­ren, wählt man nun den Be­griff der „Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“. Klar ist: es ste­hen die glei­chen Struk­tu­ren hin­ter der Seite, sie nutzt die glei­chen tech­ni­schen Mit­tel und Ver­öf­fent­li­chungs­wei­sen wie die Vor­gäng­er­sei­ten. Auch der Le­gi­ti­ma­ti­ons­ver­such über den Bür­ger_in­nen-​Be­zug ist ver­gleich­bar mit der Na­mens­ge­bung von der „Bür­ger­be­we­gung Pro Deutsch­land“. Beide Or­ga­ni­sa­tio­nen wol­len Ver­tre­tungs­le­gi­ti­ma­tio­nen über das Bild der „Bür­ger“ sug­ge­rie­ren, deren so­zia­ler Sta­tus sich aus Staats­an­ge­hö­rig­keit, Haus­halts­grund­la­ge (vgl. auch das Bild des Steu­er­zah­lers) und das ver­meint­li­che Be­kennt­nis zur re­pu­bli­ka­ni­schen De­mo­kra­tie er­gibt.[92]

 

Im be­gin­nen­den Win­ter wird der Kon­zept­wech­sel der „Bür­ger­be­we­gung“ deut­lich: Kleinst­ak­tio­nen sol­len den Pro­test auf­recht­er­hal­ten. In nächt­li­chen, kon­spi­ra­tiv vor­be­rei­te­ten Ak­tio­nen wer­den Stei­ne durch die Schei­ben der Un­ter­kunft ge­schmis­sen, die Türen mit ras­sis­ti­schen Auf­kle­bern ver­klebt, die Rück­flug-​Ti­cket-​Ak­ti­on[93] der NPD ko­piert und die Ge­schäfts­stel­le der Grü­nen in Bezug auf den „Trüm­mer­frau­en“-​Dis­kurs[94] mit einem Trans­pa­rent ver­un­stal­tet. Immer mit ge­stell­ten Be­weis­bil­dern, ei­ni­ge ori­en­tie­ren sich mit wei­ßen Mas­ken an den Ak­tio­nen der neo­na­zis­ti­schen Ver­ei­ni­gung „Spree­lich­ter“ aus Süd­bran­den­burg.[95] Man fei­ert „ger­ma­ni­sche“ Ri­tua­le mit Fa­ckeln und Mas­ken am glei­chen Ort, an dem sich Pa­trick Krü­ger mit Freun­d_in­nen und vier Kin­dern ei­ni­ge Tage zuvor auf einem Fa­mi­li­en­aus­flug an die Wuhle fo­to­gra­fie­ren lässt. In die­ser Phase rückt die Bür­ger­be­we­gung eng zu­sam­men, mit den klei­nen Ak­tio­nen formt sich eine fest ver­wach­se­ne Grup­pe aus agi­tier­ten An­woh­ner_in­nen und Nazis mit Or­ga­ni­sa­ti­ons­er­fah­rung. Aus der pla­ka­ti­ven Platt­form, die durch ver­schie­de­ne Struk­tu­ren zur ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung ge­nutzt wurde, ist eine feste po­li­ti­sche Struk­tur ge­wor­den, die in der Folge mit Ak­tio­nen und durch Raum­nah­me auf der Stra­ße ver­sucht, den Dis­kurs zu be­ein­flus­sen.

 

Auch An­schlä­ge wer­den ver­übt, die Tä­ter_in­nen sind bis­her nicht er­mit­telt, hat­ten aber min­des­tens in­for­mel­le Kon­tak­te zur Bür­ger­be­we­gung. Auf­se­hen­er­re­gend ist dabei die Sil­ves­ter-​Nacht: mit selbst­ge­bas­tel­ten Spreng­sät­zen aus zu­sam­men­ge­kleb­ten Böl­lern wird die Un­ter­kunft der Ge­flüch­te­ten an­ge­grif­fen. Ge­zielt wird der Spreng­satz an der Ein­gangs­tür an­ge­bracht und sprengt ein Loch hin­ein.[96] Die Face­book-​Sei­te der Bür­ger­be­we­gung be­rich­tet als ers­tes über den Vor­fall mit ex­klu­si­vem Bild­ma­te­ri­al, was einem Be­ken­ner­schrei­ben (die bei mi­li­tan­ten Nazis in der Regel nicht üb­lich sind) sehr nahe kommt. Wei­te­re An­schlä­ge auf linke Ein­rich­tun­gen[97] und er­neut auf die Un­ter­kunft[98] fin­den im sel­ben Zeit­raum statt, nur mit Glück kann der Aus­bruch der Flam­men in der Un­ter­kunft ver­hin­dert wer­den. Die Po­li­zei stellt aber schon am nächs­ten Tag die Er­mitt­lun­gen ein. Eine An­er­ken­nung als mi­li­tan­ter Stra­ßen­ter­ror von Rechts bleibt aus, in der In­nen­ver­wal­tung gibt man sich rat- und ah­nungs­los.

 

Erst als am Mahls­dor­fer Wahl­kreis­bü­ro von Mario Czaja, des für Asyl­fra­gen zu­stän­di­gen CDU-​Se­na­tors, ein „Nein zum Heim“-​Trans­pa­rent an­ge­bracht wird, weckt das kurz­zei­tig die Auf­merk­sam­keit der Lan­des­po­li­tik.[99] Auch hier ist eine ex­klu­si­ve Be­richt­er­stat­tung der Bür­ger­be­we­gung als in­di­rek­tes Be­ken­ner_in­nen-​Schrei­ben zu lesen. In den fol­gen­den Wo­chen set­zen sich die An­grif­fe fort, be­trof­fen ist auch das Café Frei­raum an der Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Hoch­schu­le.[100] Im März dann der bis­he­ri­ge Hö­he­punkt der mi­li­tan­ten Ak­ti­vi­tä­ten: nach­dem 20 Ras­sis­t_in­nen zwei Ge­flüch­te­te durch den Kiez het­zen und ver­su­chen die Un­ter­kunft zu stür­men, wird in der dar­auf­fol­gen­den Nacht ein Auto einer so­li­da­ri­schen Ak­ti­vis­tin an­ge­zün­det und brennt vor der Evan­ge­li­schen Ge­mein­de aus.[101]Nazis hat­ten das Auto vor­her fo­to­gra­fiert und sich ihr Kenn­zei­chen no­tiert.[102] Ein ver­meint­li­cher An­ti­fa­schist wird von Fran­zis­ka G. und einem Be­glei­ter vor dem Hel­lers­dor­fer Lager mit einem Tep­pich­mes­ser be­droht.[103] Nur wenig spä­ter taucht ein an­geb­li­ches Bild des Be­trof­fe­nen aus dem An­ti-​An­ti­fa-​Be­stand von NW Ber­lin auf, wird aber we­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter wie­der ge­löscht, bleibt aber wei­ter­hin – wohl für den in­ter­nen Ge­brauch der Bür­ger­be­we­gung – auf Face­book ab­ruf­bar. Er­mitt­lungs­er­fol­ge der Po­li­zei in Sa­chen Brand­stif­tung und Hetz­jagd sind bis heute nicht fest­zu­stel­len. Er­neut be­rich­te­te die Bür­ger­be­we­gung als eine der ers­ten Platt­for­men über die Vor­fäl­le.

 


(Foto: Na­zi-​Ak­ti­vis­ten der Bür­ger­be­we­gung Mar­cel Ro­ckel, Ines Tess­mer [ver­deckt], Fran­zis­ka G. und eine wei­te­re Ak­ti­vis­tin [v.l.n.r.] am Rande einer NPD-​Kund­ge­bung in Hel­lers­dorf am 08.​02.​14 / Quel­le: Theo Schnei­der)

 

In dem Jah­res­vier­tel hat die kon­spi­ra­ti­ve Grup­pe, die sich unter dem Label der Bür­ger­be­we­gung zu­sam­men­ge­fun­den hat, eine für Ber­li­ner Ver­hält­nis­se ex­tre­me Ak­ti­vi­tät an den Tag ge­legt: un­er­wähnt sind hier die un­zäh­li­gen Graf­fi­tis, Auf­kle­ber­fun­de, Über­grif­fe und An­grif­fe, die in den ers­ten 12 Wo­chen des Jah­res statt­fan­den.[104]

 

Gleich­zei­tig geht die di­gi­ta­le Hetze wei­ter, auch wenn auf­grund der Ent­wick­lun­gen und struk­tu­rel­ler Be­din­gun­gen die In­ter­ak­tio­nen dort nach­las­sen. In aller Be­stän­dig­keit wurde vom an­geb­li­chen An­woh­ner_in­nen­wi­der­stand be­rich­tet und hat mit den mi­li­tan­ten Ak­tio­nen das eh schon re­du­zier­te Um­feld der An­woh­ner_in­nen wei­ter aus­dif­fe­ren­ziert. Ein Groß­teil der Stamm­schrei­ber_in­nen auf der Face­book-​Sei­te kommt nach­weis­lich nicht aus Hel­lers­dorf, son­dern be­wegt sich in einer ei­ge­nen Face­book­sze­ne, die aus rech­ten, ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen und Quer­front-​Sei­ten und die immer glei­chen Kom­men­ta­tor_in­nen be­steht. Die Bür­ger­be­we­gung be­nutzt dafür einen ex­pli­zi­ten Be­griff der Na­zi­sze­ne aus der Mitte der 90er Jahre: „Schrei­ber­lin­ge“ be­zeich­net sol­che „Na­tio­na­le“ die zu der Zeit nur in den BBS-​Boards sich aus­tau­schen, aber sel­ten auf De­mons­tra­tio­nen auf­tau­chen.[105]Gleich­zei­tig wird der ber­lin­wei­te Kurs, der schon bei der Bür­ger­initia­ti­ve an­ge­fan­gen wurde, fort­ge­führt: ge­ra­de der Ora­ni­en­platz bleibt bis zur Räu­mung zen­tra­les Thema, auch als René U. gegen die am Kauf­haus „Alexa“ in Ber­lin-​Mit­te hun­ger­strei­ken­den Re­fu­gees agiert, wird das über die Face­book-​Sei­te ver­öf­fent­licht. Al­ler­dings haben die Ad­min­stra­tor_in­nen Pro­ble­me damit, die Seite ef­fek­tiv zu füh­ren: seit Jah­res­an­fang hat Face­book die Reich­wei­te der Fan­pages dras­tisch ein­ge­schränkt, Pos­tings wer­den nur noch einem Bruch­teil der ver­knüpf­ten Ac­counts an­ge­zeigt, für hö­he­re Reich­wei­te soll be­zahlt wer­den.[106] Den Ad­min­stra­tor_in­nen muss der Ein­druck von Be­deu­tungs­lo­sig­keit ent­ste­hen. Auch die ge­rin­ge In­ter­ak­ti­on be­rei­tet ihnen Pro­ble­men, als im Fe­bru­ar die Samm­lung von Un­ter­schrif­ten für Schmidtkes Pe­ti­ti­on über die Seite be­wor­ben wird, gibt es dar­auf kaum Re­ak­tio­nen. Auch die Ge­winn­spie­le, die ver­an­stal­tet wer­den, er­fah­ren ge­rin­ge Be­tei­li­gung – die Ge­win­ne wer­den nie aus­ge­lost oder aber an das ei­ge­ne Team ver­ge­ben.

 

Mehr als nur „Nein zum Heim“

 


(Foto: Ein Nazi mit dem Künst­ler­na­men „Recht auf Wahr­heit“ und der Na­zi­mu­si­ker Pa­trick Kil­lat po­sie­ren vor Un­ter­kunft in Hel­lers­dorf / Quel­le: In­ter­net)

 

Aber die Ka­me­ra­den aus den an­gren­zen­den Be­zir­ken und Land­krei­sen kom­men ihnen zur Hilfe: Pa­trick Kil­lat aus Ho­hen­schön­hau­sen, der unter dem Pseud­onym „Vil­lai­n051“[107] auf­tritt und „R.A.W.“[108] („Recht auf Wahr­heit“) aus Bar­nim grün­den ein mu­si­ka­li­sches Pro­jekt, das sie „A3s­tus“[109]nen­nen. Sie ma­chen bal­la­den­haf­ten Rechts­rock mit Rap-​Parts, was un­ge­fähr so grau­sam klingt, wie es sich in der Be­schrei­bung schon an­hört. Pro­vo­kant fil­men sie sich zu­sam­men mit u.a. Mar­cel Zech (NPD Bar­nim-​Ucker­mark) im Fe­bru­ar vor dem für Um­bau­ten ge­schlos­se­nen Teil der Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft, sie ste­hen dort mit Deutsch­land­fah­nen, wer­den dabei be­ob­ach­tet, die Po­li­zei schrei­tet ein. Das nährt nur ihren Hel­den­kult, kurz dar­auf ver­öf­fent­li­chen sie das Video mit dem Song „Für un­se­re Kin­der“, in dem sie den „Neuen Deut­schen Wi­der­stand“ pro­pa­gie­ren und mit offen an­ti­se­mi­ti­scher Agi­ta­ti­on ar­bei­ten.[110] Das Video ist ein vol­ler Er­folg und lässt die Likes der Bür­ger­be­we­gung, die auch in Zu­kunft als ex­klu­si­ve Ver­öf­fent­li­chungs­platt­form von „A3s­tus“-​Vi­de­os dient, nach oben schnel­len. Das alte Blood-​&-​Ho­nour-​Prin­zip, mit dem Pa­trick Krü­ger und Da­nie­la Fröh­lich eng ver­traut sind, die Ver­knüp­fung zwi­schen Musik und Po­li­tik als bin­den­der Nar­ra­tiv wirkt her­vor­ra­gend. Spä­ter wer­den Vi­de­os ver­öf­fent­licht, in dem die Mu­si­ker vor dem Ho­lo­caust-​Denk­mal po­sie­ren oder eine Ak­ti­ons­form der Bür­ger­be­we­gung – schwar­ze Holz­kreu­ze als „Ge­den­ken“ an an­geb­li­che „Deut­sche Opfer“ auf­zu­stel­len – ko­pie­ren. Für die Bür­ger­be­we­gung wer­den kon­spi­ra­ti­ve Kon­zer­te ge­ge­ben, an­geb­lich in Hel­lers­dorf. Das Kon­zept ist für die Bür­ger­be­we­gung al­ler­dings keine ganz neue Er­fin­dung: schon vor­her hatte man sich eng an die rech­te Mu­si­ke­rin „DeeEx“[111] ge­hal­ten, die Zu­sam­men­ar­beit wurde aber nach einer ge­mein­sa­men „Weih­nachts­fei­er“ mit der Bür­ger­be­we­gung be­grün­dungs­los ein­ge­stellt.

 


(Foto: Screen­shot der Face­book-​Sei­te des NPD-​Kan­di­da­ten Mar­cel Zech aus Bran­den­burg)

 

Ei­ni­ge Nazis der Bür­ger­be­we­gung ent­wi­ckeln auch eine hohe Rei­se­tä­tig­keit, neben dem spo­ra­di­schen Be­such von ber­lin­wei­ten Ver­an­stal­tun­gen. Bei den zen­tra­len Auf­mär­schen in vor allem der ehe­ma­li­gen Zone sind die Hel­lers­dor­fer_in­nen, vor allem Kai Schus­ter, ver­ein­zelt auch Fran­zis­ka G., Tina Krü­ger und Marco Z., dabei: Bes­ten­see, Oder­berg, Ze­per­nick , Dres­den, Cott­bus, Mag­d­e­burg, Wit­ten­ber­ge. The­men der De­mons­tra­tio­nen sind dabei nicht nur Asyl­be­wer­ber_in­nen, son­dern auch die al­li­ier­ten Bom­ben­an­grif­fe auf deut­sche Tä­ter_in­nen­städ­te im 2. Welt­krieg oder die ver­meint­li­che „Ent­vol­kung“ länd­li­cher Re­gio­nen. Die Bür­ger­be­we­gung ist zu dem Zeit­punkt kein mo­no­the­ma­ti­scher In­ter­es­sen­zu­sam­men­schluss von Nazis und An­woh­ner_in­nen, son­dern kon­textua­li­siert sich auch über diese Ak­ti­vi­tät mit einem fes­ten neo­na­zis­ti­schen Welt­bild.

 


(Foto: Die „Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“ [mar­kiert] auf dem De­mo­aus­flug nach Bes­ten­see [Bran­den­burg] am 21.​12.​13 / Quel­le: Ney Som­mer­feld)

Die Bür­ger­be­we­gung wie­der­um greift wei­te­re ak­tu­el­le Kam­pa­gnen der Ber­li­ner Na­zi-​Sze­ne auf. Ihr Fokus ent­wi­ckelt sich weg vom „Nein zum Heim“ hin zu einer The­ma­ti­sie­rung von „Deut­schen Op­fern“, die von „Zu­wan­de­rern“ um­ge­bracht wor­den, ganz im Sinne der „Aus­län­der Raus“-​Mo­bi­li­sie­rung des NW Ber­lin.[112] Ihre Kam­pa­gne heißt nun „Weh­ret den An­fän­gen“ in Er­man­ge­lung einer ir­gend­wie um­deut­ba­ren oder skan­da­li­sier­ba­ren Kon­flikt­la­ge in Hel­lers­dorf. Zudem sind sie auf den seit ei­ni­gen Wo­chen statt­fin­den­den Mon­tags­de­mons­tra­tio­nen zu fin­den, ins­be­son­de­re René U. wird dort immer wie­der ge­sich­tet, auch Se­bas­ti­an Schmidtke taucht dort auf. Dort soll an­geb­lich für Frie­den de­mons­triert wer­den, die De­mons­tra­ti­on ist ge­tra­gen von Quer­front­ler_in­nen, neu­rech­ten Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­kern und eso­te­ri­schen Fa­schis­t_in­nen.[113] Hier be­treibt die Bür­ger­be­we­gung An­ti-​An­ti­fa-​Ar­beit, Bil­der von Ge­gen­de­mons­tran­t_in­nen und ver­meint­li­chen An­ti­fa­schis­t_in­nen lan­den auf ihrer Face­book-​Sei­te und wer­den von dort im Netz­werk der Mon­tags­de­mo-​Sei­ten ver­teilt. Auch die Auf­lö­sung des schein­ba­ren Wi­der­spruchs zwi­schen sach­the­men­ori­en­tier­ter „Bür­ger­initia­ti­ve“ und na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Po­lit­grup­pe wird immer wei­ter vor­an­ge­trie­ben. Neben der of­fe­nen Wahl­emp­feh­lung für die NPD wird auch jeder an­de­re vor­her künst­lich hoch­ge­hal­te­ne Ab­stand zur rech­ten Szene auf­ge­ge­ben. Ei­ni­ge Ver­öf­fent­li­chun­gen der Bür­ger­be­we­gung haben dabei einen ganz be­son­ders tum­ben Cha­rak­ter: so wird ein Teil einer, meist straf­ba­ren, Pa­ro­le vor­ge­ge­ben und soll dann mit den Ein­fäl­len der Kom­men­ta­tor_in­nen er­gänzt wer­den. Ei­ni­ge re­agie­ren mit Iro­nie, aber viele ver­fes­ti­gen ihre neo­na­zis­ti­sche Selbst­be­stä­ti­gung und er­gän­zen die Stra­ßen­pa­ro­len der Ex­tre­men Rech­ten in ihren Kom­men­ta­ren (und wer­den durch ent­spre­chen­de Likes dafür be­lohnt). Ein wei­te­rer iden­ti­täts­bil­den­der Schritt, es wird ein Pro­to­typ des di­gi­ta­len Mit­läu­fers ge­schaf­fen.

 

In­zwi­schen fin­det die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ebene der Bür­ger­be­we­gung auch in ab­ge­schot­te­ten Netz­wer­ken statt, deren Mit­glie­der nur über per­sön­li­che Kon­tak­te in eine ge­schlos­se­ne Whats-​App-​Grup­pe ge­lan­gen. Diese Neu­or­ga­ni­sie­rung hatte die Bür­ger­be­we­gung vor ei­ni­gen Wo­chen be­kannt ge­ge­ben und trägt den bis­he­ri­gen Stö­run­gen ihrer Ak­ti­vi­tä­ten durch an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen ent­spre­chend Rech­nung. Nicht nur der in­ne­re Zir­kel wird kon­spi­ra­tiv ge­führt, son­dern auch das Um­feld muss in die Kon­spi­ra­ti­vi­tät aus­wei­chen, um an­ti­fa­schis­ti­sche Auf­klä­rungs­ar­beit und be­hörd­li­chen Re­pres­si­ons­druck zu um­ge­hen. Diese kon­spi­ra­ti­ve Or­ga­ni­sie­rung führ­te dann zur ein­gangs er­wähn­ten, jüngs­ten De­mons­tra­ti­on und ist die ein­zi­ge Per­spek­ti­ve, die der Bür­ger­be­we­gung noch offen stand – die in ihrer Bin­nen­lo­gik aber her­vor­ra­gend funk­tio­nier­te.

