Institutionelle Diskriminierung in der deutschen Kulturwissenschaft

IASL-Schwarz-Titel

Der Beitrag informiert über einen Wissenschaftsskandal im Internationale Archiv für Sozialgeschichte der Deutschen Literatur (IASLonline) im Umgang mit der mehrfach preisgekrönten Doktorarbeit des Kultur- und Politikwissenschaftlers Kien Nghi Ha, der als kritischer Wissenschaftler im Bereich postkolonialer Kritk, Rassismusforschung und Migrationspolitik bekannt ist.

Der Skandal spielt sich auf drei Ebenen ab:
- inhaltlich auf der Ebene der Renzension von Thomas Schwarz
- institutionell, da die zuständigen HerausgeberInnen und FachreferentInnen ihrer Kontrollfunktionen nicht wahrnahmen und
- wissenschaftliche Standards untergruben, indem sie statt einer ehrlichen Diskussion und Richtigstellung heimlich Textmanipulation betrieben.

Das Internationale Archiv für Sozialgeschichte der Deutschen Literatur (IASLonline) ist eine eingetragene Zeitschrift mit der ISSN 1612-0442. Es gehört mit fünf professoralen HerausgeberInnen, 61 zumeist professoralen FachreferentInnen und einem zehnköpfigen Redaktionsteam zu den größten Wissenschaftszeitschriften in der deutschen Germanistik. Dort wurde am 10.03.2012 unter dem Titel „Hybridität – Ein Abriss“ nach einem internen peer-review eine Rezension von Dr. Thomas Schwarz (Literaturwissenschaftler an der Freien Universität Berlin) über die Monographie von Kien Nghi Ha „Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen ‚Rassenbastarde‘“ (Postcolonial Studies, Bd. 6, Bielefeld: transcript 2010, 317 S.) veröffentlicht. Dieses Buch basiert auf der mit summa cum laude bewerteten Promotionsarbeit des deutsch-vietnamesischen Nachwuchswissenschaftlers und wurde mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2011 für Promotionen und Habilitationen, einer Publikationsförderung der FAZIT-Stiftung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nach einem anonymen wissenschaftlichen Gutachten sowie der Nominierung für den Bremer Studienpreis 2010 durch den Fachbereich Kulturwissenschaft der Universität Bremen prämiert. Natürlich machen solche Ehrungen diese Studie keinesfalls gegen berechtigte und inhaltlich begründete Kritik immun.

Nachdem Kien Nghi Ha die verantwortlichen Herausgeber, die Redaktion, die Fachreferenten und den Rezensenten in einem umfangreich und sorgfältig mit Quellen begründeten 37-seitigen Schreiben vom 15.04.2012 auf die zahlreichen faktischen und inhaltlichen Fehler in Kenntnis setzte, und um eine sorgfältige Prüfung innerhalb von vier Wochen bat, antworteten die Herausgeber nach nicht mal 48 Stunden – ganz offensichtlich ohne eine ernsthafte Prüfung der Beschwerde – in ihrem Schreiben vom 17.04.2012 wie folgt: „Wir können Ihnen versichern, dass die Rezension durch die Fachreferentin und die Herausgeber mit der bei IASLonline üblichen Sorgfalt und nach den bei uns geltenden wissen-schaftlichen Standards betreut worden ist“. Im diesem Schreiben wurde auch eine inhaltliche Diskussion und die Veröffentlichung einer Gegendarstellung in der IASLonline prinzipiell abgelehnt.

Bei einem erneuten Zugriff stellte Kien Nghi Ha am 23.05.2012 fest, dass die Buchbesprechung an mindestens dreizehn Stellen retuschiert wurde, um offensichtliche Fehler zu kaschieren und dem Verriss mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. An fünf Stellen wurden inhaltliche Korrekturen vorgenommen, die ganz offensichtlich mit den Fehlerhinweisen von Kien Nghi Ha zusammenhängen. In der abgeänderten Rezension werden weder Änderungsdatum und Korrekturgründe für die Leser genannt noch auf die Beanstandungen hingewiesen, die erst diese Korrekturen ausgelöst haben. Seitdem hat sich an diesem Zustand nichts mehr geändert (Stand: 19.09.2012), so dass nicht von einem redaktionellen Versehen ausgegangen werden kann. Diese dubios wirkende Arbeitsweise ist für eine wissenschaftliche Institution, die über die Deutungsmacht der IASLonline verfügt und die für sich eine sogenannte „Qualitätsgarantie“ in Anspruch nimmt und damit auch wirbt, mehr als fragwürdig.

Neben der manipulativ, intransparent und unseriös erscheinenden Online-Korrekturpraxis der bereits veröffentlichten Rezension bei der IASLonline sind auch die faktischen Fehler, inhaltlichen Missgriffe, Unterstellungen, Suggestionen und Auslassungen des mangelhaft begründeten Verrisses von Thomas Schwarz gravierend. In der Gegendarstellung von Kien Nghi Ha werden dem Medienrecht folgend 20 faktische und formale Fehler in der Rezension richtig gestellt. Im dem 35-seitigem Aufsatz „Mehr als eine abgründige Rezension?“ findet eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rezension statt, in der in 14 Punkten die Aussagen der Rezension anhand eines Quellenabgleichs überprüft und richtig gestellt werden. Nur um ein besonders bedeutsames Beispiel zu nennen: So erweckt der Rezensent den Anschein, dass Kien Nghi Ha eine obskure NS-Hochschulschrift des Althistorikers Hermann Bengtson verwendet hätte. In Wahrheit handelt es sich jedoch um ein internationales Standardwerk der Altertumswissenschaften, das 1965 unter dem Titel „Griechen und Perser“ in der Reihe Fischer Weltgeschichte publiziert wurde. Für einen Wissenschaftler ist ein solcher Vorwurf natürlich sehr weitreichend und schwerwiegend, weil die Reputation nachhaltig Schaden nehmen kann und geeignet ist berufliche Zukunftschancen nachhaltig zu beschädigen.

