Köln: Bericht vom 2. Verhandlungstag im Gerichtsprozess gegen vermeintliche*n Hausbesetzer*in

Gerichte sind zum Essen da!

+++ 2.Verhandlungstag ++ doppelte Kontrollen zum Saal ++ Rauswurf eine*r Zuschauer*in ++ kein Urteilspruch +++

HINTERGRUND: Am 2.3.2012 kam es in Köln-Mülheim zu einer Hausbesetzung, die bereits am nächsten Tag endete. Nun muss sich ein*e vermeintliche*r Hausbesetzer*in vor Gericht wegen Hausfreidensbruch verantworten, da die Person beschuldigt wird an ihr beteiligt gewesen zu sein. Zur Verhandlung kam es, weil ein vorausgegangener Strafbefehl nicht akzeptiert wurde.

 

Bericht vom 1. Verhandlungstag 



 

Der 2. Verhandlungstag:

 

Der Prozess begann mit einer Viertelstunde Verspätung um 11:45 im Sitzungssaal 2.

Neben der üblichen Eingangskontrollen kam es im Vorfeld der Verhandlung zu verschärften Kontrollen basierend auf gewissen "Sitzungspolizeilichen Anordnungen" durch Richter Wettich, welche unter anderem vorgaben, dass Menschen nur durch Vorlage ihres Personalausweises oder Reisepass (von welchem im Anschluss eine Kopie erstellt wurde) und erneuter Taschen-und Körperkontrollen den Sitzungssaal durch eine Schleuse über Saal 35 betreten dürften. Außerdem wurde angeordnet, dass die Anzahl der Zuhörer*innen beschränkt ist und mindestens 6 Wachtmeister anwesend sind. Von dieser repressiven Anordnung, die offensichtlich von vornherein den*die Angeklagten und die kritischen Beobachter*innen einschüchtern sollte und für die es bisher keine rechtfertigende Anhaltspunkte gab, waren Vertreter der Staatsanwaltschaft, Pressevertreter und Polizeibeamte ausgeschlossen.

 

Da durch dieses Vorgehen die Teilhabe der Öffentlichkeit nicht gewährt wurde stellte der*die Angeklagte umgehend einen Antrag, dies zu korrigieren und auch alle Menschen, die keinen Ausweis zeigen konnten oder wollten in den Saal zu lassen.

 

Der Antrag wurde größtenteils abgelehnt (nur eine Vertrauensperson der*des Angeklagten durfte den Saal ohne Ausweis betreten) und der 2. Verhandlungstag nahm seinen Lauf, übrigens mit neuem Richter und neuer Staatsanwaltschaft, als noch im 1. Verhandlungstag.

 

Nachdem sich alle Anwesenden bei Erscheinen des Richters erheben mussten um seiner Autorität gehorsam zu zeigen, stellte der*die Angeklagte einen Antrag die heuchlerische Geste des scheinbar respektvollen sich Erhebens verweigern zu können. Dabei hatte sich Richter Wettich so viel Mühe gemacht von Anfang an "die Fronten klarzustellen"...

Der Antrag wurde mit der Begründung der „jahrhunderte alten Tradition“ abgelehnt, der Staatsanwalt warf dem*der Angeklagten Prozessverschleppung vor. Ein Antrag auf Ablehnung des Richters folgte, da er nicht aufhören wollte, alle Anwesenden zu seiner „Ehrerbietung“ zu zwingen. „Dieses Machtgehabe ist gewollt, um zu zeigen, wem das Gewaltmonopol gehört. Das Ritual des Aufstehens produziert ein Bild, das die Gefühle, Einstellungen und Emotionen der beteiligten Menschen nicht realitätsgetreu wiedergibt. Vielmehr soll eine Illusion aufrecht erhalten bleiben, die „unseren Staat“ und seine Machtorgane legitimieren soll. Wie die Realität hingegen aussieht und was die beteiligten Menschen wollen, wird dabei ausgeblendet.

 So ein kurzer Ausschnitt aus der Begründung des Ablehnugsgesuchs.