 

Zu­sam­men­fas­send ist fest­zu­hal­ten, dass die Bür­ger­be­we­gung durch kon­spi­ra­ti­ve Or­ga­ni­sie­rung zu einer ei­gen­stän­di­gen Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur mit engen Ver­knüp­fun­gen in die Ber­li­ner Na­zi­sze­ne ge­wach­sen ist. Ihr Um­feld ist be­reit, mi­li­tant und ge­walt­tä­tig vor­zu­ge­hen, gleich­zei­tig wird auf eine öf­fent­li­che Wahr­neh­mung als po­li­ti­scher An­sprech­part­ner gro­ßen Wert ge­legt. Die the­ma­ti­sche Ver­brei­te­rung zeigt deut­lich, dass die Grup­pe auch lang­fris­tig eine Per­spek­ti­ve ent­wi­ckeln will, be­stim­men­de Struk­tur der Ex­tre­men Rech­ten in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf zu wer­den.

 

Eine Bür­ge­rin­nen­be­we­gung?



(Foto: Da­nie­la Fröh­lich als Gast-​Red­ne­rin der Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf auf einer Kund­ge­bung der DIE RECH­TE in Oder­berg am 16.​11.​13 / Quel­le: Theo Schnei­der)

 

Eine der in­ter­es­san­tes­ten Fest­stel­lun­gen in den letz­ten Mo­na­ten ist die hohe An­zahl der ak­ti­ven Frau­en*[114] im in­ne­ren Kreis der Bür­ger­be­we­gung. Da­nie­la Fröh­lich hat in ihrer po­li­ti­schen „Kar­rie­re“ als ehe­ma­li­ge Füh­re­rin der „Ka­me­rad­schaft Mahls­dorf“[115] schon immer eine be­stim­men­de Po­si­ti­on in­ne­ge­habt und zen­tra­le Auf­ga­ben z.B. der An­ti-​An­ti­fa-​Ar­beit über­nom­men. Sie weist einen hohen Ver­net­zungs­grad auch auf na­tio­na­ler Ebene auf.[116] In der Bür­ger­be­we­gung hat sie ähn­lich eine ex­po­nier­te Po­si­ti­on: sie tritt als of­fi­zi­el­le Ver­tre­te­rin der Bür­ger­initia­ti­ve wäh­rend einer Kund­ge­bung in Oder­berg auf, sie hält Reden und fun­giert als recht­li­che Ver­samm­lungs­lei­te­rin auf Ver­an­stal­tun­gen. Diese or­ga­ni­sa­to­ri­sche Füh­rungs­po­si­ti­on scheint ihr auch nie­mand strei­tig ma­chen zu wol­len. Hinzu kommt ihre Ak­ti­vi­tät auf der Face­book-​Sei­te: unter dem Pseud­onym „Helle Göre“ schreibt sie lange Bei­trä­ge, die immer wie­der offen Bezug zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus oder der an­ti­de­mo­kra­ti­schen Be­we­gung der Wei­ma­rer Re­pu­blik neh­men. Gleich­zei­tig zeigt sie auch hohes In­ter­es­se an den ver­schie­de­nen In­sti­tu­tio­nen, die rech­te Po­li­tik ge­ra­de ge­stal­ten. Ihre Be­we­gungs­kri­tik an der Ex­tre­men Rech­ten bringt sie auf der Seite oft zum Aus­druck, macht sich viele Ge­dan­ken um das Ver­hält­nis von NPD und AfD, ho­no­riert das ge­sell­schafts­fä­hi­ge Auf­tre­ten letz­te­rer, kri­ti­siert aber die Ver­wäs­se­rung rech­ter Po­si­tio­nen. Ins­ge­samt zeigt sich eine deut­li­che Vor­bil­dung durch die „Neue Rech­te“, zu­gleich aber eine hohe Af­fi­ni­tät zur Be­we­gungs­rech­ten.[117] Es liegt nahe, dass Da­nie­la Fröh­lich in der Bür­ger­be­we­gung nicht nur eine or­ga­ni­sa­to­ri­sche, son­dern auch eine (mit-)be­stim­men­de ideo­lo­gi­sche Füh­rungs­funk­ti­on ein­nimmt.

 

Wei­te­re Ak­ti­vis­tin­nen, dar­un­ter Fran­zis­ka G., aus dem Kiez spie­len in der Bür­ger­be­we­gung eine tief­grei­fen­de Rolle und neh­men un­ter­schied­lichs­te Auf­ga­ben war, so tau­chen sie als Fo­to­gra­fin­nen auf, als Spä­he­rin­nen in der Nähe der Un­ter­kunft und auch als ak­ti­ve Ak­teu­rin in der Be­dro­hung von als links oder mi­gran­tisch wahr­ge­nom­me­nen Men­schen. Sie ste­hen in enger Ver­knüp­fung mit Mar­cel Ro­ckel und Kai Schus­ter. Auch als Red­ne­rin­nen tre­ten ei­ni­ge Frau­en* im Um­feld der Bür­ger­be­we­gung auf, nicht nur Da­nie­la Fröh­lich darf ans Mi­kro­phon, son­dern auch „be­sorg­te Müt­ter“ und an­de­re An­woh­ne­rin­nen, die eng mit der Bür­ger­be­we­gung ver­wo­ben sind. So kön­nen sie den Dis­kurs nicht nur mit­be­stim­men, son­dern auch schwer­punkt­mä­ßig set­zen – ein für die rech­te Szene be­mer­kens­wer­ter Um­stand. Hinzu kommt, dass die Front­trans­pa­ren­te auf De­mons­tra­tio­nen nicht aus­schließ­lich durch Män­ner ge­tra­gen wer­den, son­dern oft einen aus­ge­gli­che­nen An­teil der wahr­ge­nom­me­nen Ge­schlech­ter haben. Neben Da­nie­la Fröh­lich tritt auch Ines Teß­mer als recht­lich Ver­ant­wort­li­che für eine De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gung auf.

 


(Foto: Be­richt­er­stat­tung über Zschä­pe in di­ver­sen Me­di­en / Quel­le: In­ter­net)

 

Diese weit­ge­hen­de or­ga­ni­sa­to­ri­sche Do­mi­nanz der be­tei­lig­ten Frau­en* führt immer wie­der zu einer struk­tu­rel­len Un­ter­schät­zung der Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur von Po­li­tik, Po­li­zei und teil­wei­se auch zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Ak­teur_in­nen. So wer­den Na­zi­struk­tu­ren aus­schließ­lich als Män­ner­bün­de wahr­ge­nom­men, mit dem Um­kehr­schluss, dass dort, wo kein rei­ner Män­ner­bund be­steht, auch keine neo­na­zis­ti­sche Struk­tur ist. Hin­zu­kommt, dass es Frau­en* ten­den­zi­ell nicht zu­ge­traut wird, sich in der män­ner­las­ti­gen Szene durch­zu­set­zen, sie wer­den als Be­zie­hungs­part­ne­rin­nen ab­ge­stem­pelt und auf ihre fa­mi­liä­re oder se­xu­el­le Funk­ti­on für Na­zi­ka­der re­du­ziert, was sehr of­fen­sicht­lich an der me­dia­len Rolle von Beate Zschä­pe wurde, die von Be­ginn an auf ihre Rolle als Ge­lieb­te von Bön­hardt und Mund­los auf­ge­fasst wurde und deren Klei­dung eine der wich­tigs­ten The­men bei Pro­zess­be­ginn des NSU-​Pro­zes­ses war.[118] Gleich­zei­tig ver­sucht die An­kla­ge im Pro­zess nach­zu­wei­sen, dass Zschä­pe eine gleich­be­rech­tig­te Part­ne­rin im so­ge­nann­ten „Ter­ror­trio“ ist.[119] Beate Zschä­pe wird auch als po­si­ti­ve Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur für Na­tio­nal­so­zia­lis­tin­nen re­zi­piert, so sagte Maria Fank in einer Art „Na­tio­na­len Koch­sen­dung“: „Ich treib mich über­all mal rum, das ist wie so mit dem Zschä­pe-​Mo­bil.“[120]

 

Ein Er­klä­rungs­mo­dell für die Un­tä­tig­keit der Po­li­zei, ins­be­son­de­re der für Mar­zahn-​Hel­lers­dorf zu­stän­di­gen Di­rek­ti­on 6 – in ge­sell­schaft­li­chen Dis­kur­sen weder auf der Höhe der Zeit noch in­tel­lek­tu­ell die­sen An­for­de­run­gen ge­wach­sen – ist ein struk­tu­rell se­xis­ti­sches Er­mitt­lungs­mo­dell. Man traut den Frau­en* ein mi­li­tan­tes Vor­ge­hen ten­den­zi­ell nicht zu, er­mit­telt wahr­schein­lich nur gegen die Män­ner*. „Dabei neh­men Frau­en in der rech­ten Szene längst alle mög­li­chen Rol­len ein. Es gebe Vor­den­ke­rin­nen wie Mit­läu­fe­rin­nen, Ge­walt­tä­ti­ge wie so­zi­al En­ga­gier­te, Fa­na­ti­ke­rin­nen, sie­ben­fa­che Müt­ter oder pro­mo­vier­te Kar­rie­re­frau­en.“[121] Auch die Bür­ger­be­we­gung als Struk­tur wird so durch Po­li­tik und Er­mitt­lungs­be­hör­den nicht als ten­den­zi­ell mi­li­tan­ter Ver­bund wahr­ge­nom­men, da Frau­en* ein fried­fer­ti­ges Image trans­por­tie­ren und sie als mä­ßi­gen­der und ent­mi­li­ta­ri­sie­ren­der Fak­tor ge­gen­über Män­nern* wahr­ge­nom­men wer­den.[122]

 

Und so ist die Ak­zep­tanz der Ber­li­ner Na­zi­sze­ne ge­gen­über der Bür­ger­be­we­gungs­struk­tur hoch, auch, weil ihnen mit Maria Fank seit Jah­ren die Be­zie­hungs­part­ne­rin von Se­bas­ti­an Schmidtke als kon­zep­tu­ell-​po­li­ti­sche Gleich­be­rech­ti­gung prä­sen­tiert wurde. Fank nimmt nicht nur zen­tra­le öf­fent­li­che Auf­ga­ben als Red­ne­rin und In­ter­view­part­ne­rin wahr und setzt damit die Dis­kurs-​Schwer­punk­te, sie kann es sich auch er­lau­ben, aus ihrer Tren­nung von Se­bas­ti­an Schmidkte ein Po­li­ti­kum zu ma­chen – er ver­tritt Po­si­tio­nen, die sie als zu weich er­ach­tet.[123] Ein Be­weis für ihren (po­li­ti­schen) Rück­halt in der Szene, aber auch für eine sich ver­än­dern­de Ge­schlechter­hier­ar­chie in der Ber­li­ner Na­zi­sze­ne. In Hel­lers­dorf wie­der­um macht Da­nie­la Fröh­lich als Kader der Bür­ger­be­we­gung alles nach klas­si­scher neo­na­zis­ti­scher Vor­stel­lung[124] rich­tig, sie ist völ­kisch or­ga­ni­siert, weiß sehr wohl um ihre Pflich­ten als Frau und zieht min­des­tens zwei Kin­der auf.

 

Nicht zu­letzt kön­nen Frau­en* aus Sicht der Nazis ei­ni­ge The­men plau­si­bler ver­tre­ten: die Sorge um ihre Kin­der, die Be­läs­ti­gung durch Über­grif­fe an­geb­li­cher „wil­der“ Mi­gran­t_in­nen, die Für­sor­ge ge­gen­über den so­zia­len Pro­blem­fäl­len des „ei­ge­nen Volks“. Darin ord­ne­te sich auch das Thema der spon­ta­nen De­mons­tra­ti­on am Pfingst­sonn­tag ein, der se­xu­el­le Über­griff auf eine Frau. Die Nazis hoben her­vor, dass es ein „mi­gran­ti­scher“ Täter ge­we­sen sei, wäh­rend die Be­trof­fe­ne „deutsch“ ge­we­sen wäre und er­klär­ten das zu einem struk­tu­rel­len Pro­blem. Gleich­zei­tig steht seit Mo­na­ten auf der Seite der Bür­ger­be­we­gung eine Ver­ge­wal­ti­gungs­dro­hung gegen eine ver­meint­li­che an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­tin, un­wi­der­spro­chen und als an­schei­nend le­gi­ti­mer Teil der po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung. Daran wird klar er­kenn­bar, dass den Nazis nicht der fe­mi­nis­ti­sche Zu­gang, der die Be­trof­fe­ne und die Grenz­über­schrei­tung in den Mit­tel­punkt stellt, the­ma­tisch na­he­liegt, son­dern es ein tä­ter­zen­trier­tes Bild einer Grenz­über­schrei­tung gibt, die Mo­ti­va­ti­on und ver­meint­li­che Na­tio­na­li­tät des Tä­ters the­ma­ti­siert. Es wird letzt­end­lich zwi­schen „guten“ und „schlech­ten“ Tä­tern ent­schie­den und damit gleich­zei­tig eine Le­gi­ti­ma­ti­ons­ba­sis für ge­recht­fer­tig­te und un­ge­recht­fer­tig­te Grenz­über­schrei­tun­gen ge­schaf­fen. Die struk­tu­rel­len Pro­ble­me, die in der Bin­nen­lo­gik der Nazis er­ge­ben, set­zen ein ras­sis­ti­sches Ge­schlech­ter­bild vor­aus, also eines, dass ihnen auf­grund ihrer an­ge­nom­me­nen ge­ne­ti­schen oder kul­tu­rel­len Her­kunft be­stimm­te se­xua­li­sier­te Ei­gen­schaf­ten zu­schreibt. Die Ar­gu­men­ta­ti­on der Nazis, dass die zu­ge­schrie­be­ne Her­kunft eines Tä­ters das zen­tra­le struk­tu­rel­le Pro­blem von Über­grif­fen sei, wird spä­tes­tens dann als ras­sis­ti­sche Hetze ent­tarnt, wenn in der Be­schäf­ti­gung mit der The­ma­tik of­fen­sicht­lich wird, dass sich der über­wie­gen­de Teil von Grenz­über­schrei­tun­gen im di­rek­ten Um­feld, z.B. der Fa­mi­lie, ab­spielt.[125]

 

BIMH e.V. und der IGA-​2017-​Pro­test – Na­tur­schutz ist Hei­mat­schutz?


Wäh­rend nach dem Dis­kurs über die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung sich auf Sei­ten der or­ga­ni­sier­ten Na­tio­nal­so­zia­lis­t_in­nen die Ziel­rich­tung in die in­te­gra­ti­ve „Weh­ret den An­fän­gen“-​Kam­pa­gne als the­ma­ti­sche Ver­bei­te­rung ge­wan­delt hat, ent­wi­ckel­te sich par­al­lel im Be­zirk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf ein Auf­re­ger­the­ma, dem sich eine an­de­re Frak­ti­on der Ras­sis­t_in­nen zu­wand­te: die In­ter­na­tio­na­le Gar­ten-​Aus­stel­lung wird 2017 im Be­zirk statt­fin­den und ein Teil des Wuh­le­tal-​Ge­bie­tes wird dafür deut­li­chen Ver­än­de­run­gen und Um­bau­ar­bei­ten un­ter­lie­gen. Un­ter­schied­li­che In­itia­ti­ven or­ga­ni­sie­ren Pro­test gegen das Groß­vor­ha­ben, dar­un­ter auch ein alter Be­kann­ter: André Kie­bis und seine „Bür­ger­initia­ti­ve für ein le­bens­wer­tes Mar­zahn-​Hel­lers­dorf e.V.“ – kurz BIMH e.V.

Nach­dem Kie­bis im ver­gan­ge­nen Som­mer of­fen­siv als füh­ren­des Mit­glied der Bür­ger­initia­ti­ve be­nannt wurde[126] und unter er­heb­li­chem ge­sell­schaft­li­chen Druck stand, tauch­te er nach dem Ein­zug der Ge­flüch­te­ten meh­re­re Tage ab. In der Zwi­schen­zeit hatte er an­ti­fa­schis­ti­sche In­ter­ven­tio­nen zu spü­ren be­kom­men, die Po­li­zei durch­such­te im Au­gust seine Woh­nung und er ver­lor sei­nen Job als In­for­ma­ti­ker beim lo­ka­len Job­cen­ter.[127] Als er Ende Au­gust 2013 wie­der an die Öf­fent­lich­keit trat, prä­sen­tier­te er eine Ab­spal­tung zur ori­gi­na­len Bür­ger­initia­ti­ve, den BIMH e.V. – damit woll­te er sich von den kon­spi­ra­ti­ven Na­zi­struk­tu­ren dis­tan­zie­ren, ohne ras­sis­ti­sche po­li­ti­sche Tä­tig­keit auf­ge­ben zu müs­sen. Aber auch diese Um­for­mung in ein le­ga­lis­ti­sches Pro­jekt wurde schnell the­ma­ti­siert: zu of­fen­sicht­lich waren be­ken­nen­de Nazis wie Micha­el Engel[128] im Vor­stands­team sei­nes Ver­eins ver­an­kert, zudem gab es kei­nen kla­ren Bruch mit sei­ner Ver­gan­gen­heit und keine Auf­klä­rung über die hin­ter der Bür­ger­initia­ti­ve ste­hen­den Struk­tu­ren.[129] Und es wurde auch deut­lich: der Ver­ein woll­te wei­ter­hin die Aus­ge­stal­tung der Un­ter­kunft auf die Ta­ges­ord­nung set­zen, die im Mai 2014 er­folg­te Auf­sto­ckung von 200 auf 400 Be­woh­ner_in­nen ver­hin­dern. Und so blieb der Ver­ein und André Kie­bis als per­so­na non grata aus dem be­zirks­po­li­ti­schen Ge­sche­hen aus­ge­schlos­sen. Fas­sungs­los stand er in der BVV, in der seine Fra­gen[130] – wie auch bei den NPD­lern üb­lich – mög­lichst kurz, kühl und nur im engs­ten Rah­men be­ant­wor­tet wurde, unter Trä­nen da und frag­te: „Warum hasst ihr mich ei­gent­lich?“ – Das dürf­te ihm einen Ein­blick in das vom ihm durch die Or­ga­ni­sa­ti­on der Hetze ver­ur­sach­te Leid ge­ge­ben haben, das sich noch heute durch Aus­gren­zung und Hetz­jag­den auf Ge­flüch­te­te im Be­zirk mas­siv deut­lich macht.

 

Der BIMH e.V. be­stand an­fangs aus 17 Per­so­nen[131], die sich aber schon nach zwei Mo­na­ten er­neut spal­te­ten. Der Streit, der bis in den Vor­stand reich­te, führ­te dazu, dass ei­ni­ge Ver­eins­mit­glie­der (dar­un­ter Isa­bell Fraun­dör­fer und Sa­scha N.) sich wie­der den Nazis der Bür­ger­be­we­gung zu­wand­ten, weil Kie­bis an­schei­nend nicht ge­willt war, sich wei­ter mit der The­ma­tik der Un­ter­kunft zu be­schäf­ti­gen. Er fing an, in­ten­si­ver sich mit der IGA aus­ein­an­der­set­zen, in der er die glei­chen Punk­te wie bei der Ein­rich­tung der Un­ter­kunft mo­nie­ren konn­te, wäh­rend das Thema un­ver­däch­tig und z.T. von links be­setzt blieb: feh­len­de Bür­ger­be­tei­li­gung, „Wir-​ge­gen-​die-​da-​oben“-​Pro­test und an­geb­li­che Steu­er­ver­schwen­dung. Trotz­dem stell­te er fest, dass er kei­nen Fuß in die Tür bekam. Die­je­ni­gen, die über­haupt mit ihm spra­chen, hat­ten auf­grund ei­ge­ner In­vol­viert­heit kein In­ter­es­se an der IGA-​The­ma­tik und dem Pro­test. Par­al­lel dazu be­gann er um den Jah­res­wech­sel herum, die Ge­scheh­nis­se des Som­mers aus sei­ner Sicht auf­zu­ar­bei­ten und nann­te den Blog pas­sen­der­wei­se „Die Ab­rech­nung“. Hier stell­te er zwar keine In­for­ma­tio­nen über die Nazis zur Ver­fü­gung, aber mein­te, ver­schie­de­ne Be­zirks­po­li­ti­ker mit Hetz­ti­ra­den und An­schul­di­gun­gen zu über­zie­hen. In die­ser Zeit hat er wei­ter­hin Kon­takt zur Bür­ger­be­we­gung, Kai Schus­ter und Fran­zis­ka G. kom­men­tie­ren freund­schaft­lich auf sei­ner Seite, er grün­det ein di­gi­ta­les „Netz­werk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“, in der mit Kai Schus­ter und dem Tarn-​Ac­count „Helle Göre“ zwei Kader der Bür­ger­be­we­gung ver­tre­ten waren.[132]Er ver­such­te auch gegen die Be­nen­nung als Ras­sist ge­richt­lich vor­zu­ge­hen – einen Pro­zess, den er haus­hoch ver­lor.[133] In der Folge stopp­te er auch seine Ab­rech­nungs-​Ak­ti­vi­tä­ten und zog sich wei­test­ge­hend aus dem öf­fent­li­chen di­gi­ta­len Leben zu­rück. Er taucht spo­ra­disch in der BVV auf und knüpf­te in der IGA-​Sa­che ei­ni­ge Kon­tak­te, lässt aber z.Z. keine Ak­ti­vi­tä­ten in Sa­chen Un­ter­kunft oder Asyl­fra­gen er­ken­nen. Zu­sam­men mit Mar­cel K. und Vi­vi­en M. be­ar­bei­tet er die The­ma­tik. So­lan­ge er noch kann, spa­ziert er mit sei­nem Hund Max über den Kien­berg, oft ein­sam und al­lei­ne.

