Interview: "Wenn sich Deutschland feiert, werden wir dabei sein!"

bonn indy

Am verlängerten Wochenende des 30. September bis zum 3. Oktober wird wieder einmal der „Tag der deutschen Einheit“ als Feier der Nation zelebriert. Dieses Jahr wurde entschieden, die Feierlichkeiten in der Bundesstadt Bonn stattfinden zu lassen. Aus diesem Anlass wird nicht nur Deutschland gefeiert, sondern es sollen auch die „NRW-Tage“ an diesem Wochenende in Bonn Platz finden. Aus diesen Gründen hat sich ein antinationales Bündnis gegründet welches, unter dem Titel „Friede, Freude, Eierkuchen?“ zu Protesten aufruft.

 

Das Bündnis hat nun einen ersten gemeinsame Teaser (Kurzaufruf), eine Kampagnen-Website, sowie gedrucktes Material zu ihrer gemeinsamen Kampagne veröffentlicht. Wir vom Alternativen Pressekollektiv (APK) haben mit Anna Müller, der Pressesprecherin des Bündnis, gesprochen, um mehr über die geplanten Gegenaktivitäten zu erfahren.

 

APK: Hallo Anna. Erzähl uns doch zunächst einmal was das Ziel eures Bündnisses ist und wer sich in diesem befindet.


Der 3. Oktober hat ja inzwischen eine gewisse Tradition, seit den 90er Jahren, erlangt. Sowohl in der Inszenierung der Nation in den diversen (Groß)Städten, als auch durch mal mehr mal weniger Protest aus der linken bis linksradikalen Ecke. Als bekannt wurde, dass dieses Jahr das Deutschlandfest verbunden mit den NRW-Tagen in Bonn, unter dem Motto „Freiheit, Einheit, Freude“, stattfinden wird, war für diverse Gruppen selbstverständlich, dass es einer kritischen Begleitung durch uns bedarf, damit klar wird, dass absolut nicht alle die Inszenierung des Burgfriedens von Staat, Nation und Volk begrüßen. Dabei war uns vor allem wichtig ein breites Bündnis auf die Beine zu stellen, in dem sich alle Gegner*innen der Nation versammeln unabhängig von den verschiedenen politischen Ausprägungen. Trotzdem legen wir Wert darauf, dass die unterschiedlichen Gruppen zusätzlich zu den grundsätzlich gehaltenen Bündnisaufrufen auch ihre eigenen inhaltlichen Positionen entwickeln und nach außen tragen. Es finden sich deshalb sowohl diverse Gruppen die einen bestimmten Themenbereich besondere Beachtung schenken (Antimil, Antira, Antifa, etc.), als auch Gruppen die eine generelle Nationen und Kapitalismuskritik formulieren wollen.

 

APK: Was hat es mit dem Motto auf sich?

 

Jedes Jahr erfinden die Veranstalter ein neues, noch abstruseres Motto als im Vorjahr. Doch dieses Jahr setzt das Motto dem ganzen die Krone auf: „Freiheit, Einheit, Freude“ lautet es. Der deutsche Mob soll sich freuen… über Deutschland, darüber ,dass wir Krisengewinnler sind und natürlich auch und vor allem über die falsche Freiheit. Weiter verwunderlich ist das nicht, denn Deutschland hat ja schon häufiger auf die „Kraft durch Freude“ gesetzt. Wir alle wissen jedoch, dass es in der bitteren Realität überhaupt nichts zu feiern gibt und genau deshalb wollen wir uns, auf unsere ganz eigene Weise, an dem Fest beteiligen. Dazu haben wir den Titel gewählt, der passend das Motto der diesjährigen Feiern hinterfragt: „Friede, Freude, Eierkuchen?“

 

APK: Was ist denn an dem Wochenende geplant?

 