 

Der Staatsanwalt hielt das für „Blödsinn". Trotz dieser und anderer im Laufe des Prozess getätigten beleidigender Äußerungen des Staatsanwalts gegenüber der*des Angeklagten, wie z.B. dass die Anträge der*des Angeklagten "hirnrissig" und ihre*seine Weltanschauung "abstrus" sei, wurde dem Antrag auf seine Absetzung auch nach einer kurzen Pause nicht stattgegeben. Da half natürlich auch nicht dem Richter zu erklären, dass beleidigende Staatsdiener*innen während des Prozesses einschüchternd wirken können und einem fairen Prozess entgegenstehen. Doch der weitere Verlauf zeigte, dass Staatsanwalt und Richter Wettich offenbar keinerlei Interesse an einem fairen Prozess haben und dass es mit der sogenannten „Waffengleichheit“ zwischen Angeklagten und Staatsanwaltschaft nicht weit her ist, die in laut der Strafprozessordnung jeden Gerichtsprozess kennzeichnen würde. Die Behauptung, es gäbe „Waffengleichheit“ vor Gericht ist natürlich enorm zynisch, da es im Kapitalismus keine Waffengleichheit gibt, schon gar nicht zwischen Leuten die einen Repressionsapparat hinter sich wissen und Leuten, gegen die er sich stellt.

 

Nach ca. 15 Minuten Unterbrechung um über die Ablehnung des Richters zu entscheiden gewann die Verhandlung mit dem Richter an Fahrt und auch die Stimmung im Publikum heizte sich ein wenig auf, was Ausdruck in Zwischenrufen und Bemerkungen fand.

Die kritische, aufrührerische Stimmung im Publikum versuchte Wettich zu ersticken indem er ankündigte, jeden Zwischenruf mit einem Rausschmiss zu kontern, was dann auch mehr oder weniger konsequent passierte. Respekt und Ehrerbietung hat er sich damit natürlich nicht erlangt und auf verschiedene Wege wurde ihm das auch deutlich gemacht.

 

 

Auch wurde dem Antrag auf Überprüfung der Anwesenheit von Zivilpolizist*innen und deren Entfernung aus dem Saal nicht nachgegangen, mit dem Kommentar die Öffentlichkeit wahren zu wollen.

 

Es kam zu einem weiteren Ablehnungsgesuch gegen Wettich, da dieser den*die Angeklagte*n und ihre*seine Lebenumstände nicht kennt, sich aber scheinbar einbildet über diese*n urteilen zu können.

Hierzu wollte sich der Staatsanwalt dann nicht mehr äußern, aus der Sorge heraus den*die Angeklagte*n erneut beleidigen zu können. Dennoch machte er bemerkbar, dass er den*die Angeklagte*n nicht ernst nahm, da er ihm*ihr wiederholt vorwarf den Prozess verschleppen zu wollen.

 

Nach einer zehnminütigen Pause ging es endlich weiter...


Nach der Personalienabfrage des*der Angeklagten wurde die Anklageschrift verlesen und die*der Angeklagte konnte Stellung dazu beziehen.

Nach spannenden und für einige der Anwesenden im Saal sicherlich auch lehrreichen 15 Minuten in denen es um Krieg und scheinbaren Frieden in Bezug auf Deutschland und die Deutz AG ging, um Wohnungsnot in der BRD und die fortschreitende Gentrifizierung in Köln, die Kriminalisierung von wohnungslosen Menschen und dem „verantwortungsbewusstem, ethisch einwandfreiem und rechtmäßigem Handeln“, welchem sich die Deutz AG nach eigenen Angaben verpflichtet haben will, während leerstehende Gebäude sie jahrelang nicht bekümmern, zumindest so lange nicht, bis Leute kommen und sie nutzen wollen – dann wird die Deutz AG plötzlich lebendig und

versucht die Leute mit Repression zu überziehen. Zudem wurde das Verhältnis der Deutz AG zum Frieden entlarvt. So wurde erörtert, dass die Deutz AG 1936 in Fusion mit Magirus Ulm der größte Arbeitgeber in Ulm war und als „kriegswichtig“ eingestuft wurde. Dadurch bezog die Deutz AG 2000 KZ-Inhaftierten als Zwangsarbeiter*innen, die für Sie arbeiten mussten.

