Nationalbolschewismus auf den Gebeinen Rosa Luxemburgs

Gehrcke und Hunko auf einer von ihnen initiierten Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau, November 2015

Vorwort der Übersetzer_innen: Anbei veröffentlichen wir die Übersetzung eines Artikels der antiautoritären Plattform Nihilist.li über eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die am 18. November 2015 in Moskau stattfand. Wir möchten uns dafür entschuldigen, dass wir so spät mit der Übersetzung dran sind. Wir sind nur eine kleine Gruppe von Übersetzer_innen mit beschränkten Kapazitäten.

 

Wir möchten betonen, dass wir nicht alle Beurteilungen des von uns übersetzten Artikels teilen. In der Ukraine macht die Stiftung unserer Meinung nach grundsätzlich eine gute Arbeit. Auch wenn manche Aktivitäten bzw. Positionen einiger ukrainischen Partner der Stiftung kritikwürdig sind, gibt es zwischen ihnen und, sagen wir, einer offenen Querfrontvereinigung wie „Borotba“ einen himmelweiten Unterschied.

 

Wenn wir auch nicht allem zustimmen können, so finden wir die Übersetzung des Nihilist-Artikels insofern wichtig, als er bis jetzt die gründlichste Kritik an der besagten Moskauer Veranstaltung der RLS darstellt. Und selbst wenn die hier thematisierte Veranstaltung bereits einige Monate zurückliegt, so ist die Auseinandersetzung mit ihr nach wie vor aktuell.

Der vehementen (internen) Kritik ihrer ukrainischen Partner zum Trotz zeigte die Rosa-Luxemburg-Stiftung bis jetzt wenig Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen. Eine Strategie des »unter-den-Teppich-kehrens« kann unserer Meinung nach in so einem himmelschreienden Fall nicht die richtige Antwort sein.

Wenn gegen solche Strömungen in der Stiftung nicht offen und konsequent vorgegangen wird, besteht in der Tat die akute Gefahr, dass diese Institution, die nach wie vor in weiten Teilen des linken Spektrums respektiert wird, vollends in den Sog der neuen Querfront gezogen wird.

Russisches Original hier:

 http://www.nihilist.li/2015/12/28/natsional-bol-shevizm-na-kostyah-rozy-lyuksemburg/ 

 


 

Nationalbolschewismus auf den Gebeinen Rosa Luxemburgs

von Gustaw Zurverantwortung

 

»Endlich gestaltet derselbe Parlamentarismus mit dem Wachstum der Arbeiterbewegung diese letztere zum Sprungbrett politischen Emporkommens, weshalb er sie leicht zum Unterschlupf für ehrgeizige und schiffbrüchige bürgerliche Existenzen macht.«

Rosa Luxemburg, Sozialistin

 

“Das ist das Hoffnungslose der deutschen Lage: dass sich die Verbindung zwischen proletarischem Kampfwillen und nationalem Pathos nicht als ein schlechthin elementarer Vorgang vollzogen hat.”

Ernst Niekisch, Nationalbolschewist


Mitte November 2015 fand in Moskau eine recht merkwürdige Veranstaltung statt – mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie hieß »Menschenrechte in der Ukraine: Heutige Lage«. Stars der Veranstaltung waren die Bundesabgeordneten der »Linkspartei« Andrej Hunko und Wolfgang Gehrcke, an die man sich in Kiew und Moskau bereits gewöhnt hat. Die Hauptthemen der Versammlung waren »der ukrainischer Faschismus« und die Verfolgung von Kommunisten durch das böse Kiewer Regime.

 

Auf ihrer Webseite stellte die russische Abteilung der Stiftung einen relativ kurzen Bericht über die Veranstaltung zur Verfügung. Darin findet man wenige Details, die helfen können, sich eine Vorstellung über die Teilnehmer dieses »linken« Events zu machen. Den Teil der Wählerschaft von Hunko und Gehrcke, der immer noch glaubt, für eine »linke« Partei zu stimmen, könnten aber ein paar Fakten zum Staunen bringen.

 

Auf der Internetseite der Stiftung wurde erwähnt, dass zu den Mitveranstaltern das Bündnis der politischen Emigranten und Gefangenen der Ukraine sowie der Moskauer Journalistenverband gehören.

 

Das Bündnis der politischen Emigranten ist schon an sich sehr interessant. Es ist kein nur auf dem Papier existierender Saftladen, sondern eine tätige Organisation, die Kleindiebe, flüchtige Polittechnologen und Schwarzhunderter [Sammelbegriff für rechtsextreme und monarchistisch-nationalistische Organisationen im Russischen Reich; die Üb.] vereint. Im November veröffentlichte das Bündnis einen an russische Medien gerichteten Aufruf, mit der Bitte, die Auslieferung von Roman Griwa an die Ukraine zu verhindern. Griwa ist der ehemalige Leiter der Abteilung für Kommunalunternehmen der Charkiwer Regionalverwaltung und Mitglied der Partei der Regionen des geflüchteten Präsidenten Janukowitsch. Die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden werfen ihm die Veruntreuung von 1.285.000 Hrywnja vor und wollen ihn rechtlich zur Verantwortung ziehen.


Eine Internetseite russischer Nationalisten, die sich auf »Antifaschismus« spezialisiert hat, zitiert den Aufruf des Bündnisses:

 

»Das Bündnis politischer Emigranten und Gefangener ist überzeugt, dass die Verfolgung von Roman Griwa ausschließlich politisch motiviert ist. Die Auslieferung von Griwa wird einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, indem die Russische Föderation zur Verfolgung von ehemaligen Mitgliedern der Partei der Regionen beiträgt.«


Eine solche Aussage sollte keinen Ukrainer oder Russen verwundern. Wenn man bei uns im „Wilden Osten“ in die Politik geht, dann meistens mit dem Ziel, zu stehlen. Staatseigentum zu unterschlagen und sich bestechen zu lassen ist ein nicht unerheblicher Teil der politischen Tätigkeit, genauso wie die Inanspruchnahme des Siegerrechtes nach dem Wahl- oder Ämterkampf. Später werden diese Mittel in die Bestechung der für die eigenen Zwecke wichtigen Beamten und der Wählerschaft reinvestiert. Einen Staatsbeamten in Osteuropa wegen Diebstahl in den Knast zu stecken wäre genauso seltsam, wie den Vorstand von BMW, BASF oder Grundig in Westeuropa wegen Unternehmertums einzusperren. Ersteres ist eben das eigentümliche Betätigungsfeld der herrschenden Klasse in den postsowjetischen Ländern.


