Der ausgesetzte Schritt der Kommunisierung

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Erster Teil. Kommunisierung vs. Vergesellschaftung

"Der äusserste Punkt der gegenseitigen Verschränkung der Klassen ist die Bemächtigung der Produktionsmittel durch das Proletariat. Es reisst sie an sich, kann sie sich jedoch nicht aneignen. Die vom Proletariat vorgenommene Aneignung kann keine sein, denn sie wird nur durch ihre Aufhebung als Klasse vollendet." (L’auto-organisation est le premier acte de la révolution, la suite s’effectue contre elle [Die Selbstorganisation ist der erste Akt der Revolution, was folgt, ist gegen sie gerichtet])

 

Bemächtigung der Elemente des Kapitals, Aneignung oder Kommunisierung


Die Frage der Kommunisierung ist jene nach der Überwindung durch das Proletariat, oder eher durch die Proletarier, der Verteidigung ihrer Bedingung und somit ihrer gegenseitigen Verstrickung mit dem Kapital hin zu einer Tätigkeit, die nicht eine Vergesellschaftung, d.h. eine Art der Verwaltung der Wirtschaft, ist, sondern die Konstitution einer Gemeinschaft von Individuen, welche unmittelbar ihre Konstituenten sind. Die Gesellschaften, d.h. die Gemeinschaften, welche von einer Klasse beherrscht und repräsentiert werden, bilden eine Einheit der Individuen, welche Teil von ihr sind, doch diese Individuen sind nur als Teil einer Klasse Mitglieder dieser Gesellschaften; die einzelnen Individuen haben keine gesellschaftliche Existenz. Die Kommunisierung wird mittels der Bemächtigung der Mittel zum Lebensunterhalt, zur Kommunikation, des Transports und der Produktion im engeren Sinne durchgeführt. Die Kommunisierung der Beziehungen, die Konstitution einer menschlichen Gemeinschaft/des Kommunismus wird für den Kampf, im Kampf und durch den Kampf gegen das Kapital verwirklicht, man kann in diesem Kampf nicht die Übernahme der materiellen Mittel und die Transformation der Proletarier in unmittelbar gesellschaftliche Individuen einander entgegenstellen: Es handelt sich um ein und dieselbe Tätigkeit und diese Übereinstimmung ist durch die aktuelle Form des Widerspruchs Proletariat/Kapital gegeben. Der radikale Unterschied zur Vergesellschaftung ist die Tatsache, dass es sich nicht um eine Änderung des Eigentumsstatus der materiellen Mittel handelt. In der Kommunisierung gibt es keine Aneignung der Güter durch irgendeine Instanz: Staat, Kommune oder gar Arbeiterrat, welche die das Kapital enteignenden Proletarier repräsentiert, beherrscht und somit daraus eine Aneignung macht. Ein Wechsel des Eigentumsregimes ist die Konstitution einer neuen Wirtschaftsform, namentlich der Sozialismus, auch wenn er sich solidarische Ökonomie nennen würde. Als der Sozialismus real möglich war, wurde der Kommunismus auf das Ende der Zeiten vertagt, dies war faktisch die Unmöglichkeit des Sozialismus, zu sein, was er vorgab, zu sein: Die Übergangsphase zum Kommunismus, der Sozialismus war letztendlich die angemessene Konterrevolution zur einzigen wirklich möglichen Revolution dieser Periode. Die Kommunisierung ist keine Wirtschaft, sie nimmt alles, hat jedoch kein anderes Ziel als sich selbst. Die Kommunisierung ist nicht ein Kampf für den Kommunismus, sie ist der Kommunismus, welcher sich gegen das Kapital konstituiert.

 

Die Verschränkung der Kommunisierung und der Vergesellschaftung


Zwar ist die kommunisierende Handlung der Ausgang des Klassenkampfs in einer revolutionären Krise, doch die gleiche Handlung der Bemächtigung kann, wie wir gesehen haben, Kommunisierung oder Vergesellschaftung sein. Jede Handlung dieser Art kann die eine oder die andere Form annehmen, alles hängt von der Dynamik, vom sich konstant verändernden Rahmen, d.h. vom Kampf gegen das Kapital abver, welcher sich vertieft und ausbreitet oder langsamer wird und sehr schnell allmählich zum Erliegen kommt. Alles hängt auch vom Kampf innerhalb des Kampfes gegen das Kapital ab. Die Konstitution des Kommunismus ist verschränkt mit der Konstitution einer allerletzten Form der sozio-ökonomischen kapitalistischen Alternative. Die Tendenz zur Konstitution von Instanzen, welche versuchen, aus der Bemächtigung der materiellen Mittel eine wirtschaftliche und politische Vergesellschaftung zu machen, wird bis zur vollständigen Kommunisierung permanent sein. Diese Fortdauer einer Bremse, welche von der kapitalistischen Konterrevolution innerhalb der Revolutionsbewegung gebraucht werden kann, ist gleichbedeutend mit der Existenz bis zuletzt einer Dimension der Affirmation und der Befreiung der Arbeit, denn die Revolutionsbewegung ist und bleibt eine Bewegung der Klasse der Arbeit, sogar in der Überwindung der Tätigkeiten als Arbeit. Die Aufrechterhaltung dieser Affirmation wird durch die noch nicht aufgehobene Existenz des Kapitals hervorgebracht, solange das Kapital gegenüber dem Proletariat existiert, sogar gegenüber dem Proletariat, welches dabei ist, es aufzuheben, d.h. dabei ist, sich selber aufzuheben, bewahrt das Proletariat eine Positivität, wenn auch diese Positivität der Arbeit nicht mehr vom Kapital bestätigt wird, so wird sie doch im revolutionären Prozess reaktiviert, denn die gesellschaftliche Reproduktion wird in diesem Prozess abhängig vom Proletariat.

 

Die Vergangenheit der Revolutionen zeigt uns nur zu gut, dass „die rote Fahne gegen die rote Fahne geschwenkt werden kann“, bis zum Eintreffen der Freikorps


Das Kapital „wird nicht zögern“, erneut zu proklamieren, dass die Arbeit „die einzige produktive Tätigkeit ist“, um die Bewegung ihrer Aufhebung aufzuhalten und sie wieder zu seiner gefügigen Dienerin zu machen, sobald es dazu fähig sein wird. Die einzige Überwindung dieser Dimension ist der Sieg der Kommunisierung, welche gesicherte Aufhebung der kapitalistischen Klasse und des Proletariats ist. Die Überwindung dieser Konterrevolution wird nicht immer irenisch sein, sie wird nicht immer „in der Bewegung“ vorgenommen, wird keine wahre und beschleunigte Version des im Sozialismus vorgesehenen „Absterbens des Staates“ sein. Jede staatliche oder parastaatliche Form wird immer alles tun, um sich im Namen selbst der Notwendigkeit ihres späteren Absterbens aufrechtzuerhalten! Diese Verknöcherung und dieser Fortbestand sind nicht „konterrevolutionäre Tendenzen innerhalb der Revolution“, sondern DIE Konterrevolution. DIE kapitalistische Konterrevolution gegenüber der Revolution.

 

Der Kommunismus kämpft nicht gegen die Demokratie, doch die Konterrevolution gibt sich als demokratisch aus


Die radikale Demokratie wird im Namen der Aufhebung der Klassen selbst alles zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung von Wahlstrukturen tun, welche gemäss ihr notwendig sind, um die Konstitution einer neuen sich selbst einsetzenden und unkontrollierten Führungsschicht zu vermeiden. Die Konstitution des Kommunismus ist mit der Konstitution einer allerletzten Form des Sozialismus verschränkt, wenn auch die Bewegung, welche ihn trug, die Arbeiterbewegung, definitiv verschwunden ist.

