Nachdem heute nachmittag Tina S. im dritten Anlauf aus ihrer Wohnung in der Buttmannstraße 18 zwangsgeräumt wurde, fanden sich am Abend über 250 Unterstützer_innen zu einer spontanen Demonstration zusammen.
Schon am frühen Morgen hatten sich mehr als 100 Menschen versammelt, um die für 8 Uhr angekündigte Zwangsräumung zu blockieren. Damit konnte erreicht werden, dass die Gerichtsvollzieherin den geplanten Termin nicht wahrnehmen konnte. Erst nach vielen Stunden, in denen gemeinsam mit solidarischen Nachbar_innen und Supporter_innen eine Räumung verhindert wurde, konnte die Polizei mit etwa 50 Kräften in das Haus eindringen, die Räumung vollziehen und Schlösser austauschen. Da sich schon morgens abzeichnete, dass die Räumung zu einem beliebigen Zeitpunkt stattfinden kann, wurde für den Abend nach der Räumung zu einer Demonstration aufgerufen.
Als um 18 Uhr schließlich feststand, dass besagter Tag X heute sein würde, konnten kurzfristig viele Menschen mobilisiert werden.
Um 20:00 konnte sich ein Demonstrationszug vor Tinas Haus ohne Polizeipräsenz in Bewegung setzen. Dieser lief kraftvoll bis zum U-Bahnhof Pankstraße, zu dem öffentlich mobilisiert worden war. Nach einigen handfesten Polizeiübergriffen konnte die Menge trotz entschlossener Teilnehmer_innen gestoppt und auf den Gehweg gedrängt werden. Aus der Dringlichkeit heraus wurde die Demonstration angemeldet und konnte somit, trotz einiger Verzögerungen durch die Polizei, fortgesetzt werden.
Mit Zwischenkundgebungen vor Tinas Haus und dem Polizeiabschnitt 36 bewegte sich der kraftvolle und entschlossene Demozug in Richtung Leopoldplatz. Während der gesamten Zeit wurden Anwohner_innen mit Megafon und Flyern über das Geschehen aufgeklärt. Immer wieder gab es entlang der Route Solidaritätsbekundungen und Zuspruch von Kiezbewohner_innen.
Nach der Endkundgebung am Leopoldplatz wurde die Veranstaltung um 21:30 aufgelöst.
Festzuhalten bleibt, dass trotz der erfolgten Zwangsräumung ein starkes Zeichen der Solidarität gesetzt wurde. Besonders das Engagement aus dem Kiez sowie die tatkräftige Unterstützung durch Nachbar_innen machte viel Mut und zeigte, dass die Vereinzelungsstrategie von Polizei, Psychiatrie und Politik nicht aufgeht.
Während des gesamten Tages haben mehr als 400 Menschen gezeigt, dass wir der kapitalistischen Umstrukturierung unserer Kieze etwas entgegen setzen können und werden.
Gemeinsam und entschlossen kämpfen wir weiter gegen rassistische und soziale Ausgrenzung.
Unterstützer_innen:
- Bündnis „Zwangsräumung verhindern!“ - zwangsraeumungverhindern.blogsport.de
- Bündnis „Hände weg vom Wedding“ - haendewegvomwedding.blogsport.eu
- Runder Tisch gegen Gentrifizierung (Moabit) - wem-gehoert-moabit.de
- Basta Erwerbsloseninitiative – basta.blogsport.eu
"kapitalistischen Umstrukturierung unserer Kieze"
Zum einen haben "die Kieze" noch nie "uns" gehört, zum anderen müssen die auch nicht erst "kapitalistisch umstrukturiert" werden, da die Wohnungen schon seitdem sie gebaut wurden (in Berlin also meist seit ca. 120 Jahren) kapitalistisch strukturiert (=warenförmig) waren. So oder so sollte es für radikale Linke nicht darum gehen, sich die Kieze "zurückzuerobern" o.ä., sondern darum, das Privateigentum abzuschaffen.
Ansonsten: Gute Aktion!
unser kiez.
Dass ausgerechnet die Buttmannstraße nie uns gehört habe, zeugt gleich von doppelter Geschichtsvergessenheit: Sowohl vor dem Blutmai 1929 als auch später zu Hausbesetzer_innenzeiten war dieser Kiez selbstverwaltet konnte die Herrschaftsansprüche von Bullen und etablierter Politik immer wieder abwehren.
Was die kapitalistische Umstrukturierung angeht: Natürlich ist der Kiez im kapitalistischen System entstanden. Das ändert nichts daran, dass hier auch weiter der marktlogik folgend eine Veränderung der Kiezstruktur angestrebt wird: Einkommensschwache Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund und viele andere diskriminierte Gruppen, die im Wedding leben, sollen - der kapitalistischen Logik folgend - aus dem Kiez verdrängt werden. Diese Umstrukturierung kann also durchaus als eine kapitalistische bezeichnet werden.
Und zu guter letzt: Vielleicht ist ein Kiez als Kristallisationspunkt von Widerstand ja ein Schritt in Richtung Abschaffung des Privateigentums. Ohne eine solidarische, widerständige Organisierung von unten steht linksradikale Politik jedenfalls auf verlorenem Posten.