 

Eine kurze Be­trach­tung zu den IGA-​Pro­tes­ten sei aber noch er­laubt: oft re­pro­du­zie­ren sie be­stimm­te Vor­stel­lung einer „Hei­mat“, hier Hel­lers­dorf, die in ihrem Cha­rak­ter er­hal­ten wer­den müss­te. Diese pro­ble­ma­ti­sche Her­kunfts­vor­stel­lung von un­ab­än­der­li­chen Ei­gen­schaf­ten, die einem Ge­biet zu­ge­schrie­ben wer­den füh­ren in der Folge oft auch zu einer Zu­schrei­bung von Her­kunfts­merk­ma­len der in ihr le­ben­den Men­schen. Hin­zu­kommt, dass die Ar­gu­men­ta­ti­ons­füh­rung des BIMH e.V., aber auch an­de­rer Ak­teu­re, sich als ty­pi­siert-​rech­te Kri­tik der Mo­der­ne und Hin­wen­dung zum völ­ki­schen Na­tur­ver­ständ­nis gibt[134]: es wer­den „fu­tu­ris­ti­sche Kon­struk­ti­on[en]“ be­män­gelt, die einer „un­be­rühr­te[n] Natur“ ent­ge­gen­ste­hen wür­den.[135]So ist Na­tur­schutz dann auch manch­mal Hei­mat­schutz. Auch des­we­gen schien es wohl den Nazis der Bür­ger­be­we­gung statt­haft, eben­falls in ei­ni­ge, we­ni­gen Bei­trä­gen zur The­ma­tik auf den Pro­test­zug mit auf­zu­sprin­gen. Es ist frei­lich nicht die ein­zi­ge Ar­gu­men­ta­ti­ons­li­nie, und so fin­den sich auch bei der BIMH linke Ar­gu­men­ta­tio­nen wie der sys­te­ma­ti­sche Aus­schluss ver­mö­gen­lo­ser Men­schen von „Le­bens­qua­li­tät“, die Grün­flä­chen dar­stel­len.

 


(Foto: Screen­shot der Face­book-​Sei­te „Wilde Wer­wöl­fe Wuh­le­tal“)

 

Wel­che ab­sur­de Blü­ten die The­ma­tik trägt, merkt man an der Ein­rich­tung der Face­book-​Sei­te „Wilde Wer­wöl­fe Wuh­le­tal“, als Pro­fil­bild eine Wolfs­an­gel trägt. Die Wolfs­an­gel ist eine be­lieb­te, my­tho­lo­gisch auf­ge­la­de­ne ger­ma­ni­sche Rune, deren Ver­wen­dung in der Bun­des­re­pu­blik wegen ihrer na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­gan­gen­heit nach §86a StGB ver­bo­ten ist. Hinzu kommt, dass so­ge­nann­te „Wer­wöl­fe“ als pa­ra­mi­li­tä­ri­sche Un­ter­grund-​ und Wi­der­stands­grup­pe der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten am Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges ver­such­ten, gegen die al­li­ier­ten Be­frei­er vor­zu­ge­hen.[136] Auch ihr Er­ken­nungs­zei­chen war die Wolfs­an­gel. Unter den drei Pro­fil­ver­knüp­fun­gen be­fin­det sich der Imker Paul Bie­ber, der unter sei­nem Face­book-​Pseud­onym „Paul Su­per­droh­ne“ die Bei­trä­ge der Seite teilt und au­ßer­dem ras­sis­ti­sche Kom­men­ta­re auf der Seite der Bür­ger­be­we­gung hin­ter­lässt. Er ist in der Ver­gan­gen­heit als Schnitt­stel­le zwi­schen dem BIMH e.V., der Bür­ger­be­we­gung und dem IGA-​Pro­test auf­ge­fal­len und hat ein ge­fes­tig­tes ras­sis­ti­sches und na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sches Welt­bild. Seine Im­ker­tä­tig­keit kann er pi­kan­ter­wei­se auf dem Dach des Rat­hau­ses Mar­zahn-​Hel­lers­dorf füh­ren[137], die Be­zirks­ver­wal­tung hat trotz Hin­wei­sen auf sei­nen Hin­ter­grund an­schei­nend kein Pro­blem, die Tä­tig­kei­ten eines über­zeug­ten NS-​Fa­na­ti­kers zu un­ter­stüt­zen.

 

Face­book und di­gi­ta­le Mei­nungs­frei­heit


Der an­ti­ras­sis­ti­sche Pro­test gegen die Bür­ger­be­we­gung und ihre Nut­zer_in­nen und das auf ihrer Seite statt­fin­den­de an­dau­ern­de On­line-​Po­grom aus ras­sis­ti­scher Hetze fand zu einem be­trächt­li­chen Teil eben­falls im di­gi­ta­len Raum statt. Tau­sen­de Men­schen aus der gan­zen Bun­des­re­pu­blik zeig­ten ihre So­li­da­ri­tät, in dem sie mit Mel­dun­gen ras­sis­ti­scher Bei­trä­ge und Kom­men­ta­re an Face­book ver­such­ten, die Seite vom Netz zu neh­men und ihre Nut­zer_in­nen zu sper­ren und bei der Po­li­zei an­zu­zei­gen. Das funk­tio­nier­te mal mehr, mal we­ni­ger gut, es führ­te dazu, dass die Ad­mi­nis­tra­tor_in­nen oft über Stun­den kein Zu­griff auf die Seite hat­ten und im End­ef­fekt meh­re­re Ver­sio­nen der Bür­ger­initia­ti­ve ge­löscht wur­den. In den al­ler­meis­ten Fäl­len wurde aber durch die ma­nu­el­le Mo­de­ra­ti­on von Face­book nicht re­gu­lie­rend ein­ge­grif­fen, was für viele zu un­gläu­bi­gen Ent­set­zen führ­te, das in Frus­tra­ti­on mün­de­te. Ganz klar als straf­bar ein­zu­stu­fen­de Kom­men­ta­re blie­ben über Mo­na­te on­line.

 

An­ders als eine staat­li­che Be­hör­de ist Face­book als Un­ter­neh­men in Deutsch­land nicht zur Mei­nungs­frei­heit und Neu­tra­li­tät ver­pflich­tet. Ein Pro­blem scheint die un­ter­schied­li­che Ver­fas­sungs­rechts­kul­tur zu sein, die sich in den USA an­ders dar­stellt: dort sind Scha­dens­er­satz­sum­men wegen Ver­stö­ßen gegen die Ver­fas­sung und ihre Zu­sät­ze grund­sätz­lich auch von pri­va­ten Un­ter­neh­men ein­klag­bar.[138] Zudem hat die USA eine viel um­fang­rei­che­re Vor­stel­lung von Mei­nungs­frei­heit und das Prin­zip der prak­ti­schen Kon­kor­danz von Ver­fas­sungs­rech­ten ist dort weit­ge­hend un­be­kannt.

Das nimmt Face­book aber nicht aus der Ver­ant­wor­tung. Das Un­ter­neh­men hat deut­sche Mit­ar­bei­ter_in­nen in der Mo­de­ra­ti­on sit­zen, die durch­aus mit der deut­schen Spe­zi­fik und der Sen­si­bi­li­tät, die es ge­gen­über na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen und ras­sis­ti­schen Agi­ta­tio­nen geben muss, um­zu­ge­hen wis­sen. Face­book hat aber auch ein an­de­res Pro­blem: sein öko­no­mi­scher Grund­stein ist die Nut­zer_in­nen-​Zahl und die Frage, wie viel Zeit diese auf der Platt­form ver­brin­gen. Das bringt Ein­blen­dun­gen von Wer­bung und damit Geld. Jeder Klick mehr zeigt mehr Wer­bung an. Jeder neue Kom­men­tar, der ge­le­sen wer­den muss, be­deu­tet, dass die Seite auch neue Wer­bung laden kann, die sie den Nut­zer_in­nen an­zei­gen kann. Das be­deu­tet aber auch in der Kon­se­quenz: jede The­ma­tik, die viele Men­schen ge­gen­ein­an­der auf­bringt, ist eine Gold­gru­be für Face­book. Denn je mehr Zeit die ver­schie­de­nen Lager auf Face­book damit ver­brin­gen, ar­gu­men­ta­tiv zu kom­men­tie­ren, sich Pro­fi­le an­zu­schau­en, zu mo­de­rie­ren oder Dis­kus­sio­nen zu ver­fol­gen, desto mehr ver­dient Face­book an der Sache. Em­pö­rung, das ist big money!

 

Darum hat Face­book gar kein In­ter­es­se daran, ras­sis­ti­sche De­bat­ten ab­zu­schal­ten. Das un­ter­schei­det sie von rei­nen Web­hos­ting-​Platt­for­men, die nur ihren Web­s­pace ver­kau­fen wol­len und deren Kos­ten-​Nut­zen-​Rech­nung viel ein­fa­cher ist und wo es dem­nach leich­ter ist, Sei­ten aus dem Netz zu krie­gen. Es liegt in Face­books ur­ei­ge­nem In­ter­es­se, dass diese De­bat­ten auf ihrer Platt­form ge­führt wer­den. Wenn die De­bat­ten au­ßer­halb des In­ter­nets ge­führt wer­den, ver­dient Face­book kein Geld. Wenn die De­bat­ten im In­ter­net, aber nicht auf Face­book ge­führt wer­den, ver­dient Face­book kein Geld und was noch viel schlim­mer für das Un­ter­neh­men ist: die Kon­kur­renz wird ge­stärkt.


Des­we­gen wird es Zeit, den Pro­test gegen Face­book dort zu füh­ren, wo sie ihn nicht kon­trol­lie­ren und auch nicht von ihm pro­fi­tie­ren kön­nen: auf der Stra­ße und in ei­ge­nen, di­gi­ta­len Netz­wer­ken unter pro­fit-​un­ab­hän­gi­ger, kol­lek­ti­ver Ver­wal­tung und mit of­fe­nem Quell­code. Dem Un­ter­neh­men müs­sen die Gren­zen auf­ge­zeigt wer­den – dort wo mit dem Leid von Ge­flüch­te­ten Geld ver­dient wird, indem be­reit­wil­lig die Platt­form für den ras­sis­ti­schen Dis­kurs und die ras­sis­ti­sche Ver­net­zung zur Ver­fü­gung ge­stellt wird (die ihre Über­set­zung zwangs­läu­fig in das Leben der Ge­flüch­te­te fin­det, wie die zahl­lo­sen An­schlä­ge bun­des­weit zei­gen[139]), dort muss Wi­der­stand er­fol­gen und eine an­ti­ras­sis­ti­sche und an­ti­fa­schis­ti­sche In­ter­ven­ti­on er­fol­gen. Und es muss of­fen­siv dar­über nach­ge­dacht wer­den, wie So­zia­le Netz­wer­ke wie Face­book, Twit­ter & Co. der Pro­fit­lo­gik ent­zo­gen und ver­ge­sell­schaf­tet wer­den kön­nen.

 

Un­fä­hig­keit gegen Rechts – Lo­kal­po­li­tik, Be­zirk und Land: Hand in Hand!


Die In­ter­ven­ti­ons­ver­su­che der Of­fi­zi­al-​Ak­teur_in­nen nach dem Bezug der Un­ter­kunft und den ras­sis­ti­schen Aus­schrei­tun­gen waren wei­test­ge­hend zum Schei­tern ver­ur­teilt, auch, weil es an einer ver­nünf­ti­gen Ana­ly­se und hand­lungs­fä­hi­gen Per­spek­ti­ve fehl­te. Die Re­ak­ti­on nach den Er­fah­run­gen des „Brau­nen Diens­tags“ waren rein auf die In­for­ma­ti­on der An­woh­ner_in­nen ge­rich­tet: es soll­te ziel­ge­rich­te­ter und ge­steu­ert über die ak­tu­el­len Ent­wick­lun­gen in­for­miert wer­den. So­wohl die Be­zirks­ver­wal­tung als auch die Ko­or­di­nie­rungs­stel­le POLIS haben bis heute eine ver­fes­tig­te Struk­tur der Ex­tre­men Rech­ten nicht er­kannt, ob­wohl die not­wen­di­gen In­for­ma­tio­nen dazu seit Be­ginn vor­lie­gen. Gleich­zei­tig hat man sich nur lang­sam zu dem Be­kennt­nis der ras­sis­ti­schen Grund­hal­tung vie­ler An­woh­ner_in­nen durch­rin­gen kön­nen, lange Zeit wird der ge­sell­schaft­li­che Ras­sis­mus in sei­ner Hel­lers­dor­fer Aus­prä­gung nicht an­er­kannt oder zu­min­dest ver­harm­lost.

 

Ent­schei­dend dafür war auch, dass die Se­nats­ver­wal­tung weder im Be­reich So­zia­les noch im Be­reich In­ne­res eine Vor­stel­lung davon ent­wi­ckel­te, was in Hel­lers­dorf ei­gent­lich vor sich ging. Auf par­la­men­ta­ri­sche Nach­fra­gen gab man sich in den letz­ten 12 Mo­na­ten wei­test­ge­hend ah­nungs­los oder ver­wies auf „lau­fen­de Er­mitt­lun­gen“, die aber bis­her nicht in Pro­zes­se mün­de­ten. Trotz der bun­des­wei­ten Auf­merk­sam­keit gab es keine Be­stre­bun­gen der par­la­men­ta­ri­schen Re­gu­lie­rung, Über­le­gun­gen zur ge­ne­rel­len Ein­rich­tung von „Bann­mei­len“ um Un­ter­künf­te für Asyl­be­wer­ber_in­nen wur­den wie­der ver­wor­fen.[140] Auch die Haus­halts­ver­hand­lun­gen lie­ßen sich durch die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung nicht wei­ter be­ein­dru­cken, die zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Pro­gram­me in dem Be­reich wur­den nicht im ex­pli­zi­ten Hin­blick auf Hel­lers­dorf dis­ku­tiert, ein fi­nan­zi­el­ler Aus­bau der zur Ver­fü­gung ge­stell­ten Mit­tel fand nicht statt.[141]

In der BVV Mar­zahn-​Hel­lers­dorf wurde nur zö­ger­lich über The­men, die die Un­ter­kunft und die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung be­tra­fen, ge­spro­chen. Ei­ner­seits woll­te man den NPD­lern in der BVV weder Mög­lich­keit zur Hetze geben (diese zeig­ten auch wenig En­ga­ge­ment der ei­ge­nen Po­si­tio­nie­rung), noch mit In­for­ma­tio­nen ver­sor­gen. An­de­rer­seits ist der par­tei­über­grei­fen­de Kon­sens, der in einer ge­mein­sa­men Stel­lung­nah­me mün­de­te[142], zur un­be­ding­ten So­li­da­ri­tät ge­gen­über den Ge­flüch­te­ten und der Not­wen­dig­keit der Ein­rich­tung der Un­ter­kunft ein sehr brü­chi­ger ge­we­sen. Auf der Seite der SPD Mar­zahn-​Hel­lers­dorf tauch­te noch im Au­gust 2013 eine Stel­lung­nah­me des Lan­des­po­li­ti­kers Sven Kohl­mei­er auf, ex­pli­zit von der lo­ka­len SPD un­ter­stützt, der die­sen Kon­sens at­ta­ckier­te: man müsse über die Re­du­zie­rung der Be­le­gung nach­den­ken und die rest­li­chen Ge­bäu­de der Un­ter­kunft für so­zia­le Pro­jek­te öff­nen.[143] Damit lag er genau auf der Linie der Rechts­po­pu­lis­t_in­nen und der ras­sis­ti­schen An­woh­ner_in­nen, die ei­ner­seits die Auf­sto­ckung der Be­le­gung ver­hin­dern woll­ten und an­de­rer­seits die Ein­rich­tung von mehr so­zia­ler In­fra­struk­tur „für Deut­sche“ for­der­ten. Nur mit Mühe und Not konn­te die Lo­kal­po­li­tik den Eklat ver­hin­dern und zu einer ge­mein­sa­men Linie zu­rück­fin­den, die wei­test­ge­hend von Schwei­gen ge­prägt ist – der kleins­te ge­mein­sa­me Nen­ner, so wie es scheint. Immer wie­der kam es zu Stel­lung­nah­men der Be­zirks­ver­bän­de ei­ni­ger Par­tei­en, wenn es wie­der An­schlä­ge oder Über­grif­fe gab, ihre Über­set­zung in An­trä­ge oder Hand­lungs­auf­for­de­run­gen ge­gen­über dem Be­zirks­amt fand diese Em­pö­rung je­doch nicht. Bis heute ist in der BVV wenig In­itia­ti­ve zu einem ef­fek­ti­ven Um­gang mit der Si­tua­ti­on zu spü­ren.

 


(Foto: Be­zirks­bür­ger­meis­ter Ste­fan Komoß [mit­tig, ste­hend] am „Brau­nen Diens­tag“ – 09.​07.​13 / Quel­le: Chris­ti­an Jäger)

 

Auf Ebene der Be­zirks­ver­wal­tung ist die Un­tä­tig­keit ähn­lich aus­ge­stal­tet. Ste­fan Komoß, der schon am „Brau­nen Diens­tag“ in wi­der­li­cher Ex­tre­mis­mus­theo­rie eine Schuld bei „links und rechts“ such­te, die die An­woh­ner_in­nen auf­het­zen würde, wäh­rend deren „Sor­gen und Nöte“ ja ver­ständ­lich wären (und nicht etwa Aus­druck eines zu­tiefst ras­sis­ti­schen Welt­bilds), muss­te aus schwer­wie­gen­den ge­sund­heit­li­chen Grün­den sich über Mo­na­te zu­rück­zie­hen.[144] In der in­ten­si­ven Phase des Dis­kur­ses um die Un­ter­kunft lenk­te die So­zi­al­stadt­rä­tin Dag­mar Pohle den Be­zirk. Sie wurde schon früh zen­tra­les Feind­bild der Bür­ger­initia­ti­ve, André Kie­bis – zu dem Zeit­punkt noch mit den Nazis in einem Boot –be­dräng­te sie in einer Fra­ge­stun­de und zeich­ne­te heim­lich das Ge­spräch auf.[145] Pohle zeig­te sich in den dar­auf­fol­gen­den Wo­chen deut­lich be­dach­ter als Ste­fan Komoß, was die Be­ur­tei­lung der an­ti­ras­sis­ti­schen Ge­gen­mo­bi­li­sie­rung be­traf, zeig­te aber nach dem Ein­zug der Ge­flüch­te­ten wenig Sen­si­bi­li­tät, als es um die an­ti­ras­sis­ti­sche Mahn­wa­che ging: erst in Ver­hand­lun­gen zeig­te sie sich kom­pro­miss­be­reit, was eine ver­wal­tungs­recht­li­che Ak­zep­tanz der Mahn­wa­che an­ging. Stell­ver­tre­tend für die Be­zirks­ver­wal­tung for­mu­lier­te sie die zen­tra­le Pro­ble­ma­tik: nicht etwa die Be­las­tung der Ge­flüch­te­ten war ihr Pro­blem, son­dern die Stö­rung der An­woh­ner_in­nen. Die An­woh­ner_in­nen, die ei­ni­ge Tage zuvor mit Hit­ler­grü­ßen vor der Un­ter­kunft stan­den, hass­er­füll­te Pa­ro­len brüll­ten und vor­her be­reit­wil­lig jede ras­sis­ti­sche Ak­ti­on mit­tru­gen. Das Mit­leid der An­ti­ras­sis­t_in­nen hielt sich – ver­ständ­li­cher­wei­se – in Gren­zen. In den Ver­hand­lun­gen wurde aber ein zen­tra­ler Er­folg der an­ti­ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung ab­ge­run­gen: in der di­rek­ten Um­ge­bung zur Un­ter­kunft soll­te ein Schutz­raum für Ge­flüch­te­te ent­ste­hen, in dem sie ei­gen­ver­ant­wort­lich eine Per­spek­ti­ve über das La­ger­le­ben und die feind­li­che At­mo­sphä­re der An­woh­ner_in­nen hin­aus ent­wi­ckeln konn­ten. Die­ses Pro­jekt trug die Be­zirks­ver­wal­tung bis­her er­freu­li­cher­wei­se mit und er­mög­licht damit den Ver­such einer neuen, bis­her wohl ein­zig­ar­ti­gen an­ti­ras­sis­ti­schen Pra­xis im deut­schen La­ger­sys­tem.

