Regen & Feuer

CREATIVE COMMONS WIKIMEDIA MMXI

Dieser Text wurde inmitten des sich ausweitenden Nervenkrieges in Europa verfaßt, und entstammt unseren Versuchen uns im Kontext dieser Situation zu verorten, umgeben von erstarkendem Faschismus, weitverbreitetem Mitläufertum und einer zersplitterten und spalterischen antikapitalistischen “Bewegung.” Die wenigen kargen Seiten können die Komplexität der unterschiedlichen hier beschriebenen Situationen kaum in voller Tiefe erfassen, aber wir schreiben damit andere Aufständische an den Rändern der Gesellschaften sich ein Bild machen können wie es aus unserer Sicht aussieht. Während wir die letzen Überarbeitungen an diesem Text anbrachten, explodierten auf den britischen Inseln die Städte, und bleiben unberechenbar. Dies ist jedoch keine Analyse der Unruhen - dies ist ein Text aus dem Inneren der gesellschaftlichen Bedingungen, die diesen Aufstand erforderlich werden ließen.


Rundschreiben eines britischen Zweigs des internationalen formlosen anarchistischen Zusammenschlusses

Dieser Text wurde im Rahmen einer Phase der Debatte, der Planung und des Angriffs von vielen Personen in unserem sozialen Netz gemeinschaftlich verfaßt. Wir haben uns in unseren Erklärungen bislang kurz gefaßt, und hatten jetzt das Gefühl es ist an der Zeit sich ausführlicher zu äußern.

“Warum schreiben wir?” Weil wir wissen, wie wichtig es für uns war das Klopfen an der Wand von anderen Abtrünnigen in anderen Zellen zu hören, und weil wir über die Leute die wir bereits kennen hinauswirken wollen, über die Realitäten in denen wir gelebt haben, die wir geschaffen und verlassen haben, denen wir verbunden bleiben. Als Revolutionäre stehen wir diesen Realitäten ebenso wie uns selbst höchst kritisch gegenüber, und wir schreiben weil wir, ebenso wie wir als Individuen danach streben “besser” zu sein als wir sind, uns auch gemeinschaftlich danach sehnen dass die Welt besser sein möge als sie es derzeit ist. Ebenso wie diese sind wir fehlbar in unseren Einschätzungen und wünschen unsere Erwartungen zu übertreffen. Wir versuchen uns auch außerhalb unseres Umfelds zu verständigen, und wir würden gerne der Tendenz zur Selbstbezüglichkeit beikommen die so vielen Kommunikationsformen innewohnt. Schließlich haben wir uns damit abgefunden dass dieser Text für unbekannte Empfänger verfaßt wird, und wo auch immer er gelesen wird und wer auch immer damit erreicht wird, es wird auch diejenigen geben die verstehen wovon hier die Rede ist - und das ist für sie.

Keine einzige verläßliche Aussage kann mehr gemacht werden über diese Welt im Wandel, die mit jedem Tag immer weiter Feuer fängt.

Das gegenwärtige Britannien ist ein kontrollierter Mottopark, überzogen von Überwachungskameras, Fahrzeugverfolgung, normierten Wohneinheiten, Dienstleistungsgebieten und sich ausbreitenden Straßen- und Schienennetzen. Es gibt praktisch keine Wildnis mehr, die Mächtigen und Reichen kontrollieren die “Kulturlandschaft” ebenso sehr wie oder vielleicht noch mehr als die Städte, und es gibt kaum Freiheiten außerhalb der Leitkultur, außer Du machst sie selbst geltend - so wie überall anderswo. Hier ist das Gefängnis des Alltagslebens so total, dass seine vollständige Zerstörung die einzige Möglichkeit bleibt.

Wir haben den neuerlichen Aufruf der Verschwörung der Feuerzellen / formloser anarchistischer Zusammenschluss für eine weltweite formlose anarchistische Struktur basierend auf revolutionärer Solidarität und direkter Aktion begrüßt: die Internationale Revolutionäre Front. Während wir weiter unser eigenes Projekt der revolutionären Organisation aufbauen, bekräftigen wir das weltweite Netzwerk bzw. Bündnis bestehender revolutionärer Gruppen, die eine unkontrollierbare Konfrontation gegen Staat und Kapital entwickeln, ermutigen und ermöglichen, indem sie ihre eigenen Angriffsinitiativen organisieren und optimieren: Dies ist unser Signal zur Zusammenarbeit.

