FR: Stadt will Lager eines Wohnungslosen räumen lassen

Erstveröffentlicht: 
28.06.2014

Alf Torsten Herbertz lebt unter der Leo-Wohleb- Brücke in Freiburg. Das Amt für öffentliche Ordnung hat nun die Räumung seines Lagers angekündigt. Doch er hat auch Unterstützer.

 

Alf Torsten Herbertz ist Künstler. Einer, der malt, schreibt, gestaltet. Ein Lebenskünstler sowieso. Seit einem Jahr findet sein Leben fast rund um die Uhr öffentlich statt: Er wohnt unter der Leo-Wohleb-Brücke gleich neben der Unteren Schwarzwaldstraße. Nun hat sich das Amt für öffentliche Ordnung zu Wort gemeldet: Für den gestrigen Freitag war die Räumung angekündigt. Die hat bis zum Redaktionsschluss nicht stattgefunden. Wohl aber gab es in der Nacht unter der Brücke ein solidarisches "Sleep out" mit etwa 50 Gästen, die hinter Alf Torsten Herbertz stehen.

Wem gehört die Stadt?


So auch die Musikerin Bernadette La Hengst. Als Performerin in der Stadttheater-Produktion "Schwarz Wald Straße" ist sie seit Monaten in der Gegend um Schwabentorbrücke, Dreisamufer und Schwarzwaldstraße unterwegs, probt und probiert, recherchiert und trifft dabei auf die Menschen, die hier im Quartier leben. Eine der vielen Fragen, die ihr Produktions-Chor "Nomaden der Zukunft" in dem Stationenstück "Schwarz Wald Straße" besingt, heißt: "Wem gehört die Stadt?" Als sie von Alf Herbertz’ Räumungsankündigung erfuhr, gab sie diese Information nach den Aufführungen weiter ans Publikum.

Verrückt, finden die Zuschauer: Das echte Leben mit den echten Fragen spielt sich quasi in Rufweite zum Bühnengeschehen von "Schwarz Wald Straße" ab. Dass es Bernadette La Hengst ernst ist um die Kritik an Ungerechtigkeit und Benachteiligung, stellte sie prompt unter Beweis – und regte als Unterstützungsaktion an, dass möglichst viele die Nacht vom Donnerstag auf Freitag unter der Brücke verbringen sollten.

"Das hätte man kommunizieren können"


Dort hat Alf Torsten Herbertz über die Wochen und Monate als fliegenden Bau, in provisorischer "Bauweise" mit Hilfe von Decken, Tüchern, Matratzen, Kisten, Lampen und Teppichen, eine luftige Einraumwohnung entstehen lassen. Dort dreht sich ein Windrad, da vorne fingert eine wacklige Skulptur aus feinen Rohren in die Luft. Nie habe es Probleme gegeben in dem einen Jahr, seit er hier wohnt und werkt, berichtet Alf Herbertz: "Jetzt wird plötzlich das Feuermachen für gefährlich erklärt, und angeblich gibt’s ein Müllproblem."

Beides sei nicht wirklich nachzuvollziehen, findet Bernadette La Hengst, "zumindest hätte man das kommunizieren – und Lösungen finden können." Sie hat sich an Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach gewandt – der hatte eine einwöchige Fristverlängerung ausgehandelt, ist aber nicht zuständig für das Räumungsvorhaben. Zuständig ist hierfür das Amt für öffentliche Ordnung, das nach der städtischen Polizeiverordnung "zur Sicherung der öffentlichen Ordnung in Freiburg das Nächtigen auf öffentlichen Straßen und Anlagen untersagt".

Das Lager muss geräumt werden


Der Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit, führt Edith Lamersdorf, Pressesprecherin der Stadt, auf BZ-Nachfrage aus: "Das kann mit einem Bußgeld mit bis zu 5000 Euro geahndet werden." Allerdings, so teilt sie in einem Schreiben mit, gehe die Stadt nicht blindlings gegen jede Schlafstelle wohnsitzloser Personen vor. Im aktuellen Fall jedoch sei die ursprüngliche Schlafstatt im Lauf der Zeit deutlich vergrößert worden, es habe zudem Beschwerden wegen Musik, Ruhestörung, Bemalung von Wänden und offenem Feuer gegeben – und ein Eingreifen sei erforderlich geworden. Man gehe aber davon aus, dass er der Aufforderung Folge leisten werde, das Lager zu räumen.

Kenner der Wohnungslosen-Szene schätzen, dass in Freiburg einige hundert Menschen wohnsitzlos sind. In Konfliktfällen hilft – so sie von Betroffenen hinzugezogen wird – die Ombudsstelle für Wohnungslose. Die hatte jedoch von der angekündigten Räumung unter der Dreisambrücke bislang keine Kenntnis. Dieter Purschke als einer der Vertreter der Ombudsstelle setzt darauf, dass von Seiten der Verwaltung alle Möglichkeiten an Hilfs- und Unterstützungsangeboten ausgelotet wurden, die auch Perspektiven eröffnen – und die gesundheitliche Situation des Betreffenden berücksichtigen.