[democulture] [B] antirep14 - Gegen das Gepolter und für eine ernsthafte Auseinandersetzung

Berlin antirep14 - Gegen das Gepolter und für eine ernsthafte Auseinandersetzung Oder: Warum es manchmal Sinn macht erst zu denken, bevor geschrien wird.

Wer den 23.03. nicht als subjektiv negativ und allgemein als Niederlage erlebt haben könnte, ohne in Diensten des Staates zu stehen, ist schleierhaft.

 

Das dies ein mieser Tag war steht außer Frage. Ebenso wenig, dass es dringend notwendig ist, diesen Tag, sowie die Wochen zuvor zu reflektieren und sich konzeptionell neu aufzustellen. Bevor unten jedoch Fragen zum Tag selbst und den Konsequenzen gestellt werden, soll doch erst einmal auf die direkten Reaktionen nach der Demonstration und in den nächsten Tagen eingegangen werden.

 

 

Wie schon richtig an anderer Stelle bemerkt wurde: „Mit wem und wann nehmen sich eigentlich einige überhaupt noch die Zeit zu diskutieren“?

 

Diese Frage drängt sich uns angesichts einer Flut an linksunten-Artikeln und Kommentaren teilweise schon kurz nach der gescheiterten 17Uhr Demo auf. Während einige noch auf Gefangene warten, haben andere schon Muße, und vor allem auch die Weisheit, linksunten (und wahrscheinlich das eigene Umfeld) schon mit Tonnen an Schimpftiraden zuzumüllen. Bis auf einige wenige Kommentare können wir bis heute nur wenig wahrnehmen, was dem Anspruch einer durchdachten Kritik gerecht wird. Lesenswert ist zum Beispiel: „Von der Turmstrasse bis zum Moritzplatz“). Auch wenn wir nicht alle Kritikpunkte teilen, so zeigt sich hier zumindest, dass versucht wird sich tiefergehende Gedanken zu machen und diese auch strukturiert zu verarbeiten.

Das geht einem Großteil der restlichen Verlautbarungen zum Thema völlig ab. Immer noch geschockt und frustriert wird sich an die Tastatur gesetzt, um kräftig und heftig abzukotzen.

Und natürlich wird hierbei am Liebsten auf Wen gezielt? Natürlich die Orga.

 

Es liegt uns fern, die Orga hier „in Schutz nehmen“ (was auch immer das heißen mag) zu wollen. Wir teilen z.B. die Auffassung aus dem oben angesprochenen Artikel zur Wahl des Moritzplatzes.

 

Jedoch finden wir es weit über die Grenzen der Albernheit hinaus unerträglich, was für eine Diskussionskultur sich in anscheinend in vielen Köpfen festgesetzt hat. Bei aller Ohnmacht, allem Frust und aller Wut, die auch wir am 22.3. verspürt haben macht es doch oft Sinn sich erst einmal den Kopf frei zu machen und durchzuatmen, bevor besinnungslos in die Tastatur gekloppt wird. Oder – mal so als witzige Idee – vielleicht versuchen mal in persönlichen Gesprächen unter anderem mit der Orga ein differenzierteres Bild davon zu bekommen, warum denn eigentlich an dem Tag was wie schief gelaufen ist.

 

Wir plädieren an dieser Stelle dringend für eine neue Debattenkultur, die geprägt ist von einem ernsthaften, reflektierten und vor allem kontinuierlichem Austausch. Abseits der Kommentarspalten im Internet. Wir begrüßen an dieser Stelle ausdrücklich die Versuche dazu letztes Jahr, wie die Offenen Treffen zur Selbstorganisierung, oder die Diskussionsrunden zur Demonstrationskultur und weisen in offener Sympathie auf die Veranstaltung am 05.04. hin.

 

Zum Tag selbst und seiner weiteren Bedeutung stellen sich uns viele Fragen. Abgesehen zu offensichtlichen Fehlern am Tag selbst, zu denen schon vieles gesagt wurde, von denen wir aber glauben, dass es wenig Sinn macht dies anonym im Internet zu diskutieren, wollen wir ein paar Fragen aufwerfen. Die nachfolgenden Fragen stellen wir explizit sowohl in die Richtung der Organisierenden, als auch aber an Alle die sich nicht aktiv in die Organisation eingebracht haben.

 

„Warum eigentlich wurde die Mobilisierung auf diese Weise betrieben?“

 

Wir können nicht beurteilen, inwieweit sich ernsthaft Mühe gegeben wurde bundesweit zu mobilisieren. So würde es uns z.B. interessieren, wie viel Energie in das Ansprechen bundesweiter Strukturen (z.B.: UG, IL, FdA, Antifa-Netzwerke) geflossen ist, wie viele Plakate und Infoflyer, wie viele Mails bundesweit an Gruppen rausgegangen sind. Auch nicht wie viele Versuche es gab, bundesweit Veranstaltungen zum Thema zu halten.

