Was von den Gipfel-Protesten bleibt: ein fader Geschmack

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Es gab sie, die guten Momente der Gipfelproteste. Eine gelungene Camporganisation, nachdem die Camps genehmigt wurden, zum Beispiel. Oder eine recht kraftvolle Sponti am Freitagabend. Unter den gegebenen Umständen kann es vielleicht sogar von großen Optimist_innen als Erfolg verkauft werden, dass sich überhaupt Menschen nach Garmisch-Partenkirchen bewegt haben. Soll die aufgekommene Urlaubsstimmung in den bayrischen Bergen jedoch nicht auch zur politischen Meisterleistung verklärt werden, scheint die Liste der Erfolge spätestens an diesem Punkt erschöpft. Und auch über den genannten Ereignissen ruht ein Schleier der unangenehmen Erlebnisse. Bereits vor dem Gipfel haben wir uns dazu geäußert, welche Blüten die Mobilisierung getrieben hat. Daran anknüpfend wollen wir an dieser Stelle eine kurze Auswertung des Protestwochenendes liefern.

 

Der Gipfel der Repression

 

Bereits im Vorfeld kam es zur Delegitimierung der Proteste. Protestcamps wurden verboten, das Schengenabkommen wurde kurzerhand außer Kraft gesetzt und es kam zu Kontrollen von 105.000 Personen in Bayern. Dabei wurden 8.600 Aufenthaltsgesetzesverstöße registriert und 60 Haftbefehle vollstreckt. Herzlichen Glückwunsch! Die massive Einschüchterung durch den größten Polizeieinsatz in der Geschichte Bayerns ist nicht vom Tisch zu wischen. Ebenso wenig, dass ein massenhaftes Fernbleiben von Demonstrant_innen dadurch begünstig wurde (auch wenn das nicht der einzige Grund gewesen sein dürfte).
Ein Protestcamp wurde in letzter Minute genehmigt und es reisten spätestens zur Samstagsdemo ca. 7.000 Demonstrant_innen an, diese standen allerdings mehr als 23.000 Polizist_innen gegenüber. Es durfte also im Spalier voran geschlichen werden. Kleinste Akte des zivilen Ungehorsams wurden durch härtestes Durchgreifen umgehend mit Pfefferspray und Schlagstockeinsätzen unterbunden. Die Anspannung und vielleicht auch die Frustration über das Ausbleiben der medial groß angekündigten Riots war den Cops deutlich anzumerken. Das Camp selbst war von Polizist_innen eingepfercht. Wer raus oder rein wollte, wurde überwacht. Festnahmen schienen vor allem der Erfüllung einer Quote dienlich zu sein, die den massiven Polizei-Einsatz rechtfertigen sollte.
An- und Abreisekontrollen sowie die Verfolgung der Busse und PKWs durch Zivilbeamte dürften die Wenigsten überrascht haben. Der Gipfel der Lächerlichkeit wurde allerdings dadurch erreicht, dass kleinste Bezugsgruppen von, alles andere als unauffälligen, Zivilfahrzeugen durch Garmisch-Partenkirchen verfolgt wurden, die in zehn Metern Entfernung im Schritttempo hinter ihnen herrollten, sobald sie sich aus dem Camp wagten.

 

"Danke Polizei! Danke Deutschland!" - Verklärung macht sich breit

 

Die positive Resonanz innerhalb der Anwohner_innenschaft, die in den Medien und auch unter Teilen der anwesenden Gruppen so hochgelobt wird, wurde von uns so nicht wahrgenommen. Wir haben viel mehr das Gefühl, dass nur wenige Anwohner_innen tatsächlich erreicht werden konnten. Da hilft auch alle schön malende Verklärung der eingepferchten Demonstrationen, auf denen die Cops den Kurs bestimmten, als "gute und friedliche Zeichen an die Bürger_innen" nichts. Selbige waren nämlich im Höchstfall froh, dass die Idylle Oberbayerns nicht ernsthaft gestört wurde. Die Cops freuen sich, dass ihnen in der Region noch mit der gewohnten und erhofften Anerkennung begegnet wird und die Anwohner_innen bedanken sich für den gut funktionierenden Schutz und das Ausbleiben der erwarteten Krawalle, was natürlich ein Verdienst der Polizist_innen sei. "Danke Polizei"-Schilder haltende Bürger_innen waren keine Einzelerscheinung. Manche_r ist angesichts dieses "Erfolgs" sicher fast traurig, den Aufwand betrieben zu haben, den eigenen Laden vorher zugenagelt zu haben, als sei ein Tornado im Ansturm. Da verwundert es auch nicht, wenn in den Cafés und Kneipen, zwischen "Mohrenplatz" und Denkmälern auf denen "den Helden des Zweiten Weltkrieges" (womit angesichts der Eisernen Kreuze wohl nicht die Befreier_innen vom Hitlerfaschismus gemeint sind) und "den Beschützern der Heimat" gedankt wird, der rassistische Sprachgebrauch überhandnimmt und angereiste Demonstrant_innen von privaten Sicherheitsdiensten schikaniert werden.
Die, fast schon gebetsmühlenartig vorgetragene, Aufforderung "doch bitte friedlich" zu protestieren wirkt, angesichts des so erfolgreichen Ausblendens struktureller Gewalt und Polizeigewalt, schlicht zynisch. Wer ein Ende der Gewalt fordert, muss auch ein Ende des Kapitalismus fordern.
All das ist jedoch wenig verwunderlich, wenn die mediale und politische Hetze im Vorfeld betrachtet wird, die nicht nur zu einem entsprechenden Umgang mit den Demonstrant_innen beigetragen hat, sondern auch zu Anfeindungen und Drohungen gegenüber dem Menschen führte, der bereit war, seine Wiese für ein Camp zur Verfügung zu stellen.

