Fleischatlas: Jeder Deutsche isst 1094 Tiere in seinem Leben

Erstveröffentlicht: 
10.01.2013

945 Hühner, 46 Schweine, 46 Puten, 37 Enten, zwölf Gänse und je vier Rinder und vier Schafe isst ein Deutscher im Lauf seines Lebens – das zeigt der Fleischatlas. Und welche Folgen das mit sich bringt. Der Fleischatlas wurde am Donnerstag von dem Umweltverband BUND und der Böll-Stiftung vorgestellt. Was verrät er über unsere Essgewohnheiten – und welche Folgen haben diese auf die Erde?

 

Wer isst am meisten Fleisch in Deutschland? Bei den Männern sind die 19- bis 24-Jährigen die größten Fleisch- und Wurstvertilger, bei den Frauen sind es die 25- bis 34-Jährigen. Und regional? Männer in Thüringen. Zu Hause verzehren sie durchschnittlich etwa 100 Gramm Wurst und Fleisch pro Tag. Hinzu kommt der Konsum erstaunlicher Mengen an Thüringer Rostbratwurst und des dort als "Brätel" bekannten Schweinekoteletts in Restaurants und Imbissen. Hochgerechnet auf das Jahr summiert sich der Verzehr so auf durchschnittlich 60 Kilo pro Kopf. Die Baden-Württemberger liegen leicht hinter den Thüringern. Die Südwestdeutschen essen durchschnittlich ein paar Gramm Fleisch weniger pro Jahr.

 

Solche und andere interessante Zahlen stehen im sogenannten Fleischatlas, den der Umweltverband BUND und die Böll-Stiftung der Grünen am Donnerstag vorstellten. Den Herausgebern geht es darum, die Auswirkungen des Fleischkonsums zu thematisieren, den sich die Einwohner der Industriestaaten leisten. Zu den negativen Folgen dieser speziellen Ernährungsform gehören beispielsweise der erhöhte Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid und die zunehmende Entwaldung in Russland, Südamerika, Afrika und Südostasien.

 

Industrielle Tierfabriken

 

Vor der Ernährungsmesse Grüne Woche, die am kommenden Freitag in Berlin beginnt, fordern BUND und Böll-Stiftung deshalb, die Subventionen für die konventionelle, industrielle Fleischproduktion einzuschränken. Der durchschnittliche Deutsche verbraucht im Laufe seines Lebens eindrucksvolle Mengen Fleisch. Beispielsweise vier Rinder, 46 Schweine und fast tausend Hühner werden geschlachtet, damit immer Schnitzel und Bratwürste auf die Teller kommen.

 

Ohne die industrielle Produktion in den Tierfabriken Europas wäre das nicht möglich. Diese stehen etwa in Niedersachsen, den Niederlanden, Dänemark, der italienischen Po-Ebene, der französischen Bretagne und Südengland, immer in der Nähe des Meeres, damit das Fleisch billig mit Schiffen abtransportiert und auch exportiert werden kann. Die gigantischen Ställe belasten auch den Boden. Etwa in der Weser-Ems-Region sei das Grundwasser kaum noch als Trinkwasser nutzbar, sagte BUND-Chef Hubert Weiger.

 

Um die Produktion zu ermöglichen, liefern die Entwicklungs- und Schwellenländer große Mengen Sojabohnen und andere Futtermittel. Der Atlas zeigt, welchen Umfang dieser Handel angenommen hat. In Südamerika, Afrika und Asien sind über 30 Millionen Hektar Ackerland dafür reserviert, den europäischen Fleischkonsum zu speisen. Zum Vergleich: Das entspricht knapp einem Zehntel der Fläche Deutschlands. Solche Gebiete stehen für die Versorgung der einheimischen Bevölkerung ärmerer Staaten mit Grundnahrungsmitteln nicht mehr zur Verfügung.

 

Wälder werden abgeholzt

 

Eine zusätzliche Folge ist, dass ökologisch wichtige Wälder abgeholzt werden, um Platz für die Futtermittel-Äcker zu schaffen. In Mittelamerika, Brasilien, Afrika südlich der Sahara und Südostasien ist dieser Prozess besonders zu beobachten.

 

Weitere Probleme kommen hinzu: Einen Ausstoß von zwei Tonnen CO2-Äquivalenten verursacht der deutsche Durchschnittsverbraucher jährlich mit seiner fleischlastigen Ernährung. Ungefähr ein Viertel davon geht auf die Produktion von Schweinefleisch zurück. Rinder- und Kälbermast, sowie die Verarbeitung verursachen etwa 15 Prozent der Emissionen. Zu Buche schlagen auch Käse und Frischmilcherzeugnisse.

 

BUND-Chef Weiger und Böll-Vorsitzende Barbara Unmüßig kritisierten, dass Deutschland in gigantischen Ställen unter anderem in Niedersachsen inzwischen so viel Fleisch produziere, dass Abfälle nach Afrika exportiert würden. Dort zerstörten die billigen Fleischimporte die heimische Wirtschaft, die teurer arbeite als die europäische Industrie. Dadurch nehme die Armut in einigen Entwicklungsländern zu. Für mehrere Staaten haben die Kritiker diesen Prozess nachvollzogen. In Bezug auf Angola, Benin, die Republik Kongo und Ghana zeigen die Statistiken, dass sich die europäischen Exporte seit 2000 teilweise vervielfachten.

 

Neben politischen Gegenmaßnahmen wie der Umwidmung von Subventionen gibt es auch individuelle Möglichkeiten der Richtungsänderung. Alternativen zum massenhaften Fleischkonsum, die der Atlas zeigt: Etwa 1,5 Millionen Deutsche bezeichnen sich als Vegetarier und verzichten auf den Verzehr von Fleisch.

 

Und vier Prozent des Rindfleisches stammten 2010 aus biologischer Herstellung, für deren bessere Qualität die Verbraucher höhere Preise zu zahlen bereit waren.

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