Zur Finanzierungsstruktur von thiazi.net

Holocaustleugner «Pervitinist» auf thiazi.net

Nach der Veröffentlichung von drei Artikeln auf Indymedia ([1] [2] [3]) und zwei Artikeln in der Presse ([1] [2]) hat in Techie-Kreisen eine intensive Diskussion darüber begonnen, wie die Aktivitäten des «Attraktor»-Vorstands Robert Marquardt nach 2008 zu werten seien. Weitgehend unstrittig ist mittlerweile, dass er zuvor jahrelang Nazihetze verbreitet, Naziforen moderiert, Naziwebsites administriert und Naziserver betrieben hat. Techies aus dem Hamburger «Attraktor» behaupten, Robert Marquardt sei 2008 ausgestiegen und habe sich von da an nicht mehr nationalsozialistisch betätigt. Im Widerspruch dazu stehen die Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft nach § 130 StGB: Volksverhetzung. „Die Faktenlage ist eindeutig“, sagte ein Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft zur taz. Vorgeworfen wird Marquardt das Hosting von rund 50 Naziwebsites auf einem Server der US-amerikanischen Firma «Dreamhost» bis zur Kündigung durch «Dreamhost» am 22.03.2011, also über zwei Jahre nach Marquardts angeblichem Ausstieg. Dieser Text soll aufzeigen, wie wichtig die Finanzierungsstruktur für die Naziinfrastruktur ist. Als Beispiel dafür dient das «Thiazi»-Forum, das nach BKA-Razzien im Zuge eines § 129-Verfahrens am 14.06.2012 abgeschaltet wurde.

 

Am 17.01.2007 gab der «Thiazi»-Forenchef Klaus Ruthenberg aka «WPMP3» die „Trennung von Skadi.net Deutsch/Englisch“ bekannt. Als Grund gab «WPMP3» an, es sei „abzusehen das wir in nächster Zeit wieder einen besseren Server bräuchten.“ Resigniert stellte er fest: „Dieser neue Server ist aber nicht finanzierbar.“ Doch auch durch die Trennung ergaben sich Probleme, denn „es gibt weder einen Thorburn der reinbuttert noch VHO (Germar Rudolf) die den Server zur Hälfte mittragen. Es muß also ganz eindeutig gesagt werden das wir die Gelder brauchen sonst ist der Laden dicht.“ Aber nicht nur die Höhe der benötigten Gelder stellte die «Thiazi»-ModeratorInnen vor große organisatorische Probleme, auch die Akquirierung gestaltete sich schwierig. Die schon für «Skadi» zum Spendensammeln genutzten Konten liefen auf den Holocaust-Leugner Germar Rudolf und seine Organisation «Vrij Historisch Onderzoek». Immer wieder sperrte Paypal Rudolfs Konten, was insbesondere nach seiner Verhaftung am 19.10.2005 zum Problem wurde: „Wenn das Konto gesperrt wird, behält Paypal das Geld ein und es ist nicht so einfach da wieder heran zu kommen, vor allem wenn der Inhaber in Zwangshaft sitzt.“

 

Ein wichtiger Anreiz für «Thiazi»-SpenderInnen war der Zugang zu indizierter Nazimusik. Um nicht länger von Filehostern abhängig zu sein, versuchte die «Thiazi»-Technikerin Daniela Wagner aka «Fjörgyn» einen dedizierten Fileserver für das «Thiazi»-Forum aufzubauen. Am 22.05.2007 informiert sie die anderen «Thiazi»-ModeratorInnen: „Wir hätten für 200,- $ für 2 Jahre ständig wachsenden Speicherplatz und Bandbreite, was für die MP3 Uploads genau richtig wäre - keine Löschungen mehr, da alles bei uns gespeichert würde.“ Aber „uns fehlt ein US-Bürger, der uns einen weiteren Server anmietet, bzw. lediglich eine Überweisung an den Provider Dreamhost tätigt.“ Frustriert fasste «Fjörgyn» die Abhängigkeit von Geldtransfers zusammen: „Es benötigt lediglich eine beschissene Banküberweisung von US zu US-Konto, aber keiner will, angemeldet ist alles, nur eben nicht bezahlt.“ Fast wäre das Projekt an der Überweisung gescheitert: „Bzgl. MP3 Bereich habe ich bisher niemanden gefunden, der die Überweisung an Dreamhost tätigt und ich den Thiaziserver dafür nicht öffnen werde; allein wegen dem Datentransfer, dem Speicherplatz und vor allem der Sicherheit wegen deshalb den Port zu öffnen. Insofern bleibt es so wie es ist, bis sich einer erbarmt.“ Letztendlich konnte «Fjörgyn» dann aber am 29.06.07 doch noch erfreut melden: „Da der Check für den Dreamhostserver vom Micetrapversand heute losgeschickt wurde, werden wir evtl. in der nächsten Woche das Dateiarchiv angehen können.“

 

Am 23.03.2009 überbringt «Fjörgyn» im internen Bereich von thiazi.net eine Hiobsbotschaft: „Die HSBC Bank hat vho.org aufgrund der Williamson-Affäre das Bankkonto sowie die Kreditkarten gekündigt und ihnen bis Mitte April Zeit gegeben haben sich eine neue Bank zu suchen. Der Betreiber hat zudem nicht mehr die Kraft das Geschäft weiterzuführen, was soviel bedeutet, daß wir keine Spendeneingangsmöglichkeit mehr haben, was dazu führt, daß wir in zwei Monaten die Server los sind, falls wir bis dahin keine Möglichkeit finden Bank- und Briefspenden anzunehmen. Germar Rudolf kommt Mitte Juni frei, aber ihm haben sie durch Skadi/Thiazi bereits 5x die Kreditkarte und das Paypalkonto gesperrt und ich bezweifle, daß er nach der langen Haftzeit und dem vorherigen Ärger das nochmal mitmachen möchte. Was ihm zuzumuten wäre, daß über uns die Spenden gesammelt werden und bei erreichen einer bestimmten Summe an ihn überwiesen werden. Das Problem ist: Wer stellt ein Bankkonto bereit? Wer stellt ein Paypalkonto bereit? Wer nimmt Postspenden an? Und was das größte Problem darstellt: Wer ist zuverläßig und vertrauensvoll genug, daß er mit den ihn anvertrauten Daten auch keinen Unfug treibt und vor allem nicht in der BRD oder gleichgesinnten Ländern wohnt?“