 

Reformismus, Sexismus, Antisemitismus...

 

Begründungen dafür, dass das gesamte Aktionswochenende kaum Anlaufpunkte für einen emanzipatorischen Protest bot, sollten jedoch nicht fälschlich externalisiert
werden. Diese liefern die Strukturen auch selbst.
Die Spaltung und Entsolidarisierung der professionalisierten Organisationen, die lieber in München Luftballons steigen ließen, als massenhaft nach Garmisch zu mobilisieren, bilden dabei den Anfang. Doch auch viele der Gruppen, die nach Garmisch mobilisierten, bekleckerten sich weder im Vorfeld noch vor Ort mit Ruhm.
Aktivist_innen die am laufenden Band ihre Radikalität betonen und scheinbar glauben die revolutionäre Triebfeder schlechthin zu sein (was zumindest das rote Fahnenmeer und die 30er-Jahre-Rhetorik vermuten lässt), den Staat aber bei jeder Möglichkeit anbetteln das Demonstrationsrecht zu wahren, müssen sich zwangsläufig den Vorwurf des Reformismus gefallen lassen. Selbiges gilt für die Infragestellung der Legitimität
des G7-Treffens aufgrund von Demokratiedefiziten.
Da verwundert auch die "Analyse" vieler Demonstrant_innen nicht: die G7 als Krake, die die Weltgeschicke lenkt. Im Anschluss kann sich dann auch gleich über die Bilderberger-Konferenz ausgetauscht werden. Alles wunderbar passend zu klaren Feindbildern wie Siemens, Daimler und der Deutschen Bank. Wem das noch nicht offen genug war, die_der durfte auch noch, ganz in antisemitische Schale geworfen, Intifada-Sprechchöre anstimmen.
Abgerundet wird all das durch die Stimmung im Camp, die sich irgendwo zwischen Festival-Hedonismus und Mackerei bewegte. Sexismus und Männerdominanz, deren Kritik zu heftigen Anfeindungen, bis hin zu Ausbuhen auf dem öffentlichen Plenum, führte, stehen in einer Reihe mit Ableism und dem dominanten Auftreten der immer gleichen Gruppen.

 

Was bleibt?

 

Wir wussten vorher, dass Elmau nicht Heiligendamm sein würde, dennoch muss eingeräumt werden, dass vieles falsch gelaufen ist. Leider lief das Meiste davon bereits 2007 falsch. Schade. Was bleib sind gewissensberuhigende Wanderungen über bewaldete Hügel, Protest der kaum wahrgenommen und vom Polizeiapparat bestimmt wurde und Verständnis für alle, die so nicht arbeiten wollen.

Dennoch haben wir versucht den Gipfel dafür zu nutzen, zur Überwindung des Kapitalismus in seiner Gesamtheit aufzurufen. Wir glauben, dass eine
emanzipatorische Intervention auch bei solchen Anlässen möglich sein kann. Dabei ist es vor allem wichtig zu beachten, wohin diese führt und wie sie begründet wird.
Deshalb ist es auch notwendig, nicht über reaktionäre Verhaltensweisen, wie Antisemitismus und Sexismus, zu schweigen, nur um eine Entsolidarisierung mit den vorgeblich Verbündeten zu vermeiden. Wer die Kritik daran ablegt, legt auch ihren_seinen emanzipatorischen Anspruch ab. Ebenso, wenn nicht aus reformistischen Verhaltensmustern ausgebrochen wird.

Es bleibt dabei:
Für den Kommunismus!

