Antimuslimischer Rassismus - Medien zwischen Breivik-Schlagzeilen und Blindheit

Michael Stürzenberger und Christopher von Mengersen in Aarhus

Während der norwegische Massenmörder Schlagzeilen bekommt, gibt es keine bis durchaus positive Presse für antimuslimische Rassist_innen in deutschen Medien. Machen sich Medien aber durch ihre Berichterstattung zu Breiviks Erfüllungsgehilfen? Nein, eine Beschäftigung mit seiner Ideologie ist wichtig, kommentiert Markus Horeld. Gökalp Babayigit begründet in einer Kolumne auf Sueddeutsche.de: „Wieso wir Anders Breivik zeigen“, im Feuilleton der FAZ schreibt Nils Minkmar: „Die Aufgabe der Medien kann nicht das Ausblenden des Übels sein“. Er schließt damit ab, dass die vornehmste Aufgabe der Medien eine klare und schonungslose Berichterstattung in Wort und Bild sei.


Verantwortungsbewusst berichtet bis jetzt auch Spiegel Online und die taz. Breivik wollte "Al-Kaida für Christen". Die Medienberichterstattung kommentierte auch Dietmar Näher in seinem Blog. Anders als viele Medien berichtet er jedoch kontinuierlich über die Ideologie hinter den Terroranschlag und Massenmord in Oslo und auf Utoya. Diese ist auch in Deutschland verbreitet. Der Politblogger titelte passend: „RBB: Auf dem rechten Auge blind“ zu der Abendschau vom Samstag. In einem Beitrag werden die salafistischen Koranverteiler in Berlin begründet kritisch dargestellt. Dahingegen kann Lena Duggen vom Berliner Landesvorstand der ultrarechten Kleinstpartei „Die Freiheit“ ihren antimuslimischen Rassismus öffentlich und unkommentiert in dem Bericht verbreiten. Nicht das Interview mit ihr an sich ist dabei zu kritisieren, sondern die Tatsache dass die Zuschauer nicht auf die Parteizugehörigkeit und ihren Ideologischen Hindergrund aufmerksam gemacht werden. Es wurden eben nicht nur zufällig vorbeikommende Passanten, sondern auch Aktivisten einer organisierten antiislamischen Hetzkampagne befragt. Diese Information wird in der Abendschau bewusst oder aus Unwissenheit unterschlagen und somit das Ereignis einseitig verzerrt dargestellt.

Das „Netz der Islamfeinde“ wurde so eine kostenlose Propagandaplattform in einem öffentlich-rechtlichen Informationssendung des RBB gegeben. Laut dem größten Blog der Islamhassszene, „Politically Incorrect“ (PI) waren an der Aktion die PI-Gruppe Berlin, die Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), Die Freiheit, die Sarraziner und das „Netzwerk Demokratischer Widerstand“ beteilig. Auf der Website letztgenannten befindet sich auch der Internetpranger  „Nürnberg 2.0“. Viele Hinweise deuten darauf hin, dass hinter diesem virtuellen Volksgerichtshof der Hassblogger Karl-Michael Merkle steckt, der öffentlich fast ausschließlich nur mit seinem Künstlernamen Michael Mannheimer als Sprecher der Initiative1683 in Erscheinung tritt.

Durch seine Auftritte beim Europatreffen der fanatischen Muslimenhasser am 31. März im dänischen Aarhus sowie am vergangenen Samstag in Ludwigshafen verhärtete er den Verdacht, dass er einer der Macher des Internetprangers gegen seine vermeintlichen politischen Gegner ist: Journalisten, Politiker, Wissenschaftler, Juristen, Richter und Personen die nicht seine antiislamische Weltsicht teilen. Bereits im April 2011, also vor Breiviks-Massenmord rief er zum „Widerstand gegen das politische Establishment gemäß Art.20 Abs.4 GG“ auf. So berichtete auch der Watchblog NPD-Blog.info darüber: „Rechtsradikaler Blogger rief zu den Waffen“.

Wie aber berichtete die Presse von der rassistisch-antimuslimischen Veranstaltung auf den Berliner Platz in Ludwigshafen? Entweder gar nicht oder wie die Regionalzeitung Rheinpfalz so: „Gegen die Islamisierung Europas hat der Verein "Bürgerbewegung Pax Europa" am Samstag Polizeiangaben zufolge von 10 bis etwa 15.30 Uhr demonstriert. Die Veranstaltung mit rund 80 Personen sei friedlich und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen.“ (Druckausgabe der Rheinpfalz vom 17.4.2012, Seite 22). Es hat also laut Rheinpfalz ein Verein gegen die „Islamisierung Europas“ demonstriert und es gab dabei nach Polizeiangaben keine besonderen Vorfälle? Ob hier die Polizei oder die Rheinpfalz blinder auf dem rechten Auge war, sei mal dahingestellt, aber gründliche journalistische Recherche sieht wohl anders aus. Vor der Veranstaltung wurde kurzfristig unter den Überschriften „Heute rassistische Veranstaltung“ und „Samstag Gipfeltreffen der Hassprediger“ zu Protesten dagegen aufgerufen. Nach Zeugenaussagen aus dem „Netzwerk gegen rechte Gewalt und Rassismus Ludwigshafen“ sowie aus dem „Bündnis Mannheim gegen Rechts“ lief die Veranstaltung folgendermaßen ab:

Wie auch der gerade in Oslo vor Gericht stehende Terrorist und Massenmörder, sehen sich auch einige Anhänger der selbsternannten rechtspopulistischen „Bürgerbewegung“ Pax Europa in einer Notwehrsituation gegen die angebliche Islamisierung Europas. Die ca. 50 Anhänger von BPE, PI-Gruppe Rhein-Neckar, German Defence League (GDL) und der ultrarechten Kleinstpartei „Die Freiheit" haben von ca. 10:30 bis etwa 15.30 Uhr demonstriert. Frauen die im Kopftuch vorbei laufen wollten, wurden laut über das Mikrofon verhöhnt und „zurück in die Türkei geschickt“. Sie trauten sich nicht weiter zu laufen und kehrten um. Die Polizei schritt dabei nicht ein. Jugendlichen mit Migrationshintergrund die mit den Islamhasshetzern über den Islam diskutieren wollten wurden verhöhnt und ihnen klargemacht, dass es nicht „ihr Deutschland sei“, obwohl sie hier geboren seien. Am Rande der Veranstaltung wurden immer wieder vorbeikommende Passanten angehalten, provoziert und rassistisch beleidigt sowie verlautbarte Mannheimer über Mikrofon: „Wir werden eine große Aktion machen, wo wir alle deutschen Politiker, alle Medien des Völkermordes besichtigen, anklagen und sie vor sämtliche Gerichte ziehen. Was können wir als Einzelne tun? Ich kann ihnen nur empfehlen: Schließen sie sich einer islamkritischen Organisation an […]“ (Quelle ab Minute 29:17 des YouTube-Videos). Vorher sprach er davon, dass Deutschland eine linksgerichtete Diktatur sei, wo es keine Meinungsfreiheit gebe.

Die Demo eröffnete laut PI der stellvertretende Leiter der Veranstaltung und Parteilandesvorsitzender der Freiheit Baden Württemberg, Edgar Baumeister. Es folgten Reden von Sandro Sergio Marzio, Michael Mannheimer, Wilfried Puhl-Schmidt von Pax Europa und laut PI auch Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Hauptredner war neben Michael Merkle auch Michael Stürzenberger, der Bayerischer Landesvorsitzender der Partei „Die Freiheit“, für die er auch im Bundesvorstand sitzt. Dieser rief über die Lautsprecheranlage: „Deutschland schafft sich ab, in ungefähr vierzig bis siebzig Jahren, je nachdem wie es sich in den nächsten Jahrzehnten entwickelt, werden wir muslimische Mehrheiten haben und dann haben wir mit absoluter Sicherheit einen islamischen Gottesstaat. Wollt ihr das?“ Publikum: „Nein!!!“

Auf PI stellt Stürzenberger sich selbst als Held der Bewegung dar und blogt unter Klarnamen oder seinem Pseudonym „byzanz“. Ebenfalls auf der Ludwigshafener Demo waren der Gründer der PI-Gruppe Rhein-Neckar, Emil Kahlmann alias vaterrhein sowie die Rhein-Main-Division der Hooligan-Schutztruppe „German Defense League“ (GDL) um Christopher von Mengersen aus Frankfurt am Main, dem ehemaligem kommissarischen Vorsitzende der Parteijugend „Generation Freiheit“. In einem YouTube-Video aus dem Bus zu der oben genannten Demo vom 31. März im dänischen Aarhus ist er mit der Aussage zu hören, dass sich „die Völker Europas nicht widerstandslos unterdrücken lassen wollen, sei es durch eine pseudoreligiöse Diktatur einer religiösen Ideologie oder einer EU-Diktatur, die Diktatur einer kleinen Minderheit um eine große Mehrheit die komplett unmündig ist“.

Die antimuslimisch-rassistische Hassbloggerin Ilona Schliebs alias Kybeline von der BPE Stuttgart schrieb nach ihrer Teilnahme an der Veranstaltung: „Che Guevara ist so ein Terrorist die inwzischen zum Held hochgelobt wurde. Wer weiß, vielleicht ist Breivik auch nur der Nelson Mandela oder der Che Guevara des nächsten Jahrzehnts? Heute Mörder, morgen Held?“ (Rechtschreibfehler wie im Original). Zu der Ludwigshafener Islamhassversammlung schrieben zumindest die Grünen in einer Pressemitteilung: „volksverhetzend und geschmacklos“.

