Initiative in Gedenken an Oury Jalloh verteidigt sich vor Gericht gegen den Magdeburger Staatsschutzleiter!

das war Mord

Vor dem Magdeburger Amtsgericht verteidigt sich derzeit ein Aktivist, stellvertretend für die Oury Jalloh Initiative, gegen die absurden Beleidigungsvorwürfe des Leiters des Staatsschutzes von Magdeburg Frank Schwitzer.

Schwitzer war seit August 2011 für die "Sicherung" der Revisionsverhandlung im Fall Oury Jalloh vor dem Magdeburger Landgericht verantwortlich und nahm im Beisein zweier Kollegen auch regelmäßig als Zuschauer an der Verhandlung teil.

 

In Sachsen – Anhalt läuft seit Jahren eine Kriminalisierungskampagne – die sich insbesondere gegen afrikanische Aktivist_innen der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh richtet.

 

Seit den Vorfällen am 7.Januar 2012, bei welchen die jährliche Gedenkdemonstration zum Todestag von Oury Jalloh in Dessau von Dessauer und Magdeburger Polizei angegriffen wurde und auch hier vor allem die Anmelder und Organisatoren der Demonstration brutal zusammengeschlagen wurden, haben die staatlichen Repressionen gegen die Oury Jalloh Initiative und ihre Unterstützer_innen neue Ausmaße angenommen.

 

Es ist eine Frechheit, dass es nachträglich eine Reihe von Anzeigen wegen den Ereignissen an jenem 7. Januar 2012 gegen die Opfer des nachweislich unrechtmäßigen Polizeieinsatzes gab (der Innenminister mußte ein Fehlverhalten der Polizei einräumen). Dieser Tag war jedoch nur der Auftakt einer hinterhältigen Defamierungskampagne gegen die Arbeit der Initiative insgesamt:

 

Am 16.Januar 2012 wurde das Polizeirevier Dessau mit einem Molotowcocktail angegriffen. “Oury Jalloh das war Mord” ist auf einer angrenzenden Mauer zu lesen. Nach wie vor geht die Initiative in Gendenken an Oury Jalloh davon aus, dass die Polizei diesen “Anschlag” auf ihr Revier selbst initiiert hat, um die Initiative in der Presse und Öffentlichkeit nachhaltig zu dämonisieren und ihr hartes Vorgehen gegen einzelne Aktivist_innen zu rechtfertigen.

 

Im Rahmen des Revisionsverfahrens in Magdeburg (2011/2012) wurden von allen Prozessbeobachter_innen Ausweiskopien angefertigt. Die lokalen Zeitungen berichteten von verdeckten Ermittlungen ausserhalb der Stadtgrenzen und in den darauf folgenden Wochen und Monaten bekamen Aktivist_innen aus Berlin Hausbesuche und Anzeigen u.a. wegen Beleidigungen, Verdacht auf Landfriedensbruch und Verstoß gegen des Versammlungsgesetz, die sich allesamt auf Demonstrationen der Initiative in Dessau und Mahnwachen in Magdeburg bezogen. Dass der Polizeieinsatz am 7.1.2012 jeglicher rechtlicher Grundlage enbährte blieb dabei unberücksichtigt. Seit diesem Tag saß der sachsen-anhaltinische Staatsschutz an jedem Verhandlungstag zwischen den Prozessbeobachter_innen.

 

Zwei Monate später, Anfang März 2012, wollte das Magdeburger Landgericht den Revisionsprozess im Beisein der Mutter und des Bruders von Oury Jalloh plötzlich ganz abbrechen – das Verfahren sollte ohne Urteil unwiderruflich eingestellt werden. Die Begründung: Mangelndes öffentliche Interesse! Ourys Mutter, die extra für den Prozess aus Guinea angereist war, brach im Gerichtssaal mehrmals zusammen.

Das Vorgehen der Justiz - ein Schlag ins Gesicht der Familie, die nichts anderes als eine lückenlose Aufklärung der Todesursache ihres Sohnes und Bruders einfordert. Mariama Jambo Jalloh verstarb kurz nach ihrer Rückkehr nach Guinea an Herzversagen.

 

Die Nebenklagevertretung reagierte mit einen Befangenheitsantrag gegen die komplette Kammer. Dieser wurde abgelehnt. Auch in diesem Zeitraum kam es zu einem verstärkten Polizeiaufgebot im und vor dem Landgericht Magdeburg, welches in seiner Verhältnismäßigkeit nicht im geringsten zu rechtfertigen war.

 

Im November 2012 belagerte die Initiative eine Woche lang die Staatsanwaltschaft in Dessau. Sie forderte aufgrund eindeutiger Indizien vom verantwortlichen Staatsanwalt Christian Preissner endlich mit der Suche nach den Mördern von Oury Jalloh zu beginnen. Bisher beschränkten sich alle Ermittlungen und Gerichtsprozesse darauf, ob Schubert durch ein schnelles Handeln das Leben von Oury Jalloh hätte retten können.

