Nazi und Kolonialverbrecher in HU Berlin entführt

Napuli Paul Langa wird nun im Hauptgebäude der HU Berlin geehrt.

English translation - Bekenner*innenschreiben
Wir haben heute, am 05.12.2013, einen Nazi im Hauptgebäude der Humboldt Universität Berlin überwältigt und entführt um darauf aufmerksam zu machen, dass im Hauptgebäude der HU nationalsozialistische Nobelpreisträger in einer patriarchalen Ahnengalerie von "Wissenschaftsvätern" geehrt werden.


Adolf Butenandt wurde 1934 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie, nachdem sein Vorgänger Carl Neuberg aufgrund des antisemitischen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen wurde. Butenandt profitierte also vom Nationalsozialismus. 1936 trat er in die NSDAP ein.

Adolf Butenandt war an fragwürdigen medizinisch-militärischen Forschungsprojekten beteiligt ( u.a. an der Luftwaffenversuchsstation in Rechlin) und arbeitete eng mit Günther Hillmann und Otmar Freiherr von Verschuer zusammen. Letzterer war sogenannter "Rassenhygieniker" und 1942-1945 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, was die Kontinuität von kolonialrassistischen Verbrechen in der NS-Zeit deutlich werden lässt. Verschuer und Hillmann arbeiteten gemeinsam an einem Forschungsprojekt, für das sie Blutproben und Leichenteile von dem KZ-Arzt Joseph Mengele erhielten, der in Auschwitz Experimente an Gefangenen durchführte. Es ist naheliegend, dass Butenandt von den Versuchsreihen wusste. Seine Verstrickung in NS-Verbrechen werden auch dadurch deutlich, dass er alle Unterlagen mit dem Vermerkt "Geheime Reichssache" vernichtete.

Nach dem Krieg hat Butenandt ein Bild von neutraler und objektiver Wissenschaft propagiert, die unabhängig von politischen Systemen sei. Er trug so dazu bei, die Bemühungen der Nachkriegszeit zu vereiteln, die Mittäterinnenschaft der Wissenschaft bei den Verbrechen der Hitler-Ära aufzuklären und strafrechtlich zu verfolgen, indem er sich für seine Nazikollegen einsetzte und argumentierte, dass diese neutrale Wissenschaft betrieben hätten und daher keine Schuld tragen würden. So entkam durch seine Hilfe zum Beispiel der "Rassenhygieniker" Eugen Fischer der Entnazifizierung, der 1908 in Namibia Experimente an Herero und Nama durchführte, von 1927 bis 1942 ebenfalls Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie und von 1933 bis 1934 Rektor der Berliner Universität, der heutigen HU, war.

Dass in der HU zahlreiche Nazis und Kolonialrassisten mit Portraits geehrt werden und die kolonialen Forschungsreisen von Alexander von Humboldt als Inbegriff von Wissenschaft und Neugier verherrlicht werden, zeigt die tiefe Verwurzelung von Kolonialrassismus in der weißen_deutschen Wissenschaft. Struktureller, institutionalisierter und individueller Rassismus sind Teil aller gesellschaftlichen und somit universitären Ebenen. Menschen, die rassistische Diskriminierung erfahren, wird dadurch der Zugang zu Hochschulen massiv erschwert. Auch die Portraits reproduzieren solche Machtverhältnisse, machen Menschen unsichtbar und schließen aus: Die meisten Menschen dort entsprechen der Norm von Zweigeschlechtlichkeit, gelten als nicht behindert, haben von Rassismus profitiert - die Aufzählung könnte endlos fortgesetzt werden. Andere Menschen werden selten bis gar nicht repräsentiert.

Erinnern an vergangene Verbrechen bedeutet zu erkennen, wo die unmittelbare Beteiligung in der Gegenwart liegt. Erinnern heißt, dies zum Ansporn zu nehmen, gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern. Erinnern heißt, gesellschaftlich aktiv zu sein.

An das Präsidium der HU Berlin: Wenn ihr Adolf Butenandt wiedersehen wollt, geht bis zum 20. Januar auf folgende Forderungen ein:
- Alle Nazis und Rassist_innen raus aus der Uni!
- Keine Ehrung von NS- und Kolonialverbrecher_innen!
- Sofortiger Austritt aus dem rassistischen, zugangserschwerenden Verein UniAssist! (Über UniAssist müssen sich alle Menschen ohne deutsche Hochschulzugangsberechtigung kostenpflichtig bewerben)
- Keine Zusammenarbeit mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz am im Aufbau befindlichen Stadtschloss und außerhalb davon, solange diese nicht die Herkunft ihrer Sammlungsstücke ausführlich aufarbeitet und koloniale Raubgüter zurückgibt!
- unbefristete Bereitstellung von Ressourcen zur umfassenden Aufarbeitung der Kolonial- und NS-vergangenheit der HU!
- Umbenennung der Universität!
- Umsetzen eines umfangreichen Konzeptes gegen Rassismus, zum Beispiel Schaffung von Stellen für Antirassismusbeauftragte. Für die Erarbeitung eines Konzeptes sollen Personen, die rassistische Diskriminierung erfahren, bezahlt werden.
- Die Uni soll ihren Einfluss geltend machen und auf den Berliner Senat, allen voran Henkel, einwirken, um die Räumung der von Refugees besetzten Schule und des Protestcamps am Oranienplatz zu verhindern!
außerdem:
- Öffnung der Uni für alle! Keine Zugangsbeschränkungen, (die Leute ausschließen-doppelt,oder?)! Das heißt, dass auch Refugees an der Uni studieren können!
- Studentische Selbstbestimmung ermöglichen! Präsidium abschaffen! Entscheidungen sollen in offenen Versammlungen getroffen werden! - Vorgeschriebene Studienpläne abschaffen - Möglichkeit einer freien Gestaltung des Studiums!
- Bewertung und Leistungsüberprüfung abschaffen!