 

Als eine der we­ni­gen Be­zirks­ver­tre­ter_in­nen fand Dag­mar Pohle in der Re­tro­spek­ti­ve auch Worte des Dan­kes an an­ti­fa­schis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen, und dif­fe­ren­zier­te deut­lich zwi­schen der in­ter­ve­nie­ren­den und so­li­da­ri­schen Wir­kung der Ak­ti­vis­t_in­nen auf dem „Brau­nen Diens­tag“ und dem men­schen­feind­li­chen Cha­rak­ter der Ras­sis­t_in­nen und or­ga­ni­sier­ten Nazis – an­ders als Komoß. Auch die Frage nach den An­woh­ner_in­nen sieht sie in­zwi­schen dif­fe­ren­zier­ter und er­kennt die ras­sis­ti­schen Mo­ti­va­tio­nen des Pro­tes­tes; über die Ak­ti­vi­tä­ten des Pro­jek­tes POLIS be­fragt, äu­ßert sie sich hin­ge­gen nur sehr ver­hal­ten.[146] Das Credo der Be­zirks­ver­wal­tung blieb aber im Som­mer 2013 vor­erst: es gehe um Ruhe und Frie­den, auch für die Ge­flüch­te­ten, aber haupt­säch­lich für die an­geb­lich un­schul­di­gen An­woh­ner_in­nen, die unter der Si­tua­ti­on der vie­len De­mons­tra­tio­nen und der vie­len „frem­den“ Men­schen im Be­zirk lei­den wür­den. Immer wie­der setz­te sich das von Komoß be­schwo­re­ne Bild der zu­ge­reis­ten „Links-​ und Rechts­ex­tre­mis­ten“ fort. Damit wurde ei­ner­seits die po­li­ti­sche Le­gi­ti­ma­ti­on ab­ge­spro­chen, da beide Grup­pen gleich­be­rech­tigt in den Be­reich der un­de­mo­kra­ti­schen Rand­zo­ne der Ge­sell­schaft ver­frach­tet wur­den, ohne die ras­sis­ti­sche Grund­ein­stel­lung aus der Mitte der An­woh­ner_in­nen noch die ele­men­ta­ren Un­ter­schie­de eine lin­ken Men­schen­bil­des im Ge­gen­satz zum men­schen­feind­li­chen Ras­sis­mus der or­ga­ni­sier­ten Rech­ten als auch eben die­ser An­woh­ner_in­nen zu re­flek­tie­ren. Gleich­zei­tig wurde eine aus­gren­zen­de, iden­ti­tä­re Per­spek­ti­ve damit er­öff­net: die Be­schwö­rung des Hel­lers­dor­fer „Wir“ im Ge­gen­satz zu „Zu­ge­reis­ten“ wurde durch die Bür­ger­initia­ti­ve ge­nau­so be­dient wie durch die Be­zirks­ver­wal­tung, aus­ge­hend davon, dass nur die­je­ni­gen sich po­li­tisch ein­brin­gen dürf­ten, die im ent­spre­chen­den Be­zirk woh­nen wür­den, als sei Ras­sis­mus kein ge­samt­ge­sell­schaft­li­ches Pro­blem. Und so wurde auch durch die Bür­ger­be­we­gung im Fol­gen­den immer wie­der be­tont, dass die An­woh­ner_in­nen gegen die „zu­ge­reis­ten Lin­ken“ aus Kreuz­berg ste­hen wür­den, der Be­zirk er­wei­ter­te diese Per­spek­ti­ve nur auf das ex­tre­mis­mus­theo­re­ti­sche „Links und Rechts“ gegen An­woh­ner_in­nen, die nur ihre Ruhe haben wol­len.

 

Als Ste­fan Komoß wie­der ins Amt zu­rück­kehrt, fällt ihm ein Zu­gang zur Si­tua­ti­on schwer. Immer wie­der be­tont er, dass Auf­merk­sam­keit für das Thema nur Auf­merk­sam­keit für die Rech­ten wäre. Er möch­te das Thema unter den Tisch keh­ren, Stel­lung­nah­men zu den An­schlä­gen kom­men nur halb­her­zig und ohne kon­kre­te Fol­gen. Für Ste­fan Komoß gibt es bis heute kein Pro­blem mit Na­zi­struk­tu­ren im Be­zirk, das Image ist schlecht genug, jede Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me würde be­deu­ten, zu­zu­ge­ben, dass der Be­zirk weder als Wirt­schafts-​ noch als Le­bens­mit­tel­punkt at­trak­tiv ist, wenn man nicht den Vor­stel­lun­gen der ras­sis­ti­schen Mehr­heit ent­spricht. Mar­zahn-​Hel­lers­dorf sei das Tor zur Welt, das möch­te man ver­mit­teln. Das es in der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on eher ein Na­del­öhr bleibt, wird weg­ge­lobt. Auch Stadt­rat Chris­ti­an Gräff (CDU) hat mit die­sem Span­nungs­feld zu kämp­fen. Zeit­gleich zur ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung 2013 wurde eine lange ge­plan­te Ima­ge­kam­pa­gne ge­launcht, deren Wir­kung durch die ne­ga­ti­ve Pres­se über den Asyl­dis­kurs weit­ge­hend im Nir­va­na ver­schwand.[147] Mar­zahn-​Hel­lers­dorf blieb der Brau­ne Be­zirk, aller Öf­fent­lich­keits­ar­beit zum Trotz. Auch die Kam­pa­gne von Kul­tur­stadt­rä­tin Ju­lia­ne Witt, die sich um Mar­zahn als neuen kul­tu­rel­len Hot­spot be­müht und dafür die In­fra­struk­tur der „Alten Börse“ un­ter­stützt[148], wird davon tor­pe­diert. Alle be­zirk­li­chen Ak­teur_in­nen sind über­vor­sich­tig und tap­pen dabei von einem Fett­näpf­chen ins nächs­te, so ent­brennt ein kur­zer, aber in­ten­si­ver Dis­kurs über Kunst­frei­heit und mus­li­mi­sche Re­li­gi­ons­vor­stel­lun­gen.[149] Nur lang­sam er­holt man sich auf be­zirk­li­cher Ebene von den Schä­den, die durch das Miss­ma­nage­ment des ras­sis­ti­schen Dis­kur­ses ent­stan­den sind, immer wie­der kommt es zu Rück­schlä­gen.

 

Zu die­sem Miss­ma­nage­ment ge­hört auch der weit­ge­hen­de Aus­schluss von un­be­que­men Struk­tu­ren: aus einem „Run­den Tisch“ wer­den nach und nach die zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen In­itia­ti­ven aus­ge­schlos­sen, es ver­blei­ben nur noch Ver­wal­tung, Po­li­zei, Hoch­schu­le und Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten in dem ehe­ma­li­gen „Run­den Tisch“, aus die­ser Ko­or­di­nie­rung ent­ste­hen kaum noch re­le­van­te Pro­jek­te. Man ei­nigt sich förm­lich aufs Nichts­tun, möch­te sich aber auch kei­ner Kri­tik daran aus­set­zen. Nach Außen wird die Ver­net­zung an sich als Er­folg ge­fei­ert, Maß­nah­men kann man nicht prä­sen­tie­ren. Unter der Füh­rung der be­zirk­li­chen Ko­or­di­nie­rungs­stel­le gegen Rechts „POLIS“, ge­tra­gen durch SPI / Ost­kreuz[150], wird ver­sucht, die Hilfs­an­ge­bo­te vie­ler so­li­da­ri­scher An­woh­ner_in­nen zu bün­deln. Der Ver­such schlägt fehl: die An­ge­bo­te wer­den nie wahr­ge­nom­men, POLIS sitzt auf einem Hau­fen Kon­takt­da­ten, ohne dar­aus ein wirk­li­ches Hilfs­kon­zept zu ent­wi­ckeln. Gleich­zei­tig sug­ge­riert das An­ge­bot aber: „wen­det euch an uns, macht nichts al­lei­ne, wir küm­mern uns drum“. Und so wird viele so­li­da­ri­sche Struk­tur durch die Un­fä­hig­keit der Ko­or­di­nie­rungs­stel­le be­gra­ben. Nach gut einem Jahr hat POLIS nur we­ni­ge Ar­beits­er­geb­nis­se vor­zu­wei­sen: man be­glei­tet die aus den Er­fah­run­gen des „Brau­en Diens­tags“ ent­stan­de­nen, ge­schlos­se­nen An­woh­ner_in­nen-​In­fo­ver­an­stal­tun­gen und be­rich­tet dar­über. Man stellt im Be­zirk ein aka­de­mi­sches Kon­zept gegen Ras­sis­mus und Men­schen­feind­lich­keit vor, das weit­ge­hend zahn­los bleibt und dar­über hin­aus nicht ein­mal eine spür­ba­re Um­set­zung fin­det. Schon im Vor­feld ru­mort es im Be­zirk, dass auch der ge­plan­te Jah­res­be­richt zur „De­mo­kra­tie­ent­wick­lung“ in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf, der durch POLIS jähr­lich her­aus­ge­ge­ben wird, nur un­zu­rei­chend sei und nur ein Bruch­teil der Vor­komm­nis­se der je­weils un­ab­hän­gi­gen Chro­ni­ken von WuT oder der Re­gis­ter­stel­le der Hoch­schu­le um­fasst. Auch durch De­kon­struk­ti­on Ost wird immer wie­der dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Ko­or­di­nie­rungs­stel­le kom­pe­ten­ten Struk­tu­ren zu über­ge­ben sei und die Mit­tel bes­ser ver­wen­det wer­den könn­ten, als durch das über­aka­de­mi­sier­te Wir­ken von Dr. Bryant.[151]Die Kri­tik be­steht nicht an einer aka­de­mi­schen Per­spek­ti­ve, viel­mehr ist eine tief­grei­fen­de Ana­ly­se durch­aus als un­be­ding­te Vor­aus­set­zung für das Vor­ge­hen zu sehen. Nur eine prak­ti­sche Über­set­zung der, zudem noch un­zu­läng­li­chen, Ana­ly­se ver­bleibt nied­rig­schwel­lig. POLIS ver­öf­fent­lich schon bald nach dem Brau­nen Diens­tag ein 16-​sei­ti­ges Fact-​Sheet, um die Fra­gen der An­woh­ner_in­nen zu be­ant­wor­ten und um der ras­sis­ti­schen Hetze Fak­ten ent­ge­gen­zu­set­zen.[152] Wäh­rend an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen je­doch einen ei­ge­nen, kur­zen Falt-​Fly­er „Fak­ten gegen Vor­ur­tei­le“[153] mas­siv im Kiez um die Un­ter­kunft ver­tei­len und damit viele An­woh­ner_in­nen er­rei­chen, ver­bleibt die PO­LIS-​Pu­bli­ka­ti­on im Amts­ge­brauch und wird nur über Ämter und die In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen sowie auf den ver­wir­rend struk­tu­rier­ten In­ter­net­sei­ten des Be­zirks und von SPI ver­teilt. Man muss schon pro­ak­tiv da­nach su­chen, um die Pu­bli­ka­ti­on zu fin­den – ein Zu­ge­hen auf die An­woh­ner_in­nen fin­det nicht statt. Und schaut man sich dann das Pa­pier ge­nau­er an, ist man ei­ni­ger­ma­ßen ent­setzt über den Tenor der Fra­gen­be­ant­wor­tung: so wird nur an einer Stel­le die Bür­ger­initia­ti­ve er­wähnt, ohne ei­ner­seits ihren Kon­text als neo­na­zis­ti­sche Platt­form klar­zu­stel­len und an­de­rer­seits sich klar von ihr zu dis­tan­zie­ren und auf die Ge­fah­ren der ras­sis­ti­schen Hetze hin­zu­wei­sen.[154] Im Ge­gen­satz dafür wird viel Text dar­auf ver­wen­det, die an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen zu dis­kre­di­tie­ren und zu be­to­nen, dass die Be­zirks­ver­wal­tung alles in der Macht ste­hen­de tun würde, um sich gegen die – rich­ti­ge – Ana­ly­se über die ras­sis­ti­schen Vor­ur­tei­le der An­woh­ner_in­nen, die durch Me­di­en und An­ti­ras­sis­t_in­nen vor­ge­bracht wird, zu weh­ren. POLIS ge­riert sich zu die­sem Zeit­punkt als ar­gu­men­ta­ti­ver Hand­lan­ger der Nazis und wird zu einer Art „be­zirk­li­chen Ko­or­di­nie­rungs­stel­le gegen Links“. Auf diese Po­si­ti­on fal­len sie auch im Rück­blick zu­rück.[155]

 

Im Fe­bru­ar 2014 prä­sen­tiert POLIS das von ihnen er­ar­bei­tet „De­mo­kra­tie­kon­zept“ für den Be­zirk.[156] Es ver­bleibt in der Un­be­stimmt­heit: man möch­te mehr Ver­net­zung schaf­fen (Sport, Ju­gend­trä­ger, Schu­le), An­sprech­part­ner in der Wirt­schaft er­mit­teln und – noch mehr Theo­rie­ar­beit leis­ten. Hin­zu­kommt, dass man er­neut den „Sor­gen und Nöten“ der An­woh­ner_in­nen Raum geben will, in dem man als Re­ak­ti­on auf die Ent­wick­lun­gen des Som­mers 2013 ein Be­schwer­de­ma­nage­ment ein­rich­ten möch­te. Man fühlt sich auch hier in die 90er ver­setzt: Runde Ti­sche, ak­zep­tie­ren­de Ju­gend­ar­beit, Sport – das hat schon da­mals eher schlecht als recht funk­tio­niert.[157] Es fehlt an eine wich­ti­ge Er­kennt­nis: der offen zu Tage tre­ten­de Ras­sis­mus ist Teil der Hel­lers­dor­fer Le­bens­wirk­lich­keit. Und er be­trifft nicht nur Ju­gend­li­che, son­dern wird – auch auf die Stra­ße – maß­geb­lich von Er­wach­se­nen ge­tra­gen. Dem­ent­spre­chend ist die­ser Um­stand auch kon­zep­tu­ell nicht be­rück­sich­tigt, ge­fähr­det aber die Wir­kung der an­de­ren Ar­beits­fel­der. Ju­gend­li­che, die in der Schu­le über Ras­sis­mus be­lehrt wer­den, aber in ihren Fa­mi­li­en die „Aus­län­der­jagd“ als Frei­zeit­ge­stal­tung vor­ge­lebt be­kom­men, wer­den durch das Ras­ter der De­mo­kra­tie­ent­wick­lung wei­test­ge­hend durch­fal­len, ge­ra­de, wenn der vor­herr­schen­de Nar­ra­tiv ein an­ti­staat­li­cher und de­mo­kra­tie­fer­ner ist, in den Fa­mi­li­en die Vor­stel­lung vor­herrscht, dass Be­hör­den (wie Schu­len) und der Po­li­tik eh nicht zu trau­en sei. Die Um­set­zung des De­mo­kra­tie­kon­zep­tes von POLIS be­stand wahr­nehm­bar bis­her aus einem Fuß­ball­tu­nier.[158] Im Mai 2014 ver­öf­fent­licht SPI als Trä­ger für POLIS auch eine zu­sam­men­fas­sen­de Be­trach­tung der be­zirk­li­chen Ar­beit, die einen deut­li­chen Schwer­punkt auf Hel­lers­dorf legt. Darin wird deut­lich, dass sie durch­aus eine qua­li­ta­tiv nach­voll­zieh­ba­re Struk­tur­ana­ly­se des Be­zir­kes und sei­ner Be­woh­ner_in­nen haben[159], diese aber auf eine reine An­schluss­fä­hig­keit für ras­sis­ti­sche Welt­bil­der re­du­zie­ren und keine ei­ge­nen Er­kennt­nis­se über die alte und neue or­ga­ni­sier­te Rech­te im Be­zirk tref­fen kön­nen.


Ei­ner­seits wird klar, dass die Ana­ly­se von POLIS zu kurz fasst, sie näm­lich durch­ge­hend or­ga­ni­sier­te Na­zi­struk­tu­ren ver­kennt, an­de­rer­seits dass die Auf­ga­ben­stel­lung[160] der Ko­or­di­nie­rungs­stel­le, die auch kon­kre­te Maß­nah­men gegen men­schen­feind­li­che Struk­tu­ren be­inhal­tet, nicht er­füllt wird. Viel­mehr grenzt sich POLIS mas­siv von an­ti­ras­sis­ti­schen und an­ti­fa­schis­ti­schen Struk­tu­ren im Be­zirk ab und ver­stärkt die Hetze gegen diese Ak­ti­vis­t_in­nen. In ihrer Ana­ly­se plä­die­ren sie immer wie­der für sach­li­che Er­wä­gun­gen und ent­zie­hen sich den grund­sätz­li­chen er­for­der­li­chen po­li­ti­schen Po­si­tio­nie­run­gen, die in der The­ma­tik un­um­gäng­lich sind. Es bleibt fest­zu­hal­ten, dass für das Pro­jekt POLIS ein qua­li­ta­ti­ver Er­satz ge­fun­den wer­den muss, die_­der sich den Pro­ble­men des Be­zirks kon­kret an­nimmt.

 

Pro­fi­te mit La­ger­hal­tung –Pe­Wo­Be in Hel­lers­dorf


Die Be­trei­ber_in­nen-​Fir­ma der Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft ist der be­rüch­tig­te Trä­ger Pe­Wo­Be. Mit Hel­mut Penz an der Spit­ze ist er vor allem dafür be­kannt, Dum­ping-​An­ge­bo­te im so­zia­len Be­reich auf Kos­ten der Be­woh­ner_in­nen für das LA­Ge­So[161] zu er­stel­len.[162]Pe­Wo­Be steht wie keine an­de­re Firma in Ber­lin für die Be­zeich­nung „Lager“, die viele Ge­flüch­te­te für ihre Un­ter­künf­te an­füh­ren: die Min­dest­stan­dards der Un­ter­brin­gun­gen, die für die Ge­bäu­de vom LA­Ge­So fest­ge­legt wer­den, wer­den durch die Pe­Wo­Be immer wie­der deut­lich un­ter­schrit­ten, man wolle selbst fest­le­gen, was Stan­dards wären und dazu kommt, dass Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen sys­te­ma­tisch aus den durch die Pe­Wo­Be be­trie­be­nen Lager ge­drängt wer­den, die so­zia­len Ver­bin­dun­gen der Ge­flüch­te­ten nach außen wer­den wie in einem Ge­fäng­nis durch zur Fir­men­grup­pe ge­hö­ren­de Si­cher­heits­fir­men re­gu­liert und z.T. ge­kappt.[163]Pe­Wo­Be kann ihr La­gers­sys­tem ohne Pro­ble­me auf­bau­en, denn die Prüf­pflich­ten des LA­Ge­So wer­den vor­erst gar nicht, seit ei­ni­ger Zeit nur zö­ger­lich um­ge­setzt und es wer­den teil­wei­se durch das Lan­des­amt keine Ver­trä­ge ge­schlos­sen.[164]

 

Durch die me­dia­le Auf­merk­sam­keit gibt sich die Pe­Wo­Be in Hel­lers­dorf in den ers­ten Wo­chen des Un­ter­kunft­be­trie­bes als vor­bild­li­cher Part­ner. Die Aus­bau­ten sol­len einer men­schen­wür­di­gen Un­ter­kunft mehr als an­ge­mes­sen sein, es solle viel­fäl­ti­ge Frei­zeit-​ und Bil­dungs­an­ge­bo­te geben, man setzt sich sogar mit an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen an einen Tisch und – wie sich spä­ter her­aus­stellt – lügt zu­sam­men mit einem Ver­tre­ter des LA­Ge­So die­sen etwas vor. Man wolle den Ak­ti­vis­t_in­nen hel­fen, sei selbst an einer so­li­da­ri­schen At­mo­sphä­re in der Um­ge­bung in­ter­es­siert. Das LA­Ge­So­ver­spricht die an­tei­li­ge Kos­ten­über­nah­me für den von An­ti­ras­sis­t_in­nen ge­plan­ten ex­ter­nen Treff­punkt der Ge­flüch­te­ten, Hel­mut Penz si­chert zu, dass die Pe­Wo­Be keine Zu­gangs­be­schrän­kun­gen für Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen und so­li­da­ri­sche Ak­ti­vis­t_in­nen um­set­zen wird. Mit Mar­ti­na Wohl­ra­be sei eine Lei­te­rin der Un­ter­kunft ge­fun­den wor­den, die schon lange im Be­zirk aktiv sei und auf einen hohen Er­fah­rungs­schatz in der so­zia­len Ar­beit zu­rück­grei­fen kann. Au­ßer­dem sei sie den Ak­ti­vis­t_in­nen durch ihre Teil­nah­me an den Tref­fen des So­li­da­ri­täts­netz­wer­kes be­kannt (ob­wohl sie dort schon freund­lich, aber be­stimmt für die Über­nah­me der ab­seh­bar re­pres­si­ven Funk­ti­on kri­ti­siert wurde und auf den ent­ste­hen­den In­ter­es­sen­kon­flikt zwi­schen La­ger­be­trei­ber_in­nen und an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen hin­ge­wie­sen wurde).