 

Die*der Angeklagte benannte noch weitere Herrschaftsverhältnisse und stellte klar, dass das ganze Justizsystem entgegen all der leeren Versprechungen nicht in seinem Interesse handelt und dass sie*er es komplett ablehnt und beendete die Stellungnahme mit der Ankündigung, sich nicht zur Sache (also der zur Last gelegten Tat) äußern zu wollen.

 

Im Anschluss kam es zur Anhörung der drei geladenen Zeug*innen, von welchen eine noch nicht einmal beim vorgeworfenen Tatzeitpunkt vor Ort war, sondern lediglich das sagen konnte, was in der Akte stand, da sie schlicht und einfach im Computersystem der Polizei als Sachbearbeiterin zuständig war.

Auch die beiden anderen Zeugenaussagen waren nicht gerade aufschlussreich über das was geschehen sein soll, weshalb die Anhörung schon nach 20 Minuten zu Ende war.

Aufgrund der Aussage einer Zeugin, stellte der*die Angeklagte einen Beweisantrag zum Beweis der Tatsache, dass die Zeugin zwanghaft Geschichten erfindet. Eine Überprüfung ihrer Hirnströme werde dies beweisen. Es folgte der Antrag des*der Angeklagten auf Ladung des ehemaligen Polizeipräsidenten und amtierender Oberbürgermeister Jürgen Roters als Zeuge um zu beweisen, dass die Wohnungspolitik der Stadt Köln gewaltvoll ist gegenüber dem Großteil der in Köln lebenden Menschen. Zudem wies der*die Angeklagte den Richter Wettich und den Staatsanwalt daraufhin, dass im Strafantrag kein Datum eingetragen ist, welches allerdings laut der Strafprozessordnung Prozessvoraussetzung und im Zweifel der Prozess einzustellen sei.

 

Wieder einmal unterbrach Richter Wettich die Verhandlung um erregt nach der Originalakte zu verlangen und zu suchen. Eine ganze Weile lang huschten nervöse Wachtmeister aufgeregt durch das Gebäude. Selbst der Staatsanwalt konnte sich das Fluchen nicht mehr verkneifen. Der*die Angeklagte und die solidarischen Prozessbeobachter*innen verweilten dagegen gutgelaunt auf dem Flur.

 

 

Nach dieser 30 minütigen Unterbrechung ging es dann mit vorliegender Originalakte weiter.....um festzustellen, dass tatsächlich kein Datum im Strafantrag eingetragen ist.

 

Aus diesem Grund müssen weitere Polizeibeamte als Zeuge*innen geladen werden. Der*die Angeklagte forderte die Überprüfung der Strafanzeige auf Rechtmäßigkeit und behielt sich auf wiederholtes Nachfragen des Staatsanwaltes vor, in Zukunft noch weitere Beweisanträge stellen zu können.

 

Die Entscheidung darüber, als auch die Anhörung weiterer Zeug*innen sind nach ca. 3 Std. Verhandlung auf eine nächste Sitzung verschoben wurden.


Weiter gehts am Mittwoch den 28.8.2013. Diesmal in aller Frühe um 9:00 Uhr. Der genaue Saal wird noch bekannt gegeben.

 

 

 

FAZIT:

 