 

Was wir aber wahrnehmen und bewerten können, ist die Art der Mobilisierung und hier sehen wir ganz klar eine große Schwäche in der Vorbereitung. Deren Fehler ist allerdings nicht alleine bei der Orga zu suchen.

 

Wir zählen auf der antirep-Seite genau zwei kreative Aktionen, die diesen Namen verdienen, dazu zwei Kundgebungen im Vorfeld und über ein Dutzend militanter Aktionen. Damit ist für uns eines sonnenklar: Nicht die Orga und die prollhaften Aufrufe im Vorfeld alleine sind schuld daran, dass der Fokus auf einen radikalen Kampfcharakter gelegt wurde und alleine deswegen vielleicht schon viele nicht gekommen sind, die das Thema eigentlich auf die Strasse gebracht hätte.

Alle und zwar alle sind gemeinsam dafür verantwortlich, welches Bild durch Aktionen vorher gezeichnet wird. Wenn sie Aktionen machen – aber auch, wenn sie ihren Arsch eben nicht hochbekommen haben – sei es zur Organisation einer Mobiveranstaltung, zum Verfassen „besserer“ theoretischer Hintergrundartikel, oder eben für andere, die Mobilisierung anfeuernde Maßnahmen. Wer jetzt alleine über die (zugegeben auch uns nicht schmeckenden) Aufrufe lästert, sollte sich an die eigene Nase fassen und sich überlegen, warum nicht auf andere Weise selbst etwas dazu beigetragen wurde.

 

Genauso verhält es sich unserer Meinung auch einfach mit viel anderer Kritik an der Orga. Die Orga war kein total anonymer Kreis, der aus dem Nichts entstand.

 

Monate im Voraus wurden Mails verschickt und zu mehreren offenen Vorbereitungstreffen eingeladen. Alle, die jetzt meckern, fragen wir, inwieweit sie sich dort eingebracht haben. Diese fragende Kritik wollen wir stellvertretend für Alle gerade auch an die großen Bündnisse richten: Warum ist es bei einem solchen Thema zu überhaupt keiner merkbaren Äußerung geschweige denn Beteiligung gekommen?

 

Repression geht uns alle an! Und zwar nicht erst, wenn etwas komplett in die Hose gegangen ist.

 

 

„Was sollte das Rumgeprolle?“

 

Das ist allerdings eine Frage, die wir direkt an die Orga richten: Warum und wieso wurde die angemeldete Nachmittagsdemonstration auf diese Weise beworben und angekündigt? Das der Staat und seine Schergen es nicht hinnehmen werden, einer offensiven Kampfansage dementsprechend zu begegnen, lag doch von Anfang an auf der Hand.

Wir lehnen angemeldete Demonstrationen überhaupt nicht ab. Im heutigen Kräfteverhältnis machen sie unserer Meinung nach Sinn, sofern sie auch aus taktischen Kalkül mit einer entsprechenden Intention gemacht werden. Beides kann hierbei ja wohl nicht sein, möglichst nur den „radikalen Kern“ in eine wochenlang angekündigte Konfrontation mit den Bullen zu deren Bedingungen zu führen.

Wir hätten uns gewünscht und eigentlich auch erwartet, dass die Demonstration am Nachmittag deeskalierend dazu genutzt wird, Inhalte auf die Straße zu bringen, um den Abend dann für andere Aktionsformen nutzen zu können. Das setzt allerdings auch voraus, dass mensch sich dementsprechend taktisch verhält – sehe ich eine angemeldete Demonstration als sinnvoll an, dann sollte ich auch den taktischen Weg gehen, um dieses Mittel meinen Zielen gemäß zu nutzen. D.h. für uns nun mal auch, sich mit den Bullen vorher auf die beschissenen Kooperationsgespräche einzulassen – Das reflexhafte Festhalten an Ideologie halten wir an dieser Stelle für falsch. Nicht anders können wir uns jedoch erklären, warum sich dann nur teilweise auf das Spiel eingelassen wird: Wenn ich nicht nach ihren Spielregeln spielen will, dann melde ich auch nicht an.

 

Wie gesagt plädieren wir für ein taktisches Verhältnis zu Anmeldungen: Diese können Sinn machen, wenn mit der Demonstration ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. Dann müssen halt aber auch ein paar Dinge hingenommen werden.