Institutioneller Rassismus wird von der Macpherson-Kommission der britischen Regierung (1999) definiert als das „kollektive Versagen einer Organisation, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Kultur oder ethnischen Herkunft eine angemessene und professionelle Dienstleistung zu bieten. Er [institutioneller Rassismus] kann in Prozessen, Einstellungen und Verhaltensweisen gesehen und aufgedeckt werden, die durch unwissentliche Vorurteile, Ignoranz und Gedankenlosigkeit zu Diskriminierung führen und durch rassistische Stereotypisierungen, die Angehörige ethnischer Minderheiten benachteiligen. Er überdauert aufgrund des Versagens der Organisation, seine Existenz und seine Ursachen offen und in angemessener Weise zur Kenntnis zu nehmen und durch Programme, vorbildliches Handeln und Führungsverhalten anzugehen. Ohne Anerkennung und ein Handeln, um solchen Rassismus zu beseitigen, kann er als Teil des Ethos oder der Kultur der Organisation weit verbreitet sein.“

In der laufenden Offenen Petition werden folgende Forderung gestellt:

Wir fordern eine formale Untersuchung durch unabhängige Sachverständige, eine zügige und umfassende Aufklärung, die Richtigstellung aller Fehler, unbegründeten Vorwürfe und Manipulationen, die Veröffentlichung der Gegendarstellung und die Entgegnung „Mehr als eine abgründige Rezension?“ von Kien Nghi Ha in der IASL-online. Nicht zuletzt fordern wir eine öffentliche Entschuldigung der Herausgeber und des Rezensenten an den Geschädigten Dr. Kien Nghi Ha und glaubwürdige Regelungen, die ähnliche Fälle zukünftig verhindern. Wir verstehen diesen Fall lediglich als ein Beispiel für unbewusste institutionelle Diskriminie-rungen im Sinne der Macpherson-Kommission der britischen Regierung in Weiß geprägten Institutionen gegenüber Personen of Color. Daher fordern wir zu einer ernsthaften, verantwortungsbewussten und vor allem öffentliche Diskussion über strukturellen Rassismus als Querschnittsaufgabe in allen Institutionen und Organisationen auf. Der NSU-Skandal in deutschen Sicherheitsbehörden ist ein anderes, tödliches Beispiel dafür wie institutionelle Diskriminierungen durch kollektives Versagen funktioniert.
Ask the IASLonline politely and don’t forget to send a copy.
Thank you for your support!

Dokumentation and weitere Informationen: www.colonialdisgust.wordpress.com
Kontakt: decolonial_watch(at)gmx.de
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Ein Buch wird kritisch rezensiert, im Grunde nichts Ungewöhnliches. Gerade wenn man, wie Kien Nghi Ha, mehr eine Ideologie vertritt, denn wissenschaftlich verifizierbare Thesen vorlegt, sollte man mit Einwänden souverän umgehen.

Aber Ha ist nicht ein x-beliebiger Wissenschaftler, er ist Vertreter des Postkolonialismus und hier wird ein anderer Umgang gepflegt: Widerworte sind nichts, mit dem man sich abfinden könnte, ja die vielleicht zur Überprüfung der eigenen Haltung dienen könnten. Nein, Widerworte, das Verteidigen einer anderen Meinung und die Kritik sind per se "institutioneller Rassismus". Darunter geht es nicht. Sofort wird eine Petition geschrieben, gegen diese unfassbaren Vorgänge. Kritik! An einem PoC!!! Hoffentlich schaltet Ha nicht noch die UNO-Vollversammlung ein!

Kien Nghi Ha hat sich mit dem Einrichten dieser Petition vollkommen diskreditiert. Das werde nicht nur ich so sehen, sondern hoffentlich auch sämtliche Berufungskommissionen. 

Sie ist peinlich und die Vertreter des Postkolonialismus sollten langsam mal kapieren, dass nicht jedes Ungemach, das ihnen widerfährt, nicht jeder Verriss eines Textes, rassistische Gründe hat. Es kann auch einfach daran liegen, dass ihre Ideologie nicht die klügste unter der Sonne ist.

Ihr führt Euch selbst ins Abseits. Denn dass ein Buch von ihm in der BRD groß rausgekommen ist, macht aus einem Nazi noch lange keinen unbefleckten seriösen Historiker. Vielmehr hat die stark NS-verstrickte Historikerzunft in der BRD bruchlos weiter Karriere gemacht. Das von Euch hier angesprochene Beispiel fällt denn auch wuchtig auf Euch zurück:
Ihr schreibt:
"Nur um ein besonders bedeutsames Beispiel zu nennen: So erweckt der Rezensent den Anschein, dass Kien Nghi Ha eine obskure NS-Hochschulschrift des Althistorikers Hermann Bengtson verwendet hätte. In Wahrheit handelt es sich jedoch um ein internationales Standardwerk der Altertumswissenschaften, das 1965 unter dem Titel „Griechen und Perser“ in der Reihe Fischer Weltgeschichte publiziert wurde."
Tatsächlich hat er aber seine Werke in der Nazizeit erstveröffentlicht, Folgeforschungen sind dann in der BRD, wo er wie andere Kollegen weiter Karriere machen durfte, groß verlegt worden. Doch schon ein Blick in die wikipedia hilft hier weiter:

