Zum zweiten Mal findet am 24. Jänner 2014 der Akademikerball der Wiener Burschenschaften in der Hofburg statt. Die Veranstaltung ist das Nachfolgeprojekt zum WKR-Ball, der vor zwei Jahren aufgrund mangelnder Abgrenzung zum Rechtsextremismus von den Hofburg-Betreibergesellschaften abgedreht wurde. Auch heuer wird der Ballabend wieder von der FPÖ Wien ausgerichtet, die schon letztes Jahr – unter dem Deckmantel ihres parlamentarischen Schutzes – für den medial angekratzten Korporationsring einsprang.
Es scheint also, als
würde sich der gleiche rechtsextreme Ballabend wie jedes Jahr in
der alten Kaiserresidenz ankündigen. Doch sind sehr wohl Kratzer
im korporierten Lager wahrzunehmen.
Am augenscheinlichsten ist wohl das abgestürzte Interesse für
den Ball im burschenschaftlichen Milieu. Waren nach
Eigenangaben des Dachverbandes in der Vergangenheit bis zu
2.000 Besucher_innen zum strammen Rechtswalzer geströmt,
registrierte die Polizei am letzten Ball nur mehr rund 700 Gäste.
Zu den Gründen hierfür dürften auch interne Verstimmungen
zählen. So ist die Anmeldung durch die FPÖ nicht auf ungeteilte
Begeisterung in Verbindungskreisen gestoßen. Vielmehr dürfte
die misslungene Mobilisierung zum umbenannten WKR-Ball
jedoch auf das mittlerweile ramponierte Image des Balls und deren
Besucher_innen innerhalb und außerhalb der Grenzen
Österreichs zurückzuführen sein. In den zurückliegenden
Jahren wurde nämlich – dank kontinuierlicher Kampagnenarbeit
von Antifaschist_innen – in immer breiterem Ausmaß deutlich um
was für ein Treffen es sich dabei handelt.
Krise in Europa – Europa in der Krise
Der Akademikerball ist nicht nur das festliche Highlight der
größten deutschnationalen Vereinigung Österreichs, sondern
auch ein fester Termin für europäische Rechtsparteien. Dass dies
nicht nur eine Unterstellung der „linkslinken Jagdgesellschaft“
ist, verdeutlicht ein Treffen nationalistischer Parteien im
Jahr 2008. Das „Arbeitstreffen von patriotischen Parteien hier
in Wien“ (FPÖ-Europaabgeordneter Mölzer) sollte damals die
Weichen für eine geeinte europäische Rechtspartei zur darauf
folgenden Europawahl stellen. Das Treffen von FPÖ, Front
National (Frankreich), Vlaams Belang und (Belgien) Ataka
(Bulgarien) fand nur wenige Stunden vor dem damaligen WKR-Ball
statt. Der Ballabend an sich mag sich tatsächlich unpolitisch
präsentieren. Die anwesenden politischen
Funktionsträger_innen und deren Netzwerkarbeit sind dies jedoch
mitnichten. Auch wenn die damalige Rechtsblockbildung
letztlich scheiterte, sehen sich heute rechte und rechtsextreme
Parteien in einer Zeit der ökonomischen Krise so stark im Aufwind,
wie schon lange nicht mehr. Die kommenden Europawahlen im Mai
werden aller Voraussicht nach den Parteien mit reaktionären und
autoritären Krisenantworten ein deutliches Plus
verschaffen. So verwundert es auch nicht, dass sich erst im
vergangenen November wieder Europas rechte Eliten in Wien zum
Netzwerken trafen. Dieses Mal nahmen neben Front National und
Vlaams Belang zudem die Schwedendemokraten, die slowakische
Nationalpartei und die Lega Nord (Italien) an dem von der FPÖ
initiierten Treffen teil. Gemeinsam mit der Partij voor de
Vrijheid (Niederlande) von Geert Wilders soll diesem
nationalistischen Zusammenschluss die Bildung einer
eigenständigen Rechtsfraktion im neuen Europaparlament
gelingen. Die Parteien dürfen sich durchaus berechtigte
Hoffnungen machen, gestärkt aus der Wahl hervorzugehen. Die
gegenwärtige Krise spielt ihrer reaktionären und autoritären
Stimmungsmache in die Karten.
Denn in der verschärften Konkurrenzsituation ökonomischer Krisen bieten nationalistische und rassistische Parteien dem (Wahl-)Volk ein vermeintlich verlockendes Versprechen: Der erwirtschaftete Wohlstand soll einem möglichst kleinen, abgeschotteten nationalen Kollektiv vorbehalten bleiben. Ausgeschlossen werden sollen Geflüchtete, Arbeitsmigrant_innen, ökonomisch abgestürzte Staaten, sowie „Brüssel“ und nicht näher benannte „Spekulanten“. Zu spüren bekommen das am stärksten jene Menschen, die versuchen von einem anderen Kontinent nach Europa zu immigrieren. Während Frontex die EU-Außengrenzen abschottet, zementieren Abkommen wie die Dublin-Verordnung den gesetzlichen Rahmen. Vervollständigt wird der rassistische Staatsapparat von menschenunwürdigen Unterkünften, einer marginalen Anerkennungsquote und einer rassistischen Exekutive.