 

So ist es ehrlich gesagt einfach nur peinlich gewesen – Peinlich gegenüber den Bullen und der bürgerlichen Öffentlichkeit, peinlich vor allem auch gegenüber den eigenen Genoss_innen, die teilweise von weit weg anreisten und die für die nahe Zukunft deutlich die Lust auf „Berliner Demos“ verloren haben dürften.

 

„Was sollte das denn Abends bitte werden?“

 

Diese Kritik richtet sich wieder an alle gemeinsam:

An die Orga deshalb, weil losgelöst von Dingen, die vielleicht außerhalb ihrer Kontrolle liegen, das Konzept einfach Unsinn war. Dazu ist genug gesagt worden und muss an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Allerdings ist auch anzumerken, dass anscheinend keine_r sich wirklich auf ein solches Szenario vorbereitet hatte.

Wie sonst lässt es sich erklären, dass es keine Kleingruppenaktionen, oder Versuche woanders etwas zu starten gegeben hat?

Wir sprechen uns hier dringend für eine bessere Vorbereitung im Allgemeinen und vor allem eine stabilere und dynamische Vernetzung von Bezugsgruppenstrukturen aus.

 

„Kommt zusammen“

Die antiautoritäre und die linke Bewegung sind vor allem gut darin sich untereinander niederzuschreiben und zu kritisieren. Wer diesen Zustand mag, soll sich weiter in privater Runde am Kneipentisch oder in den anonymen Kommentarspalten des Internets bewegen und sich dort gegenseitig in eigener Weisheit bestärken.

Wir hoffen auch weiterhin viele Gefährt_innen zu finden, mit denen es möglich ist sich auf Augenhöhe und mit gegenseitiger Solidarität zu begegnen. Wer dies auch so empfindet, kann mit uns gemeinsam dem Aufruf der Genoss_innen zur offenen Versammlung folgen.

 

Wir sehen uns...

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Die Offenen Treffen und die Democulturetreffen sind doch von diesem Jahr und nicht von letztem Jahr (ist eig. aber egal)

 

2. Punkt: Es gab zwar eine Kampfansage, aber ob wir wirklich hätten laufen können, wenn es zur 17 Uhr demo nicht so konfrontativ geklungen hätte erscheint mir fraglich. Ein stoppen der Demo wegen Vermummung ist immer drinn, denn die erscheint mir und anderen wichtig und weit verbreitet, egal ob sonderlich konfrontative Ankündigungen oder nicht.

Natürlich hätte eine andere Ankündigungsgangart und Mobidynamik vielleicht für mehr Leute gesorgt, was wiederrum dazu geführt hätte, dass auch Vermummung kein Problem für die gesammte Demo (und der_die einelne) ist (siehe 1.Mai)...

 

Guter Text der die richtigen Fragen stellt.

"Niederlage" ja? Ein "Sieg" währe besser gewesen in der "Schlacht"?

 

Ich fänds irgendwie knorke wenn solche militärischen Begrifflichkeiten endlich aus der radikalen Linken verschwinden würden, sonst komm ich mir immer so Paradox vor als antimilitarisitischer Mensch.

 

Hat ja auch irgendwie etwas mit Democulture zu tun, Demonstrationen immer als "militärische Schlacht" gegen die Cops respektive den Staat zu sehen und diese dann auch immer auf militärische Art auszuwerten("Sieg", "Niederlage", "Strategie" und so weiter).

"Niederlage" ist sicher kein genuin militärischer/militaristischer Begriff. Der 22.3. war selbstverständlich eine Niederlage und zwar eine politische, keine militärische. Was mich am Text viel mehr stört ist die unreflektierte Verwendung der Wörter 'Proll' und 'rumgeprolle'. Das sind Begriffe die eindeutig dem Vokabular eines von oben geführten Klassenkampfes entstammen. Eine radikale Linke die sich in dieser Art und Weise auf Proleten/Proletarier/angehörige der Unterschicht bezieht hat keine Perspektive. Ich empfehle den Autor_innen dringend die Lektüre des Artikels 'Dumme Hellersdorfer Nazi-Prolls' erschienen in der aktuellen Ausgabe vom Antifaschistischen Infoblatt (Nr. 102 - online im Augenblick leider noch nicht verfügbar). Den inhaltlichen Punkten kann ich mich ansonsten weitgehend anschließen, ich Teile auch die Kritik an dem, was mit 'rumgeprolle' wohl gemeint war - für die Zukunft schlage ich als (bewährten) Begriff 'rumgemacker' oder 'mackermilitanz' vor :)

viel besser, weil "macker" bzw. "mackermilitanz" ne messerschafe begrifflichkeit ist, absolut frei vom verdacht, beliebig oder inhaltlich schwammig zu sein. gibts hier noch mehr so'n bewährtes szene-abc?