Bericht und Reflexion zu Demonstration am 06.07 in Ulm Boykottiert Lithographix

Front: Demo gegen Lithographix

Im nachfolgenden Text versuchen wir die Geschehnisse um den 06.07. aufzuarbeiten. Wir werten die Demonstration aus verschiedenen Gründen als Erfolg, auf welche wir aber später noch einmal genauer eingehen werden. Zunächst einmal ist aber über den Tag zu berichten.


Der Tag

Gegen Mittag zogen zunächst einmal verschiedene Kleingruppen los, um sich die Vorgänge in der Stadt anzusehen. Nach einer guten Stunde gab es eine erste Übersicht. In der Stadt wurden keine größeren Nazigruppen gesichtet und die Polizeipräsenz beschränkte sich auf vermehrte Streifen und wenige „Six'er“ Bereitschaftspolizei. Am Berblinger Brunnen wurde ein Infostand von den Rechtspopulisten „Alternative für Deutschland“ gesichtet.

Nach einem kurzen Treffen wurde Aktionsmaterial verteilt und sich zur Auftaktkundgebung in Bewegung gesetzt.

Dort trafen dann auch vereinzelt die ersten Antifaschist_Innen ein. Team Blau war zu diesem Zeitpunkt mit einer Hand voll Beamte anwesend, welche sich allerdings bald vermehrten. Ordnungsamt und Staatsschutz waren nach einigen Minuten ebenfalls zugegen.

Kurz nach 15 Uhr wurden Demoschilder und Fahnen verteilt sowie der erste Redebeitrag verlesen, in welchem die umstehenden Personen auf das Thema der Demonstration hingewiesen wurden. Danach wurden Auflagen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen verlesen und erklärt, in was das Gefühl der staatlichen Schikane seinen Ursprung fand.

Zu diesem Zeitpunkt waren geschätzte 70 Personen anwesend.

Die Kundgebungsteilnehmer_Innen sollten sich nun etwas Raum aneignen und die vorübergehenden Menschen mit Hilfe von Flugblättern auf das Thema aufmerksam machen. Dies fand allerdings nicht statt und die anwesenden Personen begaben sich gleich durch die Unterführung hindurch zum Einsteindenkmal, an welchem sich die Demonstration aufstellte. Hier wuchs die Zahl der anwesenden Personen auf ca. 100 an.

Gegen 15:20 Uhr setzte sich der Zug dann in Bewegung. Auf dem Weg durch die Hirschstraße musste sich der Demonstrationszug des Öfteren selbst ausbremsen. Mit verschiedenen Parolen wurde auf das Geschehen aufmerksam gemacht.

Nach ca. 10 – 15 Minuten trafen wir dann auf dem Münsterplatz ein, wo der Lautsprecherwagen geparkt war und bereits Musik abspielte.

Transparente wurden kreisförmig um die Kundgebung verteilt und es gab zwei weitere Redebeiträge. Im Ersten, in dem sich die Organisationsgruppe „Kollektiv.26“ vorstellte, wurde auf verschiedene Zusammenhänge hingewiesen.

Eine kurze Erklärung, warum es notwendig ist, dass die Wurzeln des Problems gesucht werden müssen und diese zum Teil in der Mitte der Gesellschaft sowie in der kapitalistischen Produktionsweise zu finden seien, sollte die Teilnehmer_Innen der Demonstration sowie die umstehenden Personen dazu bringen, den Ist-Zustand zu hinterfragen. Für die außenstehenden Menschen wurde dann nochmal der, zu Beginn bereits vorgestellte, Redebeitrag verlesen, in dem das Anliegen der Demonstration erklärt wurde.

Nach etwas Ärger mit permanent filmenden Polizist_Innen setzte sich der Zug dann wieder in Bewegung.

Im Lauf des restlichen Zugs durch die Altstadt wuchs die Demonstration weiter an. Es gesellten sich spontan Menschen dazu. Es ist davon auszugehen, dass der Demonstrationszug 130 bis 150 Teilnehmer_Innen fasste. Kurz vor dem Wiedereinbiegen in die Hirschstraße gab es dann nochmals Ärger. Laut Auflagenbescheid war es genehmigt, dass der Lautsprecherwagen ab dem Münsterplatz die Demonstration begleitet. Team Blau setzte hier durch, dass er aus der Demonstration herausfahren musste, was von einigen Demonstrationsteilnehmer_Innen nicht akzeptiert wurde.