 

Der Kampf darum, die in der Enteignung des Kapitals aktivsten Fraktionen des Proletariats „wieder zur Vernunft zu bringen“, wird umso heftiger sein, weil er sich als Verteidigung der demokratischen Revolution präsentieren wird und es ablehnt, dass „Minderheiten“ die Errungenschaften der Mehrheit kompromittieren.

 

Die Verteidigung der Errungenschaften bedeutet die Möglichkeit einer Phase der Konterrevolution


Die Kommunisierung wird nie Errungenschaften haben, alle Enteignungen, welche die unmittelbare Gemeinschaft konstituieren, werden als reine Enteignungen, wilde Aneignungen in Frage gestellt, sie werden zu Vergesellschaftungen erklärt sobald die Bewegung langsamer wird und sich eine parastaatliche Instanz bildet, um zu verteidigen, was in diesem Moment als Errungenschaften und Elemente zur Konstitution einer möglichen neuen Wirtschaft erscheinen wird. Die Klasse erkennt sich selbst als geteilt und verschieden, um sich aufzuheben; die Aufhebung des Proletariats als Auflösung aller Klassen impliziert die interne Notwendigkeit dieser anderen Klassen für das Proletariat, sie zu absorbieren, indem es sie auflöst, gleichzeitig mit dem Widerspruch. Die Kommunisierung lebt konstant in den Bedingungen ihrer Verknöcherung. Alles wird sich auf der geographischen, horizontalen Ebene abspielen, nicht auf sektorieller Ebene, welche die Arten von Tätigkeiten differenziert. Die Grenzen werden überall sein und die verallgemeinerte Verschränkung Revolution/Konterrevolution wird sich in vielfältigen und chaotischen Konflikten zeigen. Das Proletariat hebt sich in der menschlichen Gemeinschaft auf, welche es hervorbringt. Es sind die internen und dynamischen Widersprüche eines solchen Prozesses, welche den Inhalt und die Stärke der Konterrevolution darstellen, denn in jedem kann sich das Kapital wieder beleben. Denn für die Klasse ist ihre Aufhebung gleichbedeutend mit der Überwindung ihrer Autonomie: Dort liegt der Inhalt und die Stärke der kapitalistischen Konterrevolution.

 

Die Ausbreitung ist die Bewegung des Sieges, die Verlangsamung jene der Konterrevolution


Der Kampf des Kapitals, um wieder die gesellschaftliche Kontrolle zu erlangen wird doppelt sein, ohne dass das eine Strategie wäre. Einerseits werden die Staaten kämpfen, um ihre Herrschaft wieder herzustellen und die Ausbeutung wieder zu beleben, andererseits wird sich die kapitalistische Gesellschaft auf den total ambivalenten Grundlagen der Volksmacht und der Selbstverwaltung aufrechterhalten. Während der formellen Subsumtion war das vollständige Produkt der Arbeit lange Zeit eine Forderung der Arbeiter, sie findet nun eine neue Jugend, ist der ideale Inhalt zur Reproduktion der kapitalistischen Verhältnisse und eine „solide“ Basis des Widerstands gegenüber der Kommunisierung, diese Fraktionen können sich bekämpfen oder verbünden, je nach Situation und somit Entwicklung der Bewegung der Kommunisierung. Die Aktion der kapitalistischen Klasse kann sowohl militärisch als auch auf gesellschaftlichen Gegenmassnahmen und Konstruktionen von Konflikten, die auf den Kapazitäten der kapitalistischen Produktionsweise basieren, welche die Revolution selbst zu unvorhergesehenen Entwicklungen drängt, von der Wiedereinführung der Sklaverei bis zur Selbstverwaltung, gegründet sein, doch vor allem wird ihre Reproduktion ganz nah bei der Revolution verstreut sein und in allen Momenten stattfinden, wo die Kommunisierung sich aufgrund ihrer eigenen Natur zu einer einfachen Organisation des Überlebens der Proletarier, zur Vergesellschaftung verknöchert. Die kapitalistische Klasse kann sowohl ihre konterrevolutionäre Handlung im Staat zentralisieren, als auch die Konfrontation dezentralisieren, indem sie sie auf regionale Ebene verlegt, die Klassen in soziale Kategorien und Ethnien aufteilen, denn eine Krisensituation ist immer auch ein interkapitalistischer Konflikt. Wenn ein kapitalistischer Bereich es in einem interkapitalistischen Konflikt schafft, durch die allgemeine Entwertung der Krise eine globale Lösung für alle Kapitale zu repräsentieren, wird er es auch für die Besiegten repräsentieren.

 

Die Revolution wird nicht geradewegs auf den Sieg zusteuern


Einige Fraktionen des aufständischen Proletariats werden zerschlagen werden, andere „umgedreht“ und werden sich konservativen Überlebensmassnahmen anschliessen, andere Aufstände werden die Nachfolge antreten. Einige umgedrehte/mit Leim gefangene Fraktionen werden wilde Enteignungen und die Organisation des Kampfes durch jene, welche kämpfen und nur für den Kampf, ohne Repräsentation, ohne Kontrolle von irgendwem in irgendeinem Namen wieder in Schwung bringen, die Konstitution des Kommunismus wieder aufnehmen, nicht als Ziel, sondern als Inhalt des Kampfes. Die konterrevolutionären Ideologien werden zahlreich sein, an erster Stelle vielleicht jene des Überlebens der Wirtschaft: Bewahren wir die wirtschaftlichen Mechanismen, zerstören wir nicht jegliche wirtschaftliche Logik, um danach eine neue Wirtschaft aufbauen zu können. Das Überleben der Wirtschaft ist gleichbedeutend mit dem Überleben des Tausches, ob dieser Tausch nun Geld, alle Arten von Gutscheinen braucht oder eine einfache Tauschwirtschaft sei, welche sich mit dem Namen der gegenseitigen Hilfe der Arbeiter schmücken kann! Die Unentgeltlichkeit, die vollständige Abwesenheit jeglicher Art von Buchhaltung ist die Achse, um welche sich die revolutionäre Gemeinschaft aufbaut, nur die Unentgeltlichkeit erlaubt es, alle nicht direkt proletarischen gesellschaftlichen Schichten, welche in der Hyperkrise auseinanderfallen, zusammenzubringen und somit die nicht direkt proletarischen Individuen zu integrieren/aufzuheben, alle „Habenichtse“ (jene eingeschlossen, welche durch die revolutionäre Tätigkeit auf diese Bedingung reduziert wurden), die Arbeitslosen, die ruinierten Bauern der „Dritten Welt“, die Massen der informellen Wirtschaft. Es geht darum, diese Massen als Mittelklassen, als Bauern aufzulösen, die persönlichen Abhängigkeitsbeziehungen zwischen „Bossen“ und „Lohnarbeitern“ oder die Situation des „kleinen unabhängigen Produzenten“ innerhalb der informellen Wirtschaft zu zerstören, indem man konkrete kommunistische Massnahmen ergreift, welche all diese Schichten dazu zwingen, Teil des Proletariats zu werden, d.h. ihre „Proletarisierung“ zu vollenden...

 

Die die Gesellschaft kommunisierenden Proletarier betreiben keinen „Frontismus“, sie suchen nicht nach einem gemeinsamen Programm für die Opfer des Kapitals. Wenn sie Frontismus betreiben, sind sie tot, wenn sie alleine bleiben ebenfalls. Sie müssen mit allen anderen Klassen der Gesellschaft in Konfrontation treten und sind die einzige Klasse, welche, um zu siegen, nicht bleiben kann, was sie ist. Die Massnahmen der Kommunisierung sind gleichbedeutend mit der Aufhebung des Proletariats weil sie, neben seiner Vereinigung in seiner Aufhebung, seine Aufhebung sind. Sie löst die Existenzgrundlagen (welche dadurch vom Prozess der Kommunisierung absorbiert werden) auf von einer Unzahl von Zwischenschichten (Betreuung der kapitalistischen Produktion und Reproduktion) und von Millionen (Milliarden?) von Individuen, welche über das Produkt ihrer Arbeit und nicht durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft ausgebeutet werden. Sowohl auf regionaler als auch auf globaler Ebene wird die Kommunisierung eine Handlung sein, welche man „humanitär“ nennen könnte, obwohl der Begriff im Moment unaussprechbar ist, da die Kommunisierung sich dem ganzen Elend der Welt annehmen wird. Die menschliche Tätigkeit als Fluss ist die einzige Selbstvoraussetzung ihres kollektiven Weiterverfolgens, d.h. ihres individuellen Weiterverfolgens, denn sie weiss nicht, was ein Produkt ist und kann somit freigiebig die Beute teilen. Das als Klasse handelnde Proletariat löst sich als Klasse in seinen Bemächtigungen auf, denn in seinen Bemächtigungen überwindet es seine „Autonomie“.

