Uni Rostock: Lehre im Dienste des Krieges

Kritische Uni Rostock

Die studentische Initiative "Kritische Uni" hat heute mittels einer Flyeraktion am Campus Ulmenstraße auf die Umtriebe der Bundeswehr an der Universität Rostock aufmerksam gemacht; genauer gesagt auf die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät.

 

Hier der Flyer oder auf www.kritischeunihro.blogsport.de:

 

 

 

Eine universitäre Veranstaltung?

 

Auch in diesem Jahr findet wieder die Projektwoche an der Universität Rostock statt. Doch wird dieses Mal ein ganz besonderes Angebot ermöglicht - das Planspiel POL&IS der Bundeswehr. Den organisatorischen Rahmen schaffen Fr. Dr. Heinrich und das Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften. Dem Ankündigungsschreiben ist zu entnehmen, dass sich Frau Heinrich der Problematik durchaus bewusst ist, die Bundeswehr an die Uni zu holen, beziehungsweise die StudentInnen in die Kaserne zu schicken. Auch wenn betont wird, dass es sich um keine universitäre Veranstaltung handele, ist der Rahmen trotzdem klar – durch das Uni Rostock-Logo am Kopf des Ankündigungsschreibens1 und die Eintragung auf stud.ip.

Die um Nachwuchs besorgte Bundeswehr kommt an die Hochschulen, um durch werdende LehrerInnen gleich doppelte Rekrutierungsarbeit zu gewährleisten. Sind diese erst einmal überzeugt, sind Einladungen in die zukünftigen Schulen der Lehramts-StudentInnen für die nächsten Jahre gesichert.

 

 

Forschen für den Krieg

 

Die Universität Rostock hat die Friedensforschung sogar in ihrer Grundordnung verankert. Trotzdem hat sie einen wehrtechnischen Forschungsauftrag von der Bundeswehr angenommen: Rostocker Maschinenbauer arbeiten ebenfalls daran, Minen am Meeresgrund aufzuspüren. Uni-Sprecher Ulrich Vetter hält das Projekt für ein „humanitäres Vorhaben“.2

 

Mecklenburgische Zustände

 

Möglich wird diese schon seit Jahren umstrittene Taktik der Bundeswehr durch die unbefristete Kooperationsvereinbarung zwischen dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg- Vorpommern und dem Wehrbereichskommando I Küste der Bundeswehr vom 13.07.2010, die noch von Brodkorbs Vorgänger im Amt des Bildungsministers Henry Tesch unterzeichnet wurde. Doch auch Brodkorb wird nicht müde, diese Vereinbarung trotz Widerstandes im Landesparlament zu verteidigen.3 - und steht damit nicht allein in der BRD. Der Umgang mit Kindern in Schulen, die oder deren Eltern kein Interesse an solchen Veranstaltungen haben, lässt ebenfalls tief blicken. Einer Pressemitteilung4 vom 09.03.2014 ist zu entnehmen, dass Eltern zwar die Möglichkeit hätten, sich dagegen auszusprechen, doch mit der Folge, dass die betreffenden Kinder in Parallelklassen gesteckt werden. Eine sinnvolle Unterrichtsabdeckung sieht sicherlich anders aus.

 

So ganz rund scheint die Zusammenarbeit ebenfalls nicht zu laufen. Laut der Vereinbarung ist die Bundeswehr, in Form des zuständigen Jugendoffiziers, verpflichtet, zum Schuljahresende einen schriftlichen Bericht an das Ministerium zu liefern. Da tut sich die Frage auf, wo Ende Mai 2014 eigentlich der Bericht aus dem Schuljahr 2012/13 steckt. Die Antwort auf die Kleine Anfrage5 der Fraktion Die Linke zeigt: es gibt noch keinen! Er läge zur Bewilligung im Bundesministerium für Verteidigung.

 

Neues Deutsches „Engagement“ in der Welt

 