 

Im Dezember 2012 endete der Prozess mit einem Schuldspruch des Angeklagten, den damaligen Dienstgruppenleiter Andreas Schubert. Es wurden mehrere Rechtsverstöße Schuberts nachgewiesen. So stellte sich u.a. heraus, dass schon allein die Ingewahrsamnahme von Oury Jalloh jeglicher rechtlicher Grundlage entbehrte. Das Gericht verhängte eine Strafe von 10.800 Euro. Die Gewerkschaft der Polizei reagierte mit großem Mitgefühl und rief jeden "aufrechten Bürger" dazu auf, für Schubert zu spenden.

 

Nebenklagevertretung, Staatsanwalt und Verteidigung legten Revision ein. Mittlerweile prüft der Bundesgerichtshof in Karlsruhe zum zweiten mal, ob dieser Prozess vor einem anderen Landgericht in Sachsen-Anhalt erneut verhandelt werden muss.

 

Währenddessen hat die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh einen internationalen Brandgutachter mit unabhängigen Brandversuchen beauftragt sowie einen Zivilprozess gegen das Land Sachsen - Anhalt angestrengt, der zur Zeit in Dessau verhandelt wird. Auf diese Weise arbeitet die Initiative intensiv weiter an der Wahrheitsfindung, an der Aufklärung der Todesursache von Oury Jalloh.

 

Der derzeitige Prozess vor dem Amtsgericht ist deshalb kein einfacher Strafprozess gegen den Aktivisten, sondern ein politischer Prozess, in welchem Staatsschutz und Staatsanwaltschaft darin bemüht sind, die Arbeit der Initiative auszubremsen.

 

Kommt nach Magdeburg und unterstützt die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh -  die sich ohne Anwälte selbst verteitigt -  vor Gericht!

 

Am kommenden Verhandlungstag wird Frank Schwitzer auf dem Zeugenstuhl sitzen.

 

Nächster Prozesstag:

 

Dienstag, 18.6.2013 ab 11:00 Uhr

Magdeburger Amtsgericht, Breiter Weg 203-206, Saal 2

 

 

Hintergund:

 

Am 7.1.2005 verbrannte Oury Jalloh an Händen und Füssen angekettet im Dessauer Polizeirevier.

Wie sich heraustellte war Oury nicht der erste Mensch der in der Zelle 5 auf bislang unerklärliche Weise ums leben kam. Bereits 1997 starb Hans-Jürgen Rose nach einer Ingewahrsamnahme in diesem Revier an schwersten innerlichen Verletzungen. Mario Bichtemann wurde ebenfalls in der Zelle 5 tot aufgefunden. Er hatte einen Schädelbasisbruch, Rippenbrüche und größere Hämatome am Körper und den Händen. Trotzdem wurde in keinem dieser Fälle ausgiebig und alle in Richtungen ermittelt.

 

Hinzu kommt, dass das Polizeirevier in Dessau für seinen "harten Umgang mit Migranten" bekannt war. Auch nach dem Tod von Oury wurden Afrikaner_innen von der Polizei durch Dessau gehetzt und öffentlich gedemütigt. Gleichzeitig gibt es eine Reihe von Fakten, die dafür sprechen, dass die Polizei selbst in den rechtsextremistischen Sumpf verstrickt ist und gerne mal etwas später kommt, wenn es sich um gewaltätige Übergriffe rechter Gesinnungskameraden handelt.

 

Ohne die drängenden Fragen der Freunde und der Familie von Oury Jalloh, was am Vormittag des 7.Januars 2005 in der Zelle 5 tatsächlich vor sich gegangen ist, wäre es wohl kaum zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen, geschweige denn zu einer Verhandlung gekommen. Auch hier sollte die Todesursache nach mittlerweile zwei Gerichtsverfahren, die insgesamt vier Jahre andauerten nicht aufgeklärt werden.

 

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh hat sich trotz massiver Repressionen seitens der sachsen-anhaltinischen Polizei nicht einschüchtern lassen.

Seit acht Jahren kämpft sie gegen das Schweigen und den Korpsgeist der Polizei, gegen die sture Haltung der Gerichte in Dessau und Magdeburg, welche das Märchen der Staatsanwaltschaft, Oury habe sich mit einem nicht vorhandenen Feuerzeug selbst angezündet, kaltblütig geschluckt haben.

 

Und das alles, damit Sachsen- Anhalt keinen weiteren Imageschaden erleidet!

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Erstmal danke für die gute Arbeit die ihr leistet und für den unblaublichen Elan den ihr über all die Jahre trotz krasser Repression beweisst! Auch wenn es zweifelhaft ist, ob jemals ein Gericht ein halbwegs angemessendes Urteil fällen wird, stellt doch die lange juristische Aufarbeitung den "Rechtsstaat" derart bloß, dass es weit über Landesgrenzen hinaus Solidarität mit Oury Jalloh gibt.

