So langsam hat sich ja in linken Kreisen in Dresden etabliert, allgemein über Opfermythen und Geschichtsrevisionismus zu sprechen. „Noch immer zu wenig Beachtung finden hingegen die Leistungen der Dresdner `Trümmerfrauen´“ (1), findet das Frauenstadtarchiv. Dem möchten wir zustimmen, allerdings mit anderen Absichten...
Hier gibt’s den Beitrag zum Anhören.
Die sogennanten „Trümmerfrauen“ räumten ab 1945 bis in die 50er, teilweise 60er Jahre in Deutschlands zerbombten Städten auf. Sie schafften Trümmer weg, rissen stehengebliebene Gebäudeteile ab, machten die Steine wiederverwendbar. Und sie bauten „alles“ wieder auf: Wohnhäuser, Fabriken, Schulen usw.. Weil die körperliche Arbeit sehr schwer war, wurden 1946 bestehende Arbeitsschutzbestimmungen für Frauen teilweise aufgehoben. Als Beschäftigte hießen sie „Bauhilfsarbeiterin“, „Trümmerarbeiterin“ oder „Arbeiterin für Enträumungsarbeiten“ – aber es gab auch unbezahlte Freiwillige.
Auf der Baustelle waren die Frauen* (2) nicht allein: Auch (deutsche und alliierte) professionelle
Trümmerbeseitiger_innen, sowie Kriegsgefangene und von den
Alliierten zwangsverpflichtete ehemalige Nazi-Männer*
mischten mit.
Die mittlerweile nicht mehr existente rechtsnationale Internetseite truemmerfrauen.de bringt das starke Bild der „Trümmerfrau“ auf den Punkt: Unter dem Motto “Andere zerstörten unser Heimatland, sie bauten es auf mit bloßer Hand” heißt es:
“8. Mai 1945, Deutschland, eine einzige Trümmerwüste. 500 Millionen Kubikmeter Schutt und Asche. Experten berechnen, dass es mindestens 30 Jahre dauern wird, bis die Trümmer beiseite geräumt sind. Die Experten, haben sich gründlich geirrt, weil sie nicht mit den Frauen unseres Landes gerechnet haben. Schon am ersten Tag nach dem Krieg beginnen Sie mit der Arbeit. In einer beispiellosen Energieleistung vollbringen sie, was niemand für möglich hält. Als ihre Männer und Söhne aus der Kriegsgefangenschaft heimkehren, haben sie unser Land bereits gründlich aufgeräumt. Der Wiederaufbau beginnt und die Welt staunt. Als Trümmerfrauen setzten sie sich und allen Frauen unseres Landes ein Denkmal”.
Das Bild von den starken deutschen Frauen, die sich unter äußersten Entbehrungen für den Wiederaufbau des Landes aufopferten, taugte und taugt auch heute noch wunderbar zur deutschen Vergangenheitsbewältigung.
Die Schuld am Holocaust und Nationalsozialismus wurde nach ’45 auf wenige Figuren projiziert. Hitler war’s – und vielleicht noch Göring und Himmler. So konnte sich der Großteil der „einfachen Leute“ aus der Verantwortung ziehen bzw. die eigene Schuld verdrängen.
Der deutsche Feminismus der 70er und 80er Jahre entwickelte eine weibliche* Version der Schuldabwehr, die bis heute wirkt: Die Männer warn’s. In Diskussionen um „Mittäterschaft“ von Frauen wurde argumentiert, die Frauen hätten schon auch mitgetan, aber im Grunde nur, weil sie sozusagen vom Patriarchat dazu genötigt wurden.
Dass im NS die Hierarchie zwischen den Geschlechtern zugunsten der Herrschaft der „arischen“ „Volksgemeinschaft“ – der deutschen Männer und Frauen – an Bedeutung verlor, musste von den Nachkriegsfeministinnen verdrängt werden. Im Nationalsozialismus waren „arische“ Frauen* in Bezug darauf den Männern* gleichgestellt, dass sie sich gegen den gemeinsamen ‚Feind‘, vor allem die Jüdinnen und Juden, zusammenschlossen. Sie waren nicht nur bloße ‚Gebärmaschinen‘:
Ihre Mutterschaft wurde hochgelobt, ihre Tätigkeiten im Haushalt oder bei der Erziehung der Kinder immer mehr anerkannt. Das 1938 gestiftete Mutterkreuz unterstreicht die Bemühungen der NSDAP, diese „Frauen*aufgabe“ aufzuwerten. Im eigenem Heim wurde selbstbewusst „in kleinstem Rahmen der Kampf gegen den inneren Feind, den undeutschen Geist, ausgetragen“ – so Frauenführerin Irene Seydel. (3)
Frauen* im NS waren eben nicht nur das schüchterne Heimchen am Herd. Auch nicht nur stützende Ehefrau. Frauen* wirkten, als KZ-Aufseherinnen, BDM-Führerinnen, Munitionsarbeiterinnen oder Denunziantinnen, an der Ausgrenzung und Vernichtung von Millionen von Menschen nicht weniger begeistert mit als die Männer*. Sie standen ihren männlichen* Kollegen dabei in nichts nach.