Genau, das Bundesministerium für Verteidigung...während wir Jugendoffiziere in Bildungsanstalten kritisieren, fordert von der Leyen Kindertagesstätten in Kasernen. Die zwei neuen Leitlinien des Verteidigungsministeriums sind: Familienfreundlichkeit und verstärkte Auslandseinsätze6. So befinden sich deutsche Truppen ob zu Land oder zu Wasser nunmehr in Afghanistan, dem Kosovo, dem Horn von Afrika, an der Küste des Libanon, im Mittelmeer, in der Türkei, in Mali, der Zentralafrikanischen Republik, in Somalia, im Sudan, im Kongo und in der Westsahara.7 Diese Länder seien hier in voller Aufzählung genannt, weil die Beschlüsse zu den Einsätzen in einem unverhofften Tempo und weitgehend unbemerkt blieben. Oder, ob der diffusen Informationslage europäischer Perspektive auf diese Länder, ausgesprochen unkritisch berichtet wurde. Fakt scheint zu sein, dass Deutschland anscheinend zu groß ist, um sich nicht in die Weltpolitik einzumischen, so zumindest die Argumentation von Gauck über von der Leyen bis Steinmeier auf der letzten Münchner Sicherheitskonferenz. Gauck, der Rostocker Pfarrer mit Ehrendoktorwürde an der Theologischen Fakultät sagte in seiner Rede, wofür Horst Köhler zurücktreten musste: „Deutschland ist überdurchschnittlich globalisiert und profitiert deshalb überdurchschnittlich von einer offenen Weltordnung – einer Weltordnung, die Deutschland erlaubt, Interessen mit grundlegenden Werten zu verbinden. Aus all dem leitet er Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert ab: dieses Ordnungsgefüge, dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen.“8

Und diesen Blödsinn, beziehungsweise diesen ausufernden, offenen Nationalismus und diese Platz-an-der-Sonne-Doktrin muss man erst einmal seinen eigenen BürgerInnen verkaufen – die meistens gegen Krieg ist, jedoch häufig aus fragwürdigen Gründen. Und dafür scheint es auch schon konkrete Vorstellungen zu geben. Der Bundeswehrverband fordert einen Staatsvertrag mit dem Titel „Keine Angst vor Uniformen“!9 Ziel sei es, sich ein noch größeres Podium zur Legitimation von Bundeswehr an sich zu schaffen und die unattraktive Arbeitgeberin Bundeswehr besser zu verkaufen. Interessant ist hier der Zusammenhang, dass die neuerlichen Vorstöße des Bundeswehrverbandes eben als Möglichkeit der Nachwuchsgewinnung gesehen werden und im gleichen Atemzug auf die wichtige Arbeit der Jugendoffiziere an Schulen verwiesen wird, wobei übrigens unterschiedliche Taktiken verwendet werden – abhängig vom Bildungsgrad.

 

Guten Tag, Frau Jugendoffizier!

 

Aber worin besteht jetzt konkret die Arbeit der Jugendoffiziere und speziell in Rostock die Arbeit von Kapitänleutnant Ilka Wendler? Das Angebot beinhaltet Vorträge, Diskussionen, Besuche bei der Truppe, sicherheitspolitische Simulationen und Seminare über deutsche Sicherheitspolitik. Die eigens dafür ausgebildeten Jugendoffiziere gehen also in Schulen, Hochschulen oder schaffen ihren eigenen Rahmen10. Die vom demographischen Wandel angegriffene Freiwilligenarmee Bundeswehr11 erkämpft sich auf diese Weise einen Raum für die Verbreitung ihrer Ideologie.

 

Sie.Dienen.Deutschland

 

Das durch Fr. Dr. Heinrich vermittelte Planspiel „POL&IS- Eine Simulation zu Politik und internationaler Sicherheit“ richtet sich primär an SchülerInnen, Auszubildende und StudentInnen. Hier können sich also die TeilnehmerInnen 2-5 Tage in verschiedenen Führungspositionen an, wenn auch nur theoretischer, Macht ergötzen. TeilnehmerInnen werden beispielsweise mit der Aufgabe in die Situation von Staatsoberhäuptern gebracht, die ihre jeweilige Nation und deren wirtschaftliche und „humanitäre“ Interessen vertreten. Dadurch wird nach eigenen Angaben „Wissen über die tatsächlichen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse“12 vermittelt, was wohl nur die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten zur bestmöglichen Reproduktion internationaler Konflikte meinen kann, die allein schon immanent im Nationalstaatsgedanken enthalten sind. Die Ablehnung dessen beinhaltet natürlich auch die einer Armee! Es geht also schlicht darum, zu zeigen, dass das aktuelle Handeln politischer AkteurInnen alternativlos sei.

 

Es macht einen Unterschied, ob ein alter nationalistischer Oberfeldwebel oder militaristischer Geschichtsdozent für die Bundeswehr werben oder eine Person wie Frau Heinrich, die sich unter Anderem bei der „Uni-ohne-Rassismus“-Kampagne engagiert, gute Beziehungen zu ihren Studierenden pflegt und sich innerhalb ihres Faches auf das Thema „Rechtsextremismus“ (die Redaktion distanziert sich von diesem Begriff) spezialisiert hat. Eine Sympathieträgerin des vermutlich linksliberalen Milieus klingt immer noch wie eine Pazifistin, selbst wenn sie dafür sorgt, dass jungen Studierenden von propagandageschulten Offizieren die Hirne gewaschen werden.