In den postsowjetischen bürokratischen Regimen muss der Beamte stehlen, wenn er an der Macht bleiben will. Jeder Versuch, ihn seines Rechts auf Aneignung der Korruptionsrendite zu berauben, muss somit nicht bloß als eine politisch motivierte Aktion, sondern geradezu als ein Akt des Klassenterrors gewertet werden, als Enteignung der ganzen Bürokratenklasse, die im Wilden Osten sowohl über die Bourgeoisie, als auch über das Proletariat dominiert.


Es sollte angemerkt werden, dass zur selben Zeit, in der sich das Moskauer Auslandsbüro der Stiftung über die Repressionen gegen ehemalige Mitglieder von Janukowitschs „Partei der Regionen“ und Schwarzhunderter empört (darüber später mehr), das ukrainische Klientel der RLS ganz gut lebt und gedeiht.

 

In einem Verstoß der Stiftung gegen die eigenen Grundsätze investiert sie das meiste Geld in der Ukraine in den Parteiaufbau. Selbstverständlich muss die Stiftung anständigerweise auch andere, manchmal recht gute Projekte unterstützen. Doch den Löwenanteil der Finanzierung empfangen immer wieder dieselben Menschen, die eine vor allem von ihnen selbst gelesene Zeitschrift herausgeben und ihre Expertenmeinung im Namen diverser »Forschungsinstitute« zu jedem beliebigen Anlass verlautbaren.


Sie organisieren Tagungen/Konferenzen am laufenden Band und halten Seminare über das Los der linken Bewegung. Mit den auf diese Weise eingenommenen Geldern bauen sie nach dem Schema "aus Dung und Stroh" eine neue "Gesamtlinke Partei". Mit dieser hoffen sie dann noch größere Fördermittel anwerben zu können, um letztendlich in der parlamentarischen Politik mitspielen zu dürfen. Das ist eine weitverbreitete Taktik. Der stalinistische Flügel der Organisation der Marxisten plante seinerzeit, die Fördergelder der schwedischen Linkspartei ähnlich zu verwenden. Damals hat es nicht geklappt und die Organisation der Marxisten spaltete sich in Borotba und Linke Opposition. Letztere diente später als Fundament für ein neues Parteiprojekt, welches gegenwärtig durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert wird.


Die ukrainischen Partner der Stiftung befinden sich keinesfalls im Untergrund. Manche von ihnen haben gute Beziehungen zu den rechten Parlamentsabgeordneten und Ministern und wissen genau, dass denen die »linken Intellektuellen« egal sind.

 

Auch die Staatsorgane interessieren sich kaum für sie und die Polizei zieht es vor, ihre Aktionen zu schützen, anstatt auseinander zu treiben (wie es von einer »echten Junta« zu erwarten wäre). Es gibt zwar nach wie vor Probleme mit Rechtsradikalen, aber auch zu Zeiten von Janukowitsch konnte man Opfer rechter Gewalt werden.


Nationalbolschewismus auf den Gebeinen Rosa Luxemburgs 2

 

Die meisten ukrainischen Partner der Stiftung eint neben dem Wunsch, in der großen Politik mitzumischen, das Folgende: Aus unerklärlichen Gründen werden sie von der »Junta« nicht verfolgt. Genauso ergeht es den anderen »Linken«. Selbst die DNR-Propagandisten, die Borotba bzw. der Internetseite »Liva« nahestehen, kehren problemlos nach Kiew zurück. Unter den Linken befindet sich eigentlich nur der Teil von Borotba in der erzwungenen Emigration, der aktiv an den Auseinandersetzungen in Charkiw und Odessa teilnahm, für die russischnationalistischen Junten der DNR und LNR Propaganda machte oder in bewaffnete Gruppierungen prorussischer Kollaborateure im Donbass eintrat. Wenn sie auch nicht umbedingt gedeiht, so gibt es sogar in Kiew eine Borotba-Zelle.


Somit unterscheiden sich die ukrainischen Partner der Rosa-Luxemburg-Stiftung prinzipiell von den Teilnehmern des besagten Events in Moskau. Unter ersteren gibt es keine russischen Chauvinisten. Es gibt Dummköpfe, Hochstapler, käufliche Schurken, »nützliche Idioten« - und es gibt sogar ehrliche Menschen, die mit wirklich sinnvollen Sachen beschäftigt sind. Aber selbst die schlimmsten von ihnen taugen nicht als Vorkämpfer für die »russische Welt«.


Schauen wir uns diese durch das Moskauer Büro der RLS hofierten »Opfer der Kiewer Junta« einmal genauer an:


Der Aktivist der prorussischen Vereinigung »Ukrainische Wahl« und jetzige Émigré, Witalij Skorochodow
. Dieser Mensch wurde bekannt durch seinen Kampf gegen Impfungen. Er glaubt, Impfen sei schädlich und »das ist alles Verschwörung«. Das macht ihn zu einem Idioten. Außerdem glaubt er, die Ukrainer müssen von Russen regiert werden. Staatsbildung sei nämlich für die Ukrainer eine unausführbare Aufgabe:
 

»Die Ukrainer konnten nur dann gut leben, als sie zum Russischen Reich oder der Sowjetunion gehörten. Die Ukrainer sind schlicht und einfach keine imperiale Nation, ohne russische Führung können sie keinen Staat errichten. Die jahrhundertealte Geschichte hat das belegt.«

 

Insbesondere verstimmte Herrn Skorochodow die Abstimmung im ukrainischen Parlament, welche die Diskriminierung von LGBT-Menschen am Arbeitsplatz gesetzlich verbietet. »Die Verschwuchtelung der Ukraine hat stattgefunden«, schreibt auf seiner Facebook-Seite der Teilnehmer der Veranstaltung, die durch die politische Stiftung der Linkspartei mitorganisiert wurde.


Was ist eigentliche diese Vereinigung »Ukrainische Wahl«? Der Vorsitzende, Wiktor Medwedtschuk, ist mit Putin befreundet. Der russische Präsident hat sogar Medwedtschuks Tochter Darina getauft, was in der Ukraine beinahe als Blutsverwandtschaft gilt.


In Zeiten der Sowjetunion war Medwedtschuk offizieller Pflicht»Verteidiger« der ukrainischen Dissidenten Jurij Lytwyn, Wasyl Stus und Mykola Kuntzewytsch. Im Ergebnis haben alle die von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafen erhalten. Kuntzewytsch erinnerte sich, dass sein »Verteidiger« für ihn eine Gefängnisstrafe forderte, die ein Jahr und neun Monate länger war, als die von der Staatsanwaltschaft geforderte. Medwedtschuk nahm auch am Prozess gegen den Leiter des Atomkraftwerks in Tschernobyl, Wjatscheslaw Brjuchanow, teil, welcher zum Hauptverantwortlichen für die Katastrophe gemacht wurde. Es ist klar, dass die Zulassung eines für den KGB unbequemen Anwaltes unter den damaligen Bedingungen in all diesen Fällen unmöglich gewesen wäre.