Bei den österreichischen Staatsbürger_innen löschen hingegen der Futterneid um ein paar Euro Monatsgehalt und die Angst um Pensionsansprüche jeden Funken von Solidarität aus. Die Hoffnung der von Absturzangst geplagten Österreicher_innen besteht darin, sich durch Abschottung und Ausgrenzung nach außen die letzten übrig gebliebenen Privilegien eines Sozialstaates zu sichern. Gleichzeitig zu dem Ausschluss aus dem nationalen Kollektiv gibt es aber noch einen Ausschluss innerhalb des Kollektivs. Dieser betrifft vor allem Frauen, Erwerbslose und sozial benachteiligte Gruppen. Während Migrant_innen generell der Zugriff auf gesellschaftliche Ressourcen verwehrt werden soll, wird den Ausgeschlossenen im Kollektiv ein gewisses Maß an Privilegien zugestanden. Doch bekommen diese Gruppen es als erste zu spüren, wenn es gilt „den Gürtel enger zu schnallen“. So sinkt in Phasen der ökonomischen Abwärtsbewegung primär die Erwerbsquote von Frauen, die soziale Absicherung von prekär Beschäftigten wird fortlaufend demontiert, während Arbeitslose zu immer unsinnigeren Zwangsmaßnahmen verpflichtet werden.
This is a man’s world
Vergleichsweise gut kommen in dieser Konkurrenzsituation
hingegen akademisch gebildete, weiße Männer mit
österreichischem Pass und sehr guten Kontakten in Wirtschaft,
Verwaltung und Justiz davon. Genau das ist das Bild, das
Burschenschaften nach außen hin vertreten. Wer bei so einem Verein
mitmacht, kommt schon nicht unter die Räder, mag sich so mancher
Pennäler und Jungfux denken. Zudem vermitteln Korporationen
hegemonial männliche und patriarchale Werte und
Verhaltensmuster, die in der kapitalistischen
Ellbogengesellschaft von Vorteil sind: Härte, Stärke,
Disziplin, Gehorsamkeit, Mut und Leidensfähigkeit sind nur
einige soldatisch-männliche Werte von Korporationen, die in
der permanenten Arbeitsmarktkonkurrenz den Weg auf der
Karriereleiter ebnen sollen. Auf die übersteigerte
Maskulinität des Männerbundes folgt allerdings postwendend
die homophobe Abwehr des Gedanken Männer könnten auch Männer
(bzw. Frauen könnten Frauen) lieben. Die Heteronorm bleibt das
Maß aller Dinge. Alles was aus dem traditionalistischen
Geschlechter- und Familienbild herausfällt wird
pathologisiert und ausgegrenzt.
Dies wird ergänzt durch ein Frauenbild, das in etwa aus dem Jahre
1848 stammt. Während Männern alle soldatischen Werte
zugeschrieben werden, wird Frauen prinzipiell abgesprochen
sich selbst behaupten und verteidigen zu können – sowohl
physisch, als auch intellektuell. Argumentiert wird dies
biologistisch: Der Körper und der Geist von Frauen sei Männern
gegenüber unterlegen und deshalb auch weniger produktiv und
leistungsfähig. Anhand solcher Behauptungen lässt sich in
weiterer Folge umso leichter sozialer und ökonomischer
Ausschluss rechtfertigen. Im Gegensatz zu den Männern bestehe
die Aufgabe von Frauen in erster Linie darin, emotionale,
zwischenmenschliche und erzieherische Tätigkeiten zu
verrichten. Besonders deutlich werden diese
Geschlechterrollen, wenn sich Burschenschaften einmal
„frauenpolitisch“ äußern. Zu diesem Thema lassen sie dann
Barbara Rosenkranz über die „Gender-Mafia“ in Brüssel
referieren. Weiters würde der Geburtenrückgang in der EU zum
Untergang des Abendlandes führen, während (vor allem
muslimische) Migrantinnen Kind um Kind bekämen. Zu
verantworten hätten dies alles Feministinnen, Homosexuelle
und kinderlose Karrierefrauen, denen ihr Egoismus wichtiger
wäre als ihr Volksauftrag Kinder zu bekommen.