Es ist ein nennenswerter Anstieg der Angriffe auf Knäste, Banken, Polizeiziele und Kommunikationsmittel zu verzeichnen, aber die offenkundige Wahrheit ist dass diese Angriffe gemessen an der Größenordnung der Aufgabe noch vergleichsweise dürftig sind, und auch das Niveau der Auseinandersetzung mit dem Gegner sich noch in einer Frühphase seiner Entwicklung befindet.

Im Laufe der vergangenen zwei Jahre haben wir ein ganz neu koordiniertes revolutionäres Projekt begonnen. Dies ist unser Ansatz etwas Neues in Gang zu bringen. Etwas, das nicht einfach verschwindet wie Worte gegen den Wind. Wir gehören zu denjenigen, die meinen dass die Möglichkeit einer bewußten, zusammenhaltenden Revolution durch eine kritische Masse der allgemeinen Bevölkerung offensichtlich weit entfernt ist. Dennoch denken wir - und haben es bereits erlebt - dass allgemeines Chaos und gesellschaftliche Aufstände unvermeidlich sind, und genau hieraus könnten bessere Formen menschlicher Werte erwachsen.

Würden wir über die - persönliche wie gemeinschaftliche - menschliche Lebenserfahrung nachdenken, dann würden wir vielleicht die Weisheit nachvollziehen dass es manchmal des völligen Zusammenbruchs bedarf damit die Dinge sich ändern können. Natürlich haben manche Leute Angst vor dem Wandel, vor dem Unbekannten. Leute wurschteln sich jahrelang elendiglich durch alle möglichen kaputten Verhältnisse - Beziehungen, Arbeitsplätze, Wohnorte - anstatt die notwendige radikale Veränderung dieser Verhältnisse ins Auge zu fassen im Hinblick auf eine Zukunft die sie sich noch nicht vorstellen können. Und weil die Gesellschaft als Ganzes aus einzelnen menschlichen Personen besteht ist sie nicht anders. Leute schlucken die Ablenkungen, die ihnen geboten werden - Glotze, Konsumgüter, Leitkulturen, Psychopharmaka, Subkulturen, Aktionen, Treffen, transzendentale Heilsversprechen, alles mögliche - solange sie dadurch vermeiden können sich mit der grundsätzlichen Nichtigkeit des Alltagslebens zu konfrontieren. Wir leben inmitten einer Kultur welche die Verwendung von Antidepressiva dermaßen verinnerlicht hat, dass sie Leute davon abhält die Umstände zu verändern die sie unglücklich machen und sie stattdessen dazu veranlaßt hinzunehmen was sie unglücklich macht. Wenn die Personen in einer Gesellschaft sich jeden Morgen dazu überwinden müssen überhaupt aufzustehen, weil das System sie jede Minute ausbeutet, haben diese Leute keine Kraft mehr gegen das System zu revoltieren. Sie sind in seinen Klauen gefangen. Sie scheinen es nicht einmal zu merken. Die Gesamtheit dieser techno-industriellen Gesellschaft versklavt sie mit Verhaltensmustern der Wiederholung, mit denen sie sich selbst und andere schädigen, durch Verdrängung im Inneren und Unterdrückung in der Außenwelt.  Der grundsätzliche Unterschied zwischen innerem und äußerem Knast scheint nicht mehr auf die bekannte Weise zu gelten: das Alltagsleben selbst versucht in jeder Hinsicht uns einem Regime der Routine und der Kontrolle zu unterwerfen.