 

Demokratie und solidarische Ökonomie werden die beiden grossen zu zerschlagenden ideologischen Konstruktionen sein


Demokratie und solidarische Ökonomie werden je nach Ort mit anderen Systemen kombiniert werden. Sie werden vor allem vor allem mit den sehr diversen Ideologien der Gemeinschaften kombiniert werden: national, ethnisch, religiös. Die Bildung von lokalen, spontanen und unvermeidlichen Gemeinschaften („Wir sind bei uns“) ist wahrscheinlich gefährlicher. Diese Gemeinschaften werden etliche Abwandlungen erleben und diese Ideologien können alle politischen Farben annehmen: konservativ, reaktionär, demokratisch und natürlich vor allem revolutionär, denn die Verschränkung Revolution/Konterrevolution ist dort die Regel. Denn es gibt keine Situation, in welcher es, einseitig betrachtet, für das Kapital keinen Ausweg mehr gibt. Es ist die Aktion des Proletariats, welche dazu führen wird, dass das Kapital keine höhere Verwertungsweise hervorbringen kann, eine höhere Verwertungsweise, deren Bedingungen es in jeder Krise und in jeder Konfrontation mit dem Proletariat finden kann. Von diesen drei Standpunkten aus:

 

- Diversität, Segmentierung des Proletariats;
- Auflösung und Absorbierung der etlichen ausgebeuteten Schichten ausserhalb einer direkten Subsumtion ihrer Arbeit unter das Kapital;
- interkapitalistische Konflikte, welche das Proletariat an Bord nehmen, für letzteres haben diese Konflikte einen integrierenden und vereinnahmenden Sinn.

 

Daraus resultiert die Macht und der Inhalt der Konterrevolution, Macht und Inhalt, welche direkt mit den unmittelbaren, empirischen Notwendigkeiten der Kommunisierung (ihre dynamischen Widersprüche oder die Widersprüche ihrer Dynamik) verbunden sind.

 

Es gibt keinen ideologischen Kampf, der praktische Kampf ist theoretisch


Man darf sich den anti-ideologischen Kampf nicht als verschieden von der Kommunisierung selbst vorstellen, die Ideologien werden innerhalb der Kommunisierung bekämpft, denn sie sind Teil des von der Bewegung aufgehobenen. Die Konstitution des Kommunismus kommt nicht um heftige Konfrontationen mit der Konterrevolution herum, doch diese „militärischen“ Aspekte führen nicht zur Bildung einer Front, würde sich eine solche Front bilden, hätte die Revolution verloren, zumindest dort, wo diese Front liegt und bis zu ihrer Rückbildung. Die Revolution wird gleichzeitig geographisch und ohne Fronten sein, die Anfänge der Kommunisierung werden immer lokal und unmittelbar und sehr schnell expandierend sein, wie die Ausbrüche von Bränden, sogar ausgelöscht schwelen diese Brände unter der Selbstverwaltung und den Bürgergemeinschaften. Der Kommunismus wird aus einem immensen Faustkampf heraustreten, der Prozess der Kommunisierung wird zwar eine Übergangsphase sein, doch überhaupt keine ruhige Phase des Aufbaus des Sozialismus und/oder der Demokratie zwischen einer chaotischen revolutionären Periode und dem Kommunismus, sondern das Chaos selbst zwischen Kapital und Kommunismus. Es ist klar, dass eine solche Vorwegnahme, obwohl sie durchdacht ist, kein Grund für Begeisterung darstellt! Es ist weder die Barbarei, die keinen Sinn hat, noch der königliche Weg der rosigen Zukunft! Es ist eine Perspektive, die ihre Wurzeln in der aktuellen Situation des Kapitals und der Kämpfe hat, im aktuellen Kampf des Proletariats gegen das restrukturierte Kapital in seiner Krise. Es ist eine Perspektive, die bei der Überwindung dieser Kämpfe ansetzt, nicht geradewegs, sondern in der Vertiefung der Krise des momentan herrschenden Kapitals.

 

Die Verschränkung Revolution/Konterrevolution schliesst die ganze Organisation mit ein, welche sich die Bewegung des Klassenkampfes gibt. Eine Koordination, ein Kollektiv oder jede andere Form können der organisierte Kampf sein oder gegen eine Repräsentation dieses Kampfes und eine Entwicklung, in einer Situation der Spaltung des Staates, hin zu einer parastaatlichen Form tendieren. Es geht nicht um eine Opposition zwischen Organisation und Spontaneität (alles ist immer spontan und organisiert), sondern um die Opposition zwischen Enteignung und Aneignung, Kommunisierung und Vergesellschaftung, letztere bedingt, dass die Gesellschaft existiert, d.h., dass sie von „den Leuten“ unterscheidbar ist, von jenen „Leuten“, von welchen wir nun sprechen werden. In den Kämpfen in Frankreich 2003 hatte man beobachten können, wie die Proletarier zwischen ihnen etwas, das man als Intersubjektivität bezeichnen könnte, konstruiert haben, diese war nicht den Gewerkschaften gefügig, womit sie auf die Organisation einer rein szenischen Repräsentation dieser Einheit beschränkt waren. Der Kampf hat jedoch die allgemeine Grenzen dessen, was er damals war, den radikalen Demokratismus nicht überwunden: Politische Konsolidierung der Grenzen der Kämpfe als Klasse, indem Lösungen für die „Probleme des Kapitals“ vorgeschlagen wurden, zum Beispiel die „Verteidigung der öffentlichen Dienste“. Es war eine Intersubjektivität in dem Sinne, dass es miteinander verbundene (noch proletarische) Subjekte gegenüber ihrem Gegenstand, dem Kapital, waren. In Griechenland 2008 ist der Aufstand grundsätzlich Intersubjektivität. Indem sie mit der Frage der Demokratie konfrontiert war, war die Intersubektivität der griechischen Aufständischen durch die Abwesenheit von Forderungen mit der Klassenzugehörigkeit als äusserer Zwang konfrontiert, jenseits vom Rechtsauschluss, welchen der radikale Demokratismus repräsentiert. Die Bewegung der Aufhebung des Kapitals enthält die Entgegenständlichung desselben, die Aufhebung des Verhältnisses Subjekt-Gegenstand, Kapital-Proletariat. (Erinnern wir daran, dass diese Aufhebung der Inhalt des revolutionären Prozesses, der Kommunisierung, darstellt und dass man, solange er nicht vollendet ist, immer dieses Verhältnis Subjekt-Gegenstand hat, sogar wenn das Subjekt dabei ist, seinen Gegenstand als solchen aufzuheben, die Aufhebung findet innerhalb dieses Verhältnisses statt, d.h. die Proletarier heben das Kapital auf, welches sie zu Proletariern, zu reinen Subjekten ihrem Gegenstand gegenüber macht, und somit die ganze kapitalistische Gesellschaft.) Der revolutionäre Prozess der Entgegenständlichung des Kapitals ist also auch ein Prozess der Zerstörung der getrennten Subjektivität des Proletariats, es ist dieser Prozess, welchen wir als Selbsttransformation der Proletarier in unmittelbar gesellschaftliche Individuen bezeichnen. Diese Transformation ist nie errungen solange sie nicht vollendet ist, in diesem Sinne sind es die Proletarier, welche die Revolution bis zum Ende machen, denn bis zum Ende heben sie das Kapital auf, welches sie zu Proletariern macht.