Emanzipatorische Inhalte sehen wahrlich anders aus…
Just another brick in the wall
Gemessen an der Gesamtheit der sozialen Verhältnisse ist der
Akademikerball nur ein Steinchen in einer riesigen
reaktionären Mauer. Daher ist es immer wichtig, die Relevanz und
den Stellenwert eines solchen Events im Vergleich zu anderen
politischen Entwicklungen im Auge zu behalten. Es ist richtig,
dass der Akademikerball ein festliches Highlight
deutschnationaler Korporationen und europäischer
Rechtsparteien darstellt. Gleichzeitig gilt es aber
festzuhalten, dass der Ball – insbesondere durch die
jahrelange Kampagnenarbeit antifaschistischer Kräfte –
schon deutlich an Ausstrahlungskraft und Stellenwert verloren
hat. Das kann durchaus als Erfolg der letzten Jahre anerkannt
werden. Dem WKR-Ball wurde schon einmal der Verbleib in der Hofburg
aufgekündigt. Und was einmal geklappt hat, kann ein weiteres Mal
klappen, wenn die entsprechende Bereitschaft und
Entschlossenheit dazu vorhanden ist.
Es gibt mehr als genügend Themen für eine emanzipatorische Linke, für die es zu streiten gilt. Der Akademikerball ist so gesehen „just another brick in the wall“. Umso wichtiger ist es, diesem Event, das sich seit Jahren in der Defensive befindet, noch einmal ein deutliches, politisches Signal zu senden, auf dass dieses rechtsextreme Treffen künftig ein für alle mal der Vergangenheit angehört.
NOWKR DEMONSTRATION
24.01.2014 17:00
Wien Mitte | Landstraße
den Wiener Akademikerball unmöglich machen!
Den Burschenschaftern die Show stehlen!
Am 24. Jänner ist es wieder so weit. Das alljährliche Spektakel der extrem rechten Burschenschaften des Wiener Korporationsrings (WKR) und ihren Parteifreund*innen der FPÖ steigt in der Wiener Hofburg. Auch nach der Umbenennung in Akademikerball bleibt der Ablauf der Gleiche: eine selbsternannte Elite aus Österreich und Europa gibt ihr Stelldichein. Wir haben entschieden etwas dagegen!
Die extreme Rechte in Europa befindet sich im Aufwind. Die rassistische Hetze gegen Geflüchtete und vermeintliche „Armutsmigration“ etwa aus Rumänien oder Bulgarien nimmt ebenso zu wie Übergriffe und Pogrome gegen Roma. Das autoritäre Krisenregime mit seiner Austeritätsideologie, die radikale Umverteilung von Unten nach Oben, hinterlässt deutlich seine Spuren. Abstiegsängste in Zeiten permanenter Krisenhaftigkeit sind auch in den reichen EU-Mitgliedsstaaten wie Österreich und Deutschland allgegenwärtig. Es ist genau jene Stimmung, die Parteien wie die FPÖ in Europa für sich nutzen wollen. Die Europawahlen im Mai haben sie dafür fest im Blick.
Kein harmloses Treffen
In diesem Kontext wird auch deutlich, warum am 24. Jänner nicht einfach nur ein Ball ewig gestriger narbengesichtiger Burschen und ihrer alten Herren in Wien stattfindet. Der Akademikerball ist ein repräsentatives Treffen der extremen Rechten weit über Österreich hinaus, es dient der Schaffung einer gemeinsamen Identität, Kontakte werden gepflegt und Absprachen getroffen. Es ist das Fest einer männerbündischen Seilschaft, deren politische und gesellschaftliche Agenda eine ernstzunehmende Bedrohung für jede Form von Emanzipation, Gleichberechtigung und sozialer Gerechtigkeit ist. Diese Seilschaft aus Burschenschaften und FPÖ, so haben die Nationalratswahlen 2013 wieder gezeigt, ist alles andere als eine gesellschaftliche Randerscheinung. Ein Zuspruch von mehr als 20% der abgegeben Wähler*innenstimmen spricht eine deutliche Sprache.
Demonstrieren, Blockieren, Markieren!
Wir nehmen nicht hin, dass der Akademikerball ungestört stattfinden kann. Dabei reicht es uns nicht aus, nur dagegen zu demonstrieren. Wir wollen konkret den Ablauf der Veranstaltung stören. Mittels einer Blockade werden wir den Zugang zur Hofburg erschweren und unseren Beitrag dazu leisten, dass an einen reibungslosen Ablauf des Akademikerballs auch in diesem Jahr nicht zu denken ist. Unsere Blockade ergänzt sich dabei solidarisch mit dem Blockadekonzept der Offensive gegen Rechts, die schon im letzten Jahr mit erfolgreichen Blockaden für eine erhebliche Beeinträchtigung des Akademikerballs sorgen konnte.
Unser Demo-Block und unsere Blockade sind offen für alle, die sich gemeinsam mit uns den Burschenschaftern und ihren Parteifreund*innen in den Weg stellen wollen. Wir sind solidarisch mit allen Aktivist*innen, die den Burschenschaftern an diesem Tag die Show stehlen. ¡No pasarán! – Sie werden nicht durchkommen! Markieren wir sie und die Orte ihrer Hetze!
Kommt zu unserem Block auf der NOWKR-Demonstration!
Freitag, 24. Januar 2014 | 17 Uhr | Landstraße | Wien Mitte
Beteiligt euch an unserer Blockade im Anschluss der Demonstration! Achtet auf die pinken Fahnen!
Interventionistische Linke Wien