In den Foyers der Kaufhallen und in den Einkaufszentren, in Kneipen und Bars, an Arbeitsplätzen und Verkehrsknotenpunkten treffen wir - öfter als nicht - diejenigen an, die die Konsumdemokratie sich mit dem geplünderten Vermögen der weniger Glücklichen gekauft hat. Regelmäßig finden wir uns in Gesellschaft williger Untertanen wieder, der Krankheit der Gesellschaft, oder reaktionärer Ansätze um das Überleben zu ermöglichen - die Ausgebeuteten gegen die Ausgebeuteten. Mit dem Geschäftssinn eines Narren hat das Volk seine Gesundheit, seine Intelligenz, seine Sehnsucht, seinen Solidaritätssinn, seine persönliche Würde, sowie die Erde und alles was darauf lebt und wächst ausgeliefert, im Austausch für die aktuellste Technologie, das schnellste Essen, das auffälligste Auto oder das prestigeträchtigste Beziehungsnetz.

Obwohl uns die gegenwärtige Realität eine Verstärkung der sozialen Konflikte darbietet, mit einigen vielversprechenden Aspekten, sehen wir uns immer noch nicht inmitten einer potentiellen revolutionären Masse. Vielmehr scheinen wir knietief im aufgedunsenen Kadaver einer sterbenden Zivilisation zu stehen.

Nahezu sieben Milliarden Menschen rund um die Welt sind abhängig von einem genozidalen und tyrannischen System, das sich selbst als Lebenserhaltungsmechanismus verkauft. Die Zivilisation möchte glauben machen ihre Zerstörung wäre das Ende jeglichen Lebens, doch es findet bereits jetzt eine Ausrottungswelle statt, die im Endeffekt zu genau diesem Ergebnis führen würde, begleitet von einem nahezu totalen Sieg für das kapitalistische techno-industriell-militärische System und die Wirtschaftsmacht die es stützt.

Naturkatastrophen fegen über überflutete Kontinente; weitreichende Tsunamis, umfangreiche Wüstenbildung und dezimierte Wälder. Die modernen totalitären Nationalstaaten und ihre imperialistischen Gruppierungen wie G8, G20, NATO usw. sind einem mörderisch-terroristischen kapitalistischen System als Zukunftsvision verpflichtet. Einer Zukunft in der alles und jeder eine Ware ist, die in einer mechanischen Welt bar jeder Möglichkeit von Wildheit und Freiheit registriert und bewertet wird. Einer Welt der perfekten Kontrolle und Zurichtung. Einer unmöglichen Welt. Einer Welt, gegen die jedes seelisch intakte menschliche Wesen und jede wilde Kreatur bereits jetzt kämpft - von allen Ecken und Enden, unabhängig von Rasse, Glaube oder Spezies.

Wir befinden uns inmitten eines beispiellosen ökologischen Zusammenbruchs. Diverse Tendenzen in den politischen und wissenschaftlichen Milieus haben viele Jahre damit verbracht sich darüber zu streiten ob der Klimawandel eine Folge menschlichen Tuns ist, und Naturkatastrophen und Massensterben bis in die Vorgeschichte angeführt. Diese Debatten sind nun gegenstandslos. Es ist nicht mehr abzustreiten dass groteske Verluste an Artenvielfalt, das Aussterben ganzer Lebensräume, optische und akustische Verschmutzung zu Lande, zu Wasser und in der Luft in einem weltweiten Maßstab, Wüstenbildung und Verteilungskämpfe um die letzten Wildnisreservate die unmittelbaren Resultate menschlichen Handelns und wirtschaftlicher Gier sind. Jahrzehntelang bestand eine Möglichkeit dies zu ändern, jetzt ist es zu spät.

Wir sind Zeugen wie unsere Art selbstmörderisch ihren eigenen Lebensraum vergiftet und zerstört, sowie den jeder anderen Lebensform auf dem Planeten: eine wachsende Bevölkerung, die sich selbst und ihre vorgeschriebene und erzwungene Lebensweise über alle anderen Erwägungen stellt, in kompletter Entfremdung von der natürlichen Welt lebt und das zerbrechliche Ökosystem zerstört auf das wir angewiesen sind.