Theorie, Kritik & Aktion | Berlin [TKA]

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Wart ihr eigentlich zu irgendeinem Zeitpunkt in die Vorbereitung und Planung der Proteste involviert? Meines Wissens nach wart ihr weder auf den Konferenzen noch in den AG's noch im Berliner MobiBündnis aktiv. Auch habt ihr euch zumindest nicht sichtbar in die Camp-Struktur eingebracht, die sicher Unterstützung gebraucht hätte. So haben hauptsächlilch unerfahrende Menschen bis Freitag die Plena geleitet, wer mit so einer Dienstleistungserwartung dahin fährt der kann halt nicht erwarten das alles läuft wie mans gern hätte.

 

Bleibt die Frage, ob ihr eigentlich nur hingefahren seit in der Erwartung darüber nachher einen abwertenden Bericht zu schreiben. Wenn ihr euch nicht einbringen wollt und für euch schon rote Fahnen ein Problem sind dann bleibt doch nächstes mal einfach daheim. Danke.

 

Doch, sie waren im berliner Bündnis.

 

Außerdem schreiben sie doch, dass die Camporga gut war... und die Kritik an der Revolutionsromantik ist durchaus nachvollziehbar.

...es mag ja sein , dass ihr aus Berlin gewisse Ansprüche mit bringt und einzelne Kritikpunkte (wie Sexismus und diese beschissene Krake von der DKP) absolut berechtigt sind aber: München hat einfach nicht die Kapazitäten. Menschen ,die das Marat betreiben reißen sich jeden Tag den Arsch auf, dass es weiter funktioniert , Menschen mit spektren übergreifenden Inhalten haben sich für die Initiative "block G7" den Arsch aufgerissen, Menschen reißen sich jeden Tag mit der Solidarität mit Geflüchteten den Arsch auf , Anarchist_innen reißen sich jeden Tag mit ihrer Anti Knast Arbeit den Arsch auf und sind mit Repressionen konfrontriert, Menschen , die sich gegen Bagida ,abseits von Trompete spielen, engagieren reißen sich fast jeden Tag den Arsch auf und haben mom. sehr heftige Repressionen am Hals, Menschen die subkulturell orientiert sind und dort emanzipatorische Inhalte einbringen reißen sich den Arsch auf und die Menschen von "Stop g7" haben auch z.T.   mit dem ( von mir so unflätigen aber völlig berechtigten Begriff "Arsch aufreissen") ihre psychischen und physischen Grenzen überschritten. So - "willkommen im Süden" und trotzdem haben wir das beste daraus gemacht und dass die "Einwohner_innen sich oft bei den Bullen bedankt haben" , ist auch Humbug. Wir wurden sehr oft von Anwohner_innen angesprochen , die uns sehr wohl gesonnen waren und gemerkt haben welcher Propaganda sie ausgesetzt waren , weil wir eben nicht fucking Garmisch den Erdboden gleich gemacht haben und das war für die Repressionsorgane schon eine große Niederlage. 

 

Trotzdem wächst die Szene und wir bekommen Zulauf.

 

 

Und zu dieser unsäglichen, bürgerlichen Spalter_innen Demo. Da sind Wahnwichtel Idiot_innen und diese beknackten Antisemiten von der Antiimperialistischen Aktion mit gelaufen , die auch gerne auch Assad abfeiern und Referenten wie Said Dudin einladen, der auch Interviews für das Compact Magazin hielt. Diese Leute wurden weder auf dem Camp noch auf den Demos toleriert. Und ich denke auch nicht , dass ihr wisst, was bürgerliche Parteien mit den Geflüchteten in Mc. abgezogen haben. 

 

Gibt es deswegen mal wenigstens ein paar Worte der Anerkennung?

für süddeutsche verhältnisse war die orga ok, auch wenn das camp stark von norddeutschen unterstützt wurde (gruss an kuhle wampe).

ärgerlich war ua das gerücht, es gäbe eine turnhalle zum übernachten nach dem gebirgsgewitter. die halle war da, aber abgeschlossen und besetzen mit 5 leuten haben wir uns nicht getraut...

 

aber mal zu den einheimischen: ich habe in 30 jahren noch keine dermassen verängstigte bevölkerung erlebt. samstag waren alle geschäfte zu, sogar das vegetarische! es hat millionenschäden gegeben, allerdings nicht durch uns, sondern durch bullenpanik und die absperrungen. garmisch lebt vom tourismus und der ist die ganze woche (eher 2 wochen) praktisch ausgefallen. die hotels waren voll, aber alle anderen (restaurants, seilbahnen etc) haben die grössten umsatzausfälle seit jahren gehabt. hoffentlich wird das bei der nächsten wahl berücksichtigt (2014 csu + abspaltung 56%).

 

ps: der oberkracher, ein sportgeschäft, das mit einem marathon bei minus 62 grad wirbt, traut sich nicht, bei ner demo aufzumachen.