 

In der unabhängigen Ukraine wurde Medwedtschuk zur »grauen Eminenz«. Von 2002 bis 2005 leitete er die Präsidialverwaltung von Leonid Kutschma. Als einer der meistgehassten Vertreter des alten Regimes verlor Medwedtschuk nach der »Orangenen Revolution« alle möglichen Wahlen. Er wurde auch nicht in die Partei der Regionen aufgenommen, obwohl seine ehemaligen Gefährten (Schurma, Schufritsch, Papijew) sich problemlos in die politische Strukturen Janukowitschs integrierten.


Die 2012 von Medwedtschuk gegründete Organisation »Ukrainische Wahl« propagierte antieuropäische und homophobe Ansichten. Der Neologismus »Gayropa« wurde in der Ukraine nicht zuletzt dank der unermüdlichen Arbeit seiner »politischen Soldaten« popularisiert. Im Sommer 2013 wurde auf der Internetseite der »Ukrainischen Wahl« ein Artikel veröffentlicht, in welchem behauptet wurde, dass sowohl die Regierung als auch die Opposition aus Juden beständen. Die Veröffentlichung sorgte für große Aufregung und musste bald von der Seite der Organisation entfernt werden – nur sechs Monate danach beriefen sich jedoch alle Behauptungen auf den Internetauftritten des Antimaidans über das angebliche »Judentum« der Oppositionsführer auf Zitate aus diesem Artikel.

 

Es ist bezeichnend, dass die verschwörungstheoretische antisemitische Sekte »Konzeption der Öffentlichen Sicherheit« (KOB) auch eng mit der »Ukrainischen Wahl« kooperierte. Nachdem die sogenannten Separatisten im Frühjahr 2014 Slowjansk und Kramatorsk im Donbass besetzten, sendeten die KOB-Leute ihre verschwörungstheoretischen Videos über die örtliche Fernsehanstalt. Interessant ist, dass manche Bücher aus dem Milieu dieses sonderbaren Zweigs russischer Nationalisten in der Russischen Föderation auf dem „Index für extremistische Literatur“ stehen. In der Ukraine sind sie bis jetzt legal. 

 

Die anderen Opfer der bösen Kiewer Junta sind auch interessant:


Der ehemalige Abgeordnete des Regionalparlaments
von Mykolajiw, Nikolaj Maschkin. Er behauptet, dass russische Panzer in dieser Hafenstadt mit Blumen empfangen werden und bestritt die Annexion der Krim. Die Schuld an den Waffenlieferungen in die sogenannten DNR und LNR trage seiner Meinung nach der Maidan.


Man sollte ihn aber nicht für einen Idioten halten, auch wenn das naheliegt. 2011 suchte Maschkin nach einem Weg, um die Tätigkeit der regionalen Polizei vor der Berichterstattung in der Lokalpresse zu schützen. Er verfasste neue Regelungen, nach welchen den Medien die Akkreditierung wegen jeder Nichtigkeit entzogen werden konnte. Die Lokaljournalisten warfen ihm die Behinderung der öffentlichen Kontrolle über die Polizei vor. Wie wir jetzt wissen, gibt es in der Gegend einiges, wovor es sich zu fürchten lohnt: Die Ordnungshüter aus dieser Region gelten als Meister der Folter und Erniedrigung von Gefangenen. Auch Bürger in Freiheit behandeln sie unmenschlich.


Wir erinnern daran, dass im Sommer 2013 in Wradijewka (Verwaltungsgebiet Mykolajiw) ein Aufstand stattfand. Die Einwohner stürmten das Gebäude der städtischen Polizeiverwaltung – der Grund war die Vergewaltigung mit anschließendem Mordversuch an Irina Kraschkowa [durch drei betrunkene Polizisten, Anm. d. Übers.]. Laut journalistischen Recherchen geschah dies in Wradijewka nicht zum ersten Mal. Es gab bereits Fälle, bei denen Frauen von Polizisten entführt und ermordet wurden. Danach erpressten dieselben Polizisten unter Anwendung von Folter Geständnisse von Unschuldigen und schickten sie ins Gefängnis. Das sind die Geheimnisse, die Maschkin beschützt.


Der Herr Abgeordnete a.D. wird auch der Unterschlagung von 30.000 Hrywnja bezichtigt, die er sich aneignete, als er das Amt des Chefredakteurs der regionalen Zeitschrift »Ridne Pribuschscha« verließ. Das ist aber eine Kleinigkeit. Wie erwähnt, gehört Diebstahl in der ukrainischen (und russischen) Politik zur Normalität. Was sind schon 30.000 Hrywnja? Ein bisschen mehr als 1.000 Euro. So etwas wird bei uns kaum als Diebstahl gezählt.


Professor Alexej Samojlow
. Einer der Ideologen der russischen Nationalisten in der Ukraine. Dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst zufolge gehörte Samojlow zum russisch-nationalistischen Untergrund in Charkiw. Bei seiner Verhaftung wurde Samojlow verprügelt. Selbstverständlich ist das inakzeptabel. Ob dabei tatsächlich Sprengstoff und Beweise für eine Zusammenarbeit mit russischen Geheimdiensten sichergestellt wurden, wissen wir nicht. Doch die Einladung eines hundertprozentigen Nationalisten zu einer »linken« Veranstaltung mutet zumindest seltsam an. Auch wenn bekannt ist, dass deutsche Linke lange und erfolgreich mit Nationalisten zusammenarbeiten.


Auch früher hat Samojlow mit seinen Ansichten nicht besonders hinter dem Berg gehalten, doch jetzt ist er einfach nur noch redselig. 2013 war Samojlow der Anhänger einer friedlichen Zerstückelung der Ukraine, indem er für die Autonomisierung der Regionen in der Ostukraine mit einer nachfolgenden Unterstellung derselben unter Moskauer Herrschaft eintrat. Aber auch das war ihm nicht genug. Zu seinen Plänen gehörte des Weiteren eine Wiedervereinigung von Belarus und der Ukraine mit Russland. Auf diese spielte er indirekt an, indem er die Überflüssigkeit einer »slawischen Gemeinschaft« betonte:

 

»Glagol: Wie attraktiv ist für die Bürger der Ukraine die Bewegung für eine slawische Einheit der Ukraine mit Russland und Belarus?