Die Demonstration zog weiter, um sich am Einsteindenkmal wieder aufzulösen. Es war nun ca. 16:10 Uhr. Ein Sprecher richtete nochmal sein Wort an die Menschen und als der Lautsprecherwagen wieder zur Demonstration hinzustoßen wollte, wurde das wieder von der Polizei unterbunden, was als repressives Verhalten wahrgenommen wurde. Kurzerhand wurde von Seiten des Lautsprecherwagens, welcher sich auf einer der meist befahrensten Straßen Ulm's befand, eine Spontanversammlung angesagt. Diese richtete sich gegen Polizeischikane. Die Teilnehmer_Innen des Anti-Lithographix Zugs setzten sich nun, nach Auflösung jener Veranstaltung, in Bewegung in Richtung des Lautsprecherwagens.

Seitens des Lautsprecherwagens wurde verhandelt und man ließ sich darauf ein, die Spontanversammlung nicht durchzuführen, wenn man zur Endkundgebung könne. Diese war allerdings schon aufgelöst, und wie gesagt, die Menschen schon, nur durch eine Polizeikette getrennt, in der Nähe des Lautsprecherwagens. Dann war es ca. 16:45 und Menschen verließen nun den Ort.

Um ca. 17:10 bewegte sich dann spontan eine ca. 20 -30 Personen große Versammlung ab dem Berblinger Brunnen durch die Innenstadt. Die Demonstrant_Innen nahmen sich nochmal lautstark das Recht auf Straße und brachten dadurch ihren Frust über Polizeischikane und die Kriminalisierung von Antifaschismus zum Ausdruck.

Bewertung – Drunter und drüber, aber doch ganz gut durchgestanden.

Wir werten die Demonstration als Erfolg. Es war möglich, eine für Ulm ganz beachtliche Zahl von Menschen auf die Straße zu bringen. Dies war, abgesehen von Reaktionen auf öffentlichkeitswirksame Aktionen von Nazis, seit Jahren erstmals wieder möglich. Bei der Auftaktkundgebung sah es zwar nach dem „worst- case“- Szenario aus, freuten uns allerdings, ab dem Einsteindenkmal dreistellig zu sein.

Die Organisation dieser Demonstration stellte einen notwendiger Schritt für den (Wieder-)Aufbau antifaschistischer Strukturen in Ulm dar, welche sich in den letzten Jahren selbst demontiert hatten. Es war möglich, Menschen für weitere politische Arbeit zu gewinnen. Ob der Boykott-Aufruf bei allen bzw. den hierfür entscheidenden Menschen angekommen ist, bleibt anzuzweifeln. Trotz viel Mobi- und Infomaterial, Zeitungsartikeln, Erwähnungen in Radio und Ähnlichem denken wir nicht, dass unsere Arbeit bereits getan ist. Die Frage nach weiterem Vorgehen bleibt offen.

Ein paar weitere Reflexionen

Wir wollen an dieser Stelle auch zu Kritik von Außen Stellung nehmen.

Es wurden an uns einige Punkte herangetragen, die wir besser machen können und werden und einige Punkte wollen wir auch von uns selbst aus hinterfragen.

Zeitpunkt

Häufig wurde an der Aktion der Zeitpunkt kritisiert. Es gab verschiedene Veranstaltungen und Aktionen, die ebenfalls an diesem Tag stattfanden und dass eine Terminkollision doch durch rechtzeitige Absprache zu vermeiden gewesen wäre.

Dazu muss man aber erklären, warum wir diesen Tag gewählt haben. Der 06.07 stellte, als wir anfingen zu organisieren, die beste Mischung zwischen dem Notenschluss von Schüler_Innen dar und dem Beginn der Prüfungen von Student_Innen. Weil wir annahmen, dass diese Gruppen den Großteil des Mobilisierungspotentials darstellten, erschien uns der Tag als richtig. Ein Verschieben des Termins in den Herbst wäre wohl schlecht für die Gruppendynamik der sich im Aufbauprozess befindlichen Organisationsgruppe, gewesen und wurde deswegen von der Gruppe abgelehnt.

Vorbereitungsgespräch

Wie oben schon erwähnt, wurden wir des Öfteren darauf hingewiesen, dass wir doch vorher schon Bescheid hätten sagen sollen, um eine bessere Mobilisierung zu erreichen. Dieser Kritik müssen wir uns stellen. Vielleicht wäre es möglich gewesen, dadurch mehr Menschen zu mobilisieren. Allerdings zeigt die Praxis, dass man dann mit der Organisation doch alleine dasteht. Viele Gruppen und Einzelpersonen, welche zusagten, sich einzubringen, zu mobilisieren, Redebeiträge, Flugblätter und Weiteres anzufertigen, haben das nicht hinbekommen. Wir denken nicht, dass es durch ein Vorbereitungsgespräch, anders verlaufen wäre.

