„Kreativer Scherz gegen die Antifa“

Erstveröffentlicht: 
20.06.2013

Anschläge auf Deichanlagen? Ein vermeintliches Bekennerschreiben der linken Szene entpuppt sich als Fake von Neonazis.

 

Von Christoph Ruf

 

Nach wie vor zeigen die Sondersendungen jeden Abend tausende Menschen, die ihr Hab und Gut verloren haben und ihrer Verzweiflung Ausdruck gaben. Kein Wunder, dass sich vergangene Woche Hass über den vermeintlichen Mitgliedern der linken Szene entlud, die dazu aufgerufen hatten, Deichabschnitte zu zerstören und noch größere Verheerungen anzurichten.

Doch wie sich nun herausstellt, war das vermeintliche Bekennerschreiben (bnr.de berichtete), das auf „Indymedia“, dem größten linken Informationsportal, aufgetaucht war, offenbar ein Fake der rechten Szene, das in ähnlicher Form als Brief auch an Zeitungsredaktionen geschickt wurde. Geschrieben wurde es allem Anschein nach, um die verhasste Antifa als vaterlandlose Gesellen zu diskreditieren.
„Kreativer Scherz hat funktioniert“

Der aus Hamm stammende Sascha Krolzig, einer der führenden Neonazi-Kameradschaftsaktivisten in Nordrhein-Westfalen, wagte sich als erster aus der Deckung. In einem mittlerweile gelöschten Facebook-Eintrag (liegt der Redaktion vor) amüsierte er sich königlich über den gelungenen Propagandaerfolg seiner rechten Kameraden: „Das ‚Bekennerschreiben’ einer ‚germanophoben Flut-Brigade’ zur Zerstörung von Deichen in Hochwassergebieten ist wohl der beste PR-Gag, den es in der letzten Zeit gegen die Antifa gegeben hat. Sowohl die Massenmedien als auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht schlagen Alarm. Auch ein Großteil der Kameraden scheint dieses ‚Bekennerschreiben’ ernst zu nehmen. Wenn man sich dieses Schreiben allerdings genau anguckt, wird man sehen, dass es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um einen kreativen Scherz handelt, um die Antifa ein wenig durch den Kakao zu ziehen. Hat ja auch funktioniert.“ Wohl wahr.

Mit dem Wissen um die tatsächliche Herkunft des kruden Schreibens liest sich der Fake wie eine groteske Überzeichnung von Traktaten linker Randgruppen wie der „Anti-Deutschen“. „Wir, die germanophobe Flut-Brigade, haben es uns zum Ziel gesetzt Deutschland unter den Wassermassen leiden zu lassen“, heißt es in dem Fake. „Die von der scheisz-deutschen Volksgemeinschaft errichteten Dämme und Deiche“ wolle man „beschaedigen“ und „Magdeburg endlich das geben, was unsere FreundInnen aus England leider nicht beendet haben“.
Unbekannte „germanophobe Flut-Brigade“

Beim LKA in Sachsen-Anhalt macht man keine Angaben zur Herkunft des Schreibens. Man könne „derzeit keine neuen Erkenntnisse o. ä. in diesem Ermittlungsverfahren verlautbaren“ lassen, heißt es auf Anfrage.

Dass in dem angeblichen linken Bekennerschreiben ein sehr großer Holzhammer ausgepackt wurde, hätte allerdings stutzig machen müssen. Auch kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen, welche linke Strategie hinter einer Sabotage der Rettungsaktionen verbergen sollte. Genau diese Punkte lösten zumindest bei „Indymedia“ die richtigen Reflexe aus.

Dort kann grundsätzlich jeder Nachrichten und andere Meldungen posten. Die Administratoren behalten sich aber vor einzuschreiten. Und genau das taten sie, als die logischerweise bis dato unbekannte „germanophobe Flut-Brigade“ zum ersten Mal ihr vermeintliches Bekennerschreiben postete. Es wurde prompt entfernt, tauchte danach aber in immer neuen Updates und immer skurrileren Wendungen wieder auf der Seite auf, wo es dann erneut gelöscht wurde.
„Sie hassen Deutschland und alles Deutsche“

Den „Indymedia“-Leuten, heißt es, sei von Vorneherein klar gewesen, dass es sich um einen Fake handelte, nicht einer der Moderatoren habe bei der Einschätzung gezögert. Zum einen hätten sich die Rechten durch die überkorrekte Sprache („Jemensch") verraten („so formulieren Linke einfach nicht“). Zum anderen würde kein Linker Sätze wie den folgenden schreiben, der in einem Update gepostet würde: „Wenn erstmal alle Deutschen abgesoffen sind, ist endlich genug Platz für WIRKLICH hilfsbeduerftige Menschen aus der ganzen Welt. Es waere soviel Platz für Refugees die ein schoenes Leben hier eindeutig mehr verdient haetten als die sogenannte(!) ‚angestammte Bevoelkerung’!“ Das, so heißt es in der linken Szene, sei „plumper Rassismus“.

Die dahinter steckende Weltsicht – wer etwas gegen Nazis hat, ist moralisch verkommen – passt aber offenbar bestens in die Weltsicht der rechten Szene, die den Propagandacoup genüsslich ausschlachtete. Rechtsintellektuelle Medien wie „Junge Freiheit“ und „PI.News“ zeigen sich pikiert, und die NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ schäumt: „Sie nennen sich Antifaschisten, sie hassen Deutschland und alles Deutsche.“

Interessanterweise findet sich im gleichen Text der Hinweis, das Ganze habe sich anfangs wie ein „übler Scherz angehört“. Und über üble Scherze lachen ja bekanntlich immer die am lautesten, die sie in die Welt setzen.

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Wenn man sich als routinierter Leser mal so manch andere Beiträge durchliest, kann man sich nicht immer im Klaren darüber sein, ob das hier manchmal wirklich ernst gemeint ist.

 

Und bei den Beiträgen, die hier wieder ziemlich schnell gelöscht werden, sind sicher nicht alle Fakes.