 

Allerdings finde ich in eurem Artikel folgenden Absatz schon komisch:

 

"Am 16.Januar 2012 wurde das Polizeirevier Dessau mit einem Molotowcocktail angegriffen. “Oury Jalloh das war Mord” ist auf einer angrenzenden Mauer zu lesen. Nach wie vor geht die Initiative in Gendenken an Oury Jalloh davon aus, dass die Polizei diesen “Anschlag” auf ihr Revier selbst initiiert hat, um die Initiative in der Presse und Öffentlichkeit nachhaltig zu dämonisieren und ihr hartes Vorgehen gegen einzelne Aktivist_innen zu rechtfertigen."

 

Habe ihr irgendeinen Beleg für die Behauptung, dass die Bullen es selbst waren? Weil sonst wäre es einfach eine plumpe Verschwörungstheorie, die euch sicher mehr schadet als nützt und auch generell schlecht ist, denn auch die Aktivist_innen die sich entschieden haben ihrer Wut auf diese Art und Weise Ausdruck zu verleihen haben sicher keine Lust, dass ihre Aktion jetzt als Provokation seitens der Bullen hingestellt wird.

"Im November 2012 belagerte die Initiative eine Woche lang die Staatsanwaltschaft in Dessau. Sie forderte aufgrund eindeutiger Indizien vom verantwortlichen Staatsanwalt Christian Preissner endlich mit der Suche nach den Mördern von Oury Jalloh zu beginnen."

 

grob zusammengefasst aus dem gedächtnis:

- der tote wies verletzungen auf, die "ungewöhnlich" für eine ingewahrsamnahme sind (gebrochene nase, prellungen etc.)

- die obduktion erfolgt verspätet und und musste wiederholt werden, um vollständig zu sein

- das feuerzeug, mit dem oury jalloh seine matratze angezündet haben soll, tauchte erst später im asservatenbeutel und hat keine brandspuren - obowhl alles im feuerbreich sonst verkohlt war

- das feuerzeug war der einzige gegenstand, der bei der durchsuchung von oury jallohs hosentaschen(!) nicht gefunden/übersehen wurde

- oury jalloh, betrunken und an händen und füßen fixiert, soll eine feurfeste matratzenbeschichtung mit seinem wegwerf-feuerzeug beschädigt und anschließend in brand gesetzt haben

- eine polizeizeugin hat einen kollegen im zellentrakt gesehen. später revidierte sie diese aussage und wurde versetzt

- das brandgutachten wurde unzureichend geführt (ich habe z.b. bis heute kein symbolfoto, ob die hände am kopfende oder hüfthöhe fixiert waren)

- das gutachten geht von schnellem tod durch hitzeschock aus, weil das feuer sofort extrem heiß geworden sei. die zelle war gekachelt. außer matratzeninhalt (geschützt durch feuerfeste schicht) und kleidung war da nix brennbares. also keine nahrung fürs feuer. also qualvoller tod durch verbrennen und ersticken wahrscheinlich. die geräusche aus der gegensprechanlage tönten ja auch lang genug.

- ermittlungen "mord: ja oder nein" wurde nie geführt bzw. ergbnisse, die gegen diese these sprechen, veröffentlicht

 

reicht das, um von so vielen ungereimtheiten auszugehen, dass es mehr ist, als ne verschwörungstherorie?!

 

korrigiert mich, wenn ich was falsch erinnere.

Liest den zitierten Abschnitt nochmal genau durch...

kurz nach dem Anschlag auf das Polizeirevier Dessau und auf Streifenwagen in Magdeburg haben weiße Aktivistinnen der Initiative auf einer Veranstaltung erklärt, "dass nur die Polizei selbst oder Nazis solche Anschläge begehen. Andere Gruppen wären dazu gar nicht in der Lage. Die Initiative wird niemals auch nur einen Stein in die Hand nehmen. Jede Militanz schadet der Sache und nützt den Bullen."

 

Es wäre wichtig wie die Presse über den Fall berichtet und die Initiative wolle nicht in den Verdacht geraten solche Anschläge zu begehen. Abgesehen davon, dass der Initiative niemand ihre pazifistische Einstellung ausreden will, steht sie seitdem völlig alleine da.

Denn wer auch immer diese Anschläge verübt hat, es waren bestimmt nicht Nazis und Bullen. Mit der Gleichsetzung militanter Politik und Nazis/ Bullen hat sich die Initiative isoliert. Darum auch die eigentlich beschämende Nicht-Reaktion nach dem Urteil (Ausnahme Leipzig)

 

Neben der Critical Whitness Sache ist dieser Pazifismus ein weiterer schlechter Ratgeber im Antira Bereich.