"Bereits seit 1933 gehörte er der NSDAP an und war seit 1937 Mitglied der SA. In München leitete er eine Arbeitsgemeinschaft über „das Eindringen des Judentums in die antike Welt“.[1] 1939 erhielt er in München den Grad eines Dr. habil., die Lehrbefähigung (Venia legendi) aber erst 1940 in Heidelberg bei Fritz Schachermeyr, da die Habilitation in München auf Schwierigkeiten gestoßen war.
Der zeitweilige Dienst im Militär (1939–41 und 1944/45) während des Zweiten Weltkriegs tat Bengtsons wissenschaftlicher Karriere keinen Abbruch. Er arbeitete während des Krieges gegen die Sowjetunion an seiner Habilitation. Bengtson sandte 1941 von der Ostfront kriegsbegeisterte Briefe an den Rektor der Münchner Universität, den überzeugten Nationalsozialisten Walther Wüst, worauf er als Dozent nach München berufen wurde. 1940 war er in Heidelberg, 1941 in München als Privatdozent tätig und erhielt 1942 eine planmäßige außerordentliche Professur für Alte Geschichte in Jena. Seit 1944 vertrat ihn dort Viktor Burr.
Nach dem Krieg wurde Bengtson die Einreise in die sowjetische Besatzungszone verweigert und er siedelte nach München über. Er wurde wegen Mitgliedschaft in der NSDAP am 15. März 1946 aus dem Jenaer Hochschuldienst entlassen."



In der hier im Artikel angegriffenen Rezension steht schlicht wörtlich:

"Has Annalen sind die Microsoft Encarta sowie eines der mit Vorsicht zu genießenden Werke des Historikers Hermann Bengtson, der seine Karriere als Mitglied der NSDAP begann und dessen Ausführungen über einen ›barbarischen Osten‹ man vor dem Hintergrund des Kalten Krieges lesen muss."

 

Hat man sich Euer Manifest der Empörung also durchgelesen, muss man leider bei dem von Euch erregt angeklagten Rezensenten die größere Sachkompetenz vermuten.

hinter diesem aufruf und auch hinter der website (dort kann man das auch unter "über mich" ersehen) steht schlicht der autor ha selbst, der hier eine massive kampagne gegen eine wissenschaftliche rezension auslösen will, die seine arbeit kritisiert. das ist unredlich.

wenn einem in einer rezension gesagt wird, dass man aus zu wenig quellenmaterial zu große und abgedrehte schlüsse zieht und den hintergrund der verwendeten literatur teilweise nicht reflektiert hat, dann kann man nicht einfach behaupten, das sei rassismus ("wie bei den nsu-morden" - das ist starker tobak, um nicht zu sagen absurd!!). zu behaupten, kritik an einem wissenschaftlichen aufsatz ist rassistisch, weil dieser von einem PoC verfasst wurde, führt das ursprünglich sinnvolle PoC-konzept endgültig ad absurdum.

Da einige Leute erst krakeelen ohne sich sachkundig zu machen, verweise ich auf die ausführliche Begründung von Kien Nghi Ha selbst.

Er hat auf seiner Dokuseite alles transparent gemacht und abtruss hier argumentiert wird, zeigt sich daran, dass selbst diese Transparenz ihm zm Vorwurf gemacht wird. Sich gegen Fehler, falsche Unterstellungen, Auslassungen zu wehren ist sein gutes Recht. Das hier gegen die TEXTMANIPULATION in einer Online-Zeitschrift mit wissenschaftlichen Anspruch kein Thema, obwohl dort eine sog.  "QUALITÄTSGARANTIE" gegeben wird, zeigt auch, wer ihr anscheinend was nicht mitkriegt. Wieviel eine Qualitätsgarantie wert, die nachträglich an 13 Stellen retuschiert, kann man sich denke - wenn man denken kann. Dass auf einer Antifaseite auf dem Niveau von politically incorrect diskutiert wird, ist schon beschämend. Vielleicht stecken auch einige PIler hinter den Kommentaren.

Also erst informieren, dann denken, dann schreiben. Die Dokuseite ist SUPER informativ und besser als die Kommentare von Leute, die entweder bestimmte Interessen vertreten oder einfach keine Ahnnung haben.

Also zum Hermann Bengtson. Kien Nghi Ha hat überhaupt nicht bestritten, dass Bengtson wie FAST ALLE deutschen Historiker NSDAP-Mitglieder waren. Ob Bengton ein überzeugter Nazi oder ein Mitläufer war weiß ich nicht und kenne auch keine wissenschaftliche Studie dazu. Wie Kien Nghi Ha nachweist, gibt es wissenschaftlich belegte Analysen, dass der in der Adenauer-Zeit keine NS-Ideologie mehr vertreten hat. Zweiter Punkt ist, dass Kien Nghi Ha Bengtson nur ein einziges Mal in einer Fussnote angemerkt zu einem Thema, dass auch in der Enzyklopedia Britannia steht. Dritter Punkt: Wenn Thomas Schwarz keine Verleumdung begehen wollte, warum war diese banale Quallenhinweis wichtig. Warum wird so getan als ob Kien Nghi Ha NS-Literatur verwendet hat? Warum wird das vom Kien Nghi Ha verwendete Werk den Leser vorenthalten?