Auch gegen das Bild der unterdrückten Hausfrau spricht, dass weibliche* Erwerbsarbeit ab 1933 stetig zunahm. Einerseits durch Professionalisierung vorheriger Hausarbeit, aber ab Beginn des Krieges auch aufgrund des Ausfalls männlicher* Soldaten als Arbeitskraft. Die Tätigkeiten der Frauen* wurden deshalb anerkannt, weil schließlich jedes Glied der ‚arischen Volksgemeinschaft‘ wichtige Arbeit für deren Weiterbestand und Optimierung leiste. Es war schon damals so: Gruppen, z.B. Frauen*, emanzipieren sich gerade dann, wenn man sie als Kriegs- oder Krisenverwalterinnen braucht.
Die Täterinnenschaft der deutschen Frauen* lässt sich schwer mit dem Bild der Trümmerfrauen vereinbaren. Dieses zeigt die mit bloßen Händen Steine klopfende Frau*, die Not leidet, für die sie noch nicht mal was kann. Sie hat den Krieg schließlich nicht gemacht. Sie sorgt sich nur um die Kinder und um das Essen für den nächsten Tag. Was kann sie dafür? Es ist ungerecht. Aber sie steht es durch – die Starke, die Heldenhafte, die Selbstlose. Für uns alle.
Gut, dass Frauen* so stark sind und so viel Leid ertragen können. „Zäh wie Leder“.
Gewürdigt wurde und wird diese Opferbereitschaft z.B. in
Feierstunden, mit Ausstellungen und der Errichtung von
Denkmälern (wie in Dresden am Rathaus). Außerdem wurden
Auszeichnungen überreicht: In der DDR der Titel „Aktivist der
ersten Stunde“, in der BRD das Bundesverdienstkreuz. Nicht zu
vergessen die „Eichen-Pflanzerin“ auf dem 50-Pfennig-Stück.
Diverse Nazigruppen finden, dass den Trümmerfrauen noch mehr Ehre gebührt. Aber nicht nur sie:
Die sich insbesondere für Senioren einsetzende Kleinpartei „Graue Panther“ unterstützte seit Mitte der 80er Jahre Trümmerfrauen, die Altersarmut beklagten und mehr, auch finanzielle, Anerkennung forderten. Daraus hervorgegangen ist der „Gedenktag für die Trümmerfrauen“ am 9. Juli.
Das Dresdner Frauenstadtarchiv führt seit 2006 jährlich ein
„Trümmerfrauentreffen“ durch. Man „wählte“ den Termin „bewusst“ (4):
den 8.Mai, den Tag der Befreiung! Dieses Jahr wurde es auf den
23.05. verschoben – warum, konnten wir bislang nicht in Erfahrung
bringen. Kooperiert wird zum Thema Trümmerfrauen in der Dresdner
Erinnerungskultur mit dem Stadtarchiv, der Dresdner
Gleichstellungsbeauftragten, dem Frauenbildungszentrum „Hilfe
Zur Selbsthilfe“ und auch mit Schulen.
Eben dieses Frauenstadtarchiv hat 2006 auch eine Broschüre (4) herausgegeben, die auf Basis von Trümmerfrauen-Befragungen
und Archivmaterial entstand und deren „Hauptanliegen“ es ist,
„allen Frauen Dank zu sagen, die das Kriegsende und seine
verheerenden Folgen als Anfang und nicht als Ende betrachteten“–
„jener Generation von Frauen, ohne die Dresden nach 1945 – wenn
überhaupt – weniger rasch zu dem geworden wäre, was es heute
wieder ist – eine Stadt, die als Elbflorenz zu neuer kultureller
Blüte reifte“ (4).