Infoflyer_3xRundgang.jpgAlso, es ist ja noch etwas Zeit bis zum Wochenende des 3. Oktober, insofern ist natürlich noch nicht alles fertig geplant, aber ich versuch mal einen groben Einblick zu geben. Also vom Deutschlandfest aus wird die gesamte Bonner Innenstadt, inklusive einem Streifen parallel zum Rhein (bis zur Museumsmeile) [Bild unten], voll gepackt werden mit Musikbühnen, Theater, Themenständen, Kinderbespaßung, usw. Außerdem werden im Rahmen der diversen Museen und an den „geschichtsträchtigen Plätzen der Bonner Republik“ verschiedene mehr oder weniger verblendete „historische Rückblicke“ auf die alten Zeiten gewagt. Als Krone der deutschen Inszenierung wird dann eine Fahnenparade abgehalten. Die Mottofrage scheint bei den Veranstaltern noch nicht so wirklich geklärt zu sein, aber beide sind bezeichnend. Einmal wird auf der Internetseite der Titel „Typisch Deutschland“ und einmal „Freu dich Deutschland“ gehandelt. Bonn selber bietet uns also quasi unzählige Möglichkeiten, während des Festes unsere Kritik auf die Straße und unter die Deutschlandfans zu tragen, dazu werden noch Demonstrationen geplant und es wird sich im Vorfeld mit diversen Themen inhaltlich auseinander gesetzt. Alles in allem sollte sich der deutsche Michel also warm anziehen, wenn er die eh schon widerliche Nationen-Feierei so auf die Spitze treibt. Wenn sich Deutschland feiert, werden wir dabei sein!

 

AKP: Danke für das Interview… wir sehen uns in Bonn!

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Der folgende Teaseraufruf (Kurzaufruf) entstand durch Diskussionen im Bündnis gegen die Einheitsfeierlichkeiten in Bonn. Er ist die inhaltliche Basis unseres Bündnisses, auf die sich verschiedene Gruppen aus NRW geeinigt haben. Wir bitten drum ihn weiter zu verbreiten und zur Mobilisierung gegen die Einheitsfeierlichkeiten 2011 zu nutzen. Friede, Freude, Eierkuchen? Nicht mit uns!

 

PDF Version | eBook

Friede.Freude.Eierkuchen?

Vom 1. bis 3. Oktober feiern sich die deutsche Nation und das Bundesland NRW in Bonn. Drei Tage lang soll beim „Deutschlandfest“ Friede.Freude.Eierkuchen (das original Motto lautet: „Freiheit, Einheit, Freude“) zelebriert werden. Auf der „prächtigen Festparade“ „Freue Dich Deutschland!“ wird wieder mal, aber in zunehmend grotesker Form, die jährliche Inszenierung des Burgfriedens von Staat, Nation und Volk aufgeführt. Klar, bei dieser Reihe an schönen Veranstaltungen dürfen auch wir nicht fehlen, um unsere Meinung zu Deutschland lautstark zu formulieren. Wir stellen eins klar: Ihr könnt uns mal mit eurer Standortpolitik. Wir machen für Deutschland keinen Finger krumm!

Freude? – Don’t dance to this shit!

Die Einheitsfeier, so spannend Paraden, Bootstouren und ein gemeinsamer Freudentaumel auch sind, ändert nichts an der alltäglichen Ohnmacht – der Ohnmacht gegenüber den Mühlen von Staat und Kapital. Die Identifikation mit der Gemeinschaft, also dem nationalen ‘Wir’, ist jedoch nur ein ideologischer Fluchtreflex vor dem Druck kapitalistischer Konkurrenz und Vereinzelung, aber eben zugleich auch ursächlich mitverantwortlich für eben jene Ohnmacht. Egal, ob Deutschland „schwarz-rot-geil“ oder kulturell anspruchsvoll feiert; abgerechnet wird nach dem Event, wenn die großen Gefühle verraucht sind, und Vater Staat als Vertreter des Standortes seine Forderungen und Ansprüche stellt. Ansprüche, die von der, vermeintlich unabhängigen Bevölkerung klaglos akzeptiert werden (müssen). Der eventabhängige Partynationalismus, eine Garnitur aus Spaß, Freud, und Deutschland-Fähnchen, sollte daher nicht über den Gemütszustand „der Deutschen“ im Alltag täuschen. Dort regiert nicht „Schwarz-Rot-Geil“, sondern eher ein „hoffentlich bleiben wir verschont“ gepaart mit der aggressiven Angst, dass „uns“ etwas weggenommen oder vorenthalten wird. Genau in dieser Gefühlslage greifen die ideologischen Mechanismen, denn was den Menschen die Herzen öffnet, ist ihre Sehnsucht nach einer schützenden, solidarischen Gemeinschaft, in der die Nächsten nicht immer zugleich Konkurrent*innen und Neider*innen sind. Denn für diese Menschen verspricht alleine die Identifikation mit der Macht des Staates und seinen Symbolen, die immer wiederkehrenden Erfahrungen individueller Ohnmacht zu überwinden. Jene Ohnmacht von der im Kapitalismus niemand verschont bleibt.
Für uns steht fest: Die Feier der Nation ist ein Angriff auf das schöne Leben und die befreite Gesellschaft!

Etwas Besseres als die Nation! – A lot of things to do!