 

Die Kommunisierung und die Vergesellschaftung bilden keinen Widerspruch


Der Widerspruch bleibt Kapital-Proletariat, er wird nicht zu einem inneren Widerspruch des Proletariats, obwohl es ein Werden der totalen Opposition zwischen den beiden Perspektiven gibt, sind sie verschränkt und beide zusammen Teil des Widerspruchs Kapital/Proletariat. Der Kampf des Proletariats gegen das Kapital wird zur Aufhebung der Klassen durch die Enteignung des Kapitals, doch diese Handlung selbst, in ihrer Opposition zur Arbeit, gibt der Affirmation der Arbeit eine neue Kraft wenn sie von der kapitalistischen Klasse unterbrochen wird (dort existieren die Errungenschaften, die wir erkannt haben). Diese provisorische und standardmässige Affirmation der Arbeit treibt einen sozialen Staat voran, dessen Werden wäre ein sozialer Staat, also eine konterrevolutionäre Form, die Bewegung des Proletariats muss ihm entgegentreten. Der Prozess der Selbsttransformation in unmittelbar gesellschaftliche Individuen kann im Kampf gegen das Kapital und somit gegen die kapitalistische Klasse auch ein Kampf gegen jene Proletarier sein, welche die proletarische Bedingung verteidigen. Kampf der Kommunisierung gegen die Vergesellschaftung.

 

Die Konterrevolution baut sich auf den Grenzen der Revolution auf


Das ist es, was dieser Text versucht, etwas „konkreter“ zu zeigen. In der Periode, wo die revolutionären Versuche von 1917 bis 1937 stattfanden, erzeugt der allgemeine Widerspruch Kapital/Proletariat die Affirmation der Klasse der Arbeit und somit den Aufbau des Sozialismus. Heutzutage erzeugt der Widerspruch die Infragestellung der Klassenzugehörigkeit und die allgemeine Struktur somit die Kommunisierung. Diese Struktur hindert die Grenzen nicht daran, weiter zu existieren, wenn auch die Richtung der Bewegung ihre Überwindung ist. Die Grenze ist gleichwesentlich mit jeder revolutionären Massnahme und diese Grenze wird nur durch die nächste Massnahme überwunden, es ist der Klassencharakter der Bewegung der Kommunisierung, welcher ihre Grenze ist, sie ist die Überwindung ihres eigenen begrenzten Charakters, denn sie ist die Aufhebung der Klassen und somit des Proletariats.

 

Der Proletarier ist das der Gegenständlichkeit beraubte Individuum, seine Gegenständlichkeit steht ihm im Kapital gegenüber, er ist auf reine Subjektivität reduziert, er ist freies Subjekt, Träger einer Arbeitskraft, die erst zu Arbeit als Tätigkeit werden kann, nachdem sie gekauft und somit von seinem kapitalistischen Eigentümer in die Tat umgesetzt worden ist. Das von allem freie Subjekt ist verbunden mit der Gegenständlichkeit an sich, das fixe Kapital, welche seine Arbeitskraft subsumiert, sie unterwirft und in den Arbeitsprozess eingliedert. Die Aufhebung des Kapitals ist gleichbedeutend mit der Aufhebung der Gegenständlichkeit an sich, in der Bemächtigung der materiellen Mittel, und mit der Aufhebung des proletarischen Subjekts in der Hervorbringung des unmittelbar gesellschaftlichen Individuums. Das ist es, was wir simultane Entgegenständlichung und Desubjektivierung nennen, hervorgebracht durch die Bemächtigung der gesellschaftlichen Totalität, eine Handlung welche sie als etwas von den Individuen unterschiedenes zerstört. Die unterschiedene Totalität ist gleichbedeutend mit der unabhängigen Gesellschaft, ihrer Teilung in Klassen und ihrer Repräsentation in der herrschenden Klasse. Die Aufhebung der Klassen ist gleichbedeutend mit der Aufhebung der Gesellschaft, die Erschaffung einer sozialistischen oder gar „kommunistischen“ Gesellschaft bedeutet immer noch die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit der Gemeinschaft gegenüber ihren Mitgliedern, welche nur durch die Vermittlung der Gesellschaft gesellschaftlich werden. Die Kommunisierung ist gleichbedeutend mit dem Ende jeglicher Vermittlung zwischen den Individuen und ihren konstant ändernden affinitären Gruppierungen, doch in der Revolution existiert noch eine Vermittlung durch das Kapital, denn die Tätigkeit ist die Aufhebung des Kapitals! Die Kommunisierung, welche durch seinen Gegenstand selbst vermittelt wird, birgt immer die Möglichkeit der Autonomisierung der Vermittlung durch die Bildung einer von der revolutionären Tätigkeit getrennten Struktur der Revolution. Diese Tendenz wird immer wieder existieren, sie ist die Institutionalisierung der Revolution und der Sieg des Kapitals. Die Kommunisierung ist eine Revolution in der Revolution, Überwindung der Klassenautonomie, doch Revolution und Konterrevolution hören nicht auf, sich gegenüber zu stehen. Der Weg der Kommunisierung ist der eines Seiltänzers.

 

B.L., Juni 2009

 

Zweiter Teil. Kommunisierung vs. Sphären


Im ersten Teil des Textes „Der ausgesetzte Schritt der Kommunisierung“ mit dem Titel „Kommunisierung vs. Vergesellschaftung“ ging es einerseits darum, dass Bemächtigungen von Elementen des Kapitals „Kommunisierung“ sein können, d.h. reine „Enteignungen“, Aufhebung von jeglichem Eigentumsverhältnis, auch kollektive und „proletarische“. Man würde sich also dieser Elemente bemächtigen, um eine neue Gemeinschaft von Individuen zu konstituieren, welche unter ihnen, in ihrer Einzigartigkeit, unmittelbare Beziehungen im Kampf gegen das Kapital als Inhalt selbst dieses Kampfes definieren. Doch andererseits ist dieser Prozess der „Kommunisierung“, d.h. der Hervorbringung des Kommunismus, mit anderen möglichen Inhalten dieser Bemächtigungen verschränkt: Aneignungen, Vergesellschaftungen, welche Teil der Konstitution einer neuen selbstverwalteten, sozialen und populären, konterrevolutionären Wirtschaft sind. Jede dieser Möglichkeiten ist für die andere ihr anderes, d.h. das sie in einem Verhältnis des Konflikts stehen, wo jede in ihrer eigenen Praxis die andere als notwendig, als Moment ihrer selbst anerkannt.

 

In diesem Prozess des Klassenkampfes, der zur Aufhebung der Klassen führt, sind die Individuen faktisch jenseits von Geschlechterrollen gesetzt, denn sie bilden eine Gemeinschaft von unmittelbar gesellschaftlichen Individuen.

 

Der zweite Teil versucht, dieses „faktisch“ zu verdeutlichen. Diese Überwindung als natürlicher Teil „der Bewegung“, diese, in Anbetracht der Natur und des Inhalts der Bewegung, selbstverständliche Überwindung, welche als solche der Kritik unterzogen werden muss. Es reicht nicht zu sagen, dass die Kommunisierung, da sie die Kommunisierung ist, definitionsgemäss Überwindung der Geschlechterrollen ist. Obwohl keine unterschiedlichen „Fronten“ im Kampf existieren können, wird keine Instanz der Gesellschaft überwunden ohne für sich selbst angegriffen zu werden.

 

Die Analyse der geschlechterbezogenen Herrschaft im Kapitalismus zeigt, dass diese unmittelbar die Teilung der Totalität der gesellschaftlichen Praxis in zwei Tätigkeitssphären ist.