Ich zitiere jetzt Kien Nghi Ha:

http://colonialdisgust.files.wordpress.com/2012/09/knh_mehr-als-eine-abg...

Richtigstellung Nr. 5
„Mit Bezug auf die ‚(griechischen) Geschichtsannalen‘ (S. 115) erklärt Ha, dass der
barbarische Tyrann Dareios II. unehelicher Abstammung gewesen sei. Has Annalen
sind die Microsoft Encarta sowie eines der mit Vorsicht zu genießenden Werke des
Historikers Hermann Bengtson, der seine Karriere als Mitglied der NSDAP begann und

Seite18

dessen Ausführungen über einen ‚barbarischen Osten‘32 man vor dem Hintergrund des
Kalten Krieges lesen muss.“ (Schwarz: Absatz 11)

Nach meinen Ausführungen über Platons Bastardbegriff in der „Politeia“ (Der
Staat) schließt sich die Diskussion über die Konstruktion von Dareios II. als eine
frevelhafte Bastardfigur in der athenischen Narration an, um an diesem historischen
Beispiel die kulturell-politischen Konnotationen zwischen „Bastard“ und „Barbar“ im
westeuropäischen Kontext zu eruieren (S. 115-116). Die Textstelle, in der ich angeblich
„erklär[e] ..., dass der barbarische Tyrann Dareios II. unehelicher Abstammung gewesen
sei“, problematisiert eigentlich die dominante historische Narrationsweise, die sich viel
zu selten mit ihren eigenen Geschichtsgrundlagen, der situierten Sichtweise ihrer
Quellen sowie mit der Frage nach der Macht zur historischen Narration auseinander-
setzt, obwohl Dareios II. in erster Linie als athenische Repräsentation in den geschicht-
lichen Narrativen erscheint:
„Bereits die antiken Athener gaben dem Perserkönig Dareios II. den Beinamen
‚Nothos‘ (griechisch für ‚Bastard‘). Den (griechischen) Geschichtsannalen nach soll
er von 423-404 v.u.Z. das persische Großreich durch rücksichtslose Herrschaft bis
an die Grenze des moralischen und kulturellen Untergangs geführt haben. Damit
spielten die Griechen nicht nur darauf an, dass er als unehelicher Sohn Artaxerxes’ I.
von so zweifelhafter Abstammung war, dass selbst sein Geburtsdatum im Dunkeln
lag.33 Auch galt er als ‚geborener Verräter‘ und unrechtmäßiger Emporkömmling,
der einen Platz beanspruchte, der ihm nicht zustand. Dareios II. erschien als ein
unfähiger wie skrupelloser Tyrann, der die ihm übertragene Position des Satrapen
(Statthalter) der persischen Provinz Hyrkanien am Kaspischen Meer nicht mit
Dankbarkeit, sondern mit Machtgier und Mord zurückzahlte: Um die Krone zu er-
greifen, soll Dareios II. seinen Halbbruder Sogdianos kurze Zeit nach dessen Thron-
besteigung ermordet haben, der wiederum kurz zuvor den eigenen Bruder und
rechtmäßigen Thronnachfolger Xerxes II. tötete (vgl. Bengtson 1998: 177).“ (Unrein
und vermischt: S. 115, Fn. im Original)

Diese Ausarbeitung ist wiederum ein Zwischenschritt um anschließend nach kulturellen
Anschlüssen in der Gegenwart zu suchen – hier am Beispiel von Zack Snyders Holly-
wood-Heldenepos „300“ (2007), das die legendäre Schlacht bei den Thermopylen (480
v.u.Z.) bildgewaltig als westlicher Freiheitskampf Weißer,34 treuergebener, heroischer
Männerbünde gegen das verkommene asiatische Heer der „100 Nationen“ feiert (S.
117-119). Über diesen diskursanalytischen Längstschnitt, der die Diskussion auch auf
Fragen der Perspektivität und der historisch wirksamen Geschichtsbilder lenkt, erfahren
die Leser/-innen dieser Rezension leider nichts, da hier die inszenierte Kritik und nicht
                                             
32 Dieser Begriff kommt in meinem Buch „Unrein und vermischt“ nicht vor.
33 Vgl. Art. „Dareios II.“, Microsoft Encarta ’99 CD-ROM Enzyklopädie.
34 Ich setze „Weiß“ in Großschreibung, weil dieser Begriff in diesem Kontext kein Farbadjektiv
darstellt, sondern eine politische Kategorie mit rassenkonstruktivistischer Bedeutung ausdrückt.

Weiße nehmen Weiße in Schutz? Ist es so einfach? Über das unredliche Verhalten der Online-Zeitschrift brauchen wir nicht reden, das ist empörend und schlicht ganz großer Bockmist. Über das Recht des Autors, Diskriminierung zu empfinden und zu benennen, brauchen wir ebensowenig streiten. Alles, was ich nicht verstanden habe bislang, ist, an welcher Stelle der institutionalisierte Rassismus ins Spiel kommt. Das auf dieser hier noch mal deutlich zu machen, wäre das Anliegen. Um Bengtson und co. geht es doch zumindest hier in dieser Diskussion eigentlich nicht. 

Wieso ist das Verhalten der Zeitschrift unredlich? Die Anmerkungen Has zur Rezension finde ich wenig überzeugend. Ist die wissenschaftliche Kritik einer Promotion Diskriminierung?