 

In der Folge wurde der Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Hoch­schu­le ein Raum für den Hoch­schul­be­trieb in der Un­ter­kunft zur Ver­fü­gung ge­stellt[165]und der In­itia­ti­ve „Hel­lers­dorf Hilft“ ein La­ger­raum für Spen­den. Aber ins­be­son­de­re die Lei­tung er­weist sich schnell als un­zu­ver­läs­sig und ei­gen­sin­nig: Mar­ti­na Wohl­ra­be trifft sich mit dem be­kann­ten Ras­sis­ten und ehe­ma­li­gen Kopf der Bür­ger­initia­ti­ve André Kie­bis – und das in der Un­ter­kunft, dem di­rek­ten Le­bensum­feld der Leute, gegen die Kie­bis ei­ni­ge Wo­chen zuvor mas­siv hetz­te. Mit dabei ist Carl Chung als Ver­tre­ter von SPI / Ost­kreuz und mit­ver­ant­wort­lich für POLIS*. Der Vor­fall ist ein Skan­dal und wird von An­ti­fa­schis­t_in­nen öf­fent­lich the­ma­ti­siert.[166] Gleich­zei­tig steht sie unter er­heb­li­chem Druck der Bür­ger­initia­ti­ve, Ge­rüch­te über ihr Pri­vat­le­ben wer­den ge­streut. In der Folge zieht sie sich immer mehr zu­rück und kom­mu­ni­ziert nur noch dort, wo sie un­be­dingt muss. An einer Ver­net­zung oder Un­ter­stüt­zung mit Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen und An­ti­ras­sis­t_in­nen hat sie kein In­ter­es­se mehr, agiert zu­neh­mend macht­po­li­tisch, ma­ni­pu­la­tiv und do­mi­nant ge­gen­über Ge­flüch­te­ten, Mit­ar­bei­ter_in­nen und Be­su­cher_in­nen. Nach dem Jah­res­wech­sel ver­liert „Hel­lers­dorf Hilft“ den La­ger­raum, Mar­ti­na Wohl­ra­be rich­tet einen ei­ge­nen Raum ein, über den nur die Un­ter­kunfts­lei­tung ver­fügt. In Zuge des­sen wird der Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on auch ab­ge­spro­chen, eine Auf­ent­halts­be­rech­ti­gung für die Un­ter­kunft zu haben, nur noch über spon­ta­ne Ver­an­stal­tun­gen wie Work­shops oder Be­su­cher_in­nen-​Rech­te haben die Ak­ti­vis­t_in­nen über­haupt noch Zu­gang zum Ge­bäu­de oder zum Hof. Schon vor­her wurde durch die Ge­schäfts­lei­tung von Pe­Wo­Be an­de­ren Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen der Zu­gang zu Un­ter­künf­ten ber­lin­weit ver­bo­ten, kri­ti­sche In­itia­ti­ven wur­den mit Haus­ver­bot be­legt. Auch in Hel­lers­dorf fin­det das statt, man spielt die In­itia­ti­ven ge­gen­ein­an­der aus, sucht sich die be­quems­te aus und lehnt den Zu­gang für alle an­de­ren mit der Be­grün­dung ab, dass ihr Auf­ga­ben­ge­biet schon durch an­de­re Men­schen be­ar­bei­tet werde. In­zwi­schen knirscht es auch in der Be­zie­hung zwi­schen dem eins­ti­gen Vor­zei­ge­pro­jekt der Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Hoch­schu­le und den Be­trei­ber_in­nen, es wird ver­mu­tet, dass der Zu­gang für die Stu­die­ren­den ab dem Win­ter­se­mes­ter 2014/2015 ver­sperrt bleibt.

 

Hin­ter die­sem Ver­hal­ten ste­hen zwei zen­tra­le Punk­te. Zu­erst gibt es kein In­ter­es­se des LA­Ge­Sos an einer men­schen­wür­di­gen Un­ter­brin­gung der Ge­flüch­te­ten oder ir­gend­ei­ne So­li­da­ri­tät für ihre Lage. Viel­mehr soll den Ge­flüch­te­ten das Leben so un­an­ge­nehm wie mög­lich ge­macht wer­den, damit eine Rück­kehr der Ge­flüch­te­ten in ihre Her­kunfts­län­der ihnen selbst als ge­eig­ne­tes Mit­tel zur Auf­lö­sung ihrer Si­tua­ti­on er­scheint. Wer im Krieg bes­ser lebt, als in den ver­dreck­ten, engen Un­ter­künf­ten der neuen Wahl­hei­mat, der kehrt in den Krieg zu­rück, so das wi­der­li­che Kal­kül der Be­hör­den. Oder wehrt sich zu­min­dest nicht gegen die Ab­schie­bung. Pri­mär­ziel deut­scher Asyl­po­li­tik ist die so­ge­nann­te „Rück­füh­rung“.[167] Das In­ter­es­se von Men­schen an einem guten Leben ist nur mäßig in­ter­es­sant. Zumal ord­net sich diese Po­li­tik auch in den lan­des­wei­ten Kampf des Se­nats gegen die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Ge­flüch­te­ten ein. So ist es auch zu ver­ste­hen, als die von dem LA­Ge­So im Som­mer 2013 zu­ge­sag­ten und vor we­ni­gen Wo­chen ab­ge­frag­ten Mit­tel für den zu er­öff­nen­den ex­ter­nen Treff­punkt für Ge­flüch­te­te ent­ge­gen die­ser Zu­sa­gen ver­wei­gert wur­den. Diese Zu­sa­ge wurde von dem zu­stän­di­gen Ver­ant­wort­li­chen als dreis­te Lüge zur Be­ru­hi­gung der Si­tua­ti­on ge­braucht. Ak­ti­vis­t_in­nen sind davon al­ler­dings nur mäßig über­rascht ge­we­sen.

 

Hinzu kommt, dass Pe­Wo­Be und an­de­re pri­va­ten Be­trei­ber nicht nur Lager, son­dern ganze La­ger­sys­te­me be­trei­ben. Sie pro­fi­tie­ren von einem hohen Durch­lauf der Be­le­gung, da neben den Ta­ges­sät­zen den Be­trei­ber_in­nen auch pau­scha­le Mit­tel an­hand der Auf­nah­me­zah­len zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den. Ein si­che­res Mit­tel, die­sen Durch­lauf zu ga­ran­tie­ren, sind die Ab­schie­bun­gen ihrer Be­woh­ner_in­nen. Umso we­ni­ger In­ter­es­se hat die Be­trei­ber_in­nen-​Fir­ma daran, dass Ge­flüch­te­te ihre Rech­te ken­nen, sich ju­ris­tisch zu Wehr set­zen (und damit ggf. auch der Firma selbst hö­he­re Kos­ten ver­ur­sa­chen) und ganz all­ge­mein durch Bil­dung und Ver­net­zung ihre Auf­ent­halts­chan­cen ver­bes­sern. Auch an einer Kon­flikt­la­ge hat Pe­Wo­Be ein gro­ßes In­ter­es­se: in ihrer Sys­te­ma­tik bie­tet der Fir­men­ver­bund auch Si­cher­heits­dienst­leis­tun­gen an, der von so­zia­len Kon­flik­ten zwi­schen den Be­woh­ner_in­nen ge­nau­so pro­fi­tiert wie durch ex­ter­ne Be­dro­hun­gen, dient bei­des doch als Ar­gu­men­ta­ti­on ge­gen­über dem Senat, dass die Auf­trä­ge und die fi­nan­zi­el­len Auf­trags­vo­lu­mi­na er­wei­tert wer­den müs­sen. Es ver­steht sich von selbst, dass alles, was den Pro­fit be­schnei­den würde, zudem igno­riert wird: wich­ti­ge Re­pa­ra­tu­ren, Hy­gie­ne, gut aus­ge­bil­de­tes Per­so­nal – all das lan­det auf der Kür­zungs­lis­te.[168] In der Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft gab es über Wo­chen hin­weg nur we­ni­ge Stun­den am Tag war­mes Was­ser. Erst nach kri­ti­scher Nach­fra­ge von Ab­ge­ord­ne­ten und der Pres­se wurde das Warm­was­ser we­ni­ge Stun­den vor einer Be­ge­hung wie­der an­ge­stellt.

 

In Hel­lers­dorf muss sich – wie über­all in Ber­lin – schnell etwas än­dern. Die Ver­trä­ge mit den pri­va­ten Be­trei­ber_in­nen müs­sen auf­ge­löst wer­den, we­ni­ge Lager kön­nen höchs­tens als Über­gangs­lö­sung be­nutzt wer­den, es muss durch die lan­des­ei­ge­nen Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten eine de­zen­tra­le Un­ter­brin­gung für Ge­flüch­te­te er­fol­gen. Das er­for­dert aber eine ver­nünf­ti­ge Mie­ten­po­li­tik die­ses Se­na­tes und die Re­kom­mu­na­li­sie­rung von Wohn­raum. Mit der Frage sind viele ak­tu­el­le Pro­ble­me der Stadt ver­knüpft, des­we­gen kann die Lö­sung nur aus einem grund­le­gen­den und um­fang­rei­chen Po­li­tik­wech­sel be­ste­hen – oder eben gleich aus der De­kon­struk­ti­on der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft, das käme uns doch allen sehr ent­ge­gen.

 

An­ti­ras­sis­ti­sche Po­li­tik und ihre Gren­zen


An­ti­ras­sis­ti­sche Po­li­tik hatte im ver­gan­ge­nen Jahr viel­fäl­ti­ge Fa­cet­ten. Tau­sen­de Ak­ti­vis­t_in­nen be­tei­lig­ten sich an den Ge­gen­de­mons­tra­tio­nen, zeig­ten ins­be­son­de­re den or­ga­ni­sier­ten Nazis, dass ihre Hetze nicht un­wi­der­spro­chen bleibt und auch mit kon­kre­ten Kon­se­quen­zen ver­bun­den ist. Trotz den Spal­tungs­ver­su­chen durch Bou­le­vard­me­di­en, her­aus­ge­schla­ge­ne Augen und halb­to­te Po­li­zis­ten her­bei­fan­ta­sier­ten[169], kamen bür­ger­li­che und links­ra­di­ka­le Ak­ti­vis­t_in­nen wie­der und wie­der zu­sam­men, um ge­mein­sam auf viel­fäl­ti­ge Art und Weise sich den Nazis in den Weg zu stel­len. Als zen­tra­le In­for­ma­ti­ons­struk­tur dien­te das „An­ti­ras­sis­ti­sche In­fo­por­tal Hel­lers­dorf“[170], das über Li­ve-​Ti­cker und auf­ge­ar­bei­te­te Pres­se­ar­ti­kel den In­for­ma­ti­ons­fluss im Be­zirk und in der In­nen­stadt hoch­hielt und so auch in kurz­fris­tig ent­ste­hen­den Be­dro­hungs­si­tua­ti­on re­agie­ren konn­te. Nicht immer lief das rei­bungs­los: eine War­nung, dass sich 150 Nazis aus Lich­ten­berg auf den Weg zur Mahn­wa­che ma­chen wür­den, stell­te sich als Ente her­aus. Die In­for­ma­ti­ons­po­li­tik wurde z.T. als „rei­ße­risch“ kri­ti­siert und der je­wei­li­gen Si­tua­ti­on nicht an­ge­mes­sen. Nichts­des­to­trotz: mit über 9000 ver­netz­ten Men­schen er­wies sich das In­fo­por­tal als eine zen­tra­le In­for­ma­ti­ons­in­stanz.

 


(Foto: Mahn­wa­che in Hel­lers­dorf am 19.​08.​13 / Quel­le: Mar­cus Go­le­jew­ski)

 

So wurde auch die an­ti­ras­sis­ti­sche Mahn­wa­che, die über drei Wo­chen vor der Un­ter­kunft der Ge­flüch­te­ten stand und so­wohl Ge­flüch­te­ten, als auch Me­di­en und An­woh­ner_in­nen als zen­tra­ler In­for­ma­ti­ons­punkt, Dis­kus­si­ons­ebe­ne und Ver­net­zungs­punkt dien­te, ein per­ma­nen­tes Zei­chen der So­li­da­ri­tät und hat an­ti­ras­sis­ti­sche Po­li­tik für An­woh­ner_in­nen sehr wahr­nehm­bar ge­macht. Viele, die sich hilf­los auf­grund der Dis­kurs­he­ge­mo­nie der Ras­sis­t_in­nen im per­sön­li­chen Um­feld und auf den In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen des Be­zir­kes fühl­ten und ent­spre­chend ein­ge­schüch­tert waren, fan­den an der Mahn­wa­che den Ort, um aus der Ver­ein­zelung ihrer so­li­da­ri­schen Mei­nung aus­zu­bre­chen und sich über die For­men der So­li­da­ri­tät mit den Ak­ti­vis­t_in­nen an der Mahn­wa­che aus­zu­tau­schen. Per­spek­ti­ven des nied­rig­schwel­li­gen an­ti­ras­sis­ti­schen Han­delns konn­ten so er­öff­net, Spen­den an die be­treu­en­de Or­ga­ni­sa­ti­on wei­ter­ge­lei­te­tet und In­for­ma­ti­ons­ma­te­ri­al ver­brei­tet wer­den. So wur­den sie in­di­vi­du­ell ge­stärkt und tra­ten in der Fol­ge­zeit unter den An­woh­ner_in­nen selbst­si­che­rer auf. Auch ras­sis­ti­sche Vor­ur­tei­le konn­ten mit In­for­ma­ti­ons­ma­te­ri­al und per­sön­li­chen Ge­sprä­chen in­di­vi­du­ell ver­än­dert wer­den. So wur­den nach hun­der­ten Be­su­cher_in­nen an der Mahn­wa­che eine Stim­mungs­än­de­rung im Kiez deut­lich: aus dem of­fen­siv ver­tre­te­nen ras­sis­ti­schen Kon­sens wurde eine an­ge­grif­fe­ne schwei­gen­de He­ge­mo­nie von ras­sis­ti­schen Denk­struk­tu­ren, die in­ner­halb ihres per­sön­li­chen Um­fel­des auf Wi­der­spruch und Dis­kurs traf und sich damit nicht in ihrer men­schen­feind­li­chen Kon­se­quenz un­ge­hin­dert ent­fal­ten konn­te. Spür­bar führ­te das zu einer deut­li­chen Re­du­zie­rung der ak­ti­ven An­woh­ner_in­nen auf der Face­book-​Sei­te der Bür­ger­be­we­gung, man hatte also die Nazis und den Volks­mob er­folg­reich aus­ein­an­der­dif­fe­ren­ziert. Hinzu kamen di­rek­te Re­ak­tio­nen, wie zwei An­woh­ner_in­nen, die von der Mahn­wa­che vor eine Ka­me­ra des RBBs lie­fen, und dort an­ga­ben, dass sie ei­gent­lich „gegen das Heim“ waren, aber ihnen durch Ak­ti­vis­t_in­nen „der Kopf ge­wa­schen wurde“ und sie des­halb das jetzt in Ord­nung fin­den wür­den. Nichts­des­to­trotz muss ver­merkt wer­den: ei­ni­ge Ak­ti­vis­t_in­nen waren durch den puren Ras­sis­mus und die men­schen­feind­li­che Ein­stel­lung ei­ni­ger An­woh­ner_in­nen als auch Über­grif­fen auf die Mahn­wa­che, u.a. durch den Rechts­ro­cker „Marci“ (Marci & Ka­pel­le / Tä­ter­volk / To­tal­ver­lust) und wei­te­re Per­so­nen aus dem Um­feld der neo­na­zis­ti­schen Ro­cker­ver­ei­ni­gung „Van­da­len“,[171] so ver­stört und scho­ckiert, dass sie ihre Ar­beit an der Mahn­wa­che ab­bra­chen, tief in sich gin­gen und re­flek­tier­ten, ob sie diese sehr na­he­ge­hen­de Ar­beit wei­ter leis­ten konn­ten und woll­ten.[172] Nicht zu­letzt war die Mahn­wa­che auch eine Art Brief­kas­ten: nicht nur An­woh­ner_in­nen schick­ten ihre So­li­da­ri­täts­er­klä­run­gen oder aber (of­fi­zi­ell durch einen Post­bo­ten an die An­schrift „Mahn­wa­che in der Ca­ro­la-​Ne­her-​Stra­ße“ zu­ge­stellt) Räu­mungs­auf­for­de­rung mit 7-​sei­ti­ger­Be­grün­dung, auch Be­rich­te von Spontan­de­mons­tra­tio­nen in Bre­men, Mün­chen und Frank­furt / Main er­reich­ten den Punkt, dazu große Ban­ner­ak­tio­nen bei den Spie­len von St. Pauli und Ba­bels­berg.[173]

 

Eine wei­te­re In­itia­ti­ve, die sich vor allem um kon­kre­te Hilfs­an­ge­bo­te für Ge­flüch­te­te ge­küm­mert hat, ist „Hel­lers­dorf Hilft“[174], die in Folge ihrer sym­bo­li­schen und bild­mäch­ti­gen Hilfs­ak­tio­nen (wie einer Men­schen­ket­te zum Lager, die Sach­spen­den wei­ter­reich­te) auch durch die bür­ger­li­che Ge­sell­schaft ent­spre­chend ge­wür­digt wurde und somit nach­hal­ti­ge Struk­tu­ren für die Ar­beit mit den Ge­flüch­te­ten auf­bau­en konn­te. Zu­sam­men mit vie­len wei­te­re Ak­teur_in­nen or­gan­sier­ten sich auch Hel­lers­dorf Hilft und De­kon­struk­ti­on Ost im So­li­da­ri­täts­netz­werk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf, des­sen Struk­tu­ren bis heute den Aus­tausch über an­ti­ras­sis­ti­sche und an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­beit er­lau­ben und nach der spon­ta­nen De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gungs-​Na­zis die lo­ka­le Grup­pen und so­li­da­ri­sche Un­ter­stüt­zer_in­nen aus der In­nen­stadt wie­der zu­sam­men­kom­men ließ.[175]

 


(Foto: Ein­la­dung zur an­ti­ras­sis­ti­schen De­mons­tra­ti­on durch Hel­lers­dorf am 03.​10.​13)

 

Um nicht nur auf die Ras­sis­t_in­nen re­agie­ren zu müs­sen, plan­ten ver­schie­de­ne In­itia­ti­ven und Grup­pen eine breit ge­tra­ge­ne De­mons­tra­ti­on am „Tag der Ein­heit“, also am 3. Ok­to­ber 2013, durch Hel­lers­dorf. Im Zwie­spalt zwi­schen Wut auf den Hel­lers­dor­fer Ras­sis­mus und ein po­si­ti­ves Si­gnal für Ge­flüch­te­te ent­schied man sich für letz­te­res. An die­sem Tag kam eine bunte Will­kom­mens­de­mons­tra­ti­on zu­sam­men, deren Motto „Ge­mein­sam für eine so­li­da­ri­sche Ge­sell­schaft“ auch ein Be­kennt­nis gegen die wirt­schaft­li­che und po­li­ti­sche Do­mi­nanz des wie­der­ver­ei­nig­ten Deutsch­land be­deu­te­te: „Wenn sich am 3. Ok­to­ber Deutsch­land für ge­lun­ge­nes Kri­sen­ma­nage­ment, In­te­gra­ti­on und Wirt­schafts­wachs­tum fei­ert, wol­len wir die­ser Selbst­ver­ge­wis­se­rung etwas ent­ge­gen set­zen. […] An Stel­le von ge­gen­sei­ti­ger Kon­kur­renz, wol­len wir eine Kul­tur der So­li­da­ri­tät, statt einem Klima der Aus­gren­zung eine Will­kom­mens­kul­tur set­zen.“[176] Unter den 1500 De­mons­trie­ren­den fan­den sich viele un­ter­schied­li­che In­ter­es­sen­grup­pen. Mit dem ge­mein­sa­men an­ti­ras­sis­ti­schen Kon­sens wurde ein weit­hin sicht­ba­res und star­kes Zei­chen ge­setzt, nicht nur im Plat­ten­bau-​Kiez um das Hel­lers­dor­fer Lager, son­dern auch in der an­gren­zen­den Ein­fa­mi­li­en­haus­sied­lung – so soll­te das Bild von tum­ben „Un­ter­schichts-​Na­zi“ auf­ge­bro­chen wer­den und dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, dass Ras­sis­mus zwar un­ter­schied­li­che Aus­drucks­for­men hat, aber auch in Hel­lers­dorf ein ge­samt­ge­sell­schaft­li­ches Pro­blem ist. Wäh­rend sich ent­ge­gen der Auf­for­de­rung der Nazis nur we­ni­ge Ras­sis­t_in­nen an die De­mons­tra­ti­on her­an­wag­ten (so Kai Schus­ter, Susan W., Marco Z. und Ra­mo­na S.), son­dern eher aus den Fens­tern pö­bel­ten, so zeig­te sich dafür die Po­li­zei be­müht, den an­ti­ras­sis­ti­schen Pro­test zu dis­kre­di­tie­ren und ver­zö­ger­te den Ab­lauf kon­stant durch will­kür­li­che und über­zo­ge­ne Fest- und In­ge­wahrs­am­nah­men, nur um am De­mons­tra­ti­ons­en­de dann in die De­mons­tra­ti­on hin­ein­zu­stür­men, hin­ein­zu­fah­ren (!) und wild um sich zu prü­geln.[177] Ge­ra­de viele neue, bür­ger­li­che In­itia­ti­ven ver­lie­ßen den Tag deut­lich po­li­zei­kri­tisch, ge­schockt durch den un­be­grün­de­ten Ge­walt­aus­bruch.