 

"Dieser geschlechtlich differenzierte Charakter aller Kategorien des Kapitals bedeutet eine allgemeine Teilung der Gesellschaft in Männer und Frauen. Diese allgemeine Teilung erlangt als gesellschaftlichen Inhalt das, was die Synthese all der geschlechtlichen Differenzierungen der Kategorien ist: die Erschaffung der Unterscheidung von Öffentlichem und Privatem. Diese Unterscheidung ist die Synthese, weil die kapitalistische Produktionsweise eine politische Ökonomie ist. D.h., da die kapitalistische Produktionsweise auf dem Verkauf der Arbeitskraft basiert und eine gesellschaftliche Produktion als solche nur für den Markt (Wert) existiert, weist sie die Momente ihrer eigenen Reproduktion, die einer direkten Unterordnung unter den Markt oder dem unmittelbaren Produktionsprozess entgehen, als nicht-gesellschaftlich zurück: das Private. Dieses Private ist das dem Öffentlichen entzogene, immer in einem hierarchischen Verhältnis der Definition und der Unterordnung gegenüber dem Öffentlichen." (Réponse aux Américaines)

 

Der revolutionäre Prozess der Hervorbringung des Kommunismus wird sich in der verallgemeinerten Krise des Kapitals und vor allem gegen sie abspielen. Die Krise der Reproduktion des Ausbeutungsverhältnisses ist zugleich die Unfähigkeit des Kapitals, die Proletarier rentabel auszubeuten als auch jene der Proletarier, eine genügend billige Arbeitskraft (genügend unter ihrem Wert) anzubieten, um das Kapital zu verwerten. In einem Wort, die Proletarier erweisen sich als unfähig von – verschmutzter – Luft dieser Zeit zu leben und präziser erweisen sich die Frauen als unfähig, sich der Reproduktion der Arbeitskraft anzupassen.

 

Jetzt schon, zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Krise (die erst anfängt), lässt „die Illegitimität der Lohnforderung“ darauf schliessen, dass diese – Geld und/oder Arbeitsbedingungen – nicht mehr „systemisch“ ist, d.h. dass sie kein System mit dem Kapital mehr formt, welches Erhöhung der Ausbeutungsrate (Mehrwertrate) und Erhöhung der Reallöhne (ein System, das von seinen Verteidigern als „Teilen der Produktivitätssteigerungen“ präsentiert wird) miteinander verbinden kann: Sie ist heutzutage nicht mehr angemessen. Mit der Zuspitzung der Krise des Verhältnisses, im Moment, wo der Handel zwischen Kapitalisten blockiert ist und die Staaten gegen ihre Proletarier (aber auch untereinander) in den Krieg ziehen, damit sie einen massiven Abstieg in die Müllzonen akzeptieren, um die Fortdauer einer erbitterten Ausbeutung zu erlauben, in diesem Moment steht das Überleben auf dem Spiel. Der Kampf gegen das Kapital wird zum Kampf um dieses Überleben. Dann wird massiv beginnen, was schon in begrenzter und vorläufiger Art und Weise in Argentinien begonnen hat: die Bemächtigungen der Elemente des Kapitals.

 

Die Kämpfe gegen das Kapital, gegen seine Krise und seine anti-proletarische Offensive sind jetzt schon Kämpfe für die Reproduktion der Leben der Proletarier. Die Proletarier werden sich jener Elemente des Kapitals bemächtigen, welche für ihr Überleben unabdingbar sind und diese Bemächtigungen sind revolutionäre Aktionen gegen das Kapital. Die argentinischen Proletarier haben die von ihren Eigentümern verlassenen Unternehmen „übernommen“ und sie zu ihrem Vorteil wieder zum Laufen gebracht nach durchwegs bekannten Prinzipien: man produziert, verkauft, wird bezahlt. Es ist die Selbstverwaltung, doch diese Selbstverwaltung war nur in einem allgemeinen Rahmen möglich, wo das verdiente Geld noch als solches funktionieren und gegen den Lebensunterhalt getauscht werden konnte. In einer Situation der Hyperkrise ist dies nicht mehr möglich und man muss sich der Mittel zum Lebensunterhalt selbst bemächtigen (was auch geschah in den argentinischen Kühlhäusern).

 

Eine verallgemeinerte Selbstverwaltung hat sowieso keinen Sinn und würde vom Kampf, welcher sie gegen das Kapital führen muss, und der totalen Abwesenheit interner Akkumulationsdynamik überholt; sie kann nur eine Phase sein in einem Prozess, der entweder zu Massnahmen der Kommunisierung zur Weiterführung der Kämpfe oder zu einer versteckten oder offenen konterrevolutionären Regression führt.

 

In Argentinien stellten die Bewegungen der Arbeitslosen etliche Aktivitäten auf die Beine: „Produktionswerkstätten“ (Bäckereien, kollektive Gärten, Herstellung von Ziegelsteinen, Verpackung von Haushaltsartikeln usw.), deren Produkte zum Eigenkonsum oder zum Verkauf bestimmt sind. In den meisten Fällen kollektiv selbstverwaltet, können diese „Werkstätten“ als Parallelwirtschaft in embryonalen Zustand betrachtet werden. Diese war – auf einem sehr begrenzten Niveau – der Beginn einer Konstitution einer Gemeinschaft von kämpfenden Proletariern, in welcher und durch welche die Verhältnisse begannen, sich zu ändern, besonders die Verhältnisse der Geschlechterrollen durch die Infragestellung der Teilung der gesellschaftlichen Praxis in zwei getrennte Tätigkeitssphären: eine private und eine öffentliche.

 

Sei es in einer revolutionären Situation oder in jedem Kampf, welche sie dem Kapital entgegenstellt, die proletarischen Frauen stellen immer praktisch die Existenz der privaten Sphäre in Frage. Ein Arbeiterinnenstreik ist nie nur ein Streik, sondern immer ein Streik von Frauen, welche aus diesem Grund die private Sphäre, mit welcher sie unlösbar verbunden sind, ins Zentrum der öffentlichen Sphäre stellen. Sie stellen damit nicht nur die Existenz dieser privaten Sphäre in Frage, sondern auch jene der öffentlichen Sphäre durch den intimen und persönlichen Charakter der Kampfverhältnisse, welche die Frauen erschaffen, Verhältnisse, welche den politischen und gesellschaftlichen Charakter, welche die öffentlichen Tätigkeiten in ihrer Unterscheidung selbst mit den privaten Tätigkeiten annehmen müssen, in Frage stellen.

 

Die Teilnahme der Frauen an der Lohnarbeit ist als solches kein Einfall in die öffentliche Sphäre, denn sie stellt sie nicht in Frage aufgrund der spezifischen Organisationen der weiblichen Lohnarbeitsformen (ein Bereich, der von Feministinnen und jedem Soziologen oder Ökonomen, der etwas auf sich hält, hinlänglich analysiert worden ist), mit hierarchischen und Lohnniveaus (die Glasdecke), die einfach auffindbar und konzipiert sind, um die Existenz der privaten weiblichen Sphäre der Reproduktion der Arbeitskraft zu erhalten, zu welcher die Frauen zugewiesen sind.

 

Der Markt der weiblichen Arbeit macht aus der entlohnten Frau gleichzeitig den Archetypen der neuen restrukturierten Form der Lohnarbeit im allgemeinen (flexibilisiert, prekarisiert) und eine absolut spezifische Form. Die Präsenz der Frauen in der Lohnarbeit ist also eine „entschärfte“, kontrollierte Präsenz, die auf einen Teil der öffentlichen Sphäre beschränkt ist, die somit zu einer Art Anhang der privaten Sphäre wird. Nur wenn der Rahmen gesprengt wird (Streik), dringen die entlohnten Frauen in die öffentliche Sphäre ein.