An der Stelle, wo wir Adolf Butenandt entführten, wird nun Widerstand sichtbar: ein Portrait von Napuli Paul Langa. (siehe Bild im Anhang) Napuli Paul Langa ist eine Aktivistin der Refugee Strike Bewegung gegen rassistische Gesetze der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat im Herbst 2012 bei der Protesttour der Geflüchteten durch Deutschland mitgemacht und organisiert seitdem den Protest am besetzten Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Langa kämpft für die Abschaffung der Lager- und Residenzpflicht, den Stopp aller Abschiebungen, für ein dauerhaftes Bleiberecht, das Recht auf Arbeit, Bildung, selbstbestimmtes Wohnen, und Bewegungsfreiheit.

Kolonialrassistische Zustände, wie zum Beispiel die aggressive Außenpolitik der BRD und die deutschen Konzerne, zwingen Menschen weltweit zur Flucht. Ausbeutung, Repression, Militarisierung und Kriege werden vom deutschen Imperialismus wieder in die Welt getragen. So war auch das Motto des Refugee Tribunals gegen die Bundesrepublik Deutschland 2013: "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört!"

Warum das Portrait einer Person ohne konkreten HU-Bezug im Hauptgebäude hängen soll?
Gegenfrage: Hängen die Portraits der Menschen dort, um geehrt zu werden, oder nur weil die Uni sich mit ihnen schmücken möchte? Um die Kontinuität der rassistischen Ehrungen zu durchbrechen, haben wir diesen freigewordenen symbolischen Raum einer Person gewidmet, die Widerstand gegen bestehende Machtverhältnisse leistet. Unserer Meinung nach sollte dieser Raum nicht nur jenen vorbehalten bleiben, die u.a. das Privileg eines Aufenthaltstitels und damit Zugang zu deutschen Hochschulen haben.

Keine strukturellen Ausschlüsse an Hochschulen und anderswo!

Gruppe Wissen im Widerstand

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Im zweiten Absatz hat sich denke ich ein Fehler eingeschlichen, ein Parteieintritt in die NSDAP war wegen eines Aufnahmestopps erst wieder ab 1936 möglich.

Adolf Butenandt wurde trotz(!) Aufnahmesperre am 1.Mai 1936 in die NSDAP aufgenommen.

Auch hier nochmal nachzulesen u.a.:

http://books.google.de/books?id=lUNku5olbpUC&lpg=PA40&ots=h6B3lRKraO&dq=...

Ok, ziehe meinen Einspruch zurück, gute Recherche!

Eine interessante Forderung. Die Universität ist nach Wilhelm von Humboldt benannt, nicht nach Adolf, äh Alexander...

Das dachte ich auch immer, bin mir da mittlerweile aber nicht mehr so sicher.

Laut Wikipedia - an dieser Stelle allerdings schlecht belegt - wurde die HU in Bezug auf beide so benannt. Allerdings muss man sagen, dass Alexander v. Humboldt mit der Uni wenig zu tun hatte, Gründer war Wilhelm v. Humboldt und auch die jetzige HU bezieht sich nur auf Wilhelm vom Humboldt.(hu)

Das aber rauszufinden wäre an dieser Stelle die Aufgabe der Gruppe gewesen. So bleibt jedenfalls der Nachgeschmack einer hastigen und unreflektierten Recherche, schade.

Wilhelm ist der Begründer des Humboldtschen Bildungsideals, von dem ich mir heutzutage oftmals mehr wünschen würde. "Wissen im Widerstand" - Widerstand ja, Wissen? Na ja...

1. Wer sagt denn, dass sich die Idee der Umbenennung auf genau Alexander von Humboldt gründet? Vlt. geht es ja auch darum, dass es bestimmte Menschen eher verdient hätten bzw. es da sinnvoller ist(denn inwiefern wird denn heute, und erst recht an der HU das "Humboldtsche Bildungsideal" verwirklicht-ganz ehrlich, das ist doch lächerlich, es reicht doch schon wenn mensch sich den NC bzw. die Zugangskriterien der HU anschaut), vlt. Menschen die nicht weiß, nicht deutsch, nicht studiert,usw. sind/waren. Es geht auch um Ausgrenzung und Ausschlüsse und nicht immer nur um konkrete Personen.