 

Als Notlösung schlägt «Fjörgyn» den Umzug von einem Dedicated Server auf einen Virtual Private Server vor, dann wäre auch „der Verwaltungsaufwand des Servers sehr gering, da hier alles von Dreamhost erledigt wird“: „Sollte es zu keiner Lösung kommen. Meine Idee wäre es Thiazi auf einen Dreamhost Virtual Private Server zu schieben. Preislich wird es wohl gleich bleiben. Leistungsmäßig werden wir hier im Forum evtl. einige Modifikationen herunterfahren müßen. Die Spenden hier laufen dafür problemlos über das Paypalkonto von Dreamhost, was uns viel bisherigen Ärger ersparen würde, aber eben auch nur Paypal zur Verfügung stellt.“ «WPMP3» bewertet die Erfolgschancen als gering: „Ich schreib mögliche Personen mit einem Sammelbrief nochmal an. Aber ich bezweifle, daß irgendjemand vertrauenswürdiges ein Konto eröffnet. Aber vielleicht sehe ich, das auch zu pessemistisch.“

 

In seiner „Sammel PN an alle Leute denen ich zutraue evtl. Möglichkeiten zu kennen, bei dem nachher genannten Problem zu helfen“ am 24.03.2009 schildert «WPMP3» das Problem und bittet darum, „diese Info vertraulich zu behandeln“, denn „für die Öffentlichkeit ist diese Frage irrelevant“: „Thiazi braucht dringend ein neues (Auslands)konto! Geschätzte 90% aller Spenden wurden bisher über ein in GB beheimatetes Konto gesammelt. Dieses wurde von VHO.org verwaltet und unsere Spenden wurden dort sortiert und zur Bezahlung unserer Server weitergeleitet. Nun ergibt sich folgendes Problem: aufgrund der Williamson-Affäre wurden dem Betreiber sowohl Konto als auch Kreditkraten gekündigt und er hat bereits gesagt, daß er auch keine neuen eröffnen wird und damit unser Konto definitiv weg bleibt. Ohne bestehendes Bankkonto ist, aus meiner Sicht, Thiazi auf Dauer nicht zu finanzieren. Für den Fortbestand des Forums braucht es also unbedingt ein neues Bankkonto. Leider weiß ich keine Person die im Ausland wohnt und vertrauenswürdig ist und ein (Auslands) Bankkonto nur für unsere Spenden eröffnen würde.“

 

Am 05.06.2009 kann «WPMP3» Entwarnung geben, denn „Thiazi besitzt wieder ein eigenes Bankkonto und ein eigenes Postfach. Spenden können also wieder wie gehabt an uns überwiesen werden.“ Explizit bedankt er sich bei der einen „Person, die es schlußendlich ermöglicht hat, daß das Forum wie bisher weiter bestehen kann. Denn nicht nur das Geld ist entscheidend sondern eben auch die organisatorischen Dinge damit, das überhaupt bei uns ankommen kann.“ Ein „Mitarbeiter“ wurde „ausschließlich für diesen Bereich eingesetzt um die Finanzierungen zu bearbeiten“: „Der liebe Weddigen wird sich von nun an um die Finanzierung kümmern und Euch bei Problemen & Fragen zur Spende mit Rat und Tat zur Seite stehen.“ Über «Weddigen» liefen dann auch die Überweisungen: „Empfänger: NIGEL, IBAN: GB48BARC20605523091686, BIC: BARCGB22XXX, Bankname: BARCLAYS BANK PLC, Zielland: Großbritannien“.

 

Bis zum Schluss wurde versucht, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Naziforen zu verschleiern. Höchstens im internen Bereich kamen sie zur Sprache, wie zum Beispiel durch den «Thiazi»-Moderator «Pervitinist» am 12.05.2008: „Seit einigen Tagen komme ich nicht mehr in die Foren GDV, The Althing, Nordfolk. Vermutlich sind noch ein paar andere betroffen. Kennt jemand den Grund?“ Moderator «Wotan», Mitglied der Naziband «Kraftschlag», antwortete: „Ich glaube es war nur ein Zufall.“ Doch «Pervitinist» hatte offenbar mehr Informationen: „Nein, war kein Zufall, sondern, wie ich erfahren habe, ein Serverwechsel (hängen ja alle irgendwie zusammen, die ganze Forenmischpoke ).“

 

Rabbit knows a thing or two and I myself, don't need a weather vane to tell which way the wind blows,“ said the Cat, and vanished again.

 

 

Screenshots:

                   

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Der Artikel fasst zusammen, warum Leute wie Robert Marquardt so wichtig für die Naziszene sind: ohne ihre Hosting-Accounts, ohne ihr Fachwissen und ohne die von ihnen zur Verfügung gestellte Anonymisierungs- und Kommunikations-Infrastruktur wären diverse Naziprojekte nicht mehr online bzw. nie online gegangen.

Arbeit!

Jens Ohlig ‏@johl
Aufgrund der Vorgänge im Hamburger Hackerspace Attraktor kann ich momentan den CCC nicht mehr unterstützen. Ich habe meinen Austritt erklärt

 

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