 

Man kann nicht nur sagen, dass jeder Kampf von Frauen feministisch ist, sondern auch, dass jeder Kampf von Frauen die Opposition der Frauen gegen ihre Genderzugehörigkeit enthält, paradoxerweise sogar wenn sie sich auf ihr Frausein berufen!

 

Folgend einige Auszüge von einem Bericht von Frauenkämpfen in Argentinien:

 

"Sie waren die ersten, welche die Strassen blockierten als ihre Partner keine Arbeit mehr hatten, doch sie wurden unsichtbar gemacht. Sie kämpften für Nahrung, Gesundheit und Würde, wie sie das auch täglich in ihrem Haushalt taten. Und mit dem Kampf, der Organisation und der Kameradschaft zwischen Frauen, begannen sie, die Stellung, welche sie einnehmen, in Frage zu stellen: zu Hause, in den Organisationen und in der Welt.

 

„Rauszugehen ist eine Revolution“, sagt Viviana von der Bewegung der Arbeitslosen (MTD) von Lugano, während sie etwas beschreibt, dass nicht an einem Tag geschah, doch für sie, 33-jährig, Mutter von fünf Kindern und Hausfrau seit sie 16 war, ein (glücklicher) Weg ohne Zurück war: „Mein vorheriges Leben bestand darin, um vier Uhr morgens aufzustehen, weil mein Mann damals eine Arbeit hatte, wenn er ging, musste ich den Haushalt erledigen, bevor die Kinder aufstehen, dann sie vorbereiten, zur Schule bringen, zurückkommen, ihnen was zu Essen zubereiten, den Haushalt erledigen und keine Fernsehserie (Telenovela) verpassen. Danach war er arbeitslos.“

 

Im Jahr 2001 wurden sie zu einem Treffen von Eltern an jenem Ort eingeladen, wo ihre Kinder schulische Unterstützung bekamen. Viviana ging dort hin. Es gefiel ihr und sie geht weiterhin hin. Sie sprachen von der Arbeitslosigkeit, den Problemen des Quartiers, darüber, etwas gemeinsam zu unternehmen. Jeden Samstag verliess sie ihr Mann mit dem gleichen Satz: „Du wirst deine Zeit verlieren.“ Bis sie den MTD gründen.

 

Das erste Mal, als sie rausging, war es nur einige Hundert Meter von ihrem Haus weg. Graciela Cortes war damals vierzig Jahre alt, als sie akzeptierte, anderen arbeitslosen Frauen das Nähen beizubringen.

 

"Ja, das führte zu Problemen zu Hause. Obwohl ich mich immer um den Haushalt und die Kinder kümmerte, alles tat, hatte ich Probleme. Ich entschied, raus zu gehen. Zuerst interessierte mich die Politik nicht, doch als ich begann, abwesend zu sein, merkte ich, dass die Politik mittlerweile in mir drin ist. Mein Mann sagte mir, ich solle nicht hingehen, doch ich gab ihm zu verstehen: Allein werde ich nichts erreichen, man muss eine Menge sein."

 

Graciela nahm an der achtzehntägigen Strassensperre in Isidro Casanova mit der CCC (Corriente Clasista Combativa) teil und stellt sich laut Fragen:

 

„Was nützt es mir, ihm zu gehorchen, wenn wir uns sowieso trennen? Ich bereue es nicht. Ich tue nun Dinge, die ich vorher nicht getan hätte. All das dank der Nähmaschine und den Frauentreffen.“
- Die Treffen?
- Sie öffnen den Horizont. Ich veränderte mich während den Treffen.
- Weshalb?
- Du siehst jede Frau.

 

Eine Zeit lang war Gladis Roldan erfreut, sagen zu können, dass sie Teil der Unterkommission der Frauen in der Einwohnerkommission des asentamiento (wegen Wohnungsnot besetztes Gelände) Maria Elena (mit den Jahren eine Hochburg der CCC in La Matanza) war. Das erfreute sie bis sie 1989 zum ersten Mal an einem nationalen Frauentreffen teilnahm. Während einer Debatte fragte sie eine Frau: „Wieso ist es eine Unterkommission? Ihr könnt auch in der Führungskommission sein.“ Ihre Augen leuchten komplizenhaft: „Stell dir vor, wie wir zurückgekommen sind!“ Die Diskussion mit den Männern dauerte zwei Monate. Schliesslich kamen sie alle in die Führungskommission und die Unterkommission der Frauen – sie möge in Frieden ruhen – wurde aufgelöst."

 

Diese Zitate zeigen praktisch, was die Infragestellung der Existenz der zwei Sphären ist, doch man muss auch die Fälle heftigen Widerstands seitens männlicher Proletarier erwähnen.

 

"Es gab Frauen, welche während der Versammlung erzählten: Ich konnte nicht zur „piquete“ (Strassensperre) gehen, weil mein Mann mich geschlagen und eingesperrt hat. Viele haben es geschafft, dass ihre Partner mitkommen und nun sind beide da. Dafür hat uns das Thema der Frauen viel geholfen – denn du hast gesehen, dass wir, die Frauen, die ersten waren, die rausgingen. Für Nahrung, Arbeit, Gesundheit – und das erzeugte sehr schwierige Situationen. Bis hin zu Toten. Es gab Ehemänner, welche nicht tolerierten, dass Frauen zu einer Sitzung, einem „piquete“ gingen. Das geschah. Ich sage nicht, dass es das heute nicht mehr gibt."

 

Die Verteidigung der männlichen Bedingungen ist die Verteidigung der Männerherrschaft, sie ist die Verteidigung der Existenz der beiden getrennten Tätigkeitssphären wie man es hier sehr gut sieht.

 

"Ich kann dir die Geschichte einer Frau erzählen, die 1996, als wir neun Quartiere waren, an der Bewegung teilnahm. Sie war von hier, La Juanita, und sie hat sich von ihrem Mann getrennt, weil sie es nicht mehr aushielt. Er war arbeitslos, sie begann, teilzunehmen und er wurde verrückt, begann, sie zu schlagen. Danach ging er. Am nächsten Tag kam er zurück, fesselte sie und zündete sie an. Sie ist tot. Er hielt es nicht aus, dass sie rausging.
- Weshalb?
- Weil rausgehen dein Leben verändert."

 

Rausgehen ändert das Leben im wahrsten Sinne des Wortes, dieses Rausgehen der Frauen in die Kämpfe ändert die Form und den Inhalt der Kämpfe. Im erbitterten Klassenkampf ums Überleben gegen die kapitalistische Krise ist die Zerstörung der beiden Tätigkeitssphären die Bedingung zum Sieg, denn die Aufhebung der Klassen ist nicht eine Basis, zu welcher die Aufhebung der Geschlechterrollen hinzugefügt wird, das eine geht nicht ohne das andere und das andere nicht ohne das eine.

 

Das Arbeiterprogramm zog nie die Aufhebung der Geschlechterrollen in Betracht, nicht einmal als finale Perspektive jenseits der berühmten Übergangsphase, während welcher nur die Gleichheit zwischen Männern und Frauen in Betracht gezogen wurde, weil der Kommunismus des Programms nur die Gesellschaft der vereinten Produzenten war. Doch wer Produktion sagt, muss auch Reproduktion sagen, letztere spielt sich daneben ab, untergeordnet und beherrscht. Diese Herrschaft hätte stets die Zuweisung zur Kindererzeugung zum Inhalt gehabt, wodurch die Frauen als solche existieren.