Die bebaute Umgebung die wir bewohnen ist selbst für Menschen ungeeignet. Land welches einst von Wald überzogen war der einer Artenvielfalt Raum bot wird immer weiter von Beton bedeckt. Jedes verfügbare Fleckchen “Brachland” wird wirtschaftlich gehandelt. Die Zivilisation ist genozidal, menschenverachtend, naturzerstörerisch und selbstmörderisch. Von Armut, Mißbrauch und Politikverdrossenheit, über die rücksichtslosen Fahrer die Massenkarambolagen riskieren um ein paar Minuten schneller nach Hause zu kommen, bis hin zu den regelmäßigen ethnischen Säuberungen und der totalen Ausplünderung der Umwelt im Ringen um Geld und Macht durch die Sicherung der Ausbeutung der Naturressourcen - dies ist ein gewalttätiges System, und während wir reden sterben Millionen, hier und überall: an Fettsucht und Fehlernährung, an Verkehrsunfällen, Berufskrankheiten, Krieg, Medikamentenmißbrauch, Depression und Einsamkeit. Währenddessen arrangieren die Wohlhabenden Messer und Gabel und lassen sich vor der Glotze nieder; ihre hohlen, sinnentleerten Gespräche verhallen in gespenstischer Stille.

Diese modernen Gesellschaften sind zu der Auffassung gelangt, dass Träume und Sehnsüchte verkehrt seien und von Geburt an zu diktieren (Arbeitsethos, Rollenverhalten, Wettbewerb, Vereinzelung, Neid, Autoritätshörigkeit, Kleinfamilie, Zurichtung); so arg dass es sogar schwierig ist auch nur zu erahnen, wie ein herrschaftsfreies Leben aussehen könnte sobald die Projekte und die Herrschaft von Staat und Kapital schlußendlich massenhaft zurückgewiesen werden.

In Britannien ist tagtäglich ein beträchtliches Ausmaß sozialer Empörung anzutreffen, aber bis zum 7. August 2011, als Unruhen in London ausbrachen und durch das Land fegten, gab es kaum eine weitverbreitete Manifestation dieser Empörung gegen das kapitalistische System bzw. Regime.

Ein schafsgleicher Schrecken beherrscht die Menschen und geht durch Mark und Bein, und obwohl der Wunsch nach Zerstörung und Angriff präsent ist,  ist es auch eine tiefsitzende Angst die lähmt. Es existiert ein Verdrängungskonsens zwischen fast allen gesellschaftlichen Schichten und Strukturen, der selbst die Möglichkeit Dissidenz auszudrücken und geltend zu machen beeinträchtigt, außer sie spielt sich innerhalb dafür vorgesehener Umrisse ab. In einer derartig entwickelten Überwachungsgesellschaft, wo das Risiko erwischt zu werden selbst für ein paar rebellische Worte an der Wand anscheinend zu groß ist, ist es leicht der Angst nachzugeben und sich einzubilden es sei eine Tatsache dass Du geschnappt werden würdest. Die Überwachungstechnologie ist aufwändig und psychoaktiv - falls Du das zulässt. Deswegen lieben wir die “verwilderte Unterschicht,” welche die Politiker und ihre Polizei so verachten, diejenigen die keine Angst mehr haben weil sie nie etwas anderes als einen Polizeistaat gekannt haben - denn das ist dieses Land, ein Polizeistaat.

Und wie jeder Polizeistaat kann auch dieser lediglich durch einen weitreichenden Konsens der Unterwürfigkeit in der Gesellschaft existieren. Wer hat es zugelassen, dass das gesellschaftliche Terrain von Überwachungstechnologie überrannt wurde? Wer machte sich zu Augen und Ohren des Staates? Wer liefert die eigenen Kinder der Obrigkeit aus? Wer hat es tatenlos hingenommen, dass die Muslime und die Einwanderer dämonisiert wurden? Wer hat es zugelassen, dass die Polizei sich in alle Aspekte der Gesellschaft integrieren konnte? Wer hat seine eigene Ohnmacht anerkannt und die Lügen der Medien geschluckt, und damit den Politikern ermöglicht ihn zu manipulieren und den Bankiers ihn auszurauben? Es ist der Bürger selbst.