 

Denken Sie nicht auch Fr. Dr. Heinrich, dass es wesentlich zielführender für die politische Bildung ihrer StudentInnen wäre, Politik nicht aus Sicht der personalisierten Gewalt des Staates zu betrachten? Eine „objektive“ Darstellung internationaler Konflikte wird wohl unmöglich zu gewährleisten sein können, insbesondere angesichts des Personalmangels der Bundeswehr und den neuen Plänen der Verteidigungsministerin – ob nun später im Politikunterricht oder im Planspiel. Denken Sie nicht, dass der neuerliche Einsatz der deutschen Bundeswehr innerhalb der letzten 20 Jahre in Anbetracht der deutschen Geschichte ausreichend Kontroversität in den Politikunterricht bringt?

Es ist nicht neutral, eine solche Veranstaltung zu organisieren – das ist ein politisches Statement. Sie hätten nein sagen können. Sie sind verantwortlich für die künftigen LehrerInnen und haben als Dozentin die Handlungsoption einer Politik, Bildung und Erziehung für den Frieden gerecht zu werden. Statt die Bundeswehr, ob nun im Seminar oder Ausland, auf Menschen loszulassen, sollte dringend die falsche deutsche Moral in politischen Fragen und in Bezug auf die eigene Geschichte reflektiert werden!

 

 

 

 

 

 

 

1http://www.wiwi.uni-rostock.de/fileadmin/Institute/IPV/Lehrstuehle/Vergeichende_Regierungslehre/Martin_Koschkar/Dateien/POL_IS.pdf

2http://www.tagesspiegel.de/wissen/unis-und-moral-problem-selbst-wenn-hochschulen-zivilklauseln-haben-koennen-sie-diese-aushebeln/7384248-3.html

3http://www.youtube.com/watch?v=CoChv4tLONM

4Pressemittleitung Nr. 032-14

5Drucksache 6/2800

6 http://www.tagesschau.de/inland/vonderleyen-bundeswehr100.html

7http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKU1PjUzLzixJIqIDcxu6Q0NScHKpRaUpWqX5DtqAgASPKsIg!!/

8http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gauck-rede-im-wortlaut-deutschland-muss-bereit-sein-mehr-zu-tun-12778744-p2.html

9 http://www.tagesschau.de/ausland/bundeswehr758.html

10http://www.jugendoffizier.eu/ueber-uns/

11Apt, Wenke: Herausforderung der Personalgewinnung der Bundeswehr. In: Wehrpflicht und Zivildienst. Aus Politik und Zeitgeschichte (Heft 48/2011)

12Broschüre zu POL&IS des Bundesministeriums für Verteidigung

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Is klar dass Schüler und Studierende angesprochen werden, aber sicher gehts sicher nicht darum nationalistische Krieger anzuwerben. Also erstmal locker bleiben.


Was mir aber grad nicht passt ist, dass du glaubst alle Teilnehmer wären Kritikunfähige Trottel, die - einmal bei der BW gelandet - sofort überzeugte Soldaten sind.

Ist die mal in den Kopf gekommen, dass du nicht alleine die Fähigkeit kritischen Denkens gepachtet hast? Sowohl an Uni wie auch an Schule wird sehr kontrovers über die BW diskutiert und die Planspiele werden als das erkannt was sie sind.

Also komm mal runter unter vertrau auch mal auf die Jugend

sonst wär die Idee mit der Kampfmittelerkundung auf dem Meeresgrund nämlich etwas positiver rezipiert worden!

 

Fast alle Meere sind noch voller Weltkriegsschrott, Mio Tonen Kampfmittel die raus müssen!  Dazu müssen die aber erstmal gefunden werden.....

 