 

Samojlow: Wozu die Wesenheiten unnötig vermehren? Der Raum, in welchem heute die Ukraine, Russland und Belarus existieren, wurde nicht aufgrund der berüchtigten slawischen Einheit kreiert. Er ist der gemeinsame russische zivilisatorische, kulturelle und historische Raum. Die Grundlage der russischen Zivilisation. Indem dem Wesentlichen andere Namen geben, vernichten wir den wahren Sinn und spielen den Feinden in die Hände.«

 

Aus einem Interview für die prorussische Seite »Glagol«.


Nach der Verhaftung und der Ausweisung aus der Ukraine nach dem Gefangenenaustausch wurde Samojlow freimütiger:

 

»Es wurde uns sowieso zu viel weggenommen. Ich bin mit Wladimir Putin einverstanden, dass der Zerfall der Sowjetunion eine schreckliche Katastrophe ist. Man durfte die Ideologie korrigieren, die Grundprinzipien anders formulieren, aber wir hätten nicht den Staat untergehen lassen dürfen. Russland muss und wird nur als Imperium existieren, als Russische Zivilisation. »Russisch« bedeutet hier nicht den Namen eines Volkes, sondern bezeichnet die Zivilisation, zur der alle Nationalitäten und Völker gehören, die Jahrhunderte lang zusammenlebten, alle Territorien die einst zum gemeinsamen Imperium gehörten. Mein politisches und menschliches Bekenntnis besteht darin, dass ich ein orthodox-christlicher und sowjetischer Imperialist bin.«

 

»Wir brauchen unser Imperium. Unser Imperium müssen wir wiederaufbauen. Es ist notwendig, dass der gesamtrussische Zivilisationsraum und seine territoriale Integrität wiederherstellt wird.«

 

Das heißt, die »Samojlows« werden nicht haltmachen, bis russische Soldatenstiefel nach Brest und Uschgorod marschieren. Die Deutschen wissen das. Eine politische Kraft hat schon mal das Deutsche Reich wiederhergestellt und das »geteilte Volk« vereint. Die Propaganda der Nazis sah in Österreich oder der Tschechoslowakei auch organische Teile der »deutschen Welt«.


Zu den „Opfern der Junta“ wird auch Denis Denisow gerechnet. Das ist ein ukrainischer Politologe, der in der regionalen Filiale des russischen »Instituts der GUS-Länder (Institut für Diaspora und Integration)« gearbeitet hat. Er musste das Land verlassen, nachdem er im März 2015 einen Einberufungsbefehl erhalten hatte. Denisow äußerte sich in seinem Interview mit der »Komsomolskaja Prawda« im Februar selbst erstaunt darüber, dass die Staatsorgane sein Institut nicht angetastet hatten. Es besaß einen öffentlichen Veranstaltungsraum und organisierte Pressekonferenzen und Fernsehunterviews – das alles mitten in der »Hölle der Junta«.


Seltsam ist nicht, dass er das Land verließ, sondern dass das offizielle Kiew dieses Institut in Ruhe ließ. Diese Prokreml-Struktur wird von Konstantin Satulin geleitet, einem Mitglied der russischen Regierungspartei »Einiges Russland«, der in der Ukraine schon dreimal zur Persona Non Grata erklärt wurde (zum ersten Mal bereits 1996).


Nationalbolschewismus auf den Gebeinen Rosa Luxemburgs 3

Dieser Politiker leitete 2014 den Aufsichtsrat der Stiftung »Wir sind alle ‚Berkut‘«. Seit jenem Winter sind bereits zwei Jahre vergangen, aber den meisten Ukrainern sind die Angehörigen dieser Spezialeinheit immer noch verhasst. Einer der wesentlichen Vorbehalte gegen Innenminister Awakow besteht gerade darin, dass er gegenüber diesen grausamen Typen, die für die russischen Nationalisten sofort zu Helden wurden, zu loyal ist.


Die ukrainische »Junta« scherte sich nicht um Satulins »Institut«. Die Begründung für Denisows Emigration erscheint also schwach. Samojlow (so behauptet er) wurde ein Sprengstoffanschlag unterstellt, und ihn selbst bezichtigte man der Spionage. Konnte denn die »Junta« dem offiziellen Vertreter der »russischen Welt«, der für ein führendes Mitglied der russischen Regierungspartei arbeitete, nicht ein paar Granatwerfer unterjubeln?


Ein weiterer Mitorganisator des Runden Tischs war der Moskauer Journalistenverband. Dieser ist eine für Russland typische staatlich-organisierte »Nichtregierungs-Organisation«, die regierungstreue »Kettenhunde« vereint und die den Interessen des Regimes dient. Auf ihrer Website findet man, wenn man nach der »Verletzung von Journalistenrechten« sucht, lediglich Nachrichten über die Ukraine, aber kein Wort über die ständigen Attacken auf die Meinungsfreiheit im eigenen Land und von der Monopolisierung der russischen Massenmedien, die unter der Kontrolle des allgegenwärtigen Staates und der Putin nahestehenden Geschäftswelt stehen. Genauso wenig erfährt man auf dieser Seite etwas über den anhaltenden Druck der Machthaber auf den Kanal »Doschd« (TV Rain) oder über die Angriffe, Entführungen und Misshandlungen des Journalisten Kanygin von der »Nowaja Gaseta«.


Die Organisation beeinflusste die öffentliche Meinung zur Krim-Annexion intensiv. So können wir etwa auf der Seite des Journalistenverbands lesen, dass sich der russische Nationalist Sergej Baburin endlich offiziell den Reihen der Putinisten angeschlossen hat.

 

»Vor unseren Augen hat sich ein großartiges historisches Ereignis abgespielt – die Krim und Sewastopol sind zu Russland zurückgekehrt. Dies geschah dank der überzeugenden Willensbekundung der Krim-Bewohner bei dem Referendum und der standhaften Haltung des Präsidenten der Russischen Föderation. Und ich trete in die Allrussische Volksfront ein, weil ich Vladimir Putin in seiner Entscheidung, die Vereinigung mit der Krim zu verteidigen und der Südost-Ukraine zu helfen, unterstützen will«, so wird Baburin auf der Website des Verbands zitiert.


Auf einer anderen Seite des Verbands sehen wir, dass für seine Mitglieder das Gedenken an Lenin kein leeres Wort ist. Die Erhaltung seiner Denkmäler steht für die russischen Territorialansprüche, die gegenüber den Nachbarn erhoben werden.