 

Die Verteidigung der Existenz der beiden Sphären ist gleichbedeutend mit der Existenz der Wirtschaft und der Politik, der Politik als Bedingung selbst der Wirtschaft [1]. Die öffentliche Sphäre ist in ihrem Wesen jene des männlichen und die Teilnahme der Frauen an dieser Sphäre ändert nichts daran. Gegenüber dieser politisch-wirtschaftlichen öffentlichen Sphäre hält sich die private Sphäre aufrecht, wenn auch in einer Situation, wo diverse Orientierungen des Klassenkampfes (Volksmacht, Selbstverwaltung, wilde Bemächtigungen) miteinander in Konfrontation treten, die „Zurückweisung der Frauen an ihren Platz“ schwierig ist. Tritt sie ein, ist sie das Zeichen eines schweren Rückschlags, zumindest lokal. In Spanien erfolgte der Rückzug der Frauen von der Front im Rahmen der Militarisierung der Milizen, ein wesentliches Element der kompletten Wiederherstellung des Staates und des Sieges der Konterrevolution.

 

Die Kommunisierung, die Hervorbringung einer unmittelbaren Gemeinschaft ihrer Mitglieder im Kampf gegen die kapitalistische Gesellschaft ist gleichbedeutend mit der Aufhebung der Klassen, der Unternehmen, des Staates in all seinen Formen (Kommunen, Räte, Gewerkschaften, Genossenschaften), d.h. die Aufhebung aller Instanzen öffentlicher Tätigkeit, die von der privaten Tätigkeit der Reproduktion getrennt sind.

 

Die private Tätigkeit der Reproduktion bedingt den Tausch und/oder den Vertrieb. Die Aufhebung des Tausches bedingt jene des Vertriebs, sogar wenn er nicht tauschgebunden ist, denn letzterer ist, wie es alle Massnahmen des Stils „Kriegskommunismus“ zeigen, nur eine provisorische Modalität bis zur Rückkehr des Marktes. Die Kommunisierung integriert die Produktion und den Konsum, die Produktion und die Reproduktion. Deshalb wird jegliche Buchhaltung aufgehoben, denn sie ist Verbuchung von „Produkten“, welche in sich selbst als Produkte und als zu verbuchend die Trennung zwischen Produktion und Konsum voraussetzen. Doch das wichtigste ist, dass die Aufhebung der Trennung Produktion/Konsum gleichbedeutend ist mit der Aufhebung der Frauen.

 

Die Frauen werden aufgehoben durch die Aufhebung der Sphäre, welche sie definiert, die private Sphäre, welche „öffentlich“ geworden ist, doch auch durch die Aufhebung der öffentlichen Sphäre, welche „privat“ geworden ist. Der Programmatismus hatte nur zum Ziel, dass die Frauen das Haus verlassen, sie proletarisiert werden, die Hausarbeit zu vergesellschaften, er hatte die Gleichheit der Männer und der Frauen im Sozialismus zum Ziel. Die Tatsache, dass dieses spezifische Ziel des Programms bezüglich der Frauen nie verwirklicht wurde, kann nicht von der allgemeinen Unmöglichkeit des Programmatismus in seinen eigenen Begriffen unterschieden werden. Trotz allem kann man präzisieren, dass die Gleichheit von Frauen und Männern in einer durch die Absorbierung der privaten Sphäre totalitär gewordenen öffentlichen Sphäre unmöglich war. Diese Unmöglichkeit existiert, weil diese öffentliche Sphäre eben genau öffentlich bleibt, d.h. Wirtschaft und Politik. Die Reproduktion der proletarisch gebliebenen Individuen kann nicht in dieser sogenannt einzigen Sphäre stattfinden. Die Reproduktion des Proletariers gegenüber dem Kapital setzt die Zuweisung der Frauen zur Kindererzeugung voraus und somit die Aneignung aller Frauen durch alle Männer im allgemeinen und im besonderen. Somit wird die grundsätzliche Anordnung rekonstituiert, auf welcher die Familie basiert.

 

Die Aufhebung der öffentlichen Sphäre gegen ihre Rekonstitution wird immer das Streitobjekt im Kampf zwischen Revolution und Konterrevolution sein. Dieser Kampf ist jener zwischen der Aufhebung des Staates und seiner Rekonstitution. Ja, aber! Die Aufhebung des Staates ist gleichbedeutend mit der „Privatisierung“ der öffentlichen Sphäre!

 

In der öffentlichen Sphäre existieren die bekannten Leader – aller Arten – und der anonyme und ersetzbare Bürger/Arbeiter: Das Durchschnittsindividuum, das Teil einer Klasse ist (das Einzelindividuum existiert nur in der privaten Sphäre). Die Aufhebung des Staates und des Tausches ist gleichbedeutend mit der Aufhebung der öffentlichen Sphäre, doch auch mit der Selbsttransformation der anonymen und ersetzbaren Proletarier in Individuen, die sich selbst in unmittelbar gesellschaftlichen Verhältnissen definieren. D.h. absolut unersetzbare Individuen, die Beziehungen nur als Einzelindividuen und auf keinen Fall als Durchschnittsindividuen haben.

 

Im eigentlichen Sinn wird die öffentliche Sphäre natürlich nicht „privatisiert“, genauso wenig wie die private Sphäre vergesellschaftet wird, sie wird aufgehoben als Sphäre, welche die Verhältnisse zwischen Mitgliedern von Klassen, dadurch durchschnittlich und anonym, zum Inhalt hat. Das gesellschaftliche Einzelindividuum hebt das anonyme gesellschaftliche Individuum der öffentlichen Sphäre und das asoziale Einzelindividuum der privaten Sphäre auf. Genau wie die Aufhebung der Klassen und der Sphären zwei Aspekte ein und derselben Kommunisierung sind, wodurch das Kapital entkapitalisiert und die ganze Gesellschaft aufgehoben wird, so ist die Aufhebung der Proletarier und der Frauen zwei Aspekte der Selbsttransformation aller Proletarier – Männer und Frauen – und damit aller Menschen in unmittelbar gesellschaftliche Individuen in der Gesamtheit ihrer körperlichen, psychischen und intellektuellen Beschaffenheit.

 

Wir haben gesehen, wie das individuelle „Rausgehen“ proletarischer Frauen in die öffentliche Sphäre des Kampfes ihre Definition durch die private Sphäre in Frage stellt und wie dies mit den proletarischen Männern zusammenprallt, obwohl sie auch gegen die kapitalistische Offensive kämpfen, welche die Krise des Kapitals und der „schmerzhaften, doch mutigen“ politischen Lösungen, welche der Staat in die Tat umsetzt, um gegen sie anzukämpfen – auf Kosten der Proletarier.

 

Als die Bewegung in Argentinien ihrem Ende zuging, entschieden die Frauen mehrerer Arbeitslosenbewegungen, eine Bewegung der arbeitslosen Frauen zu gründen. Diese spezifischen Frauenorganisationen im Kampf wurden von Bruno Astarian in seiner sehr interessanten Broschüre über die argentinische Bewegung (Échanges) als Schwäche aufgefasst, als Spaltung der kämpfenden Proletarier, die das Ende der Bewegung einläutete. Wenn zuvor durch das Aufkommen der Kämpfe verborgene Oppositionen in ihrem Niedergang plötzlich auftauchen, so heisst das nicht, dass sie Schwächen sind. Von einem Standpunkt aus, der die Aufhebung der Geschlechterrollen als absolut grundlegendes Element der Kommunisierung betrachtet, sieht die Sache anders aus.

 

Die Selbstorganisation der Frauen wird ein unumgänglicher Moment des revolutionären Prozesses sein und das muss gleich aufgefasst werden wie im Text „L’auto-organisation est le premier acte de la révolution, la suite s’effectue contre elle“ („Die Selbstorganisation ist der erste Akt der Revolution, alles, was danach kommt, ist gegen sie gerichtet“) beschrieben. Die Selbstorganisation der Frauen wird das Mittel selbst sein, welches sich die (Noch-)Frauen geben werden, um gegen das zu kämpfen, was sie als solche definiert. Die Überwindung des Staates, des Marktes wird durch die Vereinigung der sowohl produktiven als auch Kampf- und Reproduktionsaktivitäten erfolgen, diese Einheit wird sowohl die Erziehung der Kinder als auch die Reparatur von Autos und, falls notwendig, den bewaffneten Kampf betreffen. In der Bildung dieser Einheit werden die Frauenorganisationen zentral sein, indem sie eben genau in sich selbst diese Einheit sein werden. Die Frauen, welche als solche kämpfen, können nur für diese Einheit kämpfen, denn sie ist auch ihre eigene Vereinigung gegen die Spaltung aller und jeder in Proletarierin und Frau, Bürgerin und Frau, Mann und Frau!