Die reaktionären Volksmassen hierzulande haben sich in bequemen Illusionen verloren und von den Freuden der Konsumideologie kaufen lassen. Sie haben jegliche tatsächliche Realität von Ausbeutung und Unterdrückung aus ihrem Bewußtsein verdrängt. Selbstverständlich empfinden sie das Elend ihrer alltäglichen Schinderei, aber dabei folgen sie der Entscheidung ihrer Bosse: Sie empören sich über die Einwanderer, die Verarmten und Marginalisierten, und vergnügen sich ansonsten mit dem Sportteil, der Lotterie und dem in der Glotze gebotenen Medienspektakel von Rivalität und Wettbewerb. Da sie von einem System weltweiter Gewalt profitieren und zu dessen Erhalt beitragen, haben wir wir wenig mehr als Verachtung übrig für die Art wie diese Leute ihr Leben verschwenden.

Gleichzeitig steigen die Lebensmittelpreise, steigen die Energiekosten, fallen die Löhne, werden Rente und Grundsicherung gekürzt, erfolgen Massenentlassungen (manche werden wieder in ihre alten Jobs eingestellt, aber nur zu niedrigeren Löhnen). Es gibt kein Erbe mehr. Es gibt keine Sicherheit mehr, nicht einmal für die Kleinfamilien die sich auf den Traum des verblaßten Imperiums eingelassen haben und jetzt in minderwertigen Wohnanlagen umgeben von Verfall und Zerstörung verkommen. Wir nehmen wahr wie das techno-kapitalistische System Leute dazu nötigt, Computer, Mobiltelefon, Auto, Glotze etc. zu brauchen, weil diese Dinge wegzulassen soziale und kulturelle Isolation bedeutet, und kein Betäubungsmittel mehr gegen Entfremdung, Elend und Verzweifelung. Es gibt nichts außer einen Hauch von einem Lebensstil der einer Elite versprochen ist. Die Mehrheit lebt in Verschuldung, bzw. von der Hand in den Mund; die Glücklicheren leben von ihren Rücklagen; und einige wenige leben auf Kosten aller anderen, genießen die Gegenwart und sichern sich die Zukunft.

Wir haben viele Gründe gegen den Staat und seine Symbole vorzugehen. Und selbstverständlich zählt hierzu auch die Sehnsucht jenseits unserer selbst und unserer kleinen Kreise zu wirken. Wir hoffen dass diese Angriffe andere begeistern und sich ausbreiten, und tatsächlich ist dies bereits geschehen.

Wir sind nicht so naiv zu glauben dass unsere Angriffe - wie sehr die Ziele sie auch immer verdient haben - für sich alleine genommen genügen um das System zu stürzen. Wir begreifen dass es weitere gesellschaftliche Faktoren gibt welche hierzu erforderlich sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Prozeß der Planung und Durchführung von Angriffen unsere unmittelbaren sozialen Beziehungen sowie unser Verhältnis zu unserem Selbstwertgefühl verändert, so dass unsere Aktionen schrittweise immer gewagter, immer wilder und immer schwieriger zu ignorieren werden. Diese Entwicklung beeinflußt auch das allgemeine politische Klima und erzeugt ein Umfeld in dem mehr möglich ist weil weniger unmöglich ist. Wir haben zu einer Fülle von Aktivitäten gegen das System beigetragen, in denen auch wiederholte Angriffe von kleineren und größeren Gruppen im Laufe des letzten Jahres gegen Infrastruktur, Banken und Knäste eine Rolle spielen.

Bei all den Milliarden Menschen auf dieser Welt wird es nie vorkommen dass eine ganz bestimmte Handlung gegen Staat und Kapital von allen oder auch nur von einer Mehrheit als angemessen, “gut” oder wünschenswert empfunden wird. Unsere kleinen Bezugsgruppen - aus zwei, drei oder mehr Personen die in einer umfassenderen formlosen Struktur selbstorganisiert sind - werden einfach aufgrund ihrer eigenen Empörung, auf der Grundlage ihrer eigenen Analyse, in eigener Entscheidung und auf eigenes Risiko tätig. Es ist zwecklos so zu tun als wären wir jemand anderes, verlogen und unaufrichtig, eine Haltung welche uns nur schleichend vergiften kann, und so auch jedes daraus entspringende gemeinschaftliche Projekt.