 

»Die Ukri sind Russophobe; wenn sie Lenin-Denkmäler zerstören, beweisen sie uns allen damit: Unsere russische Geschichte ist eine untrennbares Einheit. Wenn man ein Kapitel wegnimmt oder verunglimpft, dann bricht die ganze Weltanschauung zusammen. In der Praxis bedeutet das: Ohne Lenin hat Russland auch kein Anrecht auf die Krim, den Donbass, auf Noworossija. Deshalb müssen meiner Meinung nach Personen, die einer Entfernung von Lenins Leichnam aus dem Mausoleum das Wort reden, ehrlicherweise in den Rechten Sektor eintreten. Anhänger einer Umbenennung von Lenin-Straßen sowie anderer Straßen mit sowjetischen Bezeichnungen müssen sich konsequenterweise den Strafbataillonen gegen den Donbass anschließen.«


Die Partner der »Linken« sehen hier also im Sturz der Lenin-Denkmäler nicht den Kampf gegen den Kommunismus, sondern gegen das Russische Imperium. Was hätte Lenin dazu gesagt? Ich fürchte, selbst Stalin hätte eine derartige Rhetorik als verdächtig »weißgardistisch« empfunden.

 

Auf der Veranstaltung war auch der frühere Rada-Abgeordnete Wladimir Olijnyk vertreten. Jetzt ist er ein potentieller Präsidentschaftskandidat für das »Komitee für die Rettung der Ukraine«. Diese Organisation von Gefolgsleuten Mykola Asarows [ukrainischer Premierminister unter Janukowitsch; die Üb.] vereint bekannte Mitglieder von Janukowitschs „Partei der Regionen“ in der Emigration. Olijnyk gehörte zu den Autoren der »Diktaturgesetze«.


Diese Bestimmungen, die die Versammlungsfreiheit einschränkten und am 16. Januar 2014 verabschiedet wurden, provozierten eine blutige Welle von Morden auf dem Majdan in Kiew. Die Person, die in Kiew 2014 die Rechte und Freiheiten der Bürger beschränken wollte, meldete sich in Moskau 2015 mit der Initiative zu Wort, einen »Raum im Europaparlament zu schaffen, in welchem man die Probleme der Freiheit des Wortes, unabhängiger Medien und einer parlamentarischen Opposition in der Ukraine diskutieren« könnte.

 

Das ist schon etwas zynisch, aber bei einem alten politischen Chamäleon durchaus zu erwarten, der einige Jahre auch zu den Vertrauten Juschtschenkos gehört hatte, im Block Julia Tymoschenkos gewesen und für die Partei ihrer Gegner – die Partei der Regionen – in die Rada gewählt worden war. Unser Gauner war immer zur Stelle!


Im Bericht der Stiftung wird auch Georgij Fedorow als Teilnehmer am Runden Tisch aufgeführt. Er ist Mitglied der Gesellschaftskammer. Wenn man dem offiziellen Bericht glauben darf, hat Fedorow mitgeteilt, dass seine Organisation »Recht gegen Faschismus« Fakten von Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine öffentlich macht und genau dokumentiert.

 

»Über 600 Klagen sind beim EGMR (Europäisches Gericht für Menschenrechte) eingereicht, darunter aus Odessa, Charkov, Dnepropetrovsk… Es geht um ungesetzliche Verhaftungen, Folterungen, Morde, Entführungen, materielle Verluste in Folge von Beschießungen. Jede Klage ist mit einem Namen und einer zugeordneten Nummer versehen«, erklärte Fedorov am Runden Tisch.

 

Auf der Website der Rosa-Luxemburg-Stiftung fehlt allerdings der Hinweis, dass die Haupttätigkeit von Herrn Fedorow Wahlbeobachtung ist, und zwar in der »Assoziation zum Schutz der Wählerrechte«.


Am 26. April 2015 wurde bei den Regionalwahlen in Balaschicha [Stadt im Moskauer Oblast der Russischen Föderation; der Üb.] Stanislav Posdnjakow, ein Beobachter der Opposition verprügelt. Der Vertreter der »Solidarnost« hatte entdeckt, dass zusätzliche Wahlscheine in die Urnen geworfen worden waren. Ihm wurden von Unbekannten, die in einem schwarzen BMW ohne Nummernschilder im Wahlbezirk unterwegs waren, schwere Verletzungen beigebracht. Posdnjakow kam in ernstem Zustand ins Krankenhaus. Am 1. Mai erlitt er eine innere Blutung, Die Ärzte mussten ihm die Milz entfernen.


Der Leiter der Wahlkommission vom Gebiet Moskau Irek Wildanow kommentierte diesen Vorfall im unnachahmlichen Stil der heutigen Kreml-Propaganda:

 

»Nach meiner Auffassung haben bei den Wahlen nazistische Kräfte mitgewirkt, die mit ausländischer Unterstützung gut vorbereitet waren. Sie stehen hinter unseren Liberalen. Das sind Beobachter, die in polnischen Lagern geschult wurden. Sie verfügen über eine ausgezeichnete teure Aufnahmetechnik – bei einfachen Beobachtern ist dergleichen undenkbar – sie zeichnet auch nachts völlig ruhig auf, und dann folgen die Montage und Veröffentlichung.«


Was wird davon auf der Seite der »Assoziation« berichtet? NICHTS. Fedorows Seite, wie auch die Organisation selbst, dienen anderen Zwecken. Sie sollen den Anschein ehrlicher Wahlen hervorrufen. Den Rechenschaftsberichten dieser Organisation zufolge kommt es bei der Willensbekundung in der Russischen Föderation allenfalls zu »unbedeutenden Verstößen«, und im Lande des siegreichen Putinismus blüht die Demokratie.


Um die Überzeugungskraft seiner Berichte zu untermauern, lädt Fedorow ausländische Beobachter nach Russland ein, und zwar solche Politiker und Aktivisten, die bereit sind, die russische Politik durch die rosa Brille des FSB zu betrachten. Für ein Honorar, Bankette, weitere Zusagen von Geld und nützlichen Kontakten für die Zukunft sind Abgeordnete aus dem Westen zu vielem bereit.

 

Unter denen, die Fedorows Assoziation eingeladen hat, sind auch Vertreter der korrumpierten Rechten aus der Partei »Forza Italia« [Vorwärts, Italien]. Diese Organisation hat sich seinerzeit mit den italienischen Faschisten aus der traditionellen Mussolini-Partei von Gianfranco Fini zusammengeschlossen. Jetzt haben sie sich gespalten. Auf die Bezeichnung als »Antifaschist des Monats« können Mitglieder dieser Organisation aber nur in Russland hoffen – und auch nur dann, wenn die Jury aus FSB-Mitarbeitern besteht.


Das Niveau des Antikommunismus bei »Forza Italia« entspricht etwa dem ihrer Bestechlichkeit. Es überschreitet eigentlich jedes Maß. Die Berlusconi-Partei zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie, sobald die Rede auf Korruption kommt, sofort von Kommunismus und Neid spricht, von einer Verschwörung kommunistischer Richter und davon, dass Verfolgungen stalinistischen Ausmaßes drohen, wenn nur ein korruptes Schwein im Gefängnis landet.