 


(Foto: An­ti­ras­sis­ti­sche De­mons­tra­ti­on am 03.​10.​13 – die bun­ten Front­trans­pa­ren­te / Quel­le: Mar­cus Go­le­jew­ski)

 

Nach­dem die Stim­mung im Kiez um­ge­schla­gen ist, nicht zu­letzt dank der De­mons­tra­ti­on, und der Bun­des­tags­wahl­kampf vor­über war, ließ auch das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der The­ma­tik „Hel­lers­dorf“ deut­lich nach. Zwar waren die Front der ras­sis­ti­schen An­woh­ner_in­nen auf­ge­bro­chen, aber zu hof­fen, dass sich ras­sis­ti­sche Ein­stel­lun­gen spon­tan ver­än­dern wür­den, wäre fehl­ge­lei­tet ge­we­sen – in die­sem Be­wusst­sein ar­bei­ten auch die lo­ka­len In­itia­ti­ven wei­ter. Die in­ten­si­ve an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­beit wurde fort­ge­führt und eine nach­hal­ti­ge Ver­net­zung ge­sucht, gleich­zei­tig aber auch die lo­ka­le So­li­da­ri­täts­ar­beit fort­ge­führt. Ver­bin­den­des Ele­ment durch be­zirk­li­chen Grup­pen war vor allem die Vor­be­rei­tungs­ar­beit zu einem Treff­punkt für Ge­flüch­te­te und An­woh­ner_in­nen in der un­mit­tel­ba­ren Um­ge­bung der Un­ter­kunft. Dort sol­len Ge­flüch­te­te, die daran In­ter­es­se haben, selbst­be­stimmt und ohne Druck der kon­troll­süch­ti­gen La­ger­lei­tung ein Teil ihres All­ta­ges ver­brin­gen und Hilfs­struk­tu­ren nut­zen kön­nen. An­woh­ner_in­nen, die In­ter­es­se an kon­kre­ter Hilfe haben, kön­nen dort den vor­han­de­nen Raum nut­zen und mit Ge­flüch­te­ten in Kon­takt tref­fen. Nicht zu­letzt sol­len auch Mög­lich­kei­ten des Em­power­ments über den Zu­gang zu Wis­sens­struk­tu­ren für die Ge­flüch­te­ten be­reit­ste­hen.

 


(Foto: „Von der Plat­te für die Plat­te – An-​Ti-​Fa!“ als Zei­chen des selbst­be­wuss­ten An­ti­fa­schis­mus im Be­zirk / Quel­le: Mar­cus Go­le­jew­ski)

 

Immer wie­der stieß die an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­beit auch an ihre Gren­zen, ge­ra­de in den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten. Wie zuvor er­wähnt, be­fin­det sich die Ber­li­ner Links­ra­di­ka­le seit ge­rau­mer Zeit in einer fa­ta­len Le­thar­gie, die durch die Er­eig­nis­se des letz­ten Jah­res nur kurz auf­ge­bro­chen wurde und sich nun wie­der in nur sehr klei­nen und lo­ka­len Wi­der­stands­zei­chen gegen die Ras­sis­t_in­nen äu­ßert. Die große Welle der So­li­da­ri­tät für Hel­lers­dorf (und Ge­flüch­te­te all­ge­mein) ist vor­bei. Nicht un­er­heb­lich dafür auch: staat­li­che Re­pres­si­on. Hun­der­te Er­mitt­lungs­ver­fah­ren wur­den wegen der Pro­tes­te gegen die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung gegen linke Ak­ti­vis­t_in­nen ein­ge­lei­tet, über hun­dert Per­so­nen sind fest­ge­nom­men wor­den, ein Ak­ti­vist kam in Un­ter­su­chungs­haft.[178] Die An­ti­re­pres­si­ons­ar­beit stell­te ein Grund­pfei­ler des Dis­kur­ses da, viele Ak­ti­vis­t_in­nen sorg­ten dafür, dass nie­mand mit recht­li­chen Pro­ble­men al­lei­ne um­ge­hen muss­te. Mit aller Macht ver­such­ten staat­li­che Stel­len, die Deu­tungs­ho­heit über le­gi­ti­men Wi­der­stand gegen Ras­sis­mus wie­der an sich zu rei­ßen, nach­dem ihr die­ser zeit­wei­lig ent­glit­ten war und sie nur mit Mühe die Nazis schüt­zen konn­ten. Das aus­blei­ben­de Ros­tock-​Lich­ten­ha­gen hat aber auch die Skan­da­li­sie­rung der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung ab­ge­schwächt, ob­wohl Nazis in­zwi­schen di­rekt vor der Un­ter­kunft auf­mar­schie­ren. Staat und auch ei­ni­ge An­ti­fa­schis­t_in­nen wie­geln ge­mein­sam ab: es sei ja nichts pas­siert.

 

An ihre Gren­zen sto­ßen an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen auch in­so­weit, dass kon­kre­te Ar­beit mit den Ge­flüch­te­ten sel­ten struk­tu­rel­ler Art ist, also eine große An­zahl der An­ge­spro­che­nen ein­bin­den kann, son­dern auf das In­ter­es­se der Ge­flüch­te­ten an­ge­wie­sen ist, sich hel­fen zu las­sen, dazu noch kon­kret von Per­so­nen, die keine staat­li­che Le­gi­ti­ma­ti­on dafür haben. Dem­ent­spre­chend schwie­rig ge­stal­tet sich auch Do­ku­men­ta­ti­ons-​ und Auf­klä­rungs­ar­beit in Bezug auf Über­grif­fe und be­hörd­li­chem Druck. Ein Pa­tent­re­zept zur Lö­sung die­ses Span­nungs­ver­hält­nis gibt es nicht, immer wie­der muss ge­schaut wer­den, was in der je­wei­li­gen Si­tua­ti­on für Re­so­nanz er­folgt.

 

Ein wei­te­res Span­nungs­ver­hält­nis er­gibt sich aus den po­li­ti­schen For­de­run­gen und der in­di­vi­du­el­len Hilfe. Wenn ein Miss­stand in einem Lager fest­ge­stellt wird, gibt es für Ak­ti­vis­t_in­nen zwei Mög­lich­kei­ten damit um­zu­ge­hen: auf die Ein­hal­tung von ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ein­zu­wir­ken, und den Staat dazu zu brin­gen, staat­li­che Auf­ga­ben wahr­zu­neh­men. Oder aber ein al­ter­na­ti­ves An­ge­bot zu schaf­fen, in dem das kon­kre­te Pro­blem ge­löst wird. Wäh­rend der erste Weg oft dazu führt, dass der Um­stand zwar skan­da­li­siert wird, aber keine staat­li­chen Maß­nah­men er­fol­gen und die Ge­flüch­te­ten mit dem Miss­stand leben müs­sen, sorgt der zwei­te Weg dafür, dass die Be­trei­ber_in­nen und die Be­hör­den dar­auf ver­wei­sen, dass das Pro­blem ja durch ein zi­vil­ge­sell­schaft­li­ches An­ge­bot ge­löst wurde, sie also ihre ge­setz­li­chen Pflich­ten nicht mehr er­fül­len zu brau­chen. Das führt oft dazu, dass Ak­ti­vis­t_in­nen ori­gi­nä­re staat­li­che Auf­ga­ben über­neh­men (wie es z.B. die Kon­trol­len der Un­ter­künf­te auch wären, die aber vor allem durch den Flücht­lings­rat Ber­lin und Lan­des­po­li­ti­ker_in­nen der Op­po­si­ti­on durch­ge­führt wer­den). Das setzt sich auch in der Spen­den­the­ma­tik fort: oft wer­den Ge­flüch­te­te auf die ein­ge­gan­ge­nen Sach­spen­den ver­wie­sen und An­trä­ge auf Kos­ten­über­nah­me zu­rück­ge­wie­sen oder die dafür zur Ver­fü­gung ste­hen­den Gel­der durch die Be­trei­ber_in­nen als Pro­fit ein­be­hal­ten. An­statt den Auf­trag des Ge­setz­ge­bers also mit den dafür zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln um­zu­set­zen, müs­sen die Bür­ger_in­nen dop­pelt ran: ei­ner­seits wird der durch ihre Steu­ern fi­nan­zier­te Haus­halt über die sie re­prä­sen­tie­ren­den Par­la­men­ta­ri­er_in­nen für die Ver­wal­tung ver­pflich­tend be­schlos­sen, an­de­rer­seits kommt ihr Geld und ihre re­prä­sen­tier­te Ent­schei­dung nie an und die feh­len­den Güter müs­sen durch Spen­den er­setzt wer­den. Den Staat freut es aber: eine wei­te­re mas­si­ve Ein­spa­rungs­mög­lich­keit im so­zia­len Be­reich stützt die Wett­be­werbs­fä­hig­keit des Staa­tes im ka­pi­ta­lis­ti­schen Sys­tem. Diese Pro­ble­ma­ti­ken der ka­pi­ta­lis­tisch-​bür­ger­li­chen sys­tem­in­te­gra­ti­ven Ver­ein­nah­mung­des kri­tisch-​prak­ti­schen En­ga­ge­ments zu re­flek­tie­ren, bleibt eine zen­tra­le Auf­ga­be einer an­ti­ras­sis­ti­schen Be­we­gung.

 

Ein­zu­ge­hen ist auch auf das schwie­ri­ge Ver­hält­nis zur La­ger­kri­tik im ver­gan­ge­nen Jahr. Sich im kon­kre­ten Fall von Hel­lers­dorf gegen Lager zu po­si­tio­nie­ren, war eine ver­dammt schwie­ri­ge An­ge­le­gen­heit. Zu hoch war die Ge­fahr, in den Vor­wurf der Quer­front mit den Nazis zu kom­men, die be­wusst auch ar­gu­men­ta­tiv an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­gu­men­te auf­ge­nom­men haben, so­lan­ge sie sich nur gegen Lager aus­spra­chen. Alles, was „Nein zum Heim“[179] be­deu­te­te, war ihnen recht, die tat­säch­li­che Ver­hin­de­rung des Be­zugs stand im Vor­der­grund. Und zwi­schen „Nein zum Heim“ und „Nein zum Lager“ als Pa­ro­len be­stand nur ein pla­ka­ti­ver Kat­zen­sprung, ob­wohl die da­hin­ter­ste­hen­den Men­schen­bil­der grund­ver­schie­den sind und „Nein zum Heim“ die Un­ter­brin­gung als fremd emp­fun­de­ner Asyl­be­wer­ber_in­nen ab­lehnt, wäh­rend „Nein zum Lager“ den Asyl­be­wer­ber_in­nen die Frei­heit geben möch­te, ihren Wohn­ort frei zu wäh­len. Auch wenn ihr Wohn­ort dann in Hel­lers­dorf lie­gen soll, for what its worth. Hin­ter dem be­zirk­li­chen Kon­sens, die Un­ter­brin­gung der Ge­flüch­te­ten aber als ak­tu­el­le und exis­ten­zi­el­le Not­wen­dig­keit zu kom­mu­ni­zie­ren und sich kei­ner An­griffs­flä­che von Rechts aus­zu­set­zen, grup­pier­ten sich auch die Bünd­nis­grup­pen des So­li­da­ri­täts­netz­wer­kes ein, die eine Be­schäf­ti­gung mit der The­ma­tik auf­grund der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung in den Hin­ter­grund rück­ten, ob­wohl sie na­tür­lich immer vor­han­den war. Er­freu­li­cher­wei­se er­gibt sich aber ak­tu­ell eine zu­neh­men­de The­ma­ti­sie­rung der Ver­hält­nis­se auch im Be­zirk.

 

In­ten­siv wurde durch De­kon­struk­ti­on Ost ver­sucht, die Er­fah­run­gen aus Hel­lers­dorf in bun­des­wei­ten Po­di­en auf­zu­ar­bei­ten, die In­ter­ven­ti­ons­pra­xis zu be­leuch­ten und sich ei­ner­seits Input an­de­rer Ak­ti­vis­t_in­nen zu holen und bei Be­darf auch Input zu geben. Die an­ti­ras­sis­ti­schen Pro­tes­te in Schnee­berg und in Ros­tock wur­den durch De­kon­struk­ti­on Ost vor Ort be­glei­tet. Diese Ver­net­zung vor allem in den länd­li­chen Struk­tu­ren ist bis heute prä­gend und hat die pri­vi­le­gier­te Stel­lung der ur­ba­nen Lage Hel­lers­dorfs mit kurz­fris­ti­ger An­bin­dung an al­ter­na­tiv-​ge­präg­te Stadt­be­zir­ke deut­lich ge­macht. Diese Ver­net­zun­gen auf ab­ge­stuf­ten re­gio­na­len Ebe­nen soll­ten sich fort­set­zen. Das Will­kom­mens­netz­werk in Ber­lin ist dafür be­grü­ßens­wer­te Struk­tur, auf der Bun­des­ebe­ne sieht es zur­zeit lei­der wie­der etwas ru­hi­ger aus, ob­wohl ge­ra­de die länd­li­chen Ebe­nen in­ten­si­ven Sup­port gut ge­brau­chen könn­ten.

 

Na­zi­ter­ror be­en­den – Ge­flüch­te­te schüt­zen!



(Foto: Spon­ta­ne So­li­da­ri­täts­be­kun­dung im Hel­lers­dor­fer Kiez als Pro­test gegen eine NPD-​Kund­ge­bung an der Un­ter­kunft / Quel­le: Pres­se­dienst Frank­furt/Oder)

 

Obers­te Prio­ri­tät hat nach wie vor, die Ge­flüch­te­ten vor ras­sis­ti­schen At­ta­cken und Über­grif­fen zu schüt­zen. Die An­schlä­ge der ver­gan­ge­nen Mo­na­te haben ge­zeigt, dass sich das Pro­blem weg von einem be­fürch­te­ten Po­grom hin zu einer kon­spi­ra­ti­ven und mi­li­tan­ten Na­zi­struk­tur ver­scho­ben hat, die auf ein will­fäh­ri­ges Um­feld aus Ras­sis­t_in­nen auf­bau­en kann. Die Er­fah­run­gen aus der Mord­se­rie des NSU zei­gen, dass ihre Taten aus einem ge­sell­schaft­li­chen Um­feld her­aus ent­stan­den sind und nicht als das Er­geb­nis eines iso­lier­ten „Ter­ror­trio“ ver­harm­lost wer­den dür­fen. Die­ses ge­sell­schaft­li­che Um­feld fin­det sich in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf wie­der, hier wird weg­ge­schaut, wenn mal wie­der Asyl­be­wer­ber_in­nen durch die Stra­ßen ge­jagt wer­den oder sich Tä­ter_in­nen mit Spreng­sät­zen der Un­ter­kunft zu schaf­fen ma­chen. Hin­zu­kommt, dass der NSU-​Be­zug nicht weit her­ge­holt ist. Ge­ra­de um­trie­bi­ge Nazis wie Pa­trick Krü­ger oder Da­nie­la Fröh­lich sind aus der glei­chen Ge­ne­ra­ti­on und der glei­chen Na­zi­sze­ne und haben z.T. enge Kon­tak­te zum NSU-​Um­feld ge­pflegt und pfle­gen sie wahr­schein­lich heute noch, ob nun als staat­li­che Spit­zel (was eine Er­klä­rung für die aus­blei­ben­de Re­pres­si­on wäre) oder als über­zeug­te Na­tio­nal­so­zia­lis­t_in­nen.[180]

 

Hier muss ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den. In den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten haben die Nazis und Ras­sis­t_in­nen ge­merkt, dass ihre Ak­ti­vi­tä­ten auf sie zu­rück­schla­gen, meh­re­re Re­cher­che­pu­bli­ka­tio­nen von An­ti­fa­schis­t_in­nen haben ihnen Namen, Ge­sich­ter und Adres­sen ge­ge­ben[181]; das führ­te zu ge­sell­schaft­li­chem Druck, Ar­beit­ge­ber war­fen sie raus und ihre Nach­bar_in­nen­schaft zeig­te ihnen auch ab und an, dass sie nicht er­wünscht sind. Auf diese Ar­beit ist auf­zu­bau­en, an­ti­fa­schis­ti­sche Po­li­tik ist auch zu­künf­tig of­fen­siv auf die Stra­ße zu tra­gen und muss ein ge­stal­ten­der Teil be­zirk­li­cher Po­li­tik wer­den.

 

Aber or­ga­ni­sier­te und mi­li­tan­te Nazis sind nicht die ein­zi­ge Ge­fahr. Viele Über­grif­fe fin­den spon­tan aus Grup­pen her­aus statt, in denen der ras­sis­ti­sche Nar­ra­tiv in puren Hass über­geht. Ge­ra­de in An­be­tracht des Be­ginns der Welt­meis­ter­schaft wird Na­tio­na­lis­mus wie­der hoch im Kurs ste­hen und alles, was als „nicht-​deutsch“ emp­fun­den wird, als Feind be­trach­te­te wer­den. Vom Par­typa­trio­tis­mus ist es in der Regel nur ein kur­zer Weg zum na­tio­na­lis­ti­schen Über­griffs­mo­tiv.[182] Aus „Deutsch­land, ‘schland“ wird in den nächs­ten Wo­chen in Hel­lers­dorf er­war­tungs­ge­mäß schnell ein „Deutsch­land den Deut­schen“ wer­den. An­ti­fa­schis­t_in­nen müs­sen das zwin­gend auf dem Schirm haben.


Die an­ti­fa­schis­ti­sche Ge­denk­po­li­tik an Be­trof­fe­ne und Er­mor­de­te muss ab­seits von ri­tu­el­ler Selbst­ver­ge­wis­se­rung er­neu­ert wer­den und dabei die Be­trof­fe­nen und ihre Fa­mi­li­en und Com­mu­nities mit ein­be­zie­hen. Gleich­zei­tig müs­sen sich alle Ak­teur_in­nen Ge­dan­ken ma­chen, wie an­ti­fa­schis­ti­sche Ju­gend­po­li­tik im Be­zirk aus­se­hen kann und wie man „An­ti­fa“ und „An­ti­Ra“ wie­der als Iden­ti­täts­merk­mal und grund­le­gen­des Selbst­ver­ständ­nis für kri­ti­sche Ju­gend­li­che an­bie­ten kann. Hier be­steht gro­ßer Nach­hol­be­darf und die Not­wen­dig­keit eine Über­tra­gung an­ti­fa­schis­ti­scher Ju­gend­po­li­tik in das 21. Jahr­hun­dert zu leis­ten.

Ge­flüch­te­te zu schüt­zen be­deu­tet aber auch, nicht nur ei­ge­ne Struk­tu­ren auf­zu­bau­en, son­dern auch dafür zu sor­gen, dass Ge­flüch­te­te ihre ei­ge­nen Struk­tu­ren und noch viel wich­ti­ger: ihr ei­ge­nes Leben auf­bau­en kön­nen. Das heißt ganz kon­kret, sich mit der For­de­rung nach Ab­schaf­fung des La­gers­sys­tems zu so­li­da­ri­sie­ren und ihnen freie Wohn­ort­wahl zu geben; das heißt, die Re­si­denz­pflicht of­fen­siv zu kri­si­tie­ren; und das heißt zu­vor­derst, das Ab­schie­be­sys­tem zu be­kämp­fen und ab­zu­schaf­fen!

 

Es braucht eine Kon­zep­ti­on, wie man in Zei­ten des Rechts­rucks diese For­de­run­gen gegen den ge­sell­schaft­li­chen Trend po­si­tio­nie­ren kann. Nicht un­er­heb­lich ge­hört dazu der an­ti­fa­schis­ti­sche Um­gang mit den Rechts­po­pu­lis­t_in­nen der AfD, in Hel­lers­dorf wie auch bun­des­weit. Es darf dabei nicht den­je­ni­gen an­ti­eman­zi­pa­to­ri­schen Dog­ma-​Lin­ken das Feld über­las­sen wer­den, die mit Ras­sis­t_in­nen und dem zu Ar­bei­ter_in­nen um­ge­deu­te­ten[183] Volks­mob[184] pak­tie­ren wol­len. Die Ge­gen­stra­te­gi­en müs­sen in in­ten­si­ver Ver­net­zung der ins Hin­ter­tref­fen ge­ra­te­nen Lin­ken im­ple­men­tiert wer­den und es muss ab­seits von Kam­pa­gnen-​ und Feu­er­wehr­po­li­tik einen ernst­zu­neh­men­den links-​plu­ra­lis­ti­schen Ge­gen­ent­wurf zur bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft und zum kri­sen­haf­ten Ka­pi­ta­lis­mus geben. Denn: Deutsch­land ist keine Al­ter­na­ti­ve!

