Nachruf auf einen Waldbesetzer

(Vorbemerkung des Verfassers) Der Wortlaut hat den Tod eines Weggefährten zum Gegenstand und wurde bereits vor einigen Wochen im kleinen Kreis vorgelegt. Da sich der Konsens für einen weniger autonomen Entwurf entschied handelt es sich um ein Votum Separatum, weshalb mit der Veröffentlichung gewartet wurde bis das Grab zugewachsen war. Die Todesursache ist Selbsttötung aufgrund Verlusts der emanzipatorischen Perspektive. Dieser Nachruf entstand aus dem Bewußtsein, daß in den sozialen und/oder ökologischen Bewegungen niemand die oder der nächste sein will aber auch keine_r etwas dafür tut daß es keine_n nächste_n mehr gibt die/der daran zu Tode kommt. Mit anderen Worten: Daß sie Deine Seele nicht gekriegt haben ist das eine, daß Dich das Dein Leben gekostet hat das andere - von der Dialektik dieser beiden grundsätzlichen Feststellungen handelt der folgende Text.

 

Andy ist tot

Du hast uns alle gekränkt
Manchmal erkannte ich mich selbst darin wieder
Welchen unsichtbaren Schrecken hast Du gesehen
Der auch mir hin und wieder den Atem raubt?
Wo wolltest Du ankommen
Auf Deinem Weg der den meinen öfter streifte?
Was wurde Dir geraubt
So wie mir bevor wir uns begegnet?

Du bist gegangen als habe es Dich nie gegeben
Niemand mochte von Dir sprechen
Ich mußte mich erst beiseitenehmen lassen
Und bereiterklären eine Herzenslast zu tragen
Dein Tod hat Deine Angehörigen beschämt
Es muß etwas falsches mit Deiner Leiche gewesen sein
Sag, wo immer Du jetzt bist, wurden Dir
Die Auffindungsumstände verfälscht wie schon bei Patrick?

Einer widersteht weil er es nicht mehr aushält
Ein anderer gibt auf weil er es nicht mehr aushält
Können sie beide Recht haben?
Können sie beide Unrecht haben?
Du kamst dazu als die Büttel mir Hilflosigkeit anhängen wollten
Wegen Sockenstopfens auf einer Parkbank
Und erst als ich erklärte daß seit Napoleon Franken zu Bayern gehört
Einsahen daß manchmal ein bißchen Arbeit viel Arbeit ersparen kann.

Sag, Bruder im Herzen, Gefährte der Hoffnung
Betreten wir verbotene Geisteszustände
Wenn wir das Korsett unserer Sachzwänge ablegen?
Sind wir verpflichtet Kontrolle zu erdulden
Wenn wir uns von unserer Erde berühren lassen?
Sollen wir verdrehte Unterstellungen hinnehmen
Wenn wir uns in unserem Alltag selber helfen?
Würdest Du das lebenswert nennen?

Hättest Du vorher gerne noch mit mir gesprochen
So wie ich jetzt mit Dir?
Oder doch lieber nur gegen mich
Wie so oft wenn wir es miteinander versuchten?
Waren es die Videofiguren aus Deiner Kindheitserinnerung
Die Dir Deinen Lebenssinn stahlen?
Deren Namen ich nicht behalten konnte
Weil ich spürte daß sie Dich belogen?

Oder ist alles nur ein Gleichnis dem die Pointe gebrochen wurde
Wie ein Lid ohne Wimpern in einem Gesicht voller Blut?
Die seelische Gewalt geht der materiellen voraus
Wie der Blitz dem Donner und der Einschlag dem Brand
Von Dir lerne ich meine Schwäche ist meine Stärke
Wäre ich stärker wäre ich vielleicht auf dem Herzen blind
Du, die Feuerstelle an der uns die Anarchie greifbar war
Weshalb konntet Ihr Euch nicht nähren als die Nacht am tiefsten?

Ungeführte Gespräche, ungeschriebene Geschichte
Wieder eine Lücke im Gefüge unserer Erinnerungen
Du hast ein unwiederbringliches Stück Wahrheit mitgenommen
Das wir so dringend bräuchten um die Herrschaft der Lüge zu überwinden
Dein Tod ist wie ein kahles Kissen
Im Bannwald unserer verwüsteten Träume
Dein Leben scheint wie ein kaltes Sternbild
Am Streulichthimmel unserer belagerten Sehnsüchte.

Andy ist tot.

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Hey leo.

Es gibt einen Abschnitt in deinem Gedicht, den ich sehr problematisch finde:

Sag, Bruder im Herzen, Gefährte der Hoffnung
Betreten wir verbotene Geisteszustände
Wenn wir das Korsett unserer Sachzwänge ablegen?
Sind wir verpflichtet Kontrolle zu erdulden
Wenn wir uns von unserer Erde berühren lassen?
Sollen wir verdrehte Unterstellungen hinnehmen
Wenn wir uns in unserem Alltag selber helfen?
Würdest Du das lebenswert nennen?

Ich denk ich würd lieber mal persönlich mit dir sprechen warum genau.
Ich glaube ich verstehe den Abschnitt nicht. Aber ich seh ein paar Interpretationsmöglichkeiten und eine davon (die meine allererste, also für mich naheliegenste war) finde ich sehr problematisch. Ich kann wirklich nicht sagen, ob du es so gemeint hast, deshalb fänd ichs gut mit dir direkt darüber zu quatschen. Ausser mir hatte auch die Person, die mir von deinem Nachruf erzählt hat, ähnlich negative Gefühle mit dem Text. Ich hab ne mail an die Indymods geschickt mit der Bitte den Nachruf rauszunehmen. Leider ham sie noch nicht reagiert.

„Dieser Nachruf entstand aus dem Bewußtsein, daß in den sozialen und/oder ökologischen Bewegungen niemand die oder der nächste sein will aber auch keine_r etwas dafür tut daß es keine_n nächste_n mehr gibt die/der daran zu Tode kommt.“

Von dem Satz fühle ich mich persönlich angegriffen und ich kann mir vorstellen, dass das anderen ähnlich geht. Woher weißt du, wer wie viel dafür getan hat, dass andi nicht die*der nächste ist.
Manchmal klappt es nicht jemandem zu helfen und manchmal geht es gar nicht, manchmal versuchen es Leute trotzdem obwohl es nicht klappen kann und es funktioniert nicht, selbst mit noch so viel Einsatz. Woher weißt du, dass niemand etwas getan hat?

Lass mal drüber reden wenn wir uns sehn.