Kommunismus - Von einer guten Idee und ihrer realsozialistischen Umsetzung

Kommunismus – Von einer guten Idee und ihrer realsozialistischen Umsetzung

Veranstaltung mit Renate Hürtgen und Elfriede Müller

Freitag, 8. November, 20 Uhr Strandcafé, Grethergelände, Adlerstr. 12, Freiburg

Veranstalter: Archiv Soziale Bewegungen, Grethergelände Freiburg

(Unterstützt von Zündstoff – Fair Organic Clothing)

 

Als am 9.November 1989 die Mauer fiel, ging eine Epoche zu Ende: Das Sozialismusmodell, das mit der Oktoberrevolution politische Realität angenommen hatte, mußte nach rund 70 Jahren seinen Bankrott erklären. Dies hätte für die antikapitalistische Linke in Ost und West eine Chance sein können, den Ballast des Marxismus-Leninismus abzuwerfen. Der Epochenbruch hätte dazu genutzt werden können, eine Diskussion über Alternativen zu beginnen, in der die antiautoritäre Linke im Westen von der linken Opposition im Osten genauso hätte lernen können wie auch umgekehrt. Doch diese Chance wurde nicht genutzt. Auch ein Vierteljahrhundert nach diesen Ereignissen existiert nach wie vor kein gegenseitiges Verständnis, ja noch nicht einmal eine vernünftige Debatte zwischen Ost- und Westlinken jenseits der sozialdemokratischen Partei mit dem anmaßenden Namen Die Linke. Mit dieser Veranstaltung wollen wir versuchen, diese Sprachlosigkeit etwas aufzubrechen. Im vergangenen Jahr hat in Berlin eine Diskussionsreihe stattgefunden, in der Diskutierende aus unterschiedlichsten linken Zusammenhängen sowohl des Ostens wie des Westen gemeinsam die Frage „Was tun mit Kommunismus?“ aufgeworfen haben (die Redebeiträge sind inzwischen in einem Sammelband mit dem selben Titel veröffentlicht worden).

Zwei der Berliner Diskutantinnen haben wir eingeladen, diese Debatte am Vorabend des 9.November fortzuführen: Aus der ehemaligen DDR Renate Hürtgen, die sich nicht nur in der DDR oppositionell betätigte, sondern auch über ein profundes Wissen über die Sozialgeschichte der DDR verfügt. Aus der Westlinken Elfriede Müller, deren Weg von Mainz nach Berlin, wo sie heute bei der jour fixe initative aktiv ist, unter anderem über Paris und auch Freiburg führte.

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Die Platitüde von der „guten Idee des Kommunismus“ rekurrierend,  fordert die post- wie restsituationistische Linke retrospektiv die Lossagung vom vermeintlichen Ballast des Marxismus-Leninismus. So gibt sie ihr Plazet zur prävalenten Sinnesart, welche zwar die Akkreditierung  des Leitmotivs der Kommunisten nicht scheut, jedoch der trivialen Ergänzung  von der „Undurchführbarkeit“ der zugrundeliegenden Idee nicht entbehren kann. Da sie die Komplettierung jenes allzu durchsichtigen Klischees durch den Gemeinplatz von der naturgemäßen Egozentrik der Kreatur nicht wagt, da diese den eigenen Utopie-Transfer torpedieren würde, muss ein ungenutztes Potential ausgemacht werden, welche die Chance zu einer epochalen Erneuerung der Linken unter Abnahme ihrer einzigen Waffe, nämlich des Klassenkampfes, ermöglicht oder zumindest in der Rückschau  ermöglicht hätte. Der alte Hut vom dritten Weg muss also erneut  imaginiert werden, um den unerlässlichen Nachweis zu erbringen, dass die Ost-Linke vor 1989 zwingend exklusiv der SED zu verorten sei. Um dem Verdacht vorzubeugen, die eigene Dissidenten-Biographie könne als Kollaboration mit dem Kapital beurteilt werden, was wenn schon nicht des Willens, so doch zumindest des Effektes nach bejaht werden könnte, improvisiert man eine Scheinradikalität, welche fiktiv  über die realen Verhältnisse hinausweist, in Wirklichkeit aber eben zur Zementierung derselben beiträgt.
Denn die Denunziation des Marxismus-Leninismus als putativ gestrige Idee, welche in der Tradition deutscher antikommunistischer Aufwiegelung als Bürde charakterisiert wird, soll zum Einen verblümen, dass die Neue Linke eben auch so neu nicht mehr ist, sich aber gerade in dem um die behauptete friedliche 89er Revolution (Eine Frechheit!) kreisenden Sozialismus-Diskurs  noch als modisch, oder zumindest als noch nicht verwest verkaufen kann, und hierzu konvenabel die einstweilen nach Esoterik schmeckende kalte antiautoritäre Suppe wieder aufwärmen, sowie zum Anderen das nur links gefirnisste Bekenntnis zur Einsicht in die Undurchführbarkeit des Sozialismus wiederkäuen. So trägt jene Strömung, welche in Abgrenzung zum Sozialismus in der Tat nur eine Idee repräsentiert, zur herrschaftsstabilisierenden Entsorgung der real genutzten Waffen der Verdammten dieser Erde bei, was ganz im Sinne reaktionärer Geschichtsschreibung sein dürfte.