Der Prozess hat deutlich gezeigt, dass weder die Staatsanwaltschaft, noch Richter Wettich ein Interesse an einem fairen Verfahren unter der Gewährleistung der Waffengleichheit haben (die es im Kapitalismus sowieso nie geben kann). Denn noch immer hat der*die Angeklagte keine vollständige Akteneinsicht nehmen können, um sich als juristische Laie auf den Prozess vorzubereiten, obwohl ihm sowohl ein*e Pflichtverteidiger*in, als auch einen Rechtsbeistand verweigert wurde. Dass die Staatsanwaltschaft nun die prozessualen Rechte der*des Angeklagten nicht ernst nimmt und Prozessverschleppung vorwirft, ist äußerst widersprüchlich. Schließlich würde das Verfahren schneller gehen, hätten sich Richterin Roß (vom 1. Verhandlungstag) und Richter Wettich wenigstens an ihre eigenen Gesetze gehalten. Auch die beleidigenden Kommentare des Staatsanwaltschaft gegenüber dem*der Angeklagten sorgten für eine längere Prozessdauer. Doch wie auch diese Gerichtsverhandlung zeigt sind die Gesetze für Justiz, Bullen und Politiker*innen da, um sie gegen weniger privilegierte Menschen anzuwenden - wenn das nicht geht, müssen sie halt gebrochen werden. Letztendlich geht es darum die herrschende Ordnung zu wahren und emanzipatorische Menschen einzuschüchtern.

 

Der*die Angeklagte aüßerte sich nach der Verhandlung: „Dass ich die Staatsanwaltschaft und Richter Wettich am 2. Verhandlungstag nach Stunden darauf aufmerksam machen musste, dass der Strafantrag kein Datum enthält, zeigt mir, dass diese sich nicht ernsthaft mit der Verfahrensakte auseinandergesetzt und offenbar kein Interesse an einem fairen Prozess haben, sondern mir gegenüber Befangen sind und ein schnelles Urteil wollen. Es handelt sich demnach hier um einen politischen Prozess, der der Einschüchterung dienen soll.“

 

Am 28.8.2013 findet der 3. Verhandlungstag um 9 Uhr im Amtsgericht Köln statt.

Sitzungssaal wird noch bekannt gegeben.

 

Alle sind herzlichst eingeladen den Prozess kritisch zu beobachten und Spass zu haben!

Eintritt frei!

 

 

Gerichte sind zum Essen da!

 

 

Presse:

 

Kölner Stadtanzeiger

 

Die Besetzung im März 2012 

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..dabei zu wissen wie die justiz tickt, zu wissen daß es zu einer erneuten "verurteilung" kommen wird und dann irgendwann ne ersatzfreiheitsstrafe (geldstrafe) durch ne solifete abgewendet wird damit durch die eingezahlten gelder der justizapparat weiter aufrüsten kann .. aber die "scene" hatte spass

gehts noch?

es muss überhaupt nicht zu einer verurteilung kommen. die justiz kriegt nichts gebacken wenn man sie nur ordentlich und aggressiv lächerlich macht. und wenn du alles besser weißt dann hilf den leuten doch anstatt so dämlich zu meckern.

 

ich finds klasse wie der prozess von seiten der genossen geführt wird. lasst euch nich klein kriegen!

(A)

Und wie sieht deine Alternative aus? Jeden Strafbefehl einfach mal lieb und brav abbezahlen?

Das geht hier nicht um irgendein 15€ Ticket für das Fahren über ne rote Ampel, sondern um eine politische Aktion und politische haben gefälligst nicht vor dem Gericht zu enden.

 

Super Aktion. Davon sollte es mehr geben.

 

Aber eine Frage hätte ich noch.

Welche Rechtshilfestrukturen waren da mit eingebunden? Ist ja nicht wirklich standard das Rote Hilfe vorgehen.

.. ich glaube daß der erste kommentar genau das meint -- wobei erst ja gerade solche sehr zweifelhaften weil "elitären" aussagen wie "politische aktion" genau nämlich in koeln hier so enden - im bezahlen der "geldstrafe" - durch ne solifete genau diesen justizapparat finanzieren - ansonsten wird durch die aussage " politische haben nicht vor gericht zu enden" das es wohl für dich/euch ne unterscheidung bibt -- alle anderen gehören also für gericht/in den knast aoder was? - weil ich ne rote oder schwarzrote fahne nicht dabei hatte oder keine "politische erklärung" abgegeben habe?  aktionen egal welcher art mache ich nicht für ne abstrakte utopie sondern ganz konkret vor allem erst einmal in der ersten person -"politisch" hui  - alles andere pfui ? nee --- freiheit für alle und ne gesellschaft ohne knäste - notfalls auch ohne dich/euch