DD: Die Neustadt wird zum Kontrollgebiet

Dresden: Protest gegen Racialprofiling

Schon seit mehreren Tagen führen Einsatzkräfte der Polizei Kontrollen im Gebiet der Äußeren Neustadt durch. Bei den bisher erfolgten Durchsuchungen geraten nicht nur Menschen nach rassistischen Kriterien, sondern mittlerweile gerade auch junge Menschen in den Fokus der Polizei. Im Rahmen ihrer Kontrollen konnten von den Beamtinnen und Beamten, wenn überhaupt, nur geringe Mengen von Betäubungsmitteln sichergestellt werden.

 

Größenordnungen bei denen zu erkennen ist, dass es sich bei den von der Polizei ertappten Personen lediglich um Konsumentinnen und Konsumenten gehandelt haben dürfte. Ob sich mit solchen Schnellschüssen jedoch langfristig etwas ändert, ist fraglich, denn letztlich sind die Ursachen für den Konsum von illegalisierten Drogen oft wesentlich komplexer und lassen sich, das haben mehr als einhundert Jahre Prohibition gezeigt, kaum mit polizeilicher Repression verdrängen. Denn die Ermittlung krimineller Strukturen und Netzwerke sind bei einem solchen öffentlichkeitswirksamen Vorgehen in der Regel nicht das Ziel. Es geht vielmehr darum, Konsumentinnen und Konsumenten zu kriminalisieren und der Öffentlichkeit das Bild zu vermitteln, etwas gegen eine gefühlte Zunahme von Kriminalität zu tun.

 

Das alles vor der Kulisse eines dicht besiedelten Party- und Kneipenviertels, in dem allein auf Grund seiner großen Anzahl von Besucherinnen und Besuchern in den Abendstunden, die Zahl bestimmter Delikte ungleich höher liegen dürfte, als in weniger stark frequentierten Vierteln.

 

Die Aktion kann wohl als Antwort auf die Hetze des Kreisvorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD), Jörg Urban, verstanden werden. Der im Mai in den Stadtrat gewählte Abgeordnete hatte im Juni bei der Vorstellung der Ziele seiner Partei behauptet, dass “in jedem zweiten Haushalt in der Neustadt ein Drogendealer” wohnt und eine verstärkte Polizeipräsenz gefordert. Urban, der als Geschäftsführer des Umweltschutzverbandes “Grüne Liga” und Gegner der inzwischen fertig gestellten Waldschlößchenbrücke bekannt geworden ist, verteidigte seine Aussage mit einer Häufung von Einbrüchen in “autobahnnahen Stadtteilen”.

 

Die Idee, die Bewohnerinnen und Bewohner der Neustadt, sowie deren Gäste unter Generalverdacht zu stellen, gefiel der für ihr “Feingefühl” bekannten Dresdner Polizei so sehr, dass es seitdem immer wieder zu willkürlichen “anlassunabhängigen Kontrollen” auf den Straßen und Plätzen des sogenannten Szene-Viertels kommt. So soll nach Berichten von Betroffenen zeitweise das gesamte Areal des Alaunplatzes abgeriegelt worden sein. Besucherinnen und Besucher durften den im Sommer gerade bei jungen Menschen sehr beliebten Park nur nach Taschenkontrollen wieder verlassen. Teilweise sollen auch Jugendliche vor den Augen von Sozialarbeitern mit geringen Mengen von Betäubungsmitteln in Gewahrsam genommen worden sein.

 

Dass diese Kontrollen möglich sind, ist dem Sächsischen Polizeigesetz (SächsPolG) zu verdanken. Die Hürden, um Menschen ohne konkreten Tatverdacht pauschal zu verdächtigen und sie zum Ziel polizeilicher Maßnahmen werden zu lassen, sind hierzulande vergleichsweise niedrig. Begründet werden sie im Einzelfall mit der Abwehr einer “Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung” oder mit der Beseitigung einer “Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung”. (§19 Absatz 1 bzw. §23 Absatz 1).