In der Presse ist davon nichts zu lesen. Ja, es ist richtig über den norwegischen Prozess gegen Breivik zu berichten und dabei auch dessen Ideologie öffentlich zu machen. Ja, der Massenmörder ist ein sich selbstüberschätzender Selbstdarsteller der das Gericht als Bühne für seine Propaganda benutzt. Ob er dies aus politischer Ideologie heraus oder einer psychischer Krankheit ist, darüber urteilen Psychiater und Richter im Laufe des Gerichtsverfahrens. Aber auch in Deutschland und fast allen europäischen Ländern verbreiten tausende Menschen und ein Netzwerk der Anti-Dschihad-Bewegung diese politische Ideologie und Verschwörungstheorien gegen einen vermeintlichen Islam - wie in noch nicht einmal radikale und gefährliche religiöse Gruppen wie z.B. die Salafisten fordern - gegen eine angebliche kommunistische und multikulturelle Europäische Union, die angeblich die Meinungsfreiheit der Patrioten und Islamkritiker einschränkt um für einen angeblichen einheitlichen politischen Islam die europäische Bevölkerung auszurotten.

So auch die Gruppierung „Reichsbewegung“, die auf ihrer Homepage das Pamphlet „Ausweisung aus Deutschland“ mit dem Datum vom 1. Februar 2012 online stellte. Dieses wurde als Drohbrief an Moscheen und Personen die in Flüchtlingsheim arbeiten gesendet. Auf der Website wurde auch der Aufbau von „Freie-Reichs-Streitkräfte“ angekündigt und Empfehlungen zur Vorbereitung eines Bürgerkriegs gegeben. Ob die heutigen Briefe mit volksverhetzendem Inhalt wohl auch von dieser Gruppierung stammen?

Auf „Politically Incorrect“ und von dessen Personenumfeld werden ständig bekannte Freund-/Feind-Bilder und Verschwörungstheorien angedeutet, die durchaus an antisemitische Ideologien erinnern. Dabei ist die häufig hervorgeholte Gleichsetzung „des Islams“ mit den NS-Verbrechen durch die Islamhasser eine Relativierung und Verharmlosung der Shoah. PI-News bietet den antisemitischen und sexistischen Ideologien von kreuz.net und der Priesterbruderschaft St. Pius X eine breite Plattform an. Von daher gibt es innerhalb der Islamhassszene neben dem vorherrschenden antimuslimischen Rassismus auch unterschwelligen bis offenen Antisemitismus.

Selbst der Massenmörder persönlich, der verkündete „Ich würde es wieder tun“, hat Fans (Foto gibts hier) und Brieffreunde. Auch wenn dieser Islamhass überwiegend nur auf Internetplattformen ausgelebt wird und Aktivisten den Sprung in die Parlamente nicht schaffen - wie die Niederlagen der rechtspopulistischen Parteien von Pro, Freiheit und REP bis auf wenige regionale Ausnahmen, wie z.B. die Bürger in Wut (BIW) Bremen und Pro Köln zeigen - sollten die Medien sachlich und kontinuierlich darüber Berichten, so wie z.B. Mut gegen rechte Gewalt zu den Vorfällen in Hannover.

Die Gefahr einer großen politischen Islamhassbewegung ist aufgrund der internen Streitigkeiten zwischen den zahlreichen Splittergruppen, den genannten Parteien aber auch solchen Blogs wie Quotenqueen, blu-News und PI in Deutschland sehr unwahrscheinlich. Zumal dies durchaus eine Internetbewegung ist, aus der sich aber verhältnismäßig wenige Personen für reale politische Aktionen mobilisieren lassen. Eins wurde uns durch die schrecklichen Ereignisse in Norwegen aber vor Augen geführt: Auch über das Internet fanatisierte Einzeltäter können viele Menschen verletzten und töten. Gegen menschenverachtende Ideologien und menschenfeindliche Einstellungen helfen weniger Verbote als vielmehr Aufklärung. Dieser Verantwortung sollte sich die Presse beim antimuslimischen Rassismus auch Abseits der Schlagzeilen bewusst sein.

Frei nach dem Beitrag „Zwischen Breivik-Schlagzeilen und Blindheit“ auf Publikative.org.

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Gegen Einzelpersonen (siehe Breivik) kann man präventiv nichts machen, dass die Szenemitglieder sich zusammnrotten hält der Autor für überaus unwahrscheinlich .... stellt sich die Frage, was sollte man dagegen machen bzw was ist überhaupt nötig?

Schließlich gibt es noch mehr und wichtigere Leute die unsre Aufmerksamkeit brauchen.