Zunächst den von den Marat-Leuten gewünschten Dank: Ich hab ein sehr klassenkämpferisches Gefühl aus Garmisch mitgenommen, das ist bei den bürgerlichen Demos, die man in München sonst so vorgesetzt bekommt alles andere als selbstverständlich. Es ist leider so, dass die linke Szene insegsamt in München sehr klein im Bundesvergleich ist. (Das betrifft sowohl die Autonomen als auch evolutionäre Kräfte wie die Linkspartei, lediglich DKP und SDAJ sind relativ stark, und diese Schwäche hat darüber hinaus in München bereits seit den 70ern Tradition).

Nun aber zum Hauptpunkt meiner Kritik: Es ist vollkommen klar, dass die Demo in München politisch mehr als fragwürdig werden würde (SPD und Hofreiter auf dem Rednerpodium), dennoch kann ich die totale Trennung zwischen radikaler und bürgerlicher Szene was die Protestpraxis betrifft nicht nachvollziehen. Warum waren kaum mehr als 100 Radikale in München, wobei ich DKP und SDAJ einrechnen, genauso wie die stets etwas obskuren Tierrechtler, und in Garmisch nicht mehr als 1500 Bürgerliche, die hauptsächlich aus lokalen Initiativen stammten? Das man im Ernst geglaubt hat, nach GAP Massen mobilisieren zu können zeugt von Größenwahn. Es war bereits Monate vorher absehbar, das durch die Berglage und einen wiederliche Polizeieinsatz effektiver Protest nicht möglich sein wird und man lediglich zum Fotoshooting nach GAP reist. Späterstens seit klar war, dass die Campsuche von den Behörden gestört wird ohne Ende hätte man sich nach Alternativen umsehen müssen! Stattdessen hat man an einem veralteten Konzept von 2007 festgehalten, welches damals aber auch nur wegen diverser lokaler Vorteile (flaches Land, Nähe zu Rostock und Lage in Norddeutschland, überforderte Polizei) Erfolg hatte. So hatt man es verpasst auf der Demo am Donnerstag revolutionäre Impuls zu setzen und gleichzeitig die Proteste in Garmisch sabotiert, da die Mobilisierung nicht gut funktionierte. Übrigens ist mir völlig neu, dass die, laut Verfasssungsschutz, rund 7000 Autonomen in Deutschland aus Angst vor gewaltätigen Ausschreitungen nicht anreisen. Dabei hätte man doch um und in München vermutlich mehr als genug Übernachtungsmöglichkeiten finden können, in München die Proteste revolutionär mitgestalten und dennoch dank der, dank des G7-Gipfels, gut ausgebauten Zugstrecke nach Garmisch und Autobahn in Garmisch präsent sein können, wobei die Repression kaum größer gewesen sein hätte können. (Geht ja kaum mehr in einem Staat der sich zumindest für die Weltöffentlickeit als "Rechts Staat" darstellen will.) So hat man die Chance eine Stunde Null zum Aufbruch für die linksradikale süddeutsche Szene verpasst. Schade! Trotzdem Danke an alle die organisiert und mitdemonstriert haben, es hätte auch noch viel schlimmer sein können.

Noch zwei Anmerkungen: Ersten kann auch ich nach vielleicht einem halben Dutzend Gesprächen mit Garmischern bestätigen, dass die Einwohner mit denen ich sprach (keine Demoteilnehmer) einhelig inzwischen den Polizeieinsatz ebenso wie den Gipfel ablehnen, wenngleich natürlich unsere politischen Positionen nicht geteilt werden. (Immerhin der Wahlkreis von Alexander Dobrinth). Zweitens les ich sowohl im Texten als auch in den Kommentaren eine derart ausgrenzende Haltung gegenüber anderen revolutionären Meinungen, die selbstverständlich abgelehnt werden sollten, sodass ich das Gefühl hab, ihr hättet Lust an den Demozugängen erst einen umfangreichen politischen Eignungstest machen zu wollen, wo jeder Manifestant seine politische Meinung offenlegen muss. Das ist meiner Meinung nach abzulehnen. Es ist schlicht und ergreifend ein Fakt, dass sich auf Demos verschiedene Gruppen und auch die ein oder anderen zwielichtigen Organisationen tümmeln, deshalb muss ich noch lang nicht die Demo in Frage stellen, zumindest wenn diese eine so verschwindene Minderheit wie in Garmisch darstellen. Anders sieht die Sache natürlich aus, wenn diese die emanzipatorische Absicht nicht akzeptieren oder in Frage stellen, was aber meiner Meinung auch Aufgrund der geringen Anzahl bei den G7-Protesten nicht der Fall war.