 

Neben Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen ohne konkreten Tatverdacht sieht das SächsPolG zudem die Überwachung bestimmter Orte mit Hilfe von Kameras vor, auch wenn dadurch, wie eine aktueller Fall aus Leipzig gezeigt hat, in die Rechte Dritter eingegriffen wird (§38 Absatz 2). Dazu gehört in der Neustadt beispielsweise die Kamera an der Außenfassade der Alaunstraße 33. Gerechtfertigt wird ein solch repressives Vorgehen zumeist mit einem “Kriminalitätsschwerpunkt” oder wie im bekanntesten Fall aus Hamburg, auch als “Gefahrengebiet”.

 

Das Problem dabei ist, dass die Polizei zumeist ohne richterlichen Beschluss frei aus “Lageerkenntnissen” und “Erfahrungen” heraus entscheiden kann, ob und wie lange ein Gebiet als kontrollwürdig eingeschätzt wird. In Sachsen bedarf es dabei lediglich der Zustimmung des CDU-geführten Staatsministerium des Inneren (SMI) zu dessen Aufgabengebieten die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zählt.

 

Was könnt ihr tun, wenn ihr, wie viele andere in den letzten Tagen auch, in eine der überfallartigen polizeilichen Kontrollen geratet. Generell seid ihr nur verpflichtet, euch auszuweisen, damit eure Identität zweifelsfrei geklärt werden kann. Falls ihr, was in Deutschland nicht verpflichtend ist, keinen Ausweis dabei habt, kann euch die Polizei zur Überprüfung eurer Angaben zur Person mit auf die Wache nehmen. Das gilt im Normalfall allerdings nur dann, wenn dies auch zur “Bedeutung der Sache” im “Verhältnis” steht.

 

Etwas schwieriger wird es bei der Frage, ob auch eine Durchsuchung zulässig ist oder nicht. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Polizei nach § 163b Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) euch nicht gegen euren Willen durchsuchen darf. Eine Durchsuchung ohne euer Einverständnis wäre juristisch nur dann zulässig, wenn die Polizei bereits vor einer Kontrolle konkrete Beweise gegen euch in der Hand hatte oder, und davon ist auf Grund der Häufung der Vorfälle mittlerweile auszugehen, das Viertel auf Grund mehrerer Straftaten in der jüngsten Vergangenheit zu einem Kontrollbereich erklärt wurde.

 

Artikel zur Situation in Leipzig: Aus gegebenem Anlass: Kontrollen und Durchsuchungen durch die Polizei

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Nach einem Gespräch mit einem Rechtsanwalt erzählte dieser, dass um Bahnhöfe und Flughäfen Sonderrechte gelten im Sinne der Anti-Terror-Gesetze. Angeblich gäbe es um die benannten Einrichtungen eine Zone von 1,5KM, in der verdachtsunabhängig kontrolliert werden kann.

Im Weiteren war zu beobachten, dass die Kamera an der Alaunstraße auch mal in die andere Richtung, also Richtung Albertplatz, gedreht werden kann. Das war vorallem zu beobachten, wenn an der Alaunstraße 1 mehrere Wagen standen, vor der Scheune und an weiteren Punkten. In diesem Bereich sind keine Schilder angebracht, die auf die Überwachung hinweisen - vielleicht könnten da ein paar Politiker mal paar Anfragen stellen!?

an die Polizei!

Vielleicht gelingt es ja einer winzigen Minderheit von politsch aktiven, die missstände aufzugreifen und daraus vielleicht eine problematisierung zu entspannen, die über ein ärgerniss hinnausgeht und die neustadt mal nach jahren wirklich alternativ macht. das ein großteil der ehemaligen alternativen bzw. deren alternativität gleich mit, schon längst irgendwo, nur nicht dort, ist, mag einer re-politisierung nicht im wege stehen.

ein traum wäre es ja, in dresden wenigstens leipziger verhältnisse zu schaffen. unter umständen kann dabei eine lächerliche drogenstrafe mal ein wenig nachhelfen.