Unser Urteil lautet: „Germany – Zero Points!“ Deshalb rufen wir am Wochenende des nationalen Spektakels alle Individuen und Gruppen, die sich der emanzipatorischen Bewegung für das schöne Leben verschrieben haben, dazu auf, sich unserem Protest anzuschließen. Einem Protest gegen Staat und Nation, und anlässlich dieses Events sowie auch generell in ganz besonderer Weise gegen Deutschland. Denn die Kritik einer Linken, die ihr eigenes politisches Ziel – eine radikale Umwälzung der Verhältnisse – ernst nimmt, muss immer auch gegen die nationale Gesamtscheiße gehen.

 

Antifaschismus bedarf einer Kritik von Staat und Nation, denn völkische und reaktionäre Freaks radikalisieren nur die Ideologie kapitalistischer Schicksalsgemeinschaft: Die Aufopferung des Ichs für die Vormachtstellung der eigenen Bande, gnadenlos gegen den Rest der Welt.

 

Antirassismus bedarf einer Kritik von Staat und Nation, denn die staatliche Diskriminierung von Menschen nach Herkunft und Nützlichkeit folgt der Logik geordneter Standortkonkurrenz: Nationale Vorteile sichern, Verantwortung abschieben. Und auch der Alltagsrassismus der deutschen Deppen ist vor allem ein Appell ans nationale Privileg: Der Staat soll „Deutsche zuerst!“ bedienen. „Das Wir gewinnt“, heißt es dann in Presse und Medien. Das „Ihr“ verliert, ist die bittere Konsequenz dieser Logik.

 

Antimiltarismus bedarf einer Kritik von Staat und Nation, denn diese sind die Grundlagen für Konflikte zwischen den Nationalstaaten um Ressourcen, geopolitischen Einfluss, etc., die mal diplomatisch, mal offen kriegerisch geführt werden.

 

Wissenschafts- und Bildungskritik bedürfen einer Kritik an Staat und Nation, denn politische bzw. emanzipatorische Aktivität an (Hoch-)Schulen ist nur dann zu etwas nütze, wenn sie die staatlichen Mittel und Zwecke der Bildung attackieren: Entwicklung des nationalen Humankapitals, Wissenschaft als Standortfaktor und „Selbstbestimmung“ nur als Training für Konkurrenz und Auslese.

 

Arbeitskämpfe bedürfen einer Kritik von Staat und Nation, denn jede Politik „im Interesse der Lohnabhängigen“ wird sonst zur nationalen Komplizenschaft gegen Erwerbslose einerseits, und gegen „ausländische“ Lohnabhängige andererseits. Lohnarbeit, die herrschende Form kapitalistischer Ausbeutung, heißt Arbeit in endloser Konkurrenz, für andere und gegen andere, zusammengehalten durch staatliches Recht, staatliche Aufsicht und unter anderem nationales Interesse.

 

Geben wir also der Feier der Nation, trotz unserer verschiedenen thematischen Schwerpunkte, die passende Antwort: Unseren Widerstand und ein lautes, klares und kompromissloses:

Fuck you!

d

und was ist mit antiimperalismus ??

 

...und die Welt hat sich in den letzten 100Jahren doch stark gewandelt!

Was denn? Kolonialismus ist übrigens nicht identisch mit Imperialismus. Manchmal kommt es mir echt vor als hätten manche Linke ihre Infos aus dem Schulunterricht.

Einen guten Text warum Antiimerialismus für'n Arsch ist mit noch besserer weiterführender Literatur gibts beispielsweise hier:

http://www.ak-antisemitismus.de/postings/evil-empire-oder-das-elend-des-... (Insbesondere die Texte von  Michael Heinric und Clemens Nachtmann sind äußerst empfehlenswert)

Aber auch beim 'Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten' und auf der Webseite von 'Junge Linke gegen Nation und Kapital' gibts dazu einiges gutes, einfach mal bisschen rumschauen und sich sein Weltbild nicht von stalinistischen Schwarz-Weiß-Denker zusammenschustern lassen.

In der Ausgabe 26 der Phase2 gibt es auch einen guten Text dazu von Jan Gerber

Ich hab den Text jetzt mal nur etwas überflogen. Die Aussage des Textes ist da nicht, dass es Imperialismus nicht gäbe (wobei ich mich auch nicht wundern würde, wenn solche Aussagen von dem Referenten kommen würden), sondern er setzt sich kritisch (ob diese Kritik treffend ist oder nicht, ist mir an der Stelle mal egal) mit Oppositionen gegen Imperialismus auseinander, was etwas anderes ist.

