[Greiz] Rassistische Bürgerinitiative hetzt gegen Flüchtlinge

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Hellersdorfer Zustände in der ostthüringischen Provinz: zumindest wünschen sich dies lokale Nazis, die sich seit über vier Wochen in einer sogenannten „Bürgerinitiative“ organisieren und gegen ein neues Wohnheim für Flüchtlinge mobil machen. Heute wurde bekannt, dass für kommenden Freitag, den 11.10., ab 18 Uhr eine Nazidemo in der Greizer Innenstadt angemeldet ist.

 

Schon am 13.09., dem Tag der Eröffnung des Wohnheims im Plattenbauviertel Greiz-Pohlitz, versammelten sich etwa 85 Menschen vor dem Heim um gegen selbiges zu protestieren. Verantwortlich zeichnete sich eine spontan gegründete „Bürgerinitiative gegen das Asylheim am Zaschberg“, die in den Folgetagen vor allem bei Facebook rassistische Hetze betrieb und gezielt bestehende Ängste der Greizer Bevölkerung aufgriff. Anfangs mit Erfolg: am 20.09. folgte eine zweite Kundgebung, an der sich schon über 120 Personen beteiligten. In trauter Eintracht standen sich Bürger*innen und Nazis gemeinschaftlich mehrere Stunden die Beine in den Bauch und verbreiteten über die Lautsprecheranlage so ziemlich jedes Klischee zwischen steigender Kriminalität, Kindern die auf dem Schulweg Angst um ihr Pausenbrot haben müssten und dem Ende der wohligen Pohlitzer Volksgemeinschaft. Jedoch, und dies ist bemerkenswert, äußerten Bürger*innen die an der Kundgebung teilnahmen auch Wünsche für eine menschenwürdigere Unterbringung der Flüchtlinge – was bei den Veranstalter*innen weniger gut ankam.

 

Seitdem fanden wöchentlich Kundgebungen in Greiz-Pohlitz statt, jeweils Freitag Nachmittag. Die anfängliche Heterogenität der selbsternannten „Protestbewegung“ in Pohlitz erledigte sich zunehmend. In der Folgewoche war die Teilnehmer*innenzahl schon auf etwa 100 geschrumpft und an der großspurig angekündigten Demonstration am 04.10. nahmen nur noch etwa 80 Menschen teil. Was sich seit Beginn der „Bürgerinitiative“ ankündigte, bewahrheitete sich nun – die wöchentlichen Versammlungen sind ein Event, welches von der Greizer Naziszene ausgeht und auch hauptsächlich von dieser besucht wird. Die Liste der Anmelder, Redner und Ordner ebenso wie der Teilnehmer*innen liest sich wie eine Aufstellung der organisierten Naziszene aus Greiz und Umgebung.

 

Doch es gibt auch Gegenwind – am 20.09. formierte sich eine Gegenkundgebung aus Antifaschist*innen und Bürger*innen in Sichtweite des rassistischen Mobs. Immerhin beteiligten sich kurzfristig über 120 Menschen aus der Region daran. Im Internet bildete sich, als Gegengewicht zur Propaganda der „Bürgerinitiative“, eine Seite mit dem Motto „Solidarität mit den Greizer Flüchtlingen“, die seitdem mit relativ großer Resonanz über die Ereignisse in Greiz informiert. Dennoch nahm in den Folgewochen auch die Beteiligung an den Gegenkundgebungen ab. Vor allem die schleichende Vereinnahmung der Gegenproteste durch die Initiative „Weil wir Greiz lieben“ führte in den letzten beiden Wochen zu einer Entpolitisierung der Veranstaltungen – hin zu einer reinen Imagekampagne für ein angeblich „weltoffenes“ Greiz. Ob die Stadt und der Landkreis tatsächlich diesem Bild entsprechen, mag dahingestellt bleiben. Die Lebensbedingungen in den beiden bereits bestehenden Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge in Greiz sprechen ebenso Bände wie wiederholte organisierte Naziübergriffe auf Andersdenkende (Vgl. Artikel der AGV (1), Artikel der AGV (2) ).

 

Sucht mensch nach den führenden Köpfen hinter der sogenannten „Bürgerinitiative“, wird schnell klar: es handelt es sich um teils militante Neonazis aus Greiz und Umgebung sowie Angehörige der Kameradschaft „RNJ Vogtland“, die unter anderem seit 2011 den jährlichen „Trauermarsch“ in Plauen veranstaltet und eng mit dem Freien Netz Süd zusammenarbeitet (Vgl. Rechercheartikel zur RNJ Vogtland). Anmelder der wöchentlichen Kundgebungen sind zum einen David Köckert, der sich seit Jahren in der Greizer Naziskinszene bewegt und aus dem Umfeld des mittlerweile geschlossenen Naziladens „Ragnarök“ (Reichenbach/Mylau) stammt, zum anderen Kevin Pahnke aus Auerbach, eine Führungsperson der RNJ und Anmelder der letzten „Trauermärsche“ in Plauen sowie weiterer Nazikundgebungen im Vogtland.  Neben Köckert und Pahnke hielt in den letzten Wochen auch Mike Fischer aus Mohlsdorf, der früher in der NPD Greiz aktiv war, einen Redebeitrag. Unter den Teilnehmer*innen der Kundgebungen befanden sich des Weiteren auch Sebastian Wittig (Elsterberg), Frank Dietze (Greiz), Anna Fritsch (Greiz), Franz Peuckert (Greiz), Marcel Zaumseil (Greiz), Martin Lechsner (Greiz), Christian Gensch (Greiz), Jana Fingerle (Plauen), Thomas Heyer (Plauen) und Harald Otto (Oelsnitz). Ordnerfunktionen übernahm unter anderem Tobias Scheler, der oft gemeinsam mit der RNJ Vogtland bei Aufmärschen anzutreffen ist und zur jüngeren Generation Greizer Nazis zählt.

