Nach vielen Gesprächen mit Beteiligten der Randale vom 14.Juni und mit Anwwohner_innen sowie Auswertung der Medien und des Behördenfunks, soll die folgende Analyse dabei helfen die positiven Seiten daran weiter zu entwickeln.
Vorgeschichte – Die Rigaer Straße 2006/2007
In diesem Zeitraum war die Existenz einiger Projekte durch Investorenträume bedroht, die Liebig 34 konnte gegenüber Eigentümer Padovic als riskantes Unternehmen dargestellt werden, die Rigaer 94 sah sich ständigen Drohungen von Suitbert Beulker ausgesetzt und für die Rigaer 78 war eine Luxussanierung mit Austausch der Bewohner_innen vorgesehen. Im Kiez lebten noch viele linksradikale Menschen, so dass auch die Projekte von einem grösseren Publikum genutzt wurden.
Von den Nutzer_innen dieser Projekte wurden unterschiedliche Mittel angewendet um sich den Absichten der Hausbesitzer entgegen zu stellen, nach kleineren Geplänkeln auf dem Dorfplatz und unfreundlichen Empfängen der Hausverwalter wurde für die Liebig 34 der Vertrag um zehn Jahre verlängert, während sich die Liebig 14 eher gemäßigt nach aussen darstellte.
Im Frühjahr 2007 entstand aus einer Vernetzung der Projekte das „Lange Wochenende der Rigaer Straße“. Damals schrieben die Häuser:
„(...)Es ist aber klar, dass nicht alle mit unserer Lebenskultur einverstanden sind. Die jeweiligen Besitzer der Häuser fordern ihr Recht ein und dem sind wir im Weg. Das derzeit atraktive Flair F`Hains soll schnell viel Geld bringen. Deshalb wird saniert und modernisiert um die Wohnungen teuer vermieten zu können. Die hohe Miete können wir uns nicht leisten und müssen deshalb raus.
(…) Aufgewertet’ wird aber nicht im Sinne steigender Lebensquallität der AnwohnerInnen eines Kiezes sondern schlichtweg im ökonomischen Sinne. Teuere Kneipen & Restaurants "besetzen" den Gastronomiebereich, das allgemeine Erscheinungsbild des Stadtteils wird durch ’saubere’ Fassaden , chicke Parks ’verbessert’. Hinzu kommt die starke Modernisierung von Mietraum. Gerade jetzt ab Anfang 2007 entdet die die ”Sanierungsphase” für den F’Hainer Sammeriter Kiez und Investoren können ohne amtliche Genemigung, geschweige denn der Zustimmung ihrer MieterInnen nach Lust und laune Modernisieren. Damit wird jedoch sozialer Raum unbezahlbar gemacht.“
http://www.rigaer-strasse.blogspot.fr/
Der Erhalt von Freiräumen spielte in jenen Jahren eine wichtige Rolle, auch die Köpi war bedroht und konsumorientierte Subkulturen und politische Kämpfe waren nicht so weit voneinander entfernt wie heute. Die Nutzung von Räumen bestand eben nicht nur aus Suffpartys sondern diese waren Infostellen, Fluchtpunkte nach Nazi- und Bullenangriffen, Ausgangspunkt für gemeinsame Anreise zu Demonstrationen. Der Kampf um das Ungdomshuset in Kopenhagen hatte den materiellen und symbolischen Wert von einem staatlicher Gewalt entzogenen Ort für alle Seiten sichtbar gemacht.
Entsprechend wurde vor dem „Langen Wochenende“ mobilisiert und gleich am ersten Abend entwickelte sich aus einem kleinen Feuer auf dem Dorfplatz ein Schlagabtausch mit überraschten Bullen. Presse:
Die Randale sorgte für einige Diskussionen unter den vorbereitenden Projekten, auch weil die Sachschäden bei den Autos der Nachbar_innen hoch waren. Viele waren der Meinung, dass die Positionierung der Nachbarschaft ein wichtiger Punkt sei. Aus der Liebig 34 gab es einige Kritik am Verlauf der Randale, die Rigaer 94 verhielt sich solidarisch zu den „Chaot_innen“ und aus der Rigaer 78 gab es starke Vorbehalte. Die Bullen räumten die Rigaer vom Bersarinplatz her, teilweise mit Räumpanzer und belagerte die Rigaer 94, worauf sie aus Richtung Fischladen mehrfach angegriffen wurden. Ein Ausswertungstext damals:
http://strugglegoeson.blogspot.com/2007/05/das-lange-wochenende-der-rigaerstrasse.html
In den Wochen danach zogen die Investoren der 78 verschreckt zurück, das Haus konnte sich selber kaufen, die Rigaer 84 brannte ab und wurde in Eigentumswohnungen verwandelt, der Dorfplatz zog bis zur Räumung der Liebig 14 immer mehr Menschen an, teilweise waren die Bullen bei zahlreichen kleineren Krawallen kaum durchsetzungsfähig.