 

Es ist auch ein Unterschied, für den sich Leute wie du scheinbar nicht interessieren, ob man Imperialismus als das kritisiert, was er ist: nämlich die notwendige außenpolitische Konsequenz kapitalistischer Staaten, die mit ihrer Gewalt die Welt als Anlagesphäre für das (bei ihnen beheimateten) Kapital zurechtordnen und als solche Staaten auch um diese Ordnungsmacht selbst konkurrieren. Wer das kritisiert, hat gegen das Kapitalverhältnis als materielle Grundlage dieser imperialistischen Staaten selbst zu kämpfen. In diesem Kampf muss auch mit der Nation Schluss gemacht werden und das geschieht dadurch, dass man den Dienst fürs Kapital und den Staat aufgibt. Und etwas anderes ist es, wenn man dieser imperialistisch eingerichteten Welt, die eben starke Staaten, die beim Weltordnen eine Rolle spielen, sowie schwache Staaten, die militärisch und ökonomisch gegen die anderen Staaten keine Chance haben, aber gerade auch ihren Konkurrenzkampf um genau die gleiche Macht führen, solche Staaten beider Art hervorbringt, ein nationales Behauptungsprogramm entgegenstellt und als schwacher Staat gegen die starken Staaten kämpfen will - und das als Anti-Imperialismus ausgibt. Man soll eine Kritik des Imperialismus nicht mit der Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen verwechseln, die ich eben (unter anderem) auch kritisiere. Aber merkwürdig ist auch, dass Antideutsche diesen Blödsinn gerade umgekehrt machen: Sie verweisen auf den reaktionären Charakter "antiimperialistischer" Bewegungen und nehmen das als Einladung den Kampf der stärkeren Staaten gegen diese zu unterstützen. Mit dieser Ablehnung des Antiimperialismus hat sich für sie gleichzeitig auch erübrigt, dass es so etwas wie Imperialismus gibt. Dieser ist bei ihnen durch das Wort Verteidigung gegen Islamfaschismus und sonst wen ersetzt worden.

 

Auf die Literaturhinweise will ich nicht (bis auf die folgenden Ausnahmen, die ich bereits kenne) eingehen, wenn du selbst nicht bereit bist die Aussagen dieser Texte zu referieren bzw. zur Schaffung einer Diskussionsgrundlage zusammenzufassen. Ich könnte auch ewig lang Texte posten. Das ist mir allerdings zu blöd. Von "Stalinisten" ist das Zeug allerdings nicht, um dich beruhigen zu können. Dass du aber als Antwort auf mich als Seitenhieb nur auf die pinkelst, scheint als würdest du anderes auch gar nicht kennen. Von daher wäre es nur ein leichtes dir dieses S/W-Denken selbst vorzuwerfen, wenn auch mir diese bürgerliche Tour, die nichts als einen "differenzierten" Blick auf das Ganze einfordert, zu blöd wäre.

 

Zu Heinrich, den ich an dieser Stelle ausnahmsweise mal verteidigen muss: In dem JW-Artikel schreibt er nicht, dass es Imperialismus nicht gibt, sondern kritisiert an ein paar Stellen vielmehr falsche Auffassungen von Imperialismus. Ob er den Begriff selbst dann auch verwendet oder nicht, ist weitgehend egal. Andererseits erklärt er in dem Artikel auch, worum es imperialistischen Staaten geht - und als Kritik an anderen formuliert, dass es da nicht immer nur unmittelbar um ökonomische Interessen geht.

Junge Linke: Geh doch einfach auf deren Sommercamp zu diesem Workshop: "Imperialismus In dem Workshop wollen  wir uns damit beschäftigen, warum Staaten Außenpolitik betreiben, welchen Inhalt diese Politik hat und welche Rolle Militär und Krieg dabei spielen. Letzteres soll vor allem am Beispiel des Afghanistankrieges diskutiert werden." Kannst ja "einfach mal bisschen rumschaun" und ich "unterstelle natürlich [Hörer], die etwas Neues lernen, also auch selbst denken wollen." (MEW 23, S. 12)

Kurz einen Kommentar zu dem Titel deines Beitrags: Mein Satz war natürlich polemisch und bezog sich darauf, dass in Schulen heute gelehrt wird, dass "das Zeitalter des Imperialismus" zu Ende sei und Staaten auch keinen Krieg mehr gegeneinander führen, außer gegen Terroristen. Ich glaube nicht, dass irgendeine Vermutung ernst genommen werden kann, dass ich meine Imperialismuskritik aus der Schule hätte.