Ebenso aufschlussreich ist es, in den Berichten der Assoziation den Namen des polnischen Faschisten und Russophilen Mateusz Piskorski zu finden. 

 

Ausgerechnet notorische europäische Faschisten und Antikommunisten sind also Partner des »Antifaschisten« Fedorow.


Vergessen wir nicht, dass die Herren Gehrcke und Hunko gerade am Antikommunismus und Faschismus in der Ukraine Anstoß nehmen. Den »Antifaschisten« Fedorow stören weder Antikommunismus noch Kommunismus, weder Faschismus noch »Antifaschismus« seiner Partner. Gehrcke und Hunko akzeptieren diese Logik offenbar und erheben keinen Einspruch. Sie verhalten sich selbst so. Sie interessieren sich mehr für die Aufhebung der Sanktionen und die Legalisierung der Okkupation der Krim als für eine konsequente Haltung.


Am 16. November 2014 besuchten sie die Ukraine und trafen sich mit linken Aktivisten. Die deutschen Gäste stellten damals die Gewalt von rechten und neofaschistischen Elementen in den Republiken von »Noworossija« nicht in Abrede. Das unmittelbare Interesse des deutschen Kapitals an einer Aufhebung der Sanktionen gegen die Russische Föderation war ihnen auch nicht unbekannt.

 

»Gehrcke bestreitet nicht, dass der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft, der für die Aufhebung der Sanktionen gegen die Russische Föderation Lobbyarbeit betreibt, ‚an die Tür des Parteibüros‘ der LINKEn klopft (Gehrcke grinste selbstgefällig dabei, als er das erzählte), aber der Kampf für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ist in keinster Weise mit einer Bestechung von DIE LINKE durch die ‚schwachen und wenig einflussreichen‘ BASF und Bayer verknüpft, sondern wird durch die aufrichtigen Überzeugungen der Post-Stalinisten von der Unnötigkeit der Sanktionen gegen das Russland Putins diktiert. Auf die Frage »Müssen die Ukrainer mit ihren Leben für die deutsch-russische Freundschaft zahlen?« hatten sie jedoch keine Antwort. Ebenso wenig wie auf die Frage nach der rührenden Einigkeit zwischen den deutschen linken und rechten Populisten in der ‚Ostfrage‘.


Die deutschen Abgeordneten gehen mit der Zeit, und anstatt des schlechten Wortes ‚Kapitalist‘ nutzen sie den Begriff ‚Oligarch‘. Es sieht so aus, dass ihnen bei so einem Ansatz das Geld des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft bald nicht mehr peinlich sein wird und sie zugeben werden, dass ihre Haltung von den Interessen der deutschen Wirtschaft diktiert wird. Gehrcke und Hunko brachten aktiv ‚geopolitische‘ Argumente und der alte ‚Kommunist‘ Gehrcke zitierte Brzezinski. Ebenso sprach er mit offensichtlicher Genugtuung über die wachsende Rolle Deutschlands und die Nutzung der Instrumente der EU und UNO für die Umsetzung der deutschen politischen Hegemonie. Selbstverständlich unterstrichen die »Linken« die politischen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den USA und der EU, was absolut natürlich ist für jegliche Art von europäischen rechten Politikern.«


Dieser Bericht über das Treffen von Kiewer Linken mit den Mitgliedern der »Linken« ist auf Russisch und Deutsch auf unserer Seite veröffentlicht.


Im Laufe eines Jahres hat sich ihre Position nicht geändert, sie hat sich sogar radikalisiert. Hunko tritt mit einer Initiative auf, um die Krim-Annexion zu legalisieren, und Gehrcke plädiert für eine Aufhebung der Sanktionen. Übrigens ist Gehrckes Position erstaunlich inkonsequent. In seiner Erklärung auf dem vierten interparlamentarischen Forum fordert er, die »politische und territoriale Integrität der Staaten« zu respektieren, im selben Atemzug erkennt er sie in Bezug auf die Ukraine nicht an. Gehrcke und Hunko posieren gemeinsam mit dem »DNR«-Führer Sachartschenko, und räumen in dem Interview ein, dass sie bewusst gegen die ukrainische Gesetzgebung zum Passieren der Grenzen verstoßen hätten. Die »Integrität« gilt also nicht für die Ukraine.


Gehrcke ist übrigens unzufrieden, dass ihm der SBU die Einreise in die Ukraine wegen der Verletzung des ukrainischen Gesetzes verweigert hat. Aber das ist noch nicht alles. Gehrcke muss wissen, dass die Initiative, ihm und Hunko die Einreise in die Ukraine zu verwehren, nicht vom SBU ausgegangen ist. Es waren zwei Bewohnerinnen der Krim und ein Mann aus Luhansk – Menschen, denen die Politik des Kreml ihr Zuhause geraubt hat – die ein Einreiseverbot für die deutschen Abgeordneten ersucht hatten.


Das Unterhaltsamste daran ist, dass die Menschenrechtlerinnen, die die Ausweisung der deutschen Abgeordneten forderten, sich viele Jahre als Linke positioniert hatten. Gehrcke und Hunko aus der Ukraine auszuweisen, forderten also zwei Linke, die sich für die Rechte und Freiheiten von Zwangsumsiedlern aus dem Osten und der Krim einsetzen, und nicht böse »Faschisten«.


Gehrcke ist ein Veteran der deutschen Politik, und um die Eigentümlichkeit seiner politischen Einstellung zu verstehen, muss man wissen, wie diese entstanden ist. Anfangs arbeitete Gehrcke in der Jugendorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) – der prosowjetischen Kommunistischen Partei in der BRD, die nach dem offiziellen Verbot der alten KPD gegründet worden war. Wenn man seine offizielle Biographie in den 70er und 80er Jahren studiert, wird klar, dass er ein klassischer bolschewistischer Parteiarbeiter ist. Die Partei war klein, aber SEHR REICH.


Bis zur Auflösung der UdSSR flossen massive Gelder aus dem Kreml ab. Die Sowjetunion sparte nicht an der Ideologie, und so begannen die Parteiorganisationen bereits in den 1920er Jahren mit dem Aufbau von Auslandsnachrichtendiensten. Die Partei wurde dabei von der Regierung der BRD im Auge behalten. Sie arbeitete im Schatten der Illegalität, und ihr Vermögen verblieb außerhalb der Verfügungsgewalt des öffentlichen Dienstes.

 

Ende der Achtziger gerät die Partei in eine Krise. Ein bedeutender Teil der Parteimitglieder glaubte bis zum schicksalsträchtigen August 1991 fest an das Ammenmärchen vom glücklichen Leben der Arbeiter in der UdSSR.