 

Quel­len­nach­wei­se


[1] An­ti­Ra Por­tal v. 9.​6.​2014:​ „Na­zi­de­mons­tra­ti­on vor Asyl­un­ter­kunft in Hel­lers­dorf (2014)“
[2] Neues Deutsch­land: „Na­zi­auf­zug mit par­la­men­ta­ri­schem Nach­spiel“ v. 11.​6.​2014
[3] Ab­ge­ord­ne­ten­hau­ses Ber­lin v. 11.​6.​2014:​ In­halt­s­pro­to­koll VerfSch 17/28
[4] Ab­ge­ord­ne­ten­haus von Ber­linv. 22.​1.​2014:​ In­halt­s­pro­to­koll VerfSch 17/24
[5] Lager wird in die­sem Text als Be­zug­nah­me auf die Selbst­be­zeich­nung der deut­schen Asyl­un­ter­künf­te durch Ge­flüch­te­te ver­wen­det. Es sei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das Wort „Lager“ in Deutsch­land auch in Hin­blick auf die Ver­nich­tungs­la­ger des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ge­le­sen wer­den kann und sich des­we­gen hier von einer Gleich­set­zung von KZs und Asyl­un­ter­künf­ten dis­tan­ziert wird. Die Sin­gu­la­ri­tät des KZ-​Sys­tems bleibt un­an­ge­tas­tet und die Be­zeich­nung von Un­ter­künf­ten soll in kei­ner Weise als Re­fe­renz dar­auf ver­stan­den sein. Ähn­lich ver­hal­te es ich mit dem Wort „De­por­ta­ti­on“, dass in Deutsch­land eine ei­ge­nen Be­zug­nah­me hat, aber durch Ge­flüch­te­te und Sup­por­ter_in­nen in an­de­rer Kon­textua­li­sie­rung ge­braucht wird. Eine reine Ver­wen­dung des be­hörd­li­chen „Un­ter­kunft“-​Be­grif­fes wäre zudem eine Re­la­ti­vie­rung der Macht­struk­tu­ren, die für die Ge­flüch­te­ten mit den La­gern ver­bun­den sind. Die­ses be­griff­li­che Span­nungs­feld auf­zu­lö­sen sei als Auf­ga­be für kom­men­de Texte ver­merkt.
[6] vgl. So­li­netz­werk Ber­lin / re­fu­gees wel­co­me v. 16.​12.​2013:​ „Ge­flüch­te­te will­kom­men – Pro­test­camp bleibt: Of­fe­ner Brief des So­li­da­ri­täts­netz­werk Ber­lin“
[7] Neues Deutsch­land vom 11.​6.​2014:​ „80 Pro­zent der Ora­ni­en­platz-​Flücht­lin­ge droht Ab­schie­bung“
[8] Re­fu­gee Strike vom 3.​3.​2014:​ „Camp der Ge­flüch­te­ten wei­ter­hin im Vi­sier von Neo­na­zis“ 
[9] vgl. auch die Kon­flik­te um die Fi­nan­zen, ari v. 24.​2.​2014:​ „Ver­un­treu­ungs­vor­wür­fe gegen die An­ti­ras­sis­ti­sche In­itia­ti­ve Ber­lin e.V.“
[10] Flücht­lings­rat Ber­lin v. 19.​3.​2014:​ „Schein-​Ei­ni­gung für den Ora­ni­en­platz soll Räu­mung er­mög­li­chen“
[11] vice v. 8.​4.​2014:​ „Häm­mer, Brech­ei­sen und Mes­ser – Die Räu­mung des Ber­li­ner Re­fu­gee-​Camps“
[12] Ta­ges­spie­gel v. 25.​11.​2013:​ „31 Po­li­zis­ten bei Kra­wal­len am Ora­ni­en­platz ver­letzt“
[13] ARAB v. 8.​4.​2014:​ „Meh­re­re Tau­send Men­schen pro­tes­tie­ren gegen Räu­mung des O-​Plat­zes“
[14] bsph. ar­bei­ter­macht v. April 2014: „Teile und Herr­sche?“
[15] Lan­des­wahl­lei­te­rin für Ber­lin: „Eu­ro­pa­wahl in Ber­lin am 25. Mai 2014 – Er­geb­nis­se im Über­blick“
[16] taz v. 9.​6.​2014:​ „Stöß ge­winnt“
[17] RBB v. 20.​5.​2014:​ „Po­li­zei bringt Flücht­lin­ge zu­rück nach Sach­sen An­halt“
[18] jun­gle­world v. 22.​5.​2014:​ “’Wir müs­sen mit einer Stim­me spre­chen’”
[19] Open­Pe­ti­ti­on v. 16.​10.​2013:​ „Macht die Turn­hal­le für die Flücht­lin­ge an der St Pau­li­kir­che auf“
[20] HH Mit­ten­drin v. 16.​6.​2014:​ „Pro­mi­nen­te Un­ter­stüt­zung für Lam­pe­du­sa-​Flücht­lin­ge“
[21] vgl. an­ti­fas aus ber­lin v. 24.​4.​2014:​ „Nazis in Kreuz­berg? No way!“
[22] In die­sem Kon­text ist auch der kon­zep­tio­nel­le Um­gang mit dem par­al­lel zur Sil­vio-​Mei­er-​De­mo Na­zi­auf­marsch zu wer­ten. Nur we­ni­ge An­ti­fa­schis­t_in­nen be­ga­ben sich am 23. No­vem­ber 2013 nach Schö­ne­wei­de, um dort aktiv gegen die Nazis vor­zu­ge­hen, die Mehr­zahl zog es vor, das an­ti­fa­schis­ti­sche Ge­den­ken an Sil­vio sym­bo­lisch-​ri­tual­haft statt pra­xis­nah zu hal­ten.
[23] ur­ban­re­sis­tan­ce v. 15.​5.​2014:​ „Stär­ken und schwä­chen au­to­no­mer Po­li­tik“
[24] Über die As­si­mi­lie­rung von so­zia­len Be­we­gun­gen als re­pro­duk­ti­ver Teil der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft vgl. Her­bert Mar­cu­se: „Re­pres­si­ve To­le­ranz“ in: Wolff, Moore, Mar­cu­se, „Kri­tik der rei­nen To­le­ranz“, Frank­furt 1965.
[25] http://​kriseundrassismus.​noblogs.​org/​
[26] An­ti­fa v. 30.​4.​2014:​ „Kö­pe­ni­cker Ras­sis­ten: Von geis­ti­gen zu ak­ti­ven Brand­stif­tern“
[27] vgl. In­dy­me­dia v. 5.​4.​2014:​ „Nazis und Ras­sis­ten in Ber­lin Ad­lers­hof“
[28] Blick Nach Rechts v. 9.​4.​2014:​ „NPD-​Het­ze mit ‚Bür­gern‘“
[29] Er­schre­cken­de Aus­nah­me von die­ser Regel war der Auf­marsch der Par­tei „Die Rech­te“ im Sep­tem­ber 2013, mit­ten durch Lich­ten­berg, vgl. taz v. 22.​9.​2014:​ „Rech­te Szene zer­split­tert“ 
[30] Spie­gel On­line v. 3.​12.​2013:​ „Zwei­ter Ver­bots­ver­such in Karls­ru­he: Jetzt muss die NPD zit­tern“
[31] Ta­ges­schau / NDR v. 1.​6.​2014:​ „NPD muss alle Ber­li­ner Mit­ar­bei­ter ent­las­sen“
[32] Stö­rungs­mel­der v. 19.​5.​2014:​ „Ge­richt er­klärt Schmidtke zu einem der Köpfe von NW-​Ber­lin“
[33] Stö­rungs­mel­der v. 21.​2.​2014:​ „Schlech­te Stim­mung in Ber­li­ner Na­zi-​Hoch­burg“
[34] Diese Um­stän­de ma­chen diese neuen „Ak­ti­vis­t_in­nen“ gleich­zei­tig in­ten­si­ver als üb­lich ein­ge­bun­den in so­zia­le Netz­wer­ke und Lohnar­beits­ver­hält­nis­se, die neo­na­zis­ti­sche Ein­stel­lun­gen u.U. ab­leh­nen und bei Be­kannt­wer­den dar­auf ne­ga­tiv re­agie­ren.
[35] Lan­des­wahl­lei­te­rin für Ber­lin: „Bun­des­tags­wahl in Ber­lin am 22. Sep­tem­ber 2013 – Er­geb­nis­se im Über­blick“
[36] jun­gle­world v. 23.​8.​2012:​ „Der ras­sis­ti­sche Kon­sens“
[37] Diese Be­zeich­nung hat sich in der De­bat­te für die In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung in Hel­lers­dorf am 9. Juli 2013 durch­ge­setzt, vgl. für mehr In­for­ma­tio­nen auch AMH v. 10.​7.​2013:​ „Hetze gegen Flücht­lin­ge in Hel­lers­dorf“
[38] vgl. z.B. jun­gle­world v. 14.​11.​2013:​ “Das nicht die Neun­zi­ger, Baby!”
[39] ana­ly­se&kri­tik v. 14.​8.​2013:​ „Nur Mob, noch keine Elite“
[40] taz v. 3.​1.​2014:​ „Böl­ler­an­schlä­ge in Hel­lers­dorf“
[41] Süd­deut­sche Zei­tung v. 8.​5.​2014:​ „Schär­fe­re Re­geln für Asyl­be­wer­ber“
[42] vgl. zur Stig­ma­ti­sie­rung der Ar­bei­ter_in­nen­schaft über das Bild des „Ronny“ auch AIB 102 v. 17.​4.​2014:​ „Dumme Hel­lers­dor­fer Na­zi-​Prolls“
[43] vgl. Ber­li­ner Zei­tung v. 12.​7.​2013:​ „‘Wenn das Heim steht, ziehe ich wie­der weg‘“
[44] vgl. Claa­sen in te­le­po­lis v. 20.​8.​2013:​ „Will­kom­mens­gruß für Flücht­lin­ge und Po­li­zei­schutz“
[45] Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma v. 16.​3.​2014:​ „Die Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“
[46] vgl. Ber­li­ner Zei­tung v. 24.​8.​2013:​ „Groß­ein­satz bei NPD-​De­mo“
[47] Neues Deutsch­land v. 22.​8.​2013:​ „Zu­hau­se in Hel­lers­dorf“
[48] vgl. auch Ab­schnitt zu Mar­zahn-​Hel­lers­dorf in der Fight Back #5 v. April 2013, S. 67.
[49] vdk Ber­lin v. 6.​9.​2013:​ „De­mo­kra­ten in der Mar­zahn-​Hel­lers­dor­fer BVV so­li­da­ri­sie­ren sich mit Flücht­lin­gen“
[50] Lan­des­wahl­lei­te­rin für Ber­lin: „Bun­des­tags­wahl in Ber­lin am 22. Sep­tem­ber 2013 – Er­geb­nis­se im nach Be­zir­ken“
[51] Wahl­lo­kal 313.
[52] Lan­des­wahl­lei­te­rin für Ber­lin: „Eu­ro­pa­wahl in Ber­lin am 25. Mai 2014 – Er­geb­nis­se nach Be­zir­ken“
[53] vgl. die Ein­schät­zung des vdk Ber­lin v. 26.​5.​2014:​ „Rechts­ex­tre­mer Het­zer er­setzt rechts­ex­tre­men Het­zer“
[54] Neues Deutsch­land v. 1.​10.​2013:​ „Rechts­ex­tre­me blei­ben gerne un­tä­tig“
[55] Ber­li­ner Zei­tung v. 4.​7.​2013:​ „An­ony­me Hetze gegen Asyl­be­wer­ber“
[56] vdk Ber­lin v. 3.​6.​2014:​ „NPD sam­melt In­for­ma­tio­nen für ihre Kam­pa­gne gegen Ge­flüch­te­te“
[57] Ta­ges­spie­gel v. 9.​9.​2013:​ „NPD löscht In­ter­net-​Auf­ruf für eine Bür­ger­wehr“
[58] taz v. 6.​2.​2014:​ „Der Het­ze­rei müde“, S.​22.
[59] Ab­ge­ord­ne­ten­haus von Ber­lin v. 30.​12.​2013:​ „Klei­ne An­fra­ge: Die Par­tei „Die Rech­te“ in Ber­lin – Druck­sa­che 17 /12765“
[60] vgl. auch AIB v. 15.​6.​2006:​ „Der Streit ums Erbe – Die Nach­fol­ge­struk­tu­ren von Blood &Ho­nour“
[61] Spie­gelTV v. 2003: „Brau­ne Seil­schaft – Schmut­zi­ge Ge­schäf­te von Com­bat 18“
[62] Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma v. 16.​3.​2014:​ „Die Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“
[63] PNN v. 17.​11.​2013:​ „Ap­plaus für Vul­gär­aus­fäl­le der Neo­na­zis“
[64] Stö­rungs­mel­der v. 11.​6.​2014:​ „Dort­munds rechts­ex­tre­me Schlä­ger“
[65] Ber­li­ner Zei­tung v. 25.​2.​1995:​ „Na­zi-​Sze­ne an zen­tra­lem Punkt ge­trof­fen“
[66] taz v. 22.​9.​2014:​ „Rech­te Szene zer­split­tert“
[67] BNR v. 14.​2.​2014:​ „Rech­te Pro­vo­ka­ti­on am Bran­den­bur­ger Tor“
[68] vgl. auch Ab­schnitt zu Mar­zahn-​Hel­lers­dorf in der Fight Back #5 v. April 2013, S. 67.
[69] Ta­ges­spie­gel v. 22.​9.​2013:​ „Mut­maß­lich Rech­te zie­hen ran­da­lie­rend durch den Kiez“
[70] Am 9. Au­gust 2013 wurde durch André Kie­bis eine spon­ta­ne De­mons­tra­ti­on eben­falls per Fax an­ge­mel­det. An­we­send auf die­ser De­mons­tra­ti­on die drei oben ge­nann­ten, wobei Da­nie­la Fröh­lich als Red­ne­rin auf­trat.
[71] vgl. Stö­rungs­mel­der v. 10.​8.​2013:​ „Hit­ler­grü­ße und rech­te Pa­ro­len in Hel­lers­dorf nach Auf­marsch gegen Asyl­un­ter­kunft“
[72] Ber­li­ner Zei­tung v. 20.​8.​1998:​ „DVU-​Orts­vor­sit­zen­der André Otto von der Po­li­zei fest­ge­nom­men“
[73] vgl. „Bür­ger­initia­ti­ve Bies­dorf 2.0“
[74] vgl. „André Otto – Für euch in den Bun­des­tag“ – [Ach­tung: Na­zi-​Link]
[75] Ab­ge­ord­ne­ten­haus von Ber­lin v. 25. März 2014: „Klei­ne An­fra­ge: Rechts­ex­tre­me An­grif­fe und An­schlä­ge auf Flücht­lin­ge und Flücht­lings­ein­rich­tun­gen – Druck­sa­che 17/13213“
[76] De­kon­struk­ti­on Ost v. 15.​8.​2013:​ „De­con­struct Now! Ab­riss­bir­ne für Hel­lers­dorf“
[77] Dabei hat der Ver­gleich zwi­schen Men­schen und Rat­ten be­son­de­re Tra­di­ti­on in der deut­schen His­to­rie. Neben Ver­glei­chen von Juden und PoCs in den Reden hoch­ran­gi­ger NS-​Funk­tio­nä­re mit der Tier­welt, the­ma­ti­siert der NS-​Pro­pa­gan­da-​Film „Der Ewige Jude“ ganz kon­kret die­ses Bild und setzt auch in der Bild­spra­che Juden mit Rat­ten gleich; vgl. Fried­mann: „Ju­den-​Rat­ten“ in: Frau­en und Film, Nr. 47 (1989), S. 24-35.
[78] taz v. 7.​2.​2014:​ „‘Pro­fil‘ ins Netz ge­stellt“
[79] Nar­ra­tiv meint die sprach­li­che Ver­mitt­lung einer ver­meint­li­chen (hier: po­li­ti­schen, so­zia­len) Er­kennt­nis.
[80] vgl. ex­em­pla­risch Jü­di­sche All­ge­mei­ne v. 18.​10.​2013:​ „Zi­vil­cou­ra­ge-​Preis für ‚Hel­lers­dorf Hilft‘“
[81] RBB v. 29.​8.​2013:​ „‘Den Spin­nern die Gren­zen auf­zei­gen‘“
[82] taz v. 15.​9.​2013:​ „‘Keine in der Wand ver­steck­te Wanze´“
[83] vgl. 1LIVE v. 4.​2.​2014:​ „Das Asyl­be­wer­ber­heim in Ber­lin-​Hel­lers­dorf“
[84] gren­zen_­weg
[85] AK Rech­te Ge­walt an der ASH
[86] AStA ASH
[87] Neues Deutsch­land v. 26.​10.​2013:​ „Pro­test gegen rech­ten Auf­marsch in Ber­lin-​Hel­lers­dorf“
[88] vgl. In­fo­ra­dio v. 28.​4.​2010:​ „Mai Ran­da­le: Ber­li­ner CDU für ‚aus­ge­streck­te Faust‘“
[89] Ber­li­ner Zei­tung v. 26.​10.​2013:​ „NPD-​De­mo unter Po­li­zei­schutz“
[90] Soul­ci­ty­sur­fer v. 26.​10.​2013 ab Ti­mestamp 4:00: „Pro­test gegen die Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“
[91] Neues Deutsch­land v. 9.​11.​2013:​ „Un­term bür­ger­li­chen Tarn­man­tel“
[92] vgl. Häus­ler v. 30.​7.​2011:​ „Rechts­po­pu­lis­mus als Bür­ger­be­we­gung?“
[93] vgl. stern v. 17.​9.​2013:​ „NPD schockt mit ‚Rück­flug­ti­ckets‘“
[94] taz v. 8.​12.​2013:​ „Trüm­mer in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“
[95] vgl. Stö­rungs­mel­der v. 19.​6.​2012:​ „Das Ende der Na­zi-​Mas­ken-​Show“
[96] taz v. 1.​1.​2014:​ „Flücht­lings­heim mit Böl­lern at­ta­ckiert“
[97] taz v. 3.​1.​2014:​ „Böl­ler­an­schlä­ge in Hel­lers­dorf“
[98] Ta­ges­spie­gel v. 28.​1.​2014:​ „Böl­ler auf As­ly­un­ter­kunft ge­wor­fen“
[99] Frak­tio­nen CDU / SPD v. 21.​3.​2014:​ „Be­spre­chung gem. § 21 Abs. 3 GO AGH“
[100] AStA ASH v. 17.​4.​2014:​ „An­griff auf selbst­ver­wal­te­tes Stu­die­ren­den­café“
[101] Ber­li­ner Zei­tung v. 18.​3.​2014:​ „Aus­län­der­hasser zün­den Auto in Hel­lers­dorf an“
[102] evan­ge­lisch ak­tu­ell v. 7.​10.​2013:​ „So­li­da­ri­tät statt Aus­län­der­hass: Hel­lers­dorf hilft“
[103] Chro­nik WuT v. 19.​3.​2014:​ „An­griff auf ver­meint­li­chen Lin­ken in der Ma­xie-​Wan­der-​Stra­ße“
[104] vgl. Chro­nik Mar­zahn-​Hel­lers­dorf WuT
[105] vgl. zur Ver­wen­dung „Schrei­ber­lin­ge“ im Ge­gen­satz zur „kämp­fen­den Grup­pe“ auch ein Pos­ting von 1996 im Thule Netz in Aust / Laabs: „Hei­mat­schutz“, S. 173 f.
[106] all­face­book v. 6.​12.​2013:​ “Was die ak­tu­el­len Än­de­run­gen am News­feed für Un­ter­neh­men be­deu­ten: We­ni­ger Reich­wei­te.”
[107] vgl. NSHIP­HOP v. 26.​12.​2013:​ „Vil­lai­n051“
[108] Laut NSHIP­HOP der Bru­der von Pa­trick Kil­lat.
[109] zu dt. mit meh­re­ren Be­deu­tun­gen: Hitze, Glut, aber auch Flut, Wogen, Lei­den­schaft, Un­ru­he und Be­sorg­nis.
[110] Stö­rungs­mel­der v. 24.​1.​2013:​ “Na­zi­rap vor Flücht­lings­un­ter­kunft”
[111] vgl. NSHIP­HOP v. 1.​10.​2012:​ „DeeEx / De3X“
[112] An­ti­fa Re­cher­che Bro­schü­re Ber­lin v. Mai 2012: „Motiv Rechts 3 – Das Neo­na­zi-​Netz­werk NW Ber­lin“, S. 22.
[113] taz v. 22.​4.​2014:​ „Re­vi­sio­nis­ti­sche Frie­dens­en­gel“
[114] Wir be­nut­zen „*“ als Be­zeich­nung für ein von außen ge­le­se­nes Ge­schlecht, das nicht zwangs­läu­fig das Ge­schlechts­emp­fin­den der be­zeich­ne­ten Men­schen ab­bil­det. Wäh­rend es in an­de­ren Zu­sam­men­hän­gen der Ex­tre­men Rech­ten, auch der neo­na­zis­ti­schen Ideo­lo­gie in­hä­rent, kaum zu einer Dif­fe­renz zwi­schen ge­le­se­nem und emp­fun­de­nem Ge­schlecht kommt, weist die Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf und ihr Um­feld ein kom­ple­xe­res, z.T. quee­res Ge­schlech­ter­ver­ständ­nis auf, wes­we­gen wir an die­sem Punkt die *-​Er­wei­te­rung fort­füh­ren.
[115] Fight Back #1 v. De­zember 2001, S. 14.
[116] So tauch­te sie mit ihrer Mut­ter Ga­brie­le F. 2004 auf dem Art­ge­mein­schafts­tref­fen des Na­zi­ka­ders Jür­gen Rie­ger auf, an­we­send dort auch der als NSU-​Un­ter­stüt­zer an­ge­klag­te André Emin­ger, vgl. AIB v. 7.​10.​2013:​ „Eine deut­sche Wut­bür­ger­initia­ti­ve und ihr Tanz mit den Neo­na­zis“
[117] vgl. zu die­ser Ent­wick­lung auch die Bei­trä­ge in: Kel­ler­shohn / Diet­zsch / Wam­per, „Rech­te Dis­kurspi­ra­te­ri­en“, un­rast 2010.
[118] BILD v. 25.​7.​2013:​ „Wo hat die Zschä­pe ihre Kla­mot­ten her?“
[119] FAZ v. 14.​5.​2013:​ „‘Beate Zschä­pe war Mit­glied eines Tö­tungs­kom­man­dos‘“
[120] YouTu­be: Ba­la­cla­va Küche #2 v. 9.​4.​2014. [Ach­tung: neo­na­zis­ti­sche Quel­le]
[121] RP On­line v. 5.​5.​2014:​ „Nur die ‚Freun­din von‘? – Wie Neo­na­zi-​Frau­en ihr Image nut­zen“
[122] vgl. Lang: „Frau­en im Rechts­ex­tre­mis­mus“ S. 127 ff., in: Claus, Leh­nert, Mül­ler: „‘Was ein rech­ter Mann ist …‘“, dietz Ver­lag, 2010.
[123] Süd­deut­sche Zei­tung v. 26.​3.​2014:​ „Ber­li­ner Mauer“, S. 3.
[124] Lan­des­ko­or­di­nie­rungs­stel­le Ju­gend­stif­tung Ba­den-​Würt­tem­berg: „Gen­der und Rechts­ex­tre­mis­mus“, S. 14.
[125] vgl. Grup­pe An­tis­e­xis­ti­sche Pra­xis, „Was tun wenn’s brännt? – Zum Um­gang mit se­xu­el­ler Ge­walt“ in: „AS.​ISMV2 – Re­a­der des An­tis­e­xis­mus-​Bünd­nis­ses Ber­lin“, S. 26 ff.
[126] An­woh­ner*innen v. 1.​8.​2013:​ „Hel­lers­dorf – Ras­sis­ten und Nazis ge­ou­tet“
[127] „Es dau­ert, bis er er­zählt, dass er sei­nen Job als In­for­ma­ti­ker im Ar­beits­amt ver­lo­ren hat.“ In Ta­ges­spie­gel v. 1.​3.​2014:​ „Die Heim­su­chung“, S. 20.
[128] An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. 3.​9.​2013:​ „Micha­el Engel – der Quo­ten­na­zi im BMH-​Vor­stand“
[129] Die Be­fürch­tung ent­stand, dass ein Tarn­ver­ein ähn­lich dem „So­zi­al En­ga­giert e.V.“ ge­grün­det wurde. Die­ser Ver­ein hatte der Lich­ten­ber­ger Na­zi­sze­ne jah­re­lang einen Treff­punkt ge­bo­ten, von dem immer wie­der Straf­ta­ten aus­gin­gen. Erst nach hohem öf­fent­li­chen Druck, auch durch lo­ka­le An­ti­fa­schis­t_in­nen, muss­ten die Nazis von NW Ber­lin die Räum­lich­kei­ten im Mai 2014 schluss­end­lich auf­ge­ben, vgl. Neues Deutsch­land v. 31.​5.​2014:​ „Ab­schied macht Freu­de“
[130] vgl. eine Viel­zahl der Bür­ger­an­fra­gen in der BVV Mar­zahn-​Hel­lers­dorf, in der der Fra­ge­stel­ler je­weils ver­merkt ist.
[131] Ta­ges­spie­gel v. 1.​3.​2014:​ „Die Heim­su­chung“, S. 20.
[132] Netz­werk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf
[133] LG Ber­lin v. 5.​12.​2013 – Az. 27 O 668/13.
[134] vgl. Klose v. 2002: „Na­tur­schutz und Na­tio­nal­so­zia­lis­mus“
[135] Le­sens­wert in die­sem Zu­sam­men­hang auch spek­tral­li­nie v. 3.​12.​2012:​ „Na­tur­schutz? Nein, Danke!“
[136] Süd­deut­sche Zei­tung v. 5.​4.​2011:​ „Der My­thos der Wer­wöl­fe“
[137] IGA Pro­jekt­blog v. 22.​11.​2013:​ „Paul Bie­ber – Stadt­im­ker in Hel­lers­dorf“
[138] Hinzu kommt die „Con­sti­tu­tio­na­liza­t­i­on“ des Zi­vil­rechts, vgl. ins­be­son­de­re Lem­ley, „The Con­sti­tu­tio­na­liza­t­i­on of Tech­no­lo­gy Law“ in: Ber­ke­ley Tech­no­lo­gy Law Jour­nal – Vol 15:529 (2000), p. 5.
[139] Deut­scher Bun­des­tag v. 30.​5.​2014:​ „Klei­ne An­fra­ge: Pro­tes­te gegen und Über­grif­fe auf Flücht­lings­un­ter­künf­te“
[140] Die Welt v. 21.​8.​2013:​ „Bann­mei­le soll Asyl­be­wer­ber in Ber­lin schüt­zen“
[141] Ab­ge­ord­ne­ten­haus von Ber­lin v. 2013: „Haus­halts­plan von Ber­lin für die Haus­halts­jah­re 2014/2015 – Band 6 Ein­zel­plan 09 – Ar­beit, In­te­gra­ti­on und Frau­en“
[142] Re­so­lu­ti­on der BVV v. 30.​8.​2013:​ „Mar­zahn-​Hel­lers­dorf hilft Men­schen in Not“
[143] SPD Mar­zahn-​Hel­lers­dorf v. 23.​8.​2014:​ „Flücht­lings­un­ter­kunft Hel­lers­dorf Dia­log und So­li­da­ri­tät durch Be­geg­nungs­stät­te an­stel­le von zwei­tem Un­ter­kunfts­ge­bäu­de“
[144] Ber­li­ner Zei­tung v. 7.​11.​2013:​ „Ste­fan Komoß ist wie­der im Amt“
[145] Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma via An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. 15.​9.​2013:​ „Dos­sier: Bür­ger­initia­ti­ve für ein le­bens­wer­tes Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“
[146] In­ter­view mit Dag­mar Pohle, in: MBT Ost­kreuz, „Com­mu­ni­ty Com­mu­ni­ca­ti­on“, April 2014, S. 49 ff.
[147] Be­zirks­amt Mar­zahn-​Hel­lers­dorf v. 7.​8.​2013:​ „Auf­takt und Vor­stel­lung der neuen Ima­ge­kam­pa­gne“
[148] Lich­ten­berg­M­ar­zahn­Plus v. 10.​5.​2014:​ „Mehr als ein Ge­heim­tipp“
[149] Ta­ges­spie­gel v. 13.​11.​2013:​ „De­bat­te um Akt-​Bil­der geht wei­ter“
[150] vgl. Stif­tung SPI – Teil­pro­jekt POLIS*
[151] vgl. De­kon­struk­ti­on Ost v. 15.​8.​2013:​ „Wohl­ra­be oder doch eher Übel­krä­he? Die Un­ter­kunfts­lei­tung und die Ras­sis­t_in­nen!“
[152] POLIS* v. 3.​12.​2013:​ „Wohn­heim für Asyl­su­chen­de in der Ca­ro­la-​Ne­her-​Stra­ße – Häu­fig ge­stell­te Fra­gen“, 4. Fas­sung
[153] VO­SI­FA v. 2013: „Asyl­su­chen­de? Aber doch nicht bei uns! – Fak­ten gegen Vor­ur­tei­le“
[154] Hinzu kommt, dass man auch in der Nach­be­trach­tung nicht auf an­ti­fa­schis­ti­sche Re­cher­chen ver­wei­sen möch­te, son­dern auf eine In­for­ma­ti­on des Ver­fas­sungs­schut­zes ver­weist. Diese In­for­ma­ti­on be­inhal­tet aber keine qua­li­ta­ti­ve Ana­ly­se, son­dern be­stä­tigt nur die „Be­ein­flus­sung der Bür­ger­initia­ti­ve von Rechts­ex­tre­men“. Ein Ver­fas­sungs­schutz­be­richt, der even­tu­el­le In­for­ma­tio­nen über die Ent­wick­lung in Hel­lers­dorf be­inhal­tet, wird erst am 01. Juli 2014 durch den Senat be­schlos­sen und dann der Öf­fent­lich­keit zur Ver­fü­gung ge­stellt. (Be­zug­nah­me auf: Chung / Bryant, „Vom ‚Nein zum Heim!‘ zu ‚Hel­lers­dorf hilft!‘“, S. 42 in: MBT Ost­kreuz, „Com­mu­ni­ty Com­mu­ni­ca­ti­on“, April 2014, S. 36 ff.)
[155] vgl. die Be­ur­tei­lung der an­ti­ras­sis­ti­schen Mahn­wa­che auf S. 40, Chung / Bryant, „Vom ‚Nein zum Heim!‘ zu ‚Hel­lers­dorf hilft!‘“ in: MBT Ost­kreuz, „Com­mu­ni­ty Com­mu­ni­ca­ti­on“, April 2014, S. 36 ff.
[156] POLIS v. 9.​4.​2014:​ „Be­zirk­li­ches Ak­ti­ons­pro­gramm zur De­mo­kra­tie­ent­wick­lung am Ort der Viel­falt Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“
[157] vgl. Ham­mer­ba­cher, „Hand­lungs­stra­te­gi­en gegen Rechts­ex­tre­mis­mus und Frem­den­feind­lich­keit bei Ju­gend­li­chen in Ber­lin und Bran­den­burg“, Ma­gis­ter­ar­beit HU Ber­lin 2001, S. 50 ff.
[158] Ber­li­ner Woche v. 4.​6.​2014:​ „Tur­nier mit Flücht­lin­gen“
[159] Chung, „Von Hel­lers­dorf nach Hei­ners­dorf“, in: : MBT Ost­kreuz, „Com­mu­ni­ty Com­mu­ni­ca­ti­on“, April 2014, S. 26 ff.
[160] vgl. MBT Ost­kreuz / Polis: „Hand­lungs­fel­der“ und „An­ge­bo­te“
[161] Lan­des­amt für Ge­sund­heit und So­zia­les.
[162] Bünd­nis gegen Lager Ber­lin/Bran­den­burg v. 17.​11.​2013:​ „Hin­ter­grün­de zu den pri­va­ten Be­trei­bern Gier­so und Pe­Wo­Be“
[163] Flücht­lings­rat Ber­lin v. 5.​11.​13:​ „Heim­be­trei­ber Pe­Wo­Be ver­bie­tet Deutsch­kurs in Not­un­ter­kunft für Asyl­su­chen­de“
[164] MBR-​Ber­lin v. 2014: „Ber­li­ner Zu­stän­de“, S. 12.
[165] Ein zwei­schnei­di­ges Schwert, wird ei­ner­seits zwar der Kon­takt zu wei­test­ge­hend so­li­da­ri­schen Stu­die­ren­den er­mög­licht und in­sti­tu­tio­na­li­siert, an­de­rer­seits je­doch eine öf­fent­li­che Funk­ti­on in eine pri­va­te und im kleins­ten Rah­men auch in­ti­me Wohn­um­ge­bung hin­ein­ge­legt.
[166] De­kon­struk­ti­on Ost v. 15.​8.​2013:​ „Wohl­ra­be oder doch eher Übel­krä­he? Die Un­ter­kunfts­lei­tung und die Ras­sis­t_in­nen!“
[167] vgl. zum Be­griff auch die Richt­li­nie 2008/115/ EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­men­tes v. 24.​12.​2008. Pas­sen­der­wei­se wird diese Be­zeich­nung durch Nazis auf­ge­nom­men, so trägt Uwe Dreisch in Hel­lers­dorf des Öf­te­ren ein Shirt, dass ihn als „Rück­füh­rungs­be­auf­trag­ten“ aus­weist.