Aber ihr müsst ja wissen, worauf sich die Forderung gründet?!

 

2. Lesen hilft. Manchmal.

 

"Die Entscheidung für die Brüder Humboldt fiel erst im Dezember 1947 im Zusammenhang der langwierigen Auseinandersetzungen zwischen Deutscher Verwaltung und Sowjetischer Militäradministration über die Satzung der Universitäten in der sowjetischen Besatzungszone."

(http://www.hu-berlin.de/pr/medien/publikationen/blz/2009/interview_hansen)

Es ist ja nicht so, dass diese Aktion die Erste dieser Art gewesen wäre, die an der HU durchgeführt wurde.

Die Forderungen der Gruppe scheinen mir alle samt Legitim und aus eigener Erfahrung auch vordiskutiert, deshalb eben nicht Unreflektiert.

Zur Recherche lässt sich sagen, dass sie zu der Person gewissenhaft durchgeführt zu seien scheint und nach meinem Wissen korrekt ist und dass die Forderungen nicht mit langen, breiten Erklärungen unterlegt sind halte ich für schlichte Prägnanzfindung.

Ich kann mich dieser Kritik also nicht anschließen und würde mir jetzt eine tiefergreifende Erörterung dieser Person, so wie auch der Namensgeschichte der HU wünschen und all der Forderungen, inkl. konkreten Ansätzen zur Umsetzung für den Ref.Rat.

Nur mal so als ehrliche Frage: Was ist an Alexander von Humboldt diesbezüglich denn auszusetzen?

Soweit ich weiß war er ein für seine Zeit recht fortschrittlich denkender Mensch der gegen Rassismus, Sklaverei und Leibeigenschaft eingetreten ist. Wie gesagt, soweit ich weiß, ich lass mich gerne durch entsprechende Quellen vom Gegenteil überzeugen.

 

*greets

Hallo,

 

also ich finde es zwar ganz amüsant, wie man sich Arbeit und Beschäftigung schaffen kann, aber ich frage mich wozu? Lasst den Kerl doch da hängen. Ganz im Gegenteil könnte man den Herren doch eher zum Anlass nehmen, sich mit der eigenen braunen Vergangenheit zu beschäftigen. Was hier geschieht ist Bleichmittel-Entnazifizierung. Verdrängung ist nicht Heilung!

 

Ein Leser

Wozu? - Also ich denke, weil es die einzige Möglichkeit ist wirklich sowas wie Öffentlichkeit zu schaffen. Das absurde ist ja: gerade durch die Entfernung(bzw. Wiederaufhängung) kommt ja erst eine Dikussion über die Ehrungspraxis an der HU bspw. zustande.

Hallo liebe Teilnehmer der Diskussion!

 

Ich finde es richtig, auf Porträts von NSDAP-Mitgliedern aufmerksam zu machen, die in der HU, vor allem im vorzeigbaren Hauptgebäude, auf eine Art und Weise ausgestellt werden, die einer Verherrlichung sehr nahe kommen. Eine Ausstellung, liebe Gegner dieser Aktion, bedeutet stets, jemanden für seine Arbeit, sein Lebenswerk, sein Tun zu verehren. Damit ist auf jeden Fall schon mal das ausgestellte Bild vom Butenandt als eine Verehrung zu verstehen, eine Verehrung seiner Taten, die wie auch immer diese aussehen mochten, aber Fakt ist: er war nun einmal NSDAP-Mitlglied, und ein Portät von ihm deutet leider nicht auf eine  Verherrlichung ausgewählter Taten hin, sondern umfasst eine globale Verehrung dieser Person. Somit wird, rein rational gesehen, ein NSDAP_Mitglied verehrt. Sowas ist für eine national sowie international angesehene Uni nicht akzeptabel und zeugt von Verantwortungslosigkeit. Ob jetzt stattdessen das Porträt von Napuli ausgestellt werden soll, ist eine andere Frage. Da fände ich es von Vorteil 1. auch die restliche Studentenschaft abstimmen zu lassen und 2. mit der Universitätsleitung ein offenes, komromissbereites Gespräch aufzusuchen. Drastisch ist nicht immer effektiv, aber Gespräche führen zum gegenseitgen Verstehen und zur Lösungsfindung! Soviel zum Thema Humboldtscher Bildungsbegriff, der besagt, dass man in "Auseinandersetzung" mit der Welt treten soll.... oder?

Ich finde die Aktion ebenfalls gut! Die Kommentare, die an Kleinigkeit etwas auszusetzen haben kann ich nicht nachvollziehen. Fakt ist doch, dass hier ein Nazionalsozialist zum Vorbild der Universität erkoren wurde. Und an der Uni sollte man kritisch denken lernen.

Ich unterstütze auch die Forderungen, bis auf die Umbennung der Universität (geht zu weit) und die Abschaffung der Zullassungsbeschränkungen (das Niveau in manchen Seminaren lässt zu wünschen übrig, besser wären Zugangstest je nach Fachgebiet, die jede(r) absolvieren dürfte).