Nicht alle waren gewissenlose Schurken, die nur an Geld dachten. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass die Bauern mit Gewalt von den Kolchosen gejagt wurden, dass die Arbeiter bis in die 60er Jahre in bitterer Armut lebten, von der Hand in den Mund, oder dass das Radio in der UdSSR »Brechunez« (Lügengerät) genannt wurde – kurzum, es waren traditionelle, prosowjetische Stalinisten.


Ihre Partei kommt bis zum heutigen Tag ohne externe Geldspritzen aus. Heute verfügen sie über ein vergleichsweise kleines Budget, der Politik haben sie jedoch nicht den Rücken gekehrt. Sie stellen sogar Kandidaten auf und erobern hier und da über Gemeindelisten der Partei »Die Linke« ein paar Sitze als Juniorpartner.

 

In der Partei gab es auch glühende Anhänger von Michail Gorbatschow und seiner Perestroika – und damit Verfechter der strikten KPdSU-Linie, egal welche Windung sie gerade durchmachte. Wolfgang Gehrcke gehörte diesem Parteiflügel an. Es war ohnehin allen klar, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion der Position der Kommunistischen Partei ernsthaft schaden könnte. Unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer tauchte die PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus) auf der Bildfläche auf, als Rebranding der in Ostdeutschland herrschenden SED, das einen Großteil seiner Anhängerschaft aus ehemaligen Mitarbeitern und Informanten der Stasi rekrutierte.


Zusätzlich zu den wertvollen SED-Kadern erbte die PDS eine Vielzahl von Immobilien und ein Plus in der Parteikasse. Schnell wird Gehrcke Parteimitglied und durchläuft eine spektakuläre Karriere. Später schließt sich die »Partei der deutschen Tschekisten« mit den linken Sektierern der SPD zusammen, und so erhalten die Denunzianten und Spione von einst die Absolution. Dies ist die Geburtsstunde einer modernen linken Partei (Die Linke). Diese Partei gibt der Rosa-Luxemburg-Stiftung den Ton vor.


Andrej Hunko gehörte früher einer der radikalsten antisowjetischen Strömung des Trotzkismus an, doch irgendwann ersetzte er das Wort »Kapitalismus« gegen das Wort »Oligarchen« und erachtet seitdem den US-amerikanischen Imperialismus als den schlimmsten aller Imperialismen. Das wirkte sich nicht gerade schädlich auf seine Karriere aus.


Nationalbolschewismus auf den Gebeinen Rosa Luxemburgs 4


Wenn man über Die Linke und ihr Verhältnis zu Russland spricht, darf man den DDR-Hintergrund eines wesentlichen Teils der heutigen aktiven Parteimitglieder nicht vergessen. Es ist kein Geheimnis, dass die Stasi und der KGB in geheimdienstlichen Fragen eine enge Arbeitsbeziehung unterhielten. Der langjährige Parteichef Gregor Gysi war in zwei Skandale um die Frage der Zusammenarbeit mit dem DDR-Geheimdienst verwickelt.


Der erste Vorfall ereignete sich 1998. Die Staatsanwaltschaft warf Gysi vor, dass er den DDR-Behörden unter den Decknamen »Gregor« und »Notar« Informationen über Regimegegner zutrug – darunter auch Informationen über eigene Mandanten und Vollmachtgeber. Gysi bestritt zwar die Vorwürfe, doch der politische Schaden dieses schmerzvollen Skandals war angerichtet, und so wurde er zum Rücktritt von seinem Amt als Parteivorsitzender gezwungen. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, von 1998 bis 2000 das Amt des Fraktionsvorsitzenden auszuüben.


Das zweite Mal versucht die Staatsanwaltschaft 2013, die Tätigkeit Gysis für den ostdeutschen Geheimdienst ans Tageslicht zu bringen, doch hatte für die Justiz nur ein müdes Lächeln übrig und trat nicht von seinen Posten zurück, gab es doch seiner Ansicht nach keinerlei Beweise für seine Spitzeltätigkeit. Was hatte ihn beim ersten Mal so nervös gemacht und eingeschüchtert? Gab es einen Grund, eine Enthüllung zu befürchten? Die Seele eines anderen Menschen ist schwer zu ergründen, und so bleiben die wahren Motive des gewitzten Juristen Gysi im Dunkeln.


Noch ein paar Worte zur Fraktion: um den Entscheidungsfindungsmechanismus der Bundestagsfraktion der Linkspartei nachzuvollziehen, bietet die Lektüre des Artikels »Die Fraktion ‚Die Linke‘ im Bundestag: Fragen zur Ukraine« auf der Homepage des RLS-Partners »Spilne« hilfreiche Einsichten. Der Autor des Textes, ein junger »linker Intellektueller« aus Kiew, versucht sich vergeblich an der Legitimierung seiner deutschen Geldgeber. Es gelingt ihm mehr schlecht als recht. Dafür sammelt der Artikel einige aufschlussreiche Tatsachen über das Innenleben der Partei. Aus dem Text geht hervor, dass bis vor kurzem Genosse Gysi die außenpolitischen Entscheidungen der Partei getroffen hat. Man zwang ihn dazu, ein Expertengutachten sowie die Meinung zweier Parteiflügel zu berücksichtigen.

 

 

Nationalbolschewismus auf den Gebeinen Rosa Luxemburgs 1

Die Liebe Sahra Wagenknechts zu Russland beruht auf Gegenseitigkeit, bereitwillig nutzen die Propagandisten im Kreml ihr Bild und ihre Worte.


Das Denken der »Traditionalisten« (die deutsche Kritiker der Partei häufig als ‚National-Bolschewisten‘ bezeichnen) bleibt dem Kalten Krieg verhaftet und richtet sich lieber gegen den US-Imperialismus, während die »Reformisten« eher dazu neigen, vom Kampf für die Menschenrechte zu sprechen. Natürlich stellt das eine Mindermeinung innerhalb der Partei dar. Mehr noch, in der Praxis schlucken die weniger einflussreichen Mitglieder des Reformflügels jeden Unsinn, den der populistische und kremlfreundliche Flügel verzapft. Mehr oder weniger darüber schreibt Salamanjuk in seinem Artikel – nur in etwas verklausulierter und gemäßigter Form.


Nun ist jetzt aber Genossin Wagenknecht Fraktionsvorsitzende der Partei. Sie hat es durch ihre emotionalen Auftritte, in denen sie Merkel für den Anstieg des Nationalismus verantwortlich macht und diese zur Freundschaft mit Russland aufruft, bereits zu einiger Berühmtheit gebracht. Wo Gysi zumindest noch die Machtpolitik Putins kritisiert hatte, sieht Wagenknecht die gesamte Verantwortung bei den USA. Die Weigerung zur Kapitulation bezeichnet sie als Konfrontation mit Russland, während einzig Merkel und die EU die Verantwortung für die wirtschaftliche Misere tragen.


