Kollektiver Durchbruch der Grenze bei Calais

Dozens of migrants gather near lorries which head towards the ferry terminal in Calais

Medienberichten zufolge haben Anfang Oktober zahlreiche Menschen die  stark gesicherte Grenze zwischen Frankreich und England, den Eurotunnel bei Calais, durchbrochen. Mit tatkräftiger Unterstützung von Anarchist_innen und No-Border-Aktivist_innen.

 

Polizeibehörden und Medien reden von einem "koordinierten Angriff" und machen "britische linksradikale Gruppen" dafür verantwortlich. Klassisch, die Legende vom "outside agitator" und als ob sich Menschen, die kollektiv tausende von Kilometern auf subversive Weise gereist sind, nicht selbst organisieren könnten. Wovor sich die Autoritäten hier ganz zu recht fürchten, ist das wegweisende Potenzial, das von einer solchen gemeinsamen Aktion ausgeht.
100 Menschen hatten es bereits 15km in den etwa 50km langen Eurotunnel geschafft, bis Sicherheitskräfte versuchten, sie aufzuhalten.  Es kam zu Zusammenstößen, der Tunnel wurde vorerst geschlossen. Zuvor hatten zahlreiche Menschen bereits die Zufahrtswege auf französischer Seite blockiert, sodass Menschen in LKWs steigen können. Zäune und Hindernisse wurden niedergerissen; ein Sprecher der Eurotunnelbetreiber meint: "Es ist ganz klar ein organisierter Angriff [...]. Sie kamen zusammen und in gut organisierter Art und Weise brachen sie durch die Zäune und wussten alle ganz klar, wohin sie gehen müssten. Sie rannten durch das Terminal, schlugen Personal zu Boden und warfen Steine nach ihnen."
Es ist nur einer von vielen (versuchten) Grenzdurchbrüchen, doch der hohe Grad an Vorbereitung und die Zusammenarbeit mit europäischen Anarchist_innen scheint Medien und Behörden überrumpelt zu haben.  In nahezu militärischem Sprech wird von einem "Sturm auf Europa" gesprochen. Doch es ist nicht eine andere Variante ihres autoritären Systems von Kontrolle, Sicherheit und Hierarchie, das die Festung Europa zum Erschüttern bringt, sondern kollektive Entschlossenheit und Solidarität über Grenzen hinweg.
Calais ist ein Ort mit einer Tradition von massivem Rassismus - und massivem Widerstand. Dort versuchen sehr viele Menschen, nach England zu kommen. Über Jahre hinweg konnten selbst-organisierte und subversive Infrastrukturen, Vernetzungen, Ideen und Praxen entwickelt werden. In jüngster Vergangenheit kam es auch zu vermehrten unterstützenden und praktischen Aktionen auf britischer Seite, wie bspw. einer Demonstration in einem Londoner Flughafen, bei der das Terminal der Eurostar Company blockiert wurde. Eurostar betreibt die Züge im Eurotunnel und ist mitverantwortlich für die Verstärkung der Grenze, was in riskantere Durchbruchsversuche resultiert. Allein seit Juni diesen Jahres sind 15 Menschen beim Versuch, den Eurotunnel zu durchqueren, gestorben. Behörden nutzen diese Tode als Vorwand, um Grenzen weiter auszubauen, nach dem heuchlerischen Motto: "Wir müssen Leben schützen und deswegen noch mehr Zäune errichten."
Doch Aktionen wie der kollektive Durchbruch der Grenze am Eurotunnel zeigen ganz andere Perspektiven auf:
Wiedererlangung der eigenen Macht über das eigene Leben,
Schaffung affinitätsbasierter Kollektive über die verordneten Identitäten hinweg,
gegenseitige Unterstützung und Solidarität in Aktion.

Es gibt Grenzen nicht nur in Calais, sondern überall um uns herum. Lasst uns Pläne schmieden und sie einreißen.

Quellen:
http://www.mirror.co.uk/news/uk-news/chaotic-scenes-calais-massive-invas...
http://noborders.org.uk/

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Leute, ich bin gegeistert!

Es wird immer offener und demonstrativer.

 

You did it great, comrades and fellows.

Hope you all arrived without injuries.

Aber die Kirche im Dorf lassen. Kollektive oder die Vernetzung politischer Strukturen sehe ich da nicht.

Die meisten Refugees treibt kein politisches Ziel oder ein Wunsch nach einem grundsätzlichen Systemwechsel an.

Sie wollen (berechtigterweise) in Sicherheit sein, am Wohlstand und der bestehenden Konsumgesellschaft partizipieren und nicht diese überwinden.