In der Broschüre wird durchgängig „der Untergang der einstigen
sächsischen Residenz“ Dresden betrauert und als „Symbol
sinnloser Vernichtung“ bezeichnet. Es ist die Rede von einem
„apokalyptischen Feuersturm“ mit „hungrige[m] Schlund“ – eine
deutsche Schuld oder Verantwortung an Krieg und Vernichtung wird
nirgendwo überhaupt nur erwähnt. Denn: „Die Sehnsucht nach
Frieden war es auch, die damals die Frauen zu Tausenden zum
Wiederaufbau Dresdens motivierte.“4 Und eben diese Sehnsucht nach Frieden verhindert augenscheinlich heute die Auseinandersetzung mit Geschichte.
Weiterhin heißt es dort: „Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges
verbinden die meisten jungen Frauen und Mütter die Erinnerung
an den schmerzlichen Verlust ihrer Männer, Väter, Brüder und Söhne,
die der brutalen, das Völkerrecht mit Füßen tretenden
Kriegführung Hitlerdeutschlands zum Opfer fielen.“4 Hier sind also gar die deutschen Soldaten Opfer – nämlich der Kriegsführung.
In dem 27seitigen Pamphlet kommen auch einige Frauen* der
„Erlebnisgeneration“ zu Wort. Charlotte W. beispielsweise
klagt: „Für mich war’s die Strafarbeit für die Familie, weil mein
Bruder in der Partei gewesen war, in der Nazi-Partei. Mein
Bruder war ganz einfaches Mitglied gewesen, weil er studieren
wollte. Das war eben so. Das ist Sippenhaftung gewesen.“ (4) Weitere Schicksalsschläge könnt ihr bei Interesse selbst nachlesen.
Auch die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) führt seit mehreren Jahren eine Kundgebung am Frauen*tag durch. Welcher Ort ist da am naheliegendsten? Richtig, das Trümmerfrauendenkmal. „Neben der Ehrung der Trümmerfrauen mit Blumen am Denkmal wollen wir an diesem Tag daran erinnern, was Frauen heute leisten und leisten wollen.“ (5) (Vorsitzende Dorothee Marth 2010)
Soweit zu Dresden.
In München haben zwei Mitglieder der Grünen im Dezember letzten Jahres die Konsequenz gezogen, das dortige Trümmerfrauendenkmal öffentlichkeitswirksam mit einem braunen Tuch zu verdecken. Das Tuch hatte die Aufschrift „Den Richtigen ein Denkmal, nicht den Alt-Nazis“. Daraufhin brach ein Shitstorm inklusive Morddrohungen los. Argumentativ gingen dabei Nazis, sonstige rechte Frauen* und Männer* sowie Friedens- und Versöhnungs-Freund_innen Hand in Hand – nur eine Menschenkette oder Montagsdemo haben die dort nicht gemacht.
In Dresden wird momentan keine öffentliche Diskussion um
Trümmerfrauen oder auch Täterinnenschaft von Frauen im NS
geführt. Das muss nicht so bleiben. Vielleicht nimmt ja hieran
jemand Anstoß:
Die Trümmerfrauen haben dazu beigetragen, Deutschland ganz
schnell wieder aufzubauen. Dafür haben sie Schwerstarbeit
geleistet. Die Frage ist nur, was daran toll sein soll. Allgemein
sollte sich niemand – für Deutschland oder für irgendeinen
anderen Gedanken – Steine klopfend den Rücken kaputtmachen.
Wer von den Alliierten dazu verpflichtet wurde, sollte froh sein,
dass es sie_ihn nicht schlimmer getroffen hat.
Wir können nicht allen Trümmerfrauen unterstellen, Nazis
gewesen zu sein oder deren Ideen gutgeheißen zu haben. Da das aber
auf so gut wie allen Deutschen zutraf, gibt es absolut keinen Grund
zu glauben, bei den Trümmerfrauen sei es anders gewesen. Dass
sie die Ideen des NS ablehnten, ist die abwegigere
Unterstellung.
Deutsche Frauen waren im Allgemeinen nicht weniger schuld bzw.
verantwortlich als jedes andere Mitglied der
„Volksgemeinschaft“. Dieses „Volk“ hörte am 8.Mai 1945 nicht auf zu
existieren. Wenn auf Montags- oder Samstagsdemos heute gerufen
wird „Wir sind das Volk“, dann ist das ernstzunehmen.
Antisemitische, antiromaistische, rassistische, sozialdarwinistische und völkische Tendenzen müssen bekämpft werden.