Nach der Räumung der Liebig 14 konzentrierte sich die Repression der Bullen auf Liebig 34 und Rigaer 94, weniger Menschen frequentierten den Dorfplatz, auch weil sie durch steigende Mieten zum Umzug gezwungen wurden. Der Kiez wurde von der Presse als Symbol für das Versagen sozialdemokratischer Innensenatoren und Polizeipräsidenten hochstilisiert, der Widerstand gegen Verdrängung aus dem Friedrichshainer Nordkiez wurde Wahlkampfthema.
Die Lage in der Rigaer 2014
Es gibt zwei Hausprojekte weniger als vor sieben Jahren, durch Luxussanierung und Umwandlung in Ferienwohnungen ist ein Teil der Nachbarschaft ausgetauscht worden. Der Bauboom ist ungebrochen, ein Haus nach dem anderen wird mit Eigentumswohnungen erstellt. In der Stadt sind keine neuen Freiräume entstanden, die Köpi ist nur noch Ort für Konzerte, der Oranienplatz ist von Bullen besetzt. Die Projekte in Friedrichhain vernetzten sich zu einer „Langen Nacht der Rigaer Strasse“ und luden vergleichsweise knapp ein:
„Zur langen Nacht der Rigaer Straße laden die Projekte Rigaer 78 (Abstand), Liebig 34 (XB-liebig), Convoi, Schreiner 47, Rigaer 94 und Fischladen zum bunten miteinander ein. Es erwarten euch Workhops, Shows, jede Menge Essen, Kino, Einkaufswagenrennen, Konzerte, Tombola und vieles mehr. Lasst uns gemeinsam die Straße bunt gestalten!“
Werbung und inhaltliche Vermittlung waren gegenüber 2007 geradezu minimalistisch.
Das Mobivideo von Symathisant_innen macht klar worum es geht:
https://www.youtube.com/watch?v=6iI3t9ggqsE
Es soll auch Leute gegeben haben, die sich eine Solidarisierung mit den Unruhestifter_innen in Barcelona nach der Räumung des Can Vies wünschten...
Tagsüber besteht Interesse an den angebotenen Workshops, abends füllt sich die Straße, nix ist angemeldet, die Leute feiern friedlich, die meisten wollen keine schnelle Eskalation. Die Bullen stehen mit einigen Wannen in den Zufahrtsstraßen. Gegen 21 Uhr kommt aus Kreuzberg die Nachricht, dass am Rande einer Flüchtlingsdemo ein Haus besetzt wurde, in der Wrangelstraße brennen Mülltonnen auf einer Kreuzung. Ein Autofahrer wird am Dorfplatz gegen Partygäste agressiv, als eine Flasche sein Auto trifft, fährt er zu den Bullen. Diese sind unsicher, eigentlich wollen sie nach Kreuzberg zu der Hausbesetzung aber nun brennt schon ein kleines Feuer auf dem Dorfplatz. Die Bullen wollen jetzt das Straßenfest schnell beenden, setzen die Helme auf, an der Zelle Straße /Ecke Rigaer rangieren sich drei Wannen zum Angriff. Aber die Besucher_innen kommen ihnen zuvor und greifen mit Steinen an. Die Straßenbeleuchtung ist aus, Barrikaden brennen, eine Viertelstunde laufen die Bullen vergeblich dagegen an, dann bekommen sie Unterstützung vom Forckenbeckplatz. Danach verlagert sich die Konfrontation bis zur Ecke Silvio Meier Straße.