Indem wir unsere Angriffe öffentlich machen, hoffen wir unbekannte Mitkämpfer zu inspirieren und unsere Methoden zu verbreiten, so dass sie leicht von anderen aufgegriffen werden können. Aus diesem Grund stellen wir immer sicher, sie mittels unabhängiger Medien zu vermitteln, denn ansonsten fallen sie der Verdrängung jeglicher Berichterstattung über Sabotagegerüchte und Subversionsaktivitäten in diesem Land anheim, dessen Medien sich ebenso wie dieses selbst lieber Geschichten erzählen die von zentralen Persönlichkeiten handeln oder den scheinbar für die Ewigkeit gemachten gegenwärtigen politischen Strukturen. Für uns, die wir den Kapitalismus konfrontieren und besiegen wollen, ist es wichtig zu wissen dass auch andere den Feind angreifen, um jede Empfindung von Vereinzelung und Ohnmacht zu überkommen. Es ist überlebenswichtig, Angriffe zu organisieren, zu vermitteln und zu koordinieren.

Wir sind sehr stolz auf die Beziehungen die wir durch unser Projekt der Zerstörung als einzelne miteinander aufgebaut haben, so wie auch auf alle unsere Aktionen, auch diejenigen die unsere eigenen Erwartungen nicht erfüllt haben. Wir alle sind Individuen mit der Überzeugung dass die fundamentale Grundlage einer starken und gesunden Lebensweise die Individuen selbst beinhaltet, ihre Entscheidungen, Vorlieben und Werte und deren Entwicklung hin zu Freiheit und Verantwortung.

Unser Projekt ist es den Zusammenbruch der Gesellschaft zu beschleunigen. Als Revolutionäre sind wir eine Minderheit - aber niemand sollte behaupten wir seien wenige. Wir treffen keine Prognosen wie sich die Gesellschaft nach dem Zusammenbruch reformieren wird, auch wenn wir als Anarchisten einige grundlegende Vorstellungen haben wie sich die Dinge ändern sollten. Und diese Träume konvergieren mit denen aller Revolutionäre im Laufe der menschlichen Geschichte, und werden in der Tat bereits überall auf der Welt umgesetzt.
 
Wir sind zu Tode gelangweit von Reflexionen, Stellungnahmen und Meinungen zum Zustand dieser Gesellschaft - selbst von dieser Analyse. Wir brauchen nur so lange angreifen und zerstören, und das heißt revolutionäre Gewalt in unseren Herzen und unseren Händen, bis unsere Handlungsfreiheit von Dauer ist. Dieses durchgehende Angriffsprojekt dient auch dem Zweck unsere eigenen Ängste abzubauen und die bestehenden Spannungen zu verstärken um sich Ausdruck zu verschaffen. Und um zu verstehen, dass selbst in einem Polizeistaat und einer Überwachungsgesellschaft, wo Angst und Lähmung zur Tagesordnung gehören, es immer noch möglich ist aufzubegehren und anzugreifen, um diejenigen zu überwinden die sich mittels der Hörigkeit der Massen selbst in Machtpositionen gebracht haben.

Wir sehen einer spannenden Zeit entgegen, historisch gesehen, auch wenn sie manchmal als eine geradezu unerbittlich deprimierende erscheint. Wenn die materiellen Lebensgrundlagen immer stärkerer Zerbrechlichkeit anheimfallen und sich das Gefühl alltäglicher Prekarität und Ungleichheit Raum verschafft, sind die Folgen gänzlich unberechenbar (wie wir es diesen August in dem weitverbreiteten militanten Aufstand erleben konnten), und in genau solchen Zeiten können auch unscheinbare Taten die unberechenbarsten Auswirkungen haben.

Wir wollen zur Eröffnung neuer Möglichkeiten beitragen. In einer in hohem Maße symbolischen, abstrakten und postmodernen Kultur und Lebensweise, in einer Situation wo selbst Arbeit größtenteils für Dienstleistungen und Informationen eingesetzt wird, scheint es keinen Mangel an potentiellen Angriffszielen zu geben, und unsere Aktionen sind selbst Experimente um herauszufinden was sich anzugreifen lohnt und was nicht.