[169] BILD v. 23.​8.​2013:​ „An Auge ver­letz­ter Po­li­zist: Links­ex­tre­mist ge­schnappt“
[170] heute: An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Ber­lin-​Bran­den­burg.
[171] Chro­nik WuT v. 22.​8.​2013:​ „Ro­cker be­dro­hen Mahn­wa­che und grei­fen Flücht­lings­un­ter­kunft an“
[172] Hier zeig­te sich auch ein gro­ßes Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal zwi­schen an­ti­ras­sis­ti­scher und an­ti­fa­schis­ti­scher Ar­beit. Wäh­rend an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­beit im ur­ba­nen Raum meist weit­ge­hend abs­trakt statt­fin­det und es nur sel­ten zu Be­rüh­rungs­punk­ten mit Nazis kommt, ge­schwei­ge denn Ge­sprä­chen, fin­det an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­beit wei­test­ge­hend ei­ner­seits im Kampf gegen die struk­tu­rel­len Ras­sis­men der Mehr­heits­ge­sell­schaft statt, die in der di­rek­ten Kon­fron­ta­ti­on ge­leis­tet wer­den muss, wenn man nicht als rein aka­de­misch agie­rend au­ßer­halb eines ge­sell­schaft­li­chen Wir­kungs­gra­des blei­ben möch­te. Dazu kommt die kon­kre­te Ar­beit mit den Ge­flüch­te­ten, die Ak­ti­vis­t_in­nen mit­füh­len las­sen, wenn sie von Über­grif­fen oder Be­hör­den­re­pres­sio­nen be­trof­fen sind. Nicht zu­letzt, wenn man über Mo­na­te ver­sucht hat, ein­zel­ne Ge­flüch­te­te zu un­ter­stüt­zen und diese dann ab­ge­scho­ben wer­den, ist man auch als Ak­ti­vis­t_in mit star­ker emo­tio­na­ler Be­las­tung kon­fron­tiert.
[173] An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. Au­gust 2013: „So­li­da­ri­tät“
[174] Hel­lers­dorf Hilft
[175] taz v. 10.​6.​2014:​ „Hel­lers­dorf wie­der Het­zers­dorf“
[176] An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. 25.​9.​2013:​ “Ge­mein­sam für eine so­li­da­ri­sche Ge­sell­schaft – Gegen Ras­sis­mus”
[177] An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. 3.​10.​2013:​ “Pres­se­mit­tei­lung zur De­mons­tra­ti­on”
[178] ARAB v. 20.​1.​2014:​ „Free Adel!“
[179] „Die Pa­ro­le ‚Nein zum Heim‘, die in Hel­lers­dorf von den Rech­ten ge­ru­fen wor­den, war lange eine an­ti­ras­sis­ti­sche Pa­ro­le. Das soll­te auch nach Hel­lers­dorf nicht ver­ges­sen wer­den.“ In: te­le­po­lis v. 14.​7.​2013:​ „Hetz­tour gegen Flücht­lin­ge in Ber­lin“
[180] Die Regel ist sogar die Kom­bi­na­ti­on, vgl. z.B. die Causa Tino Brandt.
[181] vgl. Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma v. 16.​3.​2014:​ „Die Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“
[182] Süd­deut­sche Zei­tung v. 15.​6.​2012:​ „Fuß­ball­tau­mel und Frem­den­feind­lich­keit“
[183] „Tat­säch­lich gibt es kei­ner­lei An­zei­chen für ver­brei­te­ten Ras­sis­mus in Hel­lers­dorf. Als die Par­tei für So­zia­le Gleich­heit dort Un­ter­schrif­ten für ihre Zu­las­sung zur Bun­des­tags­wahl sam­mel­te, er­hielt sie mehr Un­ter­stüt­zung als ir­gend­wo sonst.“, WSWS v. 22.​8.​2013:​ „Wie Die Linke der NPD eine Platt­form gibt“
[184] „Dies teil­te die Lo­kal­po­li­tik in ge­wohnt ar­ro­gan­ter Art und Weise den An­woh­nern erst kurz vor knapp mit und stell­te die Men­schen, die di­rekt von den Aus­wir­kun­gen der Ent­wick­lung im Vier­tel be­trof­fen sind, somit vor voll­ende­te Tat­sa­chen. […] Diese Kon­flik­te wer­den von der BRD, dem deut­schen Im­pe­ria­lis­mus und sei­nen Exe­ku­tiv­or­ga­nen, Hand­lan­gern, Fa­schis­ten und Mario­net­ten ge­schürt – um uns zu spal­ten und die be­rech­tig­te Wut und den Hass in eine Rich­tung zu len­ken, die Ihnen nichts an­ha­ben kann!“ SoL v. 10.​8.​2013:​ „Flug­blatt­ak­ti­on zur Flücht­lings­un­ter­kunft in Hel­lers­dorf“

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Die schöne Version mit richtig angeordneten Bildern:

http://dost.blogsport.de/2014/08/09/vorabveroeffentlichung-hellersdorf-r...

Können die Mods vielleicht ja auch einen Verweis in den Hauptartikel packen?

Wir haben den Artikel überarbeitet. Ein Bild scheint nicht im Haupttext vorzukommen, oder?

Gibts das auch als Broschüre oder so? Ist mir ehrlich gesagt zu lange, um es am Bildschirm zu lesen (Hab mal in Office kopiert -> 38 Seiten -> Respekt!)

 

Würde es jedenfalls aus dem Infoladen meines Vertrauens gerne kaufen (!) und irgendwann dann lesen. Aber am Bildschirm ist es zu lange, ich werde es also vielleicht ein/zwei Wochen als Tab offen haben, dann genervt sein, zu machen und es vergessen. Der Schritt damit zum Kopierladen meines Vertrauens zu gehen, ist wohl auch zu viel und so viel hätte ich gerne doppelseitig. Außerdem bin ich ein Fan von gebundenen Papier ;)

 

Ich weiß, dass es sehr blöde ist, weil ich tatsächlich sehr interessiert daran bin, aber ich weiß auch, dass es bei weitem nicht nur mir so geht, sondern vielleicht ja sogar den Verfasser_innen selbst.  (Will damit sagen: Spart Euch bitte die Sprüche à la "öööh ist doch kein problem das selbst zu machen" "voll die Konsumhaltung, ey" "DIY statt nur dabei"... ich bin eher bei: Selbsterreflexion ist immer noch der erste Schritt zur Revolution)

Zitat aus den ersten drei Sätzen:


"Die­ser Text wird in Bro­schü­ren­form in den kom­men­den Wo­chen er­schei­nen und dann auch als PDF-​Down­load zur Ver­fü­gung ste­hen."

Also erstmal, Leute: Vielen Dank, für diesen tollen, detaillierten und umfassenden Bericht! Das war wichtig.

Allerdings, finde ich eure Darstellung des IGA-Protests sehr verkürzt und abgehoben. Ich wohne nun schon mein ganzes Leben direkt am Wuhletal - und wenn da eine obskure Organisation zusammen mit der GrünBerlinGmbH meint, für mindestens 1 Jahr große Teile einzuzäunen bzw. mit Beton und Seilbahn dauerhaft zu zerstören, dann macht mich das unglaublich wütend.

Den Protest der Anwohner_innen in großen Teilen auf angebliche regressive Heimatvorstellungen zu reduzieren ist schon recht dreist und gefährlich, weil sie den Rassist_innen und Hellersdorfer Nazis das Feld überlässt.

Desweiteren ist Kritik der Moderne, welche  nun mal sehr dialektisch ist, und der Versuch der Bewahrung von städtischen Grünflächen/Natur mehr als angebracht. Dafür werde ich mit anderen radikalen Linken in Berlin auch in Zukunft kämpfen - ob mit oder ohne euch.

PDF-Download der Broschüre gibt es hier:

http://dost.blogsport.de/images/DOST_Hellersdorf_Revisited_2014.pdf

 

Im November ist sie auch als Druckerzeugnis in den Berliner AJZs, Kneipen, Info- und Buchläden zu finden.

Download: Hellersdorf Revisited – Eine Analyse der rassistischen Mobilisierung in Berlin-Hellersdorf [PDF]

Falls ihr als Gruppen, Location oder Einzelpersonen die Broschüre bestellen wollt, nehmt mit uns Kontakt auf und schreibt uns Anzahl und Versandadresse; benutzt dabei optimalerweise die angebotene Verschlüsselungsmöglichkeit.