Die Auseinandersetzung war umfangreicher und heftiger als 2007, es wurde beim Anzünden von Barris mehr Rücksicht auf Autos der Nachbarschaft genommen, von den Leuten auf dem Dorfplatz bekamen viele aufgrund schlechter Kommunikation gar nicht richtig mit was Ecke Zelle Str. abging. Das Publikum vor der Rigaer 78 war solidarisch, die Leute vor dem Fischladen eher nicht.
Über die folgende Bullengewalt gegen feiernde oder protestierende Menschen im Kiez sollte sich nicht besonders aufgeregt werden, schließlich ist diese Gewalt weder neu noch selten und auch nicht von einer Vorgeschichte abhängig sondern sie ist alltäglich und macht das Wesen dieser Stadt aus.
Fazit
link Nach längerer Zeit gelang es endlich
mal wieder die Bullen zu überraschen und ihnen einen Kontrollverlust
aufzuzwingen. Das dieser örtlich und zeitlich limitiert war, ist
nicht weiter schlimm, ging es doch neben anderem darum diese
Möglichkeit für viele Menschen überhaupt erstmal erfahrbar zu
machen nach einigen verkackten Spontis und dem 1.Mai. Die Bullen
konnten an diesem Abend nicht zwei Spots gleichzeitig verarbeiten und
erst nach der Verhandlungslösung für die Hausbesetzung in Kreuzberg
raste eine weitere Hundertschaft nach Friedrichhain.
Die Medien haben den Zusammenhang der Randale mit bestimmten Entwicklungen im Kiez teiweise begriffen, https://www.youtube.com/watch?v=TMV4RZ0ihTs
sicher werden einige Nachbar_innen weiterhin die Hausprojekte und ihr Publikum hassen, allerdings flogen auch aus normalen Wohnungen in der ganzen Rigaer Gegenstände auf die Bullen und es gab viel klammheimliche Freude.
Möglicherweise haben sich jetzt neue Ansätze ergeben um den Kampf um echte (Rechts- und herrschaftsfreie) Freiräume endlich wieder von Partyhedonismus und Nischenpolitik zu trennen.
Vor sieben Jahren gelang das wenigstens vorübergehend.
Überlegung
Wohl war was ihr über die Köpi sagt, ist im Moment ein gänzlich unpolitischer Laden und immer der gleiche Musikstiel (Langweilig) genau wie beim Karneval der "Subkulturen" außer im Keller.
Und die verpeilte ARAB und andere unangeneme Gruppen versuchen, (oder haben sich schon Eingeklinkt) in den Karneval und die Köpi kriegt oder will nichts mitkriegen.
hm
Muss sagen wenn man auf die Musik in der Köpi nicht steht ist das eine Sache, heißt aber nicht dass sie deswegen scheisse (hat keiner gesagt ich weiss, die Abneigung weist aber darauf hin) ist oder unpolitisch.
Vor allem frage ich mich wie du darauf kommst dass sie denn unpolitsch sein soll. Weil es in indymedia keine Bekennerschreiben zu Aktionen gibt? Muss man sich denn als Projekt präsentieren, oder reicht das sich als Bezugsgruppen auf die Straße zu stellen?
Bündnisse
Vergesst doch mal die ganzen Läden, Gruppen und Bündnisse ...
... treibt euch einfach mehr im Kiez rum (Kreuzberg/Friedrichshain) + gründet eigene Banden/Bezugsgruppen.
Wenn sich Samstags im Kiez mehrere hundert Personen herumtreiben, ist es bis zur Sponti nicht mehr weit.
Wieso nicht einfach morgen Nacht (Samstag), wieder auf der Rigaer Straße unterwegs sein? Klar, wird die morgen mit Bullen im Umkreis verpestet sein, aber möglich ist einiges. Oder reiht euch in die Musikparade ein, und macht Aktionen, wenn diese vorbei ist. Beschäftigt die Drecksbullen.
hoddyzentrismus?
es gibt immer ein spannungsfeld zwischen subkultur und politischen aktivitäten, deshalb aber eigene strukturen und ähnliches abzuwerfen ist der falsche weg. es geht eben nicht nur darum die bullen zu beschäftigen, denn sonst benötigen die herrschenden über kurz oder lang auch keine anderen methoden mehr, als die der polizeilichen. wenn eine gesellschaftliche isolation bis zum extremen getrieben wurde, dann kann die repression ins irrwitzige gesteigert werden. beispiele kann mensch sich bei fussballholigans abholen oder gar bei sogenannten islamisten (die ja nicht immer welche sind, die repression bleibt bestehen) oder (um wieder näher zu kommen) kurdische aktivisten und aktivistinnen.
dies kann nicht der weg sein, denn er ist eine einbahnstraße in ne sackgasse.
kurdische aktivistInnen = subkultur???!