Wirtschaftliche und staatliche Ziele werden weltweit in durchgängigen und koordinierten Akten direkter Aktion angegriffen. Land und Gebäude werden besetzt, gegen den Willen von Spekulanten und Eigentümern. Tiere werden befreit, Biotech-Laboratorien niedergebrannt. Transgene Pflanzen werden unschädlich gemacht und Geschäftsleute eingeschüchtert. Banken und Gerichte werden in die Luft gesprengt, Richter erschossen und erstochen. Polizei und ihre Dienststellen werden angegriffen, Internetverbindungen und Mobilfunkmasten sabotiert. Kaufhallen und Ladengeschäfte werden geplündert und ihre Produkte verteilt. Leute treten in Streik, blockieren die Wirtschaft und besetzen die Stätten ihrer Lohnsklaverei, die “Arbeit” verschwindet im allgemeinen Aufstand. Gefangene rebellieren und überwinden ihre Aufseher, manche entkommen oder werden von Unterstützern “draußen” befreit. Durch antiautoritäre, antikapitalistische und anarchistische Gruppen im neuen urbanen Guerillakrieg werden Erklärungen revolutionärer internationaler Solidarität verfaßt, verbreitet und übersetzt; Zielvorstellungen werden diskutiert, Konzepte ausgetauscht, Methoden erläutert, Taktiken perfektioniert und Worte militanter Sehnsucht und Liebe ausgesprochen. Ein ausgedehnter wirtschaftlicher und technischer Apparat verfängt sich in Krämpfen und Zersplitterung.

Eine Nachricht an all diejenigen die den Kampf noch nicht aufgenommen haben, aber den kommenden Zusammenstoß bereits am Horizont erkennen: Bereitet euch vor, es steht ein krasser Konflikt um die Zukunft unserer sich verändernden Welt bevor. Und dieser Planet ist unser. Unser, wie die Straßen der Städte auf denen wir unsere Barrikaden errichten. Unser, wie die Häuser, Ecken und Cafés wo wir unsere Freunde und Komplizen treffen. Unser, wie die Steine die wir werfen und die Feuer die wir entzünden. Unser, wie der grenzenlose anarchische Traum der sich selbst ins Dasein schrieb.

Dies ist ein neues Zeitalter internationaler urbaner Kriegsführung niederer Intensität, und unser Aufstandsprojekt setzt sich aus den vielfältigen Bemühungen unterschiedlicher autonomer und unabhängiger Kampfgruppen zusammen, die neue Angriffsweisen und Koordinationsmethoden entwickeln während sie dem individualistischen Charakter ihrer eigenen grundsätzlichen Bedenken und Zielvorstellungen verpflichtet bleiben.

Es genügt nicht unseren Traum durch Inaktivität zum Pflegefall verkommen zu lassen. Die Zukunft ist Dein, mit jedem Traum den Du verwirklichst und jeder Verweigerung die Du konkret machst. Ob im Gefängnis eingemauert, auf der Straße oder im alltäglichen Knast von Familie und Arbeitsplatz, jeder Moment Deines Lebens hängt von Deiner Fähigkeit ab, gegen alles und jeden aufzubegehren was Dir seine autoritäre Hand aufzuerlegen trachtet; Du bist die Zukunft und die Welt ist Dein.

Wir betrachten unser Netzwerk als einen Zweig des formlosen anarchistischen Zusammenschlusses / Erdbefreiungsfront / Internationale Revolutionäre Front.

Wir übermitteln all denen die hier in Britannien und rund um die Welt gegen das System kämpfen unseren Respekt und unsere Solidarität. Unsere Liebe und unser Freiheitsdrang gilt allen Genossen in den Knästen und insbesondere den Gefangenen die für ihre Würde rebellieren.

Internationaler formloser anarchistischer  Zusammenschluss

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darf denn auch ein bisschen kritisch-solidarische selbst-kritik mal sein? oder ist kritik an "der bewegung" damit gleich verboten? damit wird doch nur provoziert, daß es andere erst recht wieder tun...

Zur inhaltlichen Illustration was damit gemeint sein könnte siehe die Kommentare unter dem englischsprachigen Original.