Derzeit wird der Name Sahra Wagenknecht mit einer anderen Sache in Verbindung gebracht – nämlich ihrer Teilnahme an der durch die »Junge Welt« organisierten »Rosa-Luxemburg-Konferenz«.[1] Zu dieser Konferenz ward Aleksej Markow geladen, ein Kämpfer in den Reihen der »kommunistischen Brigade« des Prizrak-Bataillons. Das will nicht so recht zu Wagenknechts Gerede über Friedenssicherung passen, sondern fügt sich nahtlos in ihre konsequent-kremlfreundliche politische Linie ein.


Die Bundestagsfraktion der Linkspartei wird von einer Frau geführt, die den Menschen ohne Zögern ins Gesicht lügt. Sie kann jeden Versuch der Fraktion, die politische Linie gegenüber Russland zu verändern, unterbinden. Es ist nicht anzunehmen, dass eine solche Entscheidung nur dem Wunsch entspringt, dem Kreml zu dienen. Ein Teil der deutschen Kapitalisten aus dem Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft sehnt sich schon seit langem danach, den Handel mit dem imperialistischen Moskau wiederaufzunehmen. Dass sich die Ukraine der Russischen Föderation unterordnen sollte, dient keinesfalls nur den »linken« geopolitischen Hirngespinsten, sondern in erster Linie den Interessen der deutschen Wirtschaft.


Konnten die ukrainischen Linken zu Gysis Zeiten (trotz seines besonderen Rufs) noch auf eine teilweise angemessene oder zumindest gemäßigte Haltung der Linksfraktion im Bundestag hoffen, so ist diese Hoffnung mit Wagenknechts Aufstieg zum Fraktionsvorsitz obsolet geworden. Jetzt wird die Linkspartei nicht zögern, den politischen Interessen des Kremls zu dienen – selbst wenn das darauf hinausläuft, Rechtsradikalen, Ausländerfeinden und unverschämten Dieben die Hand zu reichen. Eines der Instrumente dieser Politik wird die Rosa-Luxemburg-Stiftung sein. Früher oder später wird auch der Ableger der Stiftung in der Ukraine dazu gezwungen werden, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen.


Es ist bezeichnend, dass sich die ukrainische Filiale der Stiftung nach einigen internen Gesprächen von den homophoben Teilnehmern »distanzierte«, sich aber über die Teilnahme von Anhängern der »Russkiy Mir« [dt. "Russische Welt"; Sammelbez. für russischen Ethnonationalismus und Chauvinismus; die Üb.] und Verfechtern eines orthodox geprägten Imperiums auschweigt. Sowohl das Auslandsbüro in Russland, als auch die Berliner Zentrale haben sich überhaupt nicht zu diesem Vorfall geäußert.


Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die formal von der Linkspartei unabhängige Rosa-Luxemburg-Stiftung ist zutiefst korrupt und politisch von der Partei abhängig, was nicht nur ihrem Leitbild, sondern auch der deutschen Gesetzgebung widerspricht. Und ebendort, innerhalb der Partei, dominieren heute die prorussischen Kräfte. Um nach deutschen Politikstandards die Wahrheit über die Konferenz in Moskau zu sagen heißt, die weitere Zusammenarbeit mit Gehrcke und Hunko – beziehungsweise mit der Partei, die sie repräsentieren – grundsätzlich in Frage zu stellen.


Keiner der Stiftungsangestellten nimmt eine solche Verantwortung auf sich – weder in der Ukraine noch in Deutschland. Mit den eigenen Parteigenossen zu streiten, das wäre nicht nur so, als würde man an dem Ast, auf dem man sitzt, sägen; das käme dem Herausziehen des Baumes mitsamt seiner Wurzel gleich. Klar, dass ein solcher Schritt die Karriere kosten würde. Daher verschließen selbst diejenigen Stiftungsangestellten, die gegenüber den kremlfreundlichen Stalinisten keine Begeisterung empfinden, lieber die Augen und tun so, als gäbe es kein Problem.


Liebe Genossinnen und Genossen, findet ihr denn nicht auch, dass die Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung so ist, als würde man mit Medwedtschuk zusammenarbeiten? Natürlich gibt es Projekte, die eine Finanzierung brauchen. Aber es gibt noch drei andere Stiftungen mit linkem Selbstverständnis. Könnte man es nicht dort versuchen, anstatt weiter Geld aus den Händen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter zu nehmen, die weiterhin mit dem Kreml verbunden sind?


Eine Stiftung gibt ihr Geld nicht einfach so her. Im Gegenzug für die Finanzierung von Projekten (insbesondere von gut durchdachten und notwendigen Projekten) steigt ihre politische Reputation. Früher oder später wird der gute Ruf der Stiftung, der durch eure direkte Beteiligung zustande gekommen ist, in irgendeiner Form im Rahmen der Interessen der Parteiführung ausgenutzt werden. Derzeit sind diese deckungsgleich mit den Interessen Moskaus.


Die aktuelle geopolitische Einstellung der Linkspartei weist große Ähnlichkeit mit den Ansichten von Ernst Niekisch über die Vorzüge einer deutsch-russischen Allianz für die deutsche Seite auf. Es wäre nur ehrlich, die Rosa-Luxemburg-Stiftung in »Ernst-Niekisch-Stiftung« umzubenennen, aber selbst da geriert sich die Linkspartei schlimmer als die Nationalbolschewisten.


Der rotbraune Niekisch emigrierte aus Protest gegen die gewaltsame Unterdrückung von Arbeiterprotesten aus der DDR nach West-Berlin, doch die Vertreter jener Linkspartei können nur müde lächeln, wenn in ihren Reihen an stalinistische Repressionen erinnert wird. Sie wirken selbst im Vergleich mit dem Vater des Nationalbolschewismus verdorben.


 

[1] Um Verwechslungen zu vermeiden: Diese Konferenz steht in keinem Bezug zur gleichnamigen Stiftung.

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Ukraine: Rechtsextreme griffen Treffen von Homosexuellen an

Großes Polizeiaufgebot konnte Stein- und Rauchgranatenwürfe nicht verhindern – keine Festnahmen -

 

Die Polizei teilte mit, dass keiner der Angreifer festgenommen worden sei. Die Beamten hätten aber pädagogische "Gespräche" mit ihnen geführt.

 

http://derstandard.at/2000033249214/Ukraine-Rechtsextreme-griffen-Treffe...