Arnonym

jeah, die kritische Uni hat mal wieder nen guten Text hingelegt. Was noch zu ergänzen wäre: Die Jugendoffiziere sind nicht nur an Unis um zukünftige "Führungskräfte", "Entscheider" und "Multiplikatoren" zu beeinflussen und zu überzeugen, sondern auch um sich systematisch Zugang zu dieser "Zielgruppe" zu verschaffen und die "Meinungslage" zu erkunden. Allein das schon sollte verbieten, dass irgendwer die Jugendoffiziere an die Unis holt: Diese fertigen von jedem "Einsatz" (so heißt das und so fassen die das auch auf) einen akribischen Bericht an, in dem die exakte Zahl der Teilnehmer_innen und ihre (geäußerte) Haltung zur Bundeswehr insgesamt und Einzelaspekten der "erweiterten Sicherheit" ebenso vermerkt wird, wie geäußerte Argumente und Vorbehalte ihrer Gesprächspartner_innen und anderer Universitätsangehöriger im Vorfeld während der Anbahnung. Diese Einzelberichte werden dann an die Nachrichtendienstlichen Stellen weitergeleitet und in den öffentlich einsehbaren "Jahresberichten der Jugendoffiziere" zusammengefasst, die jeweils mit einem Abschnitt zur "Lageentwicklung" beginnen und dann im Einzelnen die "Meinungslage der Behörden,  Schulen, Hochschulen und anderen Institutionen" wiedergeben. Im Jahresbericht 2012 heißt es etwa:

 

"Der positive Trend der Kooperation zwischen Hochschulen und den Jugendoffizieren setzte sich auch im Jahr 2012 fort. Im Schwerpunkt wurden sicherheitspolitische Seminarfahrten und Informationsvorträge nachgefragt. Die Einstellungen der Studentinnen und Studenten an den Universitäten und Fachhochschulen, zu denen Kontakte gepflegt werden, reichten nach Einschätzung der Bezirksjugendoffiziere von einer neutral-offenen Haltung bis hin zu einer positiven Grundeinstellung gegenüber der Bundeswehr. Auslandseinsätze wurden vom Grundsatz her als wichtiger Beitrag deutscher Außen- und Sicherheitspolitik akzeptiert, jedoch auch, und dies gilt insbesondere für den Einsatz in Afghanistan (ISAF), kritisch hinterfragt.

Die Intensität der Zusammenarbeit mit den Hochschulen war regional unterschiedlich ausgeprägt. In den östlichen Bundesländern verzeichneten die Thüringer Jugendoffiziere die umfangreichste Zusammenarbeit mit den dortigen Hochschulen. Das betraf die Verwaltungsfachhochschule Gotha und die Friedrich-Schiller-Universität Jena. Auch besteht seit fünf Jahren ein Lehrauftrag an der Universität Erfurt für das Seminar „Aspekte der Internationalen Friedens- und Konfliktforschung“, für das europaweit anerkannte Noten gemäß dem „European Credit Transfer and Accumulation System“ (ECTS) vergeben werden..."

 

2007 klang das etwa noch anders:

Die Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen gestaltete sich deutlich schwieriger als mit den Schulen. Viele Hochschulen haben trotz vielfältiger Bemühungen der Jugendoffiziere weiterhin nur vereinzelt Interesse an einer Zusammenarbeit. Vor allem der universitäre Lehrkörper wehrt sich gegen einen Referenten in Uniform.
Stellvertretend dafür einige Auszüge aus verschiedenen Einzelberichten der Jugendoffiziere: „so gut wie keine Kontakte.“, „Sind eher sporadisch“, „aus Term
ingründen kurzfristig abgesagt“, „beschränkt sich auf wenige Kontakte“, „keine Resonanz“.
Dem gegenüber stehen vereinzelte, erfreulich intensive Kooperationen, die von POL&IS-Simulationen über einzelne Vorträge bis hin zu Vortragsreihen reichten. Dabei konnten die Studenten zum Teil sogar Scheine oder Zulassungsvoraussetzungen erwerben. Ein Beispiel für eine gelungene Kooperation zeigt ein Auszug aus dem Bericht des Bezirksjugendoffiziers Baden zu einer Veranstaltung mit der Internationalen Fachhochschule Karlsruhe: „Die Studenten konnten durch ihre Teilnahme in Form einer offenen Prüfungsleistung ECTS-Punkte (European Credit Transfer System-Punkte) erwerben [Anm.: ECTS ist das Europäische System zur Anrechnung, Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen]. Dieses POL&IS-Seminar ist nun fest in das Studienkonzept integriert und findet jedes Jahr im Mai statt.“
Auch die Meinungslage zur Institution „Bundeswehr“ sowie zu deren Aufgaben und Aufträgen und dem Jugendoffizier selbst war an den Hochschulen distanzierter als in den Landesbehörden und Schulen. Vielfach waren die älteren Professoren politisch eher dem bundeswehrkritischen Spektrum zuzuordnen. Die Hochschullandschaft bleibt für die Jugendoffiziere weiterhin ein sensibler und schwer zu erschließender Bereich und damit eine Herausforderung für die Zukunft."

 

Also funktioniert die Überzeugungsarbeit doch. Oder sind die Dozent_innen und Studierenden nach einem dreizehnjährigen sinnlosen Krieg in Afghanistan einfach unkritischer geworden?