Das Verhalten der Zeitschrift ist unredlich, weil sie die Replik Has auf die Rezension nicht veröffentlicht hat und weil sie an der ursprünglichen Rezension lt. Has Ausführungen nach seiner Kritik an der Rezension Änderungen vorgenommen, und diese dann nicht markiert hat. Ich kann das alles nur glauben oder es lassen. Habe weder sein Buch, noch die Rezension gelesen, aber um den jeweiligen Inhalt geht es mir zumindest hier auch nicht, sondern um den Umgang der Zeitschrift mit Rezensierten und RezensentInnen. Dass das alles diesen Aufriss hier gefühlsmäßig nicht unbedingt rechtfertigt, steht auf einem anderen Blatt. 

ich hab die rezension gelesen und seine replik in gänze, und kein normaler mensch bzw. keine wissenschaftliche zeitschrift würde diese replik veröffentlichen. die veröffentlichung von gegendarstellungen ist sehr sehr selten und dafür müssen schwere fehler und falschdarstellungen vorliegen. das ist hier nicht der fall. in der replik wird erzürnt gegen kritik vorgegangen, wie man sie in ähnlicher form oft in rezensionen lesen kann. meiner meinung nach ist diese kritik (an has buch, also die in der rezension) auch begründet und gerechtfertigt.

Kien Nghi Ha schreibt weiter:

 

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die zusammenhängende oder kontextualisierte Repräsentation der zu besprechenden Studie Präferenz genießt. Dementsprechend mokiert sich der Rezensent über meine Quellenwahl35 und verbreitet die nebulöse Behauptung weiter, ich hätte eines der ideologisch verbrämten Schriften des Althistorikers Hermann Bengtson verwandt.
Tatsächlich wäre dieser Hinweis des Rezensenten relevant, wenn er so redlich gewesen wäre das von mir verwandte Werk Bengtsons seinen Leser/-innen preiszugeben und er sich außerdem die Mühe gemacht hätte seine weitreichenden Behauptungen wenigstens mit einer wissenschaftlichen Quelle nachprüfbar abzusichern. Obwohl ich die Befürchtungen des Rezensenten nicht für grundsätzlich abwegig halte, bedürfte es für eine fundierte Kritik konkretisierender Hinweise, die nicht den Charakter einer pauschalen Unterstellung haben. Vor allem hätte der Rezensent klar stellen müssen, welche Werke Bengtsons von seiner Kritik betroffen sind und aufzeigen müssen, inwieweit die von mir verwandte Stelle davon betroffen ist. Allerdings habe ich Bengtson in meiner Studie nur ein einziges Mal konsultiert, wobei seine ereignisgeschichtliche Darstellung des Thronaufstiegs von Dareios II. wenig spektakulär ist und ihr Inhalt auch in weniger verdächtig erscheinenden Publikationen wie der Encyclopaedia Britannica 2007 zu finden ist.
Allerdings ist es mehr als fraglich, dass es dem Rezensenten hier um eine ernsthafte Auseinandersetzung geht. Das wird bereits an dem sonderbaren Umstand deutlich, dass er den Leser/-innen den Namen des eigentlichen Objekts seiner Kritik sicherheitshalber gleich verschweigt. Bei der betreffenden Schrift handelt es sich keineswegs um eine obskure Hochschulschrift aus der NS-Zeit – wie die Kontextualisierung des Rezensenten nahelegt. Vielmehr beziehe ich mich auf eine Sonderausgabe des von Herman Bengtsons in Zusammenarbeit mit international führenden Historiker/-innen herausgegebenen Bandes „Griechen und Perser. Die Mittelmeerwelt im Altertum I“36, das 1965 erstmalig in der epochalen Reihe Fischers Weltgeschichte erschien und bereits 1993 eine Gesamtauflage von 130.000 Exemplaren erreichte.37 Auch in anderen Ländern wuchsen Generationen mit den Geschichtsbildern dieses Werkes auf: Nachdem die 35 Die Nennung der unumstrittenen Microsoft Encarta in meiner Studie lässt sich leicht erklären:
Dort bin ich erstmalig auf den athenischen Bastardnamen von Dareios II. gestoßen, so dass ich diesen Zufallsfund auf diese Weise dokumentiert habe. Wie der Artikel „Dareios II.“ verfügen auch andere Microsoft Encarta Eintragungen häufig über einen hohen Informationswert, da die Microsoft Encarta auf Inhalte renommierter Enzyklopädien wie dem Funk & Wagnalls New Encyclopedia, dem britischem New Merit Scholar’s Encyclopedia von Macmillan sowie dem besonders hochwertigen Collier’s Encyclopedia aufbaut. Die deutsche Sprachfassung wurde von einem großen akademischen Mitarbeiterstab und einem wissenschaftlichen Beirat u.a. mit dem angesehenen Historiker und Rassismusforscher Imanuel Geiss betreut. Aus der Microsoft Encarta habe ich in dieser Studie sonst nur noch den Artikel „Hybride“ verwandt.

 

36 Bengtson, Hermann (1998) [1965]: Griechen und Perser. Die Mittelmeerwelt im Altertum I.
Zugl. Fischer Weltgeschichte Bd. 5. Augsburg: Weltbild.
37 In der Deutschen Nationalbibliothek ist als letzte Neuauflage dieses Werk die Ausgabe von
2003 hinterlegt.