Das brachte uns auch in Zugzwang, da aus der Not kurzfristig Aufgaben übernommen werden mussten und vieles an Wenigen hängen geblieben ist. Dennoch wollen wir es bei der nächsten Aktion einfach mal ausprobieren (siehe unten).

Das Motto

Oft wurde kritisiert, dass es doch bürgerlich sei, zum Boykott aufzurufen. Das Motto wurde aber durch reichlich Überlegung gewählt.

Zum Boykott aufzurufen, schien uns besser, als eine inhaltsleere Floskel anzuwenden wie „Naziläden dicht machen“ oder „weg mit Lithographix“. Es durchbricht eine Barriere, welche überwunden werden muss, um gegen Nazis aktiv zu werden - ein erster Schritt, den man selber tut. In unseren Redebeiträge stellten wir klar, dass es andere Aktionsformen gibt und dass jeder selbst hinterfragen sollte, was man tun kann. Dadurch versuchten wir der Augenwischerei, welche häufig bei solchen Aktionsformen wie Boykott entsteht und welche die Leute denken lässt, dass es ausreicht, nur dort nicht einzukaufen wenn das Problem überwunden werden soll, zu vermeiden.

„Bratwurstdemo“

Von Außen wurde unser Konzept in Frage gestellt und geäußert, dass die Demonstration nicht effektiv und direkt genug gegen das Problem vorginge. Menschen, die so etwas äußern, sind sich sehr wahrscheinlich nicht im Klaren darüber, wie die Situation in Ulm ist. Feste Gruppenstrukturen, die mit der damit verbundenen Repression fertig werden können, gibt es kaum. Offen praktizierte Militanz hätte das Aufkeimen neuer Zusammenhänge durch Repression und der Arbeit dagegen zum Erliegen gebracht. So schien es uns dann doch sinnvoller, eine möglichst öffentlichkeitswirksame Aktion zu starten, um Personen für unsere politische Arbeit zu gewinnen, um daraus wiederum Kapazitäten zum Aufbau von Strukturen zu gewinnen. Desweiteren wäre es ein logistisches Problem gewesen die Demonstration vor Ort durchzuführen.

Darüber hinaus sollten die Kritiker selbst in Frage stellen, ob pseudo- autonomer Habitus immer zielführend ist oder ob die Notwendigkeit unser Handeln bestimmen sollte, anstatt im identitären Szenepool zu versauern.

Abgrenzung im Anti- D/- Imp - Konflikt

Bewusst grenzten wir uns von diesem Konflikt ab. Uns war es wichtig, von Anfang an klarzustellen, dass wir uns als Gruppe nicht positionieren wollen. Dem wurde allerdings mit Pöbelei begegnet anstelle von konstruktiver Kritik.

Einzelpersonen aus den entsprechenden Spektren verhindern in Ulm effektiv eine Lösung für dieses Problem. Aber diesen Konflikt zu lösen, sehen wir nicht als unsere Aufgabe, denn er versinkt für uns in Irrelevanz in Anbetracht der tatsächlichen Probleme, die es zu bewältigen gilt.

Ein herzliches Danke an alle die sich an diesem Tag Zeit genommen haben und auch aus anderen Städten angereist sind

Für den 29.07 laden wir, wie oben erwähnt, zum Vorbereitungstreffen gegen die Kandidatur von Achim Kast ein. Achim Kast, welcher für die NPD- Neu – Ulm/Günzburg kandidiert, war eine Schlüsselperson der Kameradschaft Neu-Ulm, welche durch einen Überfall auf alternative Jugendliche Schlagzeilen machte.

Kommt deshalb am 29.07 um 20 Uhr zur Aktionskonferenz nach Ulm in die Bar „Stadt Heidenheim“ am Ulmer Ostbahnhof.

Mit antifaschistischen Grüßen Kollektiv.26

http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Spannungen-bei-Anti-Nazi-Demo;...

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Wie kann man zu Euch Kontakt aufnehmen?

Habt Ihr eine Website oder eine Mailadresse?

an einem pgp-kontakt mit riseup wird gearbeitet

momentan sind wir nur über ulm6juli@hushmail.com

oder über facebook zu erreichen

Ich wäre vorsichtig bei Kontaktadressen, die nur in linksunten-Kommentaren verbreitet werden.

Die hier verlinkte Hushmail Adresse ist aber korrekt und wurde schon in früheren Linksunten Artikeln verwendet...

"Aber diesen Konflikt zu lösen, sehen wir nicht als unsere Aufgabe, denn er versinkt für uns in Irrelevanz in Anbetracht der tatsächlichen Probleme, die es zu bewältigen gilt."

Sehr richtig! Solidarische Grüße nach Ulm

Weiter so! Nazis verpisst euch aus Ulm!