Es geht um die konkrete Organisation des menschlichen, nicht um das Label des Vereins. Deshalb sind die "spontanen" Organísationen in emanzipatorisch gesinnten Fussballmobs, Mieter_innen Vereinigungen, jungendlichen Krawallhorden mehr wert, als reaktionäres Gelabere von angeblich existierenden "eigenen" Strukturen. Es geht ums ganze. Nicht nur um deine kleine möchtegern "autonome" Welt.
konkrete Organisation des "Menschlichen"
Hi, also nun sprichst Du das "Menschliche" als etwas unorganisiertes, chaotisches, anarchistischer Natur an. Damit magst Du Recht haben, für Dich! Wie auch für jeden einzelnen von den Menschen ist die Organisation seines "Menschlichen" eine alltägliche Aufgabe, die darin bestehen kann, den Alltag zu bewältigen, in welcher Art auch immer. Manche sind einfach nur froh, mal wieder aus dem Haus zu kommen, weil draußen der Mietwucher herrscht, weil die Nachbarn böse sind wegen einem nicht angepassten Auftreten, weil man wieder jemandem begegnen kann, mit dem man noch was zu klären hat.
Aber ist es wirklich das, um was es geht? Oder geht es um das Ganze? Warum machst Du keinen Unterschied darin, dass die Leute in der Rigaer Straße autonom, das heißt konkret selbstbestimmt leben, und setzt dem gegenüber die Organisation des "Menschlichen"? Ich kann das ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, weil Du das Menschliche auf die Stadt Berlin beziehst, oder auf einen Bezirk. Das kann so nicht funktionieren, hört sich meiner Meinung nach an wie 70er Jahre, Love and Peace. Wir haben aber bereits 2014 und 2016 ist die Globalisierungsstruktur abgeschlossen, da geht nix mehr mit Friede Freude Eierkuchen, und solange noch etwas Zeit bleibt, ist es besser, konkret organisiert zu sein, um Leben zu können, nicht um "Menschlichkeit" zu erreichen. Wenn de das in deinem Leben noch nicht erreicht hast bis jetzt, hilft Dir eh keiner mehr.
Und falls die Menschlichkeit das "Gewissen" beinhalten soll, das die Gentrifizierungskräfte nicht entwickeln können, dann liegt das einfach ausgedrückt daran, dass sie von ihrer Position aus kein Soziales Band entstehen lassen können. Da es sich um monetäre Ressourcen handelt, werden diese zur freiwilligen Abgabe eine Bindung auf wirtschaftlichem Sektor erreichen wollen, um daraus finanzielle Vorteile zu erzielen. Das hat nichts mit Menschlichkeit zu tun, es sei denn, man hat den Menschen auf sene Kaufkraft reduziert. Würde man jedoch die Kaufkraft zum Zwecke der Menschlickeit in den wirtschaftlichen Sektor plazieren, dann wären alle Grund- und Menschenrechte obsolet, das heißt veraltet und nicht mehr anwendbar auf die heutige Zeit mit weitreichendem Blick auf die Zukunft. Dem gegenüber stehen die Friedensaktivisten, für die einzig die Grund- und Menschenrechte als über aller Organisation und Ordnung stehende Instanz die Menschlichkeit bestimmt.
Man muss schon realistisch bleiben und sehen, wofür die kleene grünhaarige Punkette aus dem Hinterhof ihre Stiefel wieder anzieht. Nicht um mal schnell Kohle an der nächsten Straßenecke zu machen, sondern um die Aggression auszudrücken, die von der Stadtentwicklung ausgeht. Und menschlich, joah, sieht gut aus, so als Mensch, find ich zumindest. Kann ja sein dass Du da mehr auf langhaarige 70er Jahre Typen stehst, aber die konkret zu organisieren ... vielleicht haste ja Recht und bildest da was heran. Nur ob da die Rigaer Straße der richtige Platz ist? Die ganzen Zivis, getarnt mit langen Haaren, organisieren sich nämlich auch ziemlich stark.