Seite 20

italienische Übersetzung 1967 in der Reihe „Storia universale Feltrinelli“38 erschien, wurde 1969 auch die englischsprachige Übersetzung publiziert,39 die sich für Hermann Bengtson schon bald auszahlte: 1973 wurde er Ehrenmitglied der traditionsreichen Society for the Promotion of Hellenic Studies in London, was seinen internationalen Ruhm weiter mehrte. Bengtson gilt bis heute als respektierter Althistoriker, der sowohl national als auch international zahlreiche Ehrungen erhielt: u.a. Mitglied der Königlichen Wissenschaftlichen Gesellschaft von Schweden (1962), Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Literatur und Schönen Künste von Belgien (1965), Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1968). Das Werk „Griechen und Perser“ wird in der Encyclopaedia Britannica 2007 als „moderne Abhandlung“ mehrfach in Artikeln zur Antike von unterschiedlichen Autoren ausdrücklich empfohlen. All das deutet auf den ersten Blick nicht gerade daraufhin, dass das von mir verwandte Werk unwissenschaftliche NS-Geschichtsbilder propagiert und als typisches Geistesprodukt des Kalten Krieges anzusehen wäre. Die Kritik des Rezensenten würde vielleicht eher Sinn ergeben, wenn sie ganz allgemein nach Konstruktionen des „barbarischen Ostens“ in der westeuropäischen Histographie suchen würde.
Wie notwendig eine differenzierte Kritik gerade bei notorischen Vielschreibern wie Hermann Bengtson ist, zeigt eine kurze Recherche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Er ist dort als Autor von 109 Werken ausgewiesen, wobei auch Sonderaus-
gaben, Neuauflagen und Übersetzungen in dieser Zahl inkludiert sind. Aus diesem Fundus stammten nur zwei Abhandlungen aus der Zeit vor 1945, die Ende der 1930er Jahre für die Bayerische Akademie der Wissenschaften verfasst wurden. Bereits seine erste Nachkriegspublikation „Einführung in die Alte Geschichte“ (1949)40 wurde mehrfach aufgelegt und 1975 schließlich als englischsprachige Ausgabe von der University of California  herausgegeben.41 Andere Arbeiten wurden von sowjetischen Institutionen wie dem Institut für Orientstudien der Akademie der Wissenschaften ins Russische übersetzt.42 Auch in jüngster Zeit sind Werke Bengtsons postum ins Spanische und Ungarische übersetzt worden,43 so dass ein werksimmanenter und pauschaler NS-Verdacht wenig hilfreich erscheint. In einer Rezension über Stefan Rebenichs kritischen Aufsatz „Hermann Bengtson, 1909–1989“44 heißt es zusammenfassend:
                                             
38 Bengtson, Hermann (1967): Greci e Persiani. Milano: Feltrinelli.
39 Bengtson, Hermann (1969): The Greeks and the Persians. London: Weidenfeld and Nicolson /
New York : Dell Publishing.
40 Bengtson, Hermann (1949): Einführung in die Alte Geschichte. München: Biederstein.
41 Bengtson, Hermann (1975): Introduction to ancient history. Berkeley: University of Califor-
nia Press.
42 Bengtson, Hermann (1982): Praviteli épochi Ėllinizma [Herrschergestalten des Hellenismus].
Akademija Nauk SSSR, Institut Vostokovedenija. Moskva : Nauka.
43 Bengtson, Hermann (2008): Historia de Grecia. Madrid: Gredos und Bengtson, Hermann
(2010) A hellenisztikus világkultúr. Szeged : JATEPress.
44 Stefan Rebenich (2010): Hermann Bengtson, 1909-1989. In: Katharina Weigand (Hg):
Münchner Historiker zwischen Politik und Wissenschaft: 150 Jahre Historisches Seminar der
Ludwig-Maximilians-Universität. Herbert Utz Verlag, München, S. 281-308.

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„Sehr lebendig charakterisiert der Berner Historiker Stefan Rebenich Hermann Bengtson, der durch seine einem restaurativ-traditionellen Geschichtsbild und ‚antiquarischer Exaktheit‘ (S. 295) verpflichteten Werke den Nerv der Adenauerzeit traf und daher in den Nachkriegsjahren zum ‚Synonym für althistorische Lehrbücher‘ (S. 289) avancierte. Große Synthesen, theoretische Reflexion oder Abstraktion waren dagegen seine Sache nicht ... Rebenichs Urteil besticht durch detaillierte Werkkenntnis und spart nicht mit deutlichen Worten an der ‚positivistischen Produktivität‘ (S. 295) Bengtsons, der durch eine Vielzahl von Doktoranden und Habilitanden allerdings beachtlichen institutionellen Einfluss zu gewinnen vermochte.“45
Angesichts seines Plädoyers für das quellenkritische Arbeiten ist es unverständlich, warum der Rezensent seine eigene, mehr als kritische Position selbst so ungenügend begründet. Auch ist es nicht nachvollziehbar, warum er meine weitaus besser belegte Quellenkritik etwa an rassistisch konnotierten Aussagen von Richard Konetzke, Autor von „Süd- und Mittelamerika I“ in der Reihe „Fischer Weltgeschichte“ und Verfasser des entsprechenden Kapitels in der weitverbreiteten Propyläen-Weltgeschichte,46 oder meine Problematisierung des eurozentrischen und kolonialen Afrikabildes in der Konzeption der Propyläen-Weltgeschichte mit keinem Wort erwähnt (S. 139-141).