 

Die Selbstorganisationen der Frauen werden auch gegen eine Tendenz kämpfen müssen, die notwendigerweise existieren wird, jene, welche die Tendenz haben wird, ihre Rolle auf die Repräsentation und die Verhandlung für die Gleichheit der Frauen, für die Anerkennung „ihres unverzichtbaren Beitrags“ zu beschränken. Diese politisch „strikt feministische“ Tendenz wird verbunden mit allen sein, welche eine Vergesellschaftung der Wirtschaft und des Staates fördern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die „radikalsten“ Frauen, jene, welche ihren Willen verkünden, Frauen aufheben zu wollen, bekämpft werden als „Verräterinnen“, als jene, welche der „Sache der Frauen“ und der echten und nicht sexistischen Demokratie einen Dolchstoss in den Rücken versetzen. Genau wie jene, welche sich – und diese Frauen werden vielleicht die Mehrheit davon sein – einer demokratischen und/oder Wahlprozedur widersetzen, angegriffen werden als jene, welche „die Revolution für sich konfiszieren wollen und sich als hinzugewählte Elite auf Kosten der Massen konstituieren“ wollen.

 

Die kämpfenden Frauen und ihre Organisationen werden alle Frauen vereinen müssen, ohne eine antisexistische Front zu bilden: die ruinierten Kleinbürgerlichen, die Bäuerinnen, die Masse all jener, die „keine Anstellung“ haben, die mehr oder weniger armen oder mehr oder weniger mittelständischen Hausfrauen. Die revolutionäre Bewegung der Frauen, welche kämpfen wird, um die nicht-tauschende und nicht-politische Einheit der kämpfenden Proletarier zu konstituieren wird sie integrieren, weil sie Frauen sind und weil sie als solche in Krise sind, als jene, welche Teil der weiblichen Geschlechterrolle in Krise sind und deren Krise sie auch provozieren. Sie werden Teil der Kampfbewegung gegen das Kapital werden und werden, indem sie tun, was sie in Wirklichkeit immer taten, doch nie offen und ohne Widerspruch, das wirkliche Leben leiten und organisieren.

 

Dieses private Leben ist wirklich, weil es eben genau asozial ist, das öffentliche Leben ist umso falscher, weil es direkt gesellschaftlich ist, d.h. genauso falsch wie die Wirtschaft und die Politik!

 

Dieses Leben war im privaten, nun ist es die Revolution und entsteht als Erzeugung eines neuen wirklichen intimen und öffentlichen Lebens, total weiblich, weil es das überhaupt nicht mehr ist, indem es Aufhebung der Familie, des Eigentums und des Staates ist.

 

Die Strömung der Kommunisierung entstand aus der Kritik und der Überwindung der rätekommunistischen, antileninistischen kommunistischen Linken. Diese Strömung, die in dieser Hinsicht dieses nicht kritisierten Punktes ihren Ursprüngen treu geblieben ist, ist in ihrer Periode der totalen Vertraulichkeit grundsätzlich antifeministisch geblieben. Die feministische Ideologie wurde als einer der Modernismen interpretiert, welche gegenüber und innerhalb der Zersetzung des Programms die Triade „Frauen, Junge, Immigranten“ als neues revolutionäres Subjekt an die Stelle des Proletariats setzten. Es existiert tatsächlich ein klassenunabhängiger Feminismus dieser Art, doch er ist nicht „Der Feminismus“, ein sich entwickelndes und unendlich diverses Phänomen. Das Konzept der „Selbstaufhebung des Proletariats“, welches eine Etappe in der Ausarbeitung des positiven Begriffs der Kommunisierung darstellte, blieb auf einer Arbeiterpositivität gegründet, die paradoxerweise negativ war. Die Kommunisierung selbst, welche jegliche Konzeption eines revolutionären Wesens des Proletariats überwunden hat, konzipierte sich damals nur als Überwindung des Programms auf seinen eigenen Grundlagen. D.h. mit dem gleichen Widerspruch des Kapitals wie jener des Programms, ein alleiniger und monolithischer Klassenwiderspruch, de jure unabhängig von Geschlechterrollen und somit de facto selbstverständlich männlich.

 

Obwohl sich die Theorien der Kommunisierung tatsächlich die Frage während Jahrzehnten als solche nicht gestellt haben, konnte jeglicher Zweifel über einen eventuell „androzentrischen“ (klar: machistischen!) Charakter der Theorie der Kommunisierung einfach ausgeräumt werden, denn die Revolution würde das unmittelbar gesellschaftliche Individuum hervorbringen, d.h. jenseits jeder vorherbestimmten, durch die Gesellschaft begründeten Zugehörigkeit. Das Individuum war unmittelbar gesellschaftlich, doch die Frage der Genderunterscheidung blieb in einem toten Winkel der Theorie. Es war, als ob die Frage faktisch gelöst wäre, ohne gestellt zu werden.

 

Deshalb konnte dieser Text eines Beteiligten der Zeitschrift/Gruppe Théorie communiste erst geschrieben werden, nachdem sich die Gruppe – zwar minimal, doch wesentlich – durchmischt hat. Paradoxerweise konnte diese Transformation nur dank der Konzeption des Kommunismus als gesellschaftliche Unmittelbarkeit des Individuums hervorgebracht werden. Die gesellschaftliche Unmittelbarkeit des Individuums dispensierte davon, die Genderfrage zu stellen und erlaubte es gleichzeitig, zu hoffen, dass die Kommunisierung als Aufhebung der Geschlechterrollen und der Klassen definiert werden könnte, diese Hoffnung hat sich ziemlich schnell konkretisiert.

 

Betroffen war allerdings nicht nur das „Ziel“. Im Klassenkampf, in der Kommunisierung, in der Hervorbringung des unmittelbar gesellschaftlichen Individuums konnte nichts mehr, das die Männer und die Frauen betrifft, „faktisch“ oder in einem toten Winkel der Theorie bleiben. Die Baustelle des Widerspruchs zwischen Proletariat und Kapital, des Widerspruchs zwischen Männern und Frauen, der Ausbeutung, des Kapitals als prozessierender Widerspruch musste neu geöffnet werden. Das ging nicht ohne Wogen, doch ohne Flutwellen, nicht ohne Geschrei, doch ohne Konflikte vonstatten: Die Frucht war reif – wohl seit langem.

 

Heute scheint ein breiter Konsens in der Strömung der Kommunisierung zu existieren, dass die Revolution genauso Aufhebung der Geschlechterrollen wie Aufhebung der Klassen ist. Doch es existiert eine Debatte betreffend der Frage, ob ein Genderwiderspruch im gleichen Sinn wie der Klassenwiderspruch existiert. Es ist wichtig, dass diese Debatte nicht nur formell ist, sondern die massgebliche Wichtigkeit von Frauenkampf zum jetzigen Zeitpunkt und ihre Besonderheit als wesentliches Element der Aufhebung der Geschlechterrollen in der Aufhebung der Klassen als Aufhebung der Klassen in der Aufhebung der Geschlechterrollen betrifft. Das war der Gegenstand dieses Textes.

 

B.L., 21. Juni 2011

 

Übersetzt aus dem Französischen von Kommunisierung.net

 

Quelle


[1Die kapitalistische Produktionsweise, indem sie den Markt und die Lohnarbeit, welche ihre Grundlagen sind, verallgemeinert, ist die erste Produktionsweise, welche eine politische Ökonomie ist, d.h. die strukturell die Produktion vom Haushalt trennt.

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