 

Mittlerweile sind die Greizer Nazis, mit Ausnahme einiger Ewiggestriger aus dem Stadtteil Pohlitz, fast unter sich. Dennoch oder gerade deswegen ist ein Potential der Eskalation gegeben. Welche konkrete Gefahr von den angeblich bürgernahen Pohlitzer Protestlern ausgeht, zeigt indessen ein Beispiel aus dem Jahr 2003: etwa 10 Nazis versuchten, das Asylbewerber*innenheim in Greiz-Irchwitz anzuzünden. Nur durch einen glücklichen Zufall misslang dies. Selbstredend, dass mit Norman Wilkens einer der damaligen rassistischen Brandstifter regelmäßig auf den freitäglichen Kundgebungen in Greiz anzutreffen ist. Bei Facebook wurde in Kommentaren auf der „Bürgerinitiativen“-Seite schon mit einem zweiten Lichtenhagen gedroht. Und im nahegelegenen Plauen gab es im letzten Jahr mehrere rassistisch motivierte Übergriffe auf das dortige islamische Zentrum, die ebenfalls dem Umfeld der RNJ Vogtland zuzurechnen sind (Vgl. Artikel der AGV (1), Artikel der AGV (2)).

 

Zwar geht die Spekulation der Nazis, mit ihrer Hetze eine große Masse von Bürger*innen aus Greiz zu erreichen, scheinbar langfristig nicht auf. Selbst unter den Pohlitzer Anwohner*innen ist die Bereitschaft, sich mit den kruden Zielen der „Bürgerinitiative“ zu solidarisieren, mittlerweile stark im Rückgang. Auch die lokale Presse berichtete von Beginn an kritisch über die sogenannte „Bürgerinitiative“. Doch gerade um einer weiteren Verbreitung rassistischer Inhalte entgegenzuwirken, ist es nötig, sich mit den Greizer Flüchtlingen zu solidarisieren – und die „Bürgerinitiative“ konsequent als den rassistischen Mob zu demaskieren, der sie von Beginn an war. Nicht zuletzt darf diese Solidarisierung nicht allein im wöchentlichen Protest gegen die Aufmärsche der Greizer Nazis und ihrer geistigen Verbündeten bestehen – sondern muss sich auch mit der noch immer von rassistischen Repressionen geprägten Lebenssituation der Flüchtlinge in Greiz, Thüringen und ganz Deutschland auseinandersetzen.

 

SOLIDARITÄT MIT DEN FLÜCHTLINGEN IN GREIZ UND ÜBERALL!
die Antifaschistischen Gruppen des Vogtlandes (AGV)
Informationen zu Gegenveranstaltungen am 11.10. bald auf agv.blogsport.de

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Am Freitag werden beide Seiten auf dem Markt sein. Der Bürgerinitiative "Weil wir Greiz lieben", wurde die Seite des Marktes mit dem Rathaus als Kundgebungsplatz zugewiesen. Im Prinzip schützt man jetzt  quasi die  politisch Verantwortlichen vor dem Rassistenmob. Was für ein Zeichen.

also zuerst: die bürgerinitiative "weil wir greiz lieben" ist NICHT die anmeldende gruppe.

und zweitens: dieser platz ist es geworden, weil so die route der nazis leichter zu schützen ist, da gab es wenig spielraum.

 

hier der aufruf, der hoffentlich auch klar macht, dass die Anmelder andere Schwerpunkte setzen:

http://www.vogtlandspiegel.de/aufruf-der-initiative-solidaritaet-mit-den...

Ihr lasst euch einen Kundgebungsplatz aufdrücken, der so ungünstig ist, nur weil so die Route der Nazis besser zu schützen ist. Ey man was ist bei euch los. Um was geht es euch?

@ xzx: klar ist das beschissen. jedoch sollte mensch auch jungen bündnissen, die solidaritätsarbeit in der provinz leisten (wie es in greiz der fall ist), die chance geben sich zu entwickeln. wie schwer es ist, gegen cops&ordnungsamt da einen anderen kundgebungsplatz durchzusetzen, sollte dir klar sein. vor allem wenn die nazis wie es in grz der fall ist zuerst angemeldet haben (es gilt das recht des erstanmelders). dann werden mal ein paar hundertschaften aufgefahren und dann möchte ich mal sehen, welche leute in der lage sind, nen besseren platz gegen die staatsmacht durchzusetzen. verstehste? hier ist solidarität gefragt und ein langfristiger prozess die strukturen im hinterland aufzubauen. nicht gemecker (was ich dir jetzt nicht unterstellen möchte).

Am 04.10. war definitiv auch David Buresch, Co-Anmelder dieses Jahr in Kahla, mit vor Ort.