Den Ärger über eine ungerechtfertigte Rezension kann ich bestens nachvollziehen. Allerdings ist mir nicht klar, welche Rolle die Abstammung des Autors dabei spielt. Solche Fälle, in denen Rezensenten ungenau arbeiten, haltlose Vorwürfe bringen und wissenschaftliche Arbeiten unnachvollziehbar verreißen, gibt es leider. Und ebenso die Weigerung, sich bei Nachfrage adäquat damit auseinanderzusetzen. Üblich wäre, eine öffentlich Antwort auf die Rezension zu verfassen und dem Publikum damit die Möglichkeit zu geben, sich ein Urteil zu bilden. IASLonline ist ohne Frage vorzuwerfen, die Replik auf die Rezension nicht öffentlich gemacht zu haben, was übliche Praxis wäre (als Beispiel aus dem Bereich der Altertumswissenschaften nenne ich nur Bryn Mawr Classical Review, wo Rezensionen und Repliken gleichermaßen sogar über den E-Mail-Verteiler gehen), wie es im Text der Petition ja auch gefordert wird. 


Allerdings: ich verstehe den Ärger Kien Nghi Has, aber mir fehlt der konkrete Hinweis auf die institutionelle Diskriminierung gegen eine PoC an dieser Stelle. an welchem Punkt ist offensichtlich (damit meine ich: so objektiv es eben möglich ist), dass der Rezensent aufgrund der Abstammung zu seinem Urteil kommt? Ich will die Deutungshoheit des Autors damit in keiner Weise in Frage stellen, aber ich wüßte gerne, an welchem Punkt es hakt. Auch, um vergleichbare Fälle von Diskriminierung in Zukunft schneller zu erfassen. 


Ich bin selbst Altertumswissenschaftlerin (beschäftige mich seit einer Weile ebenfalls mit dem Griechen/Perser-Thema), das Problem der Literatur aus der NS-Zeit stellt sich mir auch regelmäßig. Und ebenso auch die Gratwanderung, säuberlich auszusortieren, welche Analysen den Zeitumständen geschuldet sind, und welche als möglichst neutral anzusehen sind. Manche haben es geschafft, zwar in den kritischen Jahren zu schreiben, aber die Ideologie des NS aus ihren Schriften rauszuhalten (teils trotz Parteimitgliedschaft), andere eben nicht. Und wieder andere schaffen es bis heute nicht, auch wenn sie erst nach 45 geboren wurden. GErade die Debatten um Akkulturation, "Barbaren" und "Griechen" strotzen nur so von kolonialistischen Fallstricken. DIe Aufarbeitung dieser heutigen Sichtweise auf vergangene Kulturen hat wenn überhaupt erst begonnen, zumindest in der deutschsprachigen Wissenschaft. 

Ich sehe ehrlich gesagt nicht, welche Argumente es für die Aussage gibt, dass die Rezension schlecht, empörend, ungerechtfertigt etc. ist. Die langwierige Aufzählung Has überzeugt nicht, macht in meinen Augen an einigen Stellen eher die ursprüngliche Aussage des Rezensenten stark. Wieso wird, nur weil ein Rezensierter sich schlecht behandelt fühlt, automatisch er im Recht? Wieso stellst Du nicht die Frage, ob nicht die in der Rezension getroffenen Anmerkungen, die mir differenziert erscheinen, zutreffen?

Die Rezension AN SICH ist nicht schlecht, empörend oder ungerechtfertigt. Wie oben geschrieben: Ich habe das Buch nicht gelesen, und kann diesen Disput mit der Zeitschrift, wie er dargelegt wird, glauben oder nicht. Ich möchte auch gar nicht beurteilen, ob Kien Nghi Ha oder die Zeitschrift im Recht ist oder nicht, das kann ich gar nicht. Was ich ihm nicht absprechen möchte, ist die Deutungshoheit über sein Empfinden von Rassismus. Denn das kann ich ebenso wenig beurteilen. Ich kann und will also gar nicht Partei ergreifen für die Zeitschrift oder Ha.

 

Alles, was mich interessiert ist eben, an welcher Stelle in diesem Streit um eine Rezension und deren Nachspiel der Rassismus zu Tage tritt. 

 

Die Kritik am Umgang der Zeitschrift mit der Replik Has auf die Rezension teile ich hingegen. Weil aus meiner Erfahrung mit diesen Dingen übliche, wissenschaftliche Praxis eben anders aussieht. Nochmal: Weder der Inhalt der Rezension noch der darauf bezogenen Ausführungen Has stehen bei mir in der Kritik - wie gesagt: das kann und will ich nicht beurteilen. Ich halte nur eben das Vorgehen der Zeitschrift (so die Darlegungen Has denn zutreffen - was ich auhc nciht beurteilen kann) für unredlich. Und selbst wenn die Rezension gerechtfertigte Kritik am Buch Has anbringt (die Zeitschrift sozusagen "im Recht" ist), gehört es sich, die Antwort des Autors des Buches auf die Rezension zu veröffentlichen. Meinetwegen mit Kommentar des Verlags. Und dann sollte auch gut sein.  

die veröffentlichung von antworten der autoren auf rezensionen ihrer bücher ist unüblich und weder bei hsozkult noch der hier erwähnten zeitschrift gang und gebe. wenn jeder, der denkt, er ist der größte und unfehlbar auf (sinnvolle) kritik an seinem buch gleich eine gegendarstellung erzwingen könnte, würde das ganze ding vor den baum fahren. die selbstverliebte und egozentrische art, die aus dieser petition spricht (eigene preise aufzählen etc.) und ohne die man so einen aufriss nie starten würde, ist es, die mich ankotzt. und dass hier der rassismusbegriff verballhornt wird, und die antirassistische grundhaltung von leuten hier ausgenutzt wird für einen peinlichen privatkrieg, das alles finde ich widerwärtig. wegen solchen leuten sind konzepte wie critical whiteness und anderes nicht mehr im geringsten nutzbar, ein trauerspiel.