Am 08.Mai 1945 half nur militärisches Eingreifen. Was aus feministischer und herrschaftskritischer Sicht heute zu tun ist, darüber müssen wir uns unterhalten.
Kein Frieden dem Volk!
(Der Text wurde als Redebeitrag auf der Demo „08. Mai 1945 Tag der Befreiung – ein Tag zum Feiern“ in Dresden gehalten.)
Zum Weiterlesen:
Ljiljana Radonic 2006
Antifaschistischer Frauenblock Leipzig (AFBL) 2003
Zum Weiterhören:
Radiokollektiv Volume Mascara Murmansk (RVMM) Rubrik „denkmal“,
z.B. Beitrag zur Margit-Fischer-Stiftung :)
- Auch wenn es nicht explizit um Trümmerfrauen gehen wird,
möchten wir in diesem Zusammenhang folgende Veranstaltung
empfehlen: Wir haben Ljiljana Radonic für einen Vortrag nach
Dresden eingeladen. Der Titel lautet „Von weiblichen
Opfermythen. Deutsche Frauenbewegungen und
Antisemitismus“. Er wird am 21.05. um 19 Uhr im kosmotique
(Martin-Luther-Straße 13) stattfinden. Der Eintritt ist frei.
- * Obwohl wir Geschlechterkategorien als Konstruktion erkennen, ist die Zweigeschlechtlichkeit mitsamt ihren „natürlichen“ Zuschreibungen eine gesellschaftliche Realität, mit der wir immer wieder konfrontiert sind. Aus diesem Grund verwenden wir zwar die Bezeichnung „Frauen“, markieren diese aber mit einem Stern.
- http://www.frauenstadtarchiv.de/
- zit. nach Radonic http://jungle-world.com/artikel/2006/21/17545.html
- http://www.frauenstadtarchiv.de/fsa-dresden_broschuere-truemmerfrauen.pdf
- http://www.spd-frauen-dresden.de/index.php?mod=content&menu=90401&page_id=2074
NSDAP im Krieg
Hach ja. Die Polemik liesse sich sicher zugunsten der Verständlichkeit reduzieren. Ansonsten noch ein Hinweis: Einem Bereicht des örtlichen Kreisleiters über den Einsatz seiner NSDAP im Krieg im Duisburger Heimatkalender 1941 zufolge bestand die örtliche NSDAP vor allem aus der NS-Frauenschaft und dem BDM.
Die Kreisleitung bestand "natürlich" aus Männern. Da ist wohl noch viel Forschungsbedarf.
Props
Sehr schöner Artikel, wirklich. Radonic ist dazu wirklich fast schon Standardlektüre und es ist super, dass ihr einen Vortrag organisiert. Beste Grüße.
Fragen im Jahr 2230
Fragender: Was haben die deutsche Frauen im Jahr 2014 in Dresden auf linksunten gemacht?
Göttin: Sie haben Texte geschrieben, über das Jahr 1945, über andere 20 jährige Frauen und den Krieg.
Fragender: Und warum haben sie den ganzen bürgerlichen Laden, der damals täglich 50.000 Kinder umgebracht hat, nicht gestürzt ?
Göttin: Weil sie in diesem bürgerliche Laden prima gelebt haben, und dieser Basis ihres eigenen Dasein war.
Fragender: Waren diese Frauen Täter, passiv handelnde Mitläufer?
Göttin: nein, niemals, sie waren die damalige Vorhut emanzipativer Pharsen.
Eingeschätzter Anteil Nazis
"Wir können nicht allen Trümmerfrauen unterstellen, Nazis gewesen zu sein oder deren Ideen gutgeheißen zu haben. Da das aber auf so gut wie allen Deutschen zutraf, gibt es absolut keinen Grund zu glauben, bei den Trümmerfrauen sei es anders gewesen."
So gut wie alle Deutsche? Sozialdemokrat_innen, Kommunist_innen ... auch Nazis/Sympathisant_innen? Mit solcher Formulierung rhetorisch ins eigene Knie geschossen?
aktuelleres Beispiel Trümmer-Frauentag
Oben wird sich zwar nur auf das Trümmerfrauengedenken der SPD-Frauen am Frauentag 2010 bezogen, aber die Ankündigung für 2014 ist eigentlich noch schlimmer: Es scheint ganz klar: Frauen waren die Opfer des Naziregimes. spd-frauen-dresden.de/index.php?nr=8589&menu=1