GÖPPINGEN - Sammelklage wegen Polizeikessel bei Neonazidemo

Erstveröffentlicht: 
15.10.2013

Nach den Einkesselungen am Samstag während der Neonazidemo in Göppingen wird nun eine Sammelklage gegen die Polizei vorbereitet. Journalistenverbände kritisieren den Umgang mit der Presse - "mangelhaft" sei die Note für deren Behandlung.

 

Der Nazi-Aufmarsch vom Samstag und das Drumherum beschäftigen die Öffentlichkeit weiter. So wurde am Montag bekannt, dass eine Sammelklage gegen die Polizei vorbereitet wird. Sandra Spang aus Ulm ist dabei, Kontakt mit anderen Eingekesselten aufzunehmen. Außerdem glaubt die 51-Jährige, die als Assistentin einer Geschäftsleitung arbeitet, dass der gegen sie ausgesprochene Platzverweis nicht rechtmäßig war. Es habe sich lediglich um einen fotokopierten Zettel gehandelt, auf dem zwar eine Anrede stand, "aber kein Name", sagt Spang. "Mein Anwalt meint, das ist gar nicht haltbar." Die Beamten hätten zu ihr und ihren Begleitern gesagt, sie dürften wegen des Platzverweises nicht mehr zum Bahnhof gehen, deshalb musste die Gruppe zu Fuß nach Faurndau, um dort einen Zug nach Ulm zu nehmen.

 

Was Spang noch viel mehr ärgert, ist, dass sie zuvor sechseinhalb Stunden im Kessel auf der Schloßstraße (beim Alten Kasten) festgehalten wurde. "Als die Durchsage kam, wir hätten versucht, eine Absperrung zu durchbrechen, musste ich laut lachen", erinnert sich die Frau, die mit zwei Freunden in Göppingen war. Sie habe immer versucht, mit einem Anti-Konflikt-Team der Polizei sprechen zu können, aber "keine Chance". Sie widerspricht auch der Darstellung der Beamten, bei den Festgesetzten handele es sich um linke Gewalttäter: "Ich bin weder linksradikal noch sonst was."

Kritik an der Polizei im Umgang mit der Presse


Kritik am Umgang mit der Presse übten am Montag der Deutsche Journalistenverband (DJV) und die Deutsche Journalistenunion (DJU) in Verdi. "Mangelhaft" sei die Note für die Behandlung der Pressevertreter, schreibt die DJU in einer Pressemitteilung. Medien-Sekretär Gerhard Manthey empfahl der Einsatzleitung für kommende Demonstrationen "eine vorherige Absprache, wie die Richtlinien ,Presse und Polizei und damit die Freiheit der Berichterstattung gewährleistet werden könnten". Journalisten konnten ohne Begleitung Absperrungen nicht passieren und wurden zum Teil auch länger eingekesselt. Deshalb spricht DJV-Landesgeschäftsführer Marc Eckert von einer "deutlichen Einschränkung der Pressefreiheit". Denn: "Genau diesem Zweck dient doch der Presseausweis."

 

Nach dem Ärger um den Wochenmarkt, der bereits um 10.30 Uhr beendet werden musste, wollen sich die Marktleute nun mit der Stadt zusammensetzen, wie der Sprecher der IG Markt, Thomas Krieg, am Montag ankündigte. "Ich habe nur ein Drittel meines normalen Umsatzes gehabt", berichtet er. Dennoch hatten die Händler die volle Standgebühr bezahlen müssen, es gab mindestens einen Stand, dessen Besitzer sich weigerte. Deshalb denkt Krieg daran, sich mit der Stadt vielleicht nachträglich auf die Hälfte der üblichen Gebühr einigen zu können - "einfach ein Kompromiss."

 

Am Montag wurde auch bekannt, dass es etwa 40 Gegendemonstranten trotz hermetischer Abriegelung gelungen war, zur Kundgebung der Rechtsextremisten auf den Schillerplatz zu gelangen. "Wir sind durch ein Parkhaus gegangen und dann standen wir zwischen zwei Häusern direkt am Rand des Platzes", berichtet ein junger Mann. Nach und nach seien es etwa 40 Menschen aus dem linken Lager gewesen, die hinter den Polizisten auf dem Platz standen. Die Polizei habe das Schlupfloch dann zugemacht, als sie die Demonstranten entdeckt hatte. Alles blieb friedlich, berichtet der Mann, als sie gehen wollten, hätten sie den Platz wieder verlassen können - durch das Parkhaus.

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Auch der Polizei-Kessel 2009 in Ulm (1.Mai) wurde für rechtswidrig erklärt. Von den gut 200 Betroffenen hat gerade mal eine Handvoll (erfolgreich) infolge des Urteils Schmerzensgeld eingefordert. Ebenso nur eine Handvoll hat sich dazu entschlossen, den Ulmer Polizei-Chef anzuzeigen. Die Klage fand zwar am Ende keinen Erfolg, scheint aber Wirkung gezeigt zu haben: Seit 2009 trat die Polizei in Ulm eigentlich bei allen Anlässen deeslalierend auf und ließ Blockaden zu, was zur Verhinderung bzw massiven Störung von NPD- und Pro Deutschland-Kundgebungen führte. 

Also, liebe Betroffene der Göppinger Aktionen, nur Mut...