Ich wußte nicht, dass es in deutschsprachigen Zeitschriften unüblich ist, Repliken auf Rezensionen zu veröffentlichen. Aus dem englischsprachigen Raum kenne ich das nicht anders. Sollte man vielleicht mal drüber nachdenken, das auch hier einzuführen. Es kommt leider zu oft vor, dass Rezensent_Innen aus Brass auf eine_n Autor_in einen Verriss veröffentlichen. Aber das gehört nicht hier her.

Deinem letzten Post stimme ich im Übrigen zu. Deswegen habe ich ja auch nachgefragt, an welcher Stelle der Autor konkret institutionellen Rassismus erfahren hat. So krass würde ich es eben nicht formulieren, wie Du es getan hast, weil ich Ha nicht kenne, und nicht beurteilen kann, ob seine Empfindung von Rassismus gerechtfertigt ist oder nicht. Insgesamt erweckt die Petition und auch die "Soliseite" allerdings genau den Eindruck, den Du skizziert hast. 

ich frage mich nur warum es dich nicht "ankotzt", dass eine wissenschaftliche zeitschrift - wir reden nicht von einem privaten meinungsblog - zuerst ohne prüfung fehler bestreitet und dieses später klammheimlich retuschiert? das ist voll normal und voll in ordnung? in welcher welt lebst du eigentlich?

 

ist es eitelkeit oder kontextualisierung, wenn die petition darauf hinweist, dass das verissene buch an anderer stelle mehrfach mit mehr anerkennung aufnimmt? ist das keine relevante information um ein buch und eine rezension einzuschätzen, die noch nie etwas davon gehört haben?

 

übrigens, darf man überlegen, ob unbewusste institutionelle diskriminierung im spiel ist, wenn ein weiße rezensent mit hilfe einer weiße wissenschaftlichen institution, wo alle die gleichen kulturelle und ethnische zugehörigkeit miteinander teilen, ein werk eine nicht-weißen verreist. kien nghi ha behauptet, dass die rezension 20 faktische fehler und 14 inhaltliche probleme enthält. er hat eine dokuseite angelegt, die alle punkte fein säuberlich auflistet und mit quellen belegt. hast du das mal gelesen und darüber mal nachgedacht bevor du (wahrscheinlich angehöriger der weißen mehrheitsgesellschaft) hier in maßlos arroganten und beleidigenden ton über kien nghi ha herziehst und dich als opfer inszenierst, da ha deinen vermeintlich anti-rassistischen gutmenschentum ausbeuten würde. wie rassistisch ist denn das bitte? wie kann man ohne die fakten zu kennen sich so vernichtender (vor-)urteile erlauben?

 

hast du eigentlich die definition des macpherson-kommission der britischen regierung eigentlich verstanden? danach ist es institutioneller rassismus, wenn eine institution ihren auftrag eine "angemessene und professionelle dienstleistung zu bieten" für angehörige ethnischer minderheiten nicht nachkommt. punkt.

 

eine wissenschaftliche rezension ist weder ein gottesurteil noch geniesst sie narrenfreiheit. es ist legitim eine rezension zu kritisieren, wenn sie FAKTISCH FALSCH oder INHALTLICH IRREFÜHREND ist.

man, das gibt es doch echt nicht. schreib einfach das nächste mal ein besseres buch oder nimm die kritik an den oberflächlichkeiten und unstimmigkeiten deiner arbeit ernst und verbessere das ganze, dann halten deine thesen das nächste mal vielleicht kritischen blicken stand.

Ich hatte eine inhaltliche Anmerkung zu Has tollen Gegenargumenten auf seinem Blog geposted, der Kommentar wurde nie freigeschaltet - seit Wochen.

Das ist das i-tüpfelchen dieser ganzen Aktion. Ohne Worte.

Ja, diese Rezension ist - gerade für eine wissenschaftliche Rezension - eigentümlich strukturiert; sie hängt sich an Einzelheiten auf, und befasst sich wenig mit dem Gesamtprojekt des Autors.

Und ja, die Rezension dann stillschweigend zu korrigieren, sich aber nicht auf eine Offenlegung einzulassen, geht gar nicht, erst recht in der akademischen Praxis.

 

Aus meiner Sicht liegt folgende Situation vor: Eine Institution der deutschen, zumeist weißen Wissenschaftscommunity spricht (negativ) über ein Werk einer Person die sich (mutmaßlich, wissen _kann_ ich das ja nicht) als PoC begreift. Insofern ist bereits ein Herrschaftsverhältnis vorhanden, welches sich in rassistischen Sprechweisen und Handlungen manifestiert/manifestieren kann.

Ob und wie das aber genau hier der Fall ist, müsste in diesem Fall aber doch erst konkret nachgewiesen und verdichtet werden:

 

Wo und wie treten hier, im Falle einer schlechten Rezension und einer unprofessionellen Umgangsweise, rassistische Praxen zutage? Weswegen ist das, was Kien Nghi Ha hier subjektiv erlebt und